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Die nackte Panik: Eine Welle von Overblocking rollt heran

netzpolitik.org - 30. Mai 2024 - 14:19

Das Nippel-Verbot auf Instagram war nur der Anfang. Im Namen des Jugendschutzes filtern Plattformen und Behörden das Internet nach Spuren von Nacktheit. Sogar altersgerechte Aufklärungs-Angebote und anatomische Darstellungen fallen dem neuen Prüdismus zum Opfer – und niemanden scheint das zu kümmern.

Alarm, Alarm, dieses Artikelbild könnte gegen lächerliche Richtlinien verstoßen. – Schild: Pixabay / hpgruessen; Statuen: DALL-E-4 („greek statues posing, full body, bauhaus style reduced minimalist geometric shape“)

Das ist ein Transkript meines Vortrags von der re:publica 2024.

Auf die Idee für diesen Vortrag bin ich gekommen, als ich gemerkt habe: Da gibt es einige Phänomene im Internet, die habe ich bisher für voneinander unabhängig gehalten. Für Ausnahmen oder Absurditäten. Aber eigentlich gehören diese Phänomene zusammen, und sie bilden ein Muster. Sie stehen für eine größere Entwicklung, die unsere Grundrechte im Internet bedroht. Es ist ein Thema, um das sich kaum jemand kümmert. Und das, obwohl Sich-Kümmern ausgerechnet das wäre, womit man das Problem am besten angehen könnte.

Ich werde in diesem Vortrag zuerst eine Auswahl von Phänomenen präsentieren, und dann legen wir sie nebeneinander und schauen uns das Muster an.

Phänomen 1: Regulierte Brüste auf Instagram

Das erste Phänomen ist zugleich das bekannteste. Auf Instagram gibt es umfangreiche Richtlinien zur regelkonformen und regelwidrigen Darstellung weiblich gelesener Brüste. Zum Beispiel sind weiblich gelesene Nippel bis auf wenige Ausnahmen auf Instagram verboten. Erlaubt sind sie zum Beispiel: „im Kontext von Stillen, Geburt, Momenten nach der Geburt oder in einem medizinischen oder gesundheitlichen Kontext“.

Wer außerhalb solcher Ausnahmen Nippel zeigt, die ein Bilderkennungsalgorithmus oder eine menschliche Moderation als weiblich interpretieren, muss mit Konsequenzen rechnen: Posts können gelöscht werden, die Sichtbarkeit des eigenen Accounts eingeschränkt.

Im Jahr 2022 habe ich hierzu mit Kolleg*innen für den Funk-Kanal „So Many Tabs“ einen Sketch gedreht. Er zeigt, wie die Instagram-Nippel-Polizei in ein Zimmer stürmt, in dem Drogen und Waffen herumliegen sowie eine kleine Gummi-Brust. Und die wird natürlich direkt konfisziert. Kann man sich heute noch auf funk.net anschauen.

Gefahr gebannt. - Alle Rechte vorbehalten Funk / So Many Tabs

Instagrams Nippel-Regeln finden viele falsch, schlecht und ungerecht. Zum Beispiel haben bereits 2019 Protestierende vor dem Facebook-Sitz dagegen mobil gemacht. Als Zeichen des Protests haben sie sich Brustwarzen von Männern ausgedruckt. Die waren auf eine Weise zugeschnitten, dass kein Mensch mehr verlässlich ablesen konnte, welche Geschlechtsidentität man ihnen zuordnen sollte.

Auch das Oversight Board von Meta kritisiert die Anti-Nippel-Regeln. Das ist ist ein Aufsichtsgremium, das Meta selbst eingerichtet hat. Es gibt hin und wieder besonnene Empfehlungen ab, die der Konzern dann nicht umsetzt. So hat das Oversight Board vergangenes Jahr zum Nippel-Verbot geschrieben:

Ein solcher Ansatz (…) verlangt von den Moderator*innen, schnelle und subjektive Bewertungen von biologischem und sozialem Geschlecht vorzunehmen, was bei der Moderation von Inhalten in großem Maßstab nicht praktikabel ist.

Ich würde sogar sagen, das ist selbst im kleinen Maßstab nicht praktikabel, aber die Richtung ist klar.

Phänomen 2: Google Safe Search

Dieses Phänomen ist schon deutlich weniger bekannt. Mir ist das vergangenen Herbst zufällig aufgefallen, als ich einen älteren Artikel googeln wollte, um ihn in einem neuen Artikel zu verlinken. Und dann ist der einfach nicht aufgetaucht. Ich dachte mir, das gibt’s doch nicht, habe ich mich vertippt? Hat den jemand offline genommen?

Aber dann habe ich gemerkt: Nein, ich habe mich nicht vertippt. Dieser journalistische Artikel, den ich suche, der ist weiterhin online. Aber Google war plötzlich der Meinung: Ich bin nicht alt genug, um diesen Artikel sehen zu dürfen. Google hat das Suchergebnis ausgeblendet, als würde es gar nicht existieren. Denn in diesem Artikel ging es um Pornos.

Ich habe mir das dann etwas strukturierter angeschaut und für netzpolitik.org aufgeschrieben. Und zu meiner Überraschung habe ich gesehen: Das hat Struktur. Google macht so etwas in größerem Stil. Der Jugendschutz-Filter von Google entfernt – unter anderem – Journalismus über Pornoseiten aus den Suchergebnissen.

Mindestens 20 Nachrichtenseiten waren bei unserem Test betroffen. Darunter zum Beispiel der Bayerische Rundfunk. Die Suchanfrage im Bild bezieht sich auf Berichte zum Thema Mindgeek, das ist der alte Name des Mutterkonzerns von Pornhub. Der Screenshot links zeigt die Google-Ergebnisse mit Safe Search ohne jegliche Treffer. Der Screenshot rechts zeigt die Ergebnisse ohne Safe Search mit Treffern.

Hat der Bayerische Rundfunk wirklich nie über Pornhub-Mutterkonzern Mindgeek berichtet? Doch, hat er. Links: mit Jugendschutz-Filter, rechts: ohne. - Alle Rechte vorbehalten Screenshot: google.com; Montage: netzpolitik.org

Und hier eine kleine Auswahl an Artikeln, die Google ebenso für „zu anstößig“ hält und deshalb einfach mal unterschlagen hatte:

  • „Sexualisierte Gewalt im Netz: Dutzende Frauen verklagen Pornhub“ von der taz.
  • Oder: „Youporn und Pornhub waren gestern – Solche Pornos hast du noch nie gesehen“ vom ZDF.
  • Oder, mein Lieblingsbeispiel: „Junge Union fordert Pornografie-Verbot“ von netzpolitik.org aus dem Jahr 2010 – das fand Google einfach zu anstößig.

Offensichtlich stützt sich Google Safe Search auf bloße Stichworte wie „Porno“ oder „Sex“, und so werden eben auch mal seriöse Inhalte geblockt.

Wenn ihr jetzt denkt: Von diesem Filter habe ich aber noch nie gehört? Das kann sein. „Safe Search“ schaltet sich nämlich manchmal automatisch im Hintergrund ein, wenn Google den Verdacht hat, dass Leute unter 18 sind. Es kann sein, dass man das nicht mitbekommt. Immerhin kann man das, wenn man es denn bemerkt, händisch wieder ausschalten. Reporter ohne Grenzen hat mir hierzu gesagt: „Es muss deutlich sichtbar werden, wenn und dass solche Filter aktiv sind“.

Und der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sagte:

Sicherheitsmaßnahmen müssen da enden, wo sie die Pressefreiheit berühren. Es kann nicht sein, dass kritische Medienberichte über Pornoseiten blockiert werden, sobald sie bestimmte Reizbegriffe enthalten. Da muss Google besser darauf achten, was die eigenen Filter anrichten.

Phänomen 3: YouTubes eingeschränkter Modus

Dieses Beispiel kann ich kürzer halten. Denn es ist keine so große Überraschung mehr, wenn die Plattform YouTube im Namen des Jugendschutzes die Fehler ihrer Schwester-Plattform Google wiederholt. Bemerkt hat das zuerst unsere Bundesfreiwillige Nora Nemitz, als sie bei YouTube unterwegs war, und sie hat das im März für uns aufgeschrieben.

YouTube nennt seine Jugendschutz-Funktion übrigens „eingeschränkten Modus“. Und das trifft es finde ich ganz gut, denn der Modus schränkt beispielsweise die Informations- und Pressefreiheit ein.

Dieser eingeschränkte Modus lässt sich in öffentlichen WLANs aktivieren, zum Beispiel in Schulen, Bibliotheken oder Jugendherbergen. Bei ihrem Test hat meine Kollegin dann festgestellt: Wieder werden Inhalte offenbar aufgrund von Stichworten ohne weitere Transparenz unterschlagen. Der eingeschränkte Modus hielt zum Beispiel manche Ausgaben des queeren Magazins „GoQueer“ für potenziell nicht jugendfrei.

Hier filtert der eingeschränkte Modus öffentlich-rechtliche Doku-Formate: Eines über eine asexuelle Person und eines über eine Frau, die ihr Baby verloren hat. - Alle Rechte vorbehalten Screenshot: youtube.com Phänomen 4: DALL-E

Das meist gehypte KI-Unternehmen aktuell ist OpenAI, das neben ChatGPT auch den Bild-Generator DALL-E betreibt. Eine der großen – und auch berechtigten – Sorgen rund um Bild-Generatoren lautet: Man kann sie nutzen, um illegale, sexualisierte Nacktaufnahmen von Menschen zu erstellen, ohne Einverständnis. Im Versuch, das zu unterbinden, hat sich OpenAI für einen recht plumpen Weg entschieden und mal eben die menschliche Anatomie zum Tabu erklärt.

Hier ein paar Beispiele, wie das in der Praxis aussehen kann. Ausprobiert Mitte Mai, also kurz vor diesem Vortrag, mit dem „Bing Copilot Designer“ von Microsoft. Das ist ein Werkzeug, das auf DALL-E-4 basiert. Zuerst habe ich den Bild-Generator darum gebeten, mir zu zeigen, wie weibliche Anatomie aussieht. Also der Aufbau des menschlichen Körpers, keine sexuelle Darstellung. Das Ergebnis:

Inhaltswarnung! Diese Eingabeaufforderung wurde blockiert (…) Weitere Richtlinienverstöße können zur einer automatischen Sperrung Ihres Zugriffs führen.

Zweiter Versuch: männliche Anatomie. Ist das vielleicht weniger bedenklich? Leider nein. Auch hier hieß es: „Diese Eingabeaufforderung wurde blockiert“.

Anatomie-Alarm. - Screenshot: Microsoft Copilot Designer

Zwischenfrage: Darf man sich überhaupt noch selbst im Spiegel anschauen oder ist das auch schon eine potentiell schädliche Darstellung von Anatomie?

Also auf zum dritten Versuch. Ich dachte mir, vielleicht betrachtet OpenAI sogar Worte wie „männlich“ und „weiblich“ als zu kontrovers. Ich probiere es als noch grundlegender mit dem Befehl: „menschliche Anatomie'“. Und siehe da: Das hat funktioniert. Ohne die Erwähnung eines Geschlechts dürfen bei OpenAI offenbar Bilder von menschlicher Anatomie generiert werden.

Das hier ist gerade noch erlaubt. - Screenshot: Microsoft Copilot Designer

Und zuletzt noch ein vierter Versuch: „weibliche Anatomie, medizinische Darstellung, pädagogisch, Schulbuch“. Also quasi ein Wink mit dem Zaunpfahl, das hier wirklich ganz sicher etwas Unbedenkliches generiert werden soll.

Und das hat tatsächlich geklappt. Immerhin. Entstanden ist dabei diese anatomisch hochgradig aufschlussreiche Darstellung, die auch das aus der Redewendung bekannte „innere Auge“ illustriert.

Sehr lehrreich. - Screenshot: Microsoft Copilot Designer Phänomen 5: JusProg

Wir haben jetzt viel über US-Konzerne gesprochen. Das letzte Beispiel kommt aus Deutschland und hängt auch eng mit deutschem Recht zusammen: JusProg. Das steht für Jugendschutzprogramm. JusProg ist das einzige Jugendschutz-Programm für Websites in Deutschland, das den gesetzlichen Anforderungen gerecht wird und dafür offiziell anerkannt ist. Betrieben und gepflegt wird es von einem gemeinnützigen Verein.

Eltern können JusProg kostenlos auf den Handys und Laptops ihrer Kinder installieren. Aber auch WLAN-Hotspots lassen sich mit JusProg versehen. Das macht das Land Bayern mit dem kostenlosen BayernWLAN. Das heiß: Im BayernWLAN bekommen auch alle Erwachsenen das für Jugendliche gefilterte Internet serviert.

„Sorry.“ - Alle Rechte vorbehalten Screenshot: JusProg für Android

Und auch bei JusProg basieren die Entscheidungen, was gefiltert wird und was nicht, auf Stichwörtern und Phrasen. Es gibt also eine Datenbank mit Websites und ihren Altersstufen, generiert aufgrund von Analysen, welche Worte da drin vorkommen.

Was dabei schiefgehen kann, habe ich im Januar mit Kolleg*innen von BR Data recherchiert. Mit einer Stichprobe haben wir insgesamt 74 Websites zu besonders sensiblen Themen gefunden, die eigentlich für Minderjährige Aufklärung liefern sollten – aber von JusProg gesperrt wurden. Die Websites stammen von gemeinnützigen Organisationen oder haben gar staatliche Finanzierung im Rücken. Also: Sogar mit öffentlichem Geld gezielt für Minderjährige entwickelte Info-Angebote waren geblockt.

Zum Beispiel safer-sexting.de, eine gezielt für Jugendliche entwickelte Infoseite der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen über den einvernehmlichen Austausch von Nacktaufnahmen. Oder Websites für Jugendliche über psychische Gesundheit, Suizidprävention, sexuell übertragbare Krankheiten. Oder, mein liebstes Beispiel: die Website recht-relaxed.de vom Bundesjustizministerium. Ein für junge Menschen äußerst ansprechendes Wortspiel. Denn Kinder und Jugendliche sollten sich dort recht relaxed über das Recht informieren. Seltsamerweise wurde die Seite während unserer Recherche offline genommen.

Immerhin: JusProg ist für Presseanfragen viel besser erreichbar als US-Konzerne. Das Verein hat auf unsere Recherche ausführlich reagiert, und schon kurze Zeit nach der Kontaktaufnahme war ein Großteil der betroffenen Seiten nicht mehr erst „ab 18 Jahren“.

Phänomen 6: Twitch

Auf den letzten Drücker habe ich noch eine Folie zu Twitch in diesen Vortrag eingebaut, weil ich dachte: Twitch ist zu krass, um es unter den Tisch fallen zu lassen. Denn Twitch, die Live-Streaming-Plattform von Amazon, treibt es mit den Regeln rund um Nacktheit besonders weit. Zwei Details aus dem Regelwerk finde ich besonders beachtlich. Dort heißt es zum einen, von mir aus dem Englischen übersetzt:

Wir erlauben es nicht, dass Streamer*innen implizieren oder suggerieren, dass sie vollständig oder teilweise nackt sind, unter anderem, indem sie Brüste oder Genitalien mit Objekten oder schwarzen Balken verdecken.

Das hat zwar eine spezielle Vorgeschichte, die ich hier nicht weiter ausführen möchte. Vielmehr möchte ich den Blick auf die mit der Regel verbundene Umkehr der Beweislast lenken: Nutzer*innen auf Twitch dürfen nicht nur nicht nackt sein. Nein, sie müssen sogar aktiv nachweisen, dass sie ihre Körper ordnungsgemäß verhüllt haben.

Und noch eine Regel finde ich beachtlich:

Wir erlauben keine sichtbaren Umrisse von Genitalien, auch wenn sie bedeckt sind.

Da habe ich es mir nicht nehmen lassen, in meinem Artikel für netzpolitik.org einen gewagten Vergleich zu ziehen.

Twitch-Streamer*innen müssen sich wohl ein Vorbild an Playmobil-Figuren nehmen – bei ihnen zeichnen sich eindeutig keine Genitalien ab. - CC-BY-SA 3.0 Gebora; Museum Rotterdam Das Muster

Aus den dargelegten Beispielen ergibt sich, wie ich finde, ein klares Muster: Da blocken Leute lieber zu viel als zu wenig. Sie nehmen lieber in Kauf, dass jugendfreie, harmlose, und auch relevante Inhalte nicht verfügbar sind. Lieber das, als dass möglicherweise nicht jugendfreie Inhalte durchrutschen. Und das wäre auch eine rationale Denkweise, wenn es nur ein einziges Ziel gäbe: nämlich potentiell schädliche Inhalte zu minimieren.

Aber so einfach ist das nicht. So eine Reduzierung auf ein Ziel, das wird der Realität nicht gerecht. Konkreter wird es den Grundrechten – auch den Grundrechten von Minderjährigen! – nicht gerecht. Denn Kinder und Jugendliche, die haben nicht nur ein Recht darauf, vor Inhalten geschützt zu werden, die ihnen vielleicht schaden können. Sie haben genauso wie ein Erwachsene auch ein Recht auf Teilhabe und Informationsfreiheit und Bildung.

In einem zumindest für mich augenöffnenden Interview hat mir Jessica Euler vom Verein Aktion Kinder- und Jugendschutz aus Brandenburg das hier gesagt:

Das Kind (…) hat das Recht, die eigene Sexualität zu entwickeln und befähigt zu werden, sich selbst gute Informationen zu suchen. (… ) Kinder haben das Recht, sich zu informieren, und die Angebote müssen ihrer Entwicklung angemessen sein.

Technische Maßnahmen wie oben beschrieben werden diesen Grundrechten nicht gerecht. Es wird das grobe Thema eines Inhalts abgeschätzt – zum Beispiel Sexualität. Nicht aber, ob das Thema auf eine altersgerechte, seriöse Weise behandelt wird. Also ob es ein Inhalt ist, den man Minderjährigen auf Informationssuche auf keinen Fall vorenthalten sollte.

Ich habe in den vergangenen Jahren nicht den Eindruck bekommen, dass dieses Problem auf besonderes Interesse stößt, eher im Gegenteil. Die fehlerbehafteten Maßnahmen im Namen des Jugendschutzes breiten sich aus. Filter, Blocklisten, Altersschranken. Teils durch selbst auferlegte Richtlinien von Plattformen, teils durch Gesetze.

Um diese Entwicklung in einem Wort zusammenzufassen, schlage ich vor, ihr einen Namen zu geben: Den neuen Prüdismus. Damit ist eine Entwicklung gemeint, die Nacktheit und Sexualität pauschal mit Gefahr verknüpft und großflächig aus der (digitalen) Öffentlichkeit verbannt.

Dieser Prüdismus ist nicht nur das Ergebnis von gesellschaftlichen Tabus, sondern auch von technischen Scheinlösungen. Weder Instagram noch Google oder YouTube noch JusProg wollen gerne an die große Glocke hängen, inwiefern ihr Overblocking im Namen des Jugendschutzes systematisch Grundrechte einschränkt.

Fälle von versehentlich blockierten Inhalten werden eher als Ausnahmen geframed, die eben passieren, weil kein technisches System perfekt ist. Ich halte diese Darstellung aber für irreführend, denn die automatisierte Einordnung von Inhalten als „unbedenklich“ oder „schädlich“, die ist strukturell fehlerbehaftet. Maschinen können so etwas nicht. Das sind keine Ausnahmen, sondern inhärente Fehler, die nicht ausreichend transparent gemacht und abgewogen werden.

Algospeak: Hat hier jemand Seggs gesagt?

Und die Betroffenen? Wursteln lieber um das Problem herum, als dagegen zu kämpfen. Ein eindrückliches Symptom dafür ist meiner Meinung nach Algospeak. So nennt man es, wenn Menschen aus Sorge vor algorithmischer Abstrafung darauf verzichten, bestimmte Worte auszusprechen. Zum Beispiel auf TikTok, YouTube, Instagram.

Sie schreiben etwa „Sex“ mit doppel „gg“ statt mit „x“. Oder sie verändern das ausgesprochene Wort „Sex“ im Video-Schnitt, sodass ein Vokal fehlt. Ich versuch das mal kurz vorzumachen:

S–x.

Alles, um nicht einem maschinellen, Stichwort-basierten Filter zum Opfer zu fallen. Sogar öffentlich-rechtliche Angebote machen das. Und sie machen das natürlich nicht, um heimlich nicht-jugendfreie Inhalte an einem Filter vorbeizuschmuggeln. Algospeak passiert aus Resignation. Weil Menschen sagen: Bevor ich irrtümlich im Filter lande und das niemand korrigiert, da mache ich lieber Abstriche in der Freiheit meiner Rede. Ich finde: Das kann doch nicht wahr sein. Filter dürfen nicht bewirken, dass Menschen glauben, sie können Wörter wie „Sex“ nicht mehr frei aussprechen.

Mehr kümmern statt weniger

Ich fordere nicht, dass man sich weniger kümmert oder gar nichts mehr täte, um Minderjährigen im Netz Schutz zu geben. Im Gegenteil, ich fordere, dass man sich mehr kümmert.

Blockaden und Filter im Internet sind kein Übermaß an Fürsorge, sondern ein Mangel an Fürsorge. Algorithmen, KIs und Filter sind billige, fehlerhafte, technische Scheinlösungen, die vielleicht Aufsichtsbehörden und Gesetzgeber zufrieden stimmen. Vielleicht Eltern, die nur die wohl formulierte Funktionsbeschreibung lesen. Vielleicht Investor*innen, die von einer Firma hören wollen, dass sie sich schon gut drum kümmert. Aber bestimmt nicht die Kinder und Jugendlichen, um die es eigentlich geht.

Was braucht es stattdessen? Na ja, zuerst, wenn man denn unbedingt technische Lösungen ausprobieren will, dann sollten sie auf keinen Fall heimlich im Hintergrund agieren. Sie müssen einfach und verständlich transparent machen, was warum geblockt wurde. Und auf jeden Fall müssen sie niedrigschwellige Gelegenheit bieten, dass alle Nutzer*innen sich jederzeit beschweren können und sagen: Hey, hier läuft was falsch.

Wie Alterskontrollen das Internet umkrempeln sollen

Darüber hinaus braucht es aber mehr. Und das ist noch wichtiger. Menschliche Fürsorge. Algorithmen, KIs und Filter können das Internet nicht sicher machen. Auf Seiten der Plattformen braucht es sehr viele Menschen, mit fairem Gehalt und professioneller psychologischer Begleitung, die sorgfältig Inhalte moderieren und Meldungen bearbeiten. Und es braucht auf der anderen Seite Zeit und Energie und Medienkompetenz von Eltern und Aufsichtspersonen. Um Jugendliche zu rüsten, für den eigenen Umgang mit Sexualität und Nacktheit… und allem anderen im Internet.

In diese Richtung passiert wenig. Stattdessen greift dieser neue Prüdismus um sich. Und in der EU arbeitet man unter anderem gerade daran, möglichst viele Bereiche des Internets hinter Ausweisschranken zu stellen. Also Schranken für ein Internet, das wir aktuell noch – mehr oder weniger – als offen zugänglichen Raum kennen.

Was es zuerst braucht, ist Sichtbarkeit für die Gefahren durch diesen Prüdismus. Für die vielfältig bedrohten Grundrechte – auch von Kindern und Jugendlichen. Ich befürchte bloß: Bevor es besser werden kann, wird es… erst mal schlechter.

Diesen Eindruck bekomme ich jedenfalls, wenn ich im Internet unterwegs bin und zum Beispiel so etwas hier erlebe: Ich möchte, dass mir DALL-E ein Bild generiert. Der Prompt: „Zwei erwachsene Menschen geben sich einen sanften, einvernehmlichen Kuss“. Im Fernsehen könnte man das ohne Altersbeschränkung senden. Doch die Antwort lautet:

„Diese Eingabeaufforderung wurde blockiert.“

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Endlich! Eine gemeinsame Aktion deutscher Musiker: Konzert „Wir für den Frieden“ im August in Suhl (Thüringen)

In Zeiten wie diesen, in denen Opportunismus, Feigheit, Wegducken und Mitläuferei auf allen Ebenen zum Geschäft gehören und dies alles eben auch im Kultur-, Kunst- und Musikgeschäft geschieht, erscheint es umso erfreulicher und ermutigend, dass Musiker aus diesem unserem Land gemeinsam (!) aufbegehren. Ich empfinde das wie einen Aufbruch, ich habe so eine Aktion schon lange erhofft. Diese kann aber lediglich ein Auftakt sein, ein Weckruf: Im August steigt in Suhl (Thüringen) ein Konzert, ein Abend mit vielen Musikern, deutschen Künstlern, die – endlich, möchte ich sagen – ihre durchaus gewichtige Stimme erheben: für den Frieden! Schluss mit dem Rüstungswahn und dem Schreien nach Krieg! Ein Kommentar von Frank Blenz.

„Wir für den Frieden“

Der Platz der Deutschen Einheit in Suhl (Thüringen) wird am 18. August 2024 zu einem Ort des Protests, des Einstehens für Frieden und Verständigung, hier und weltweit, der in einem vielfältigen Konzertabend Ausdruck findet. Der Konzertreigen trägt den Titel „Wir für den Frieden“. „Wir“ – das sind zahlreiche Künstler, bekannte und nicht ganz so bekannte Bürger unseres Landes. Auftreten werden in der Stadt des Friedens (so nennen die Einwohner selbst ihre Heimat) unter anderem Purple Schulz, Gerhard Schöne, Tino Eisbrenner, Wenzel, Sarah Lesch, Krumbiegel (Prinzen). Interessant ist, dass durchaus politisch unterschiedlich positionierte Akteure den Dialog suchen und gemeinsam auf der Bühne stehen. Handzettel und Plakate sind gedruckt, erste Medien berichten, zahlreiche Besucher werden erwartet. Das Musikfest „Wir für den Frieden“ erinnert mich an eine Zeit vor 40 Jahren …

In Ost und West: Künstler gegen den Kalten Krieg

1984 und schon Jahre zuvor (besonders 1981) gingen viele Menschen in Ost und West im damals geteilten Deutschland auf die Straße, um gegen die Eskalation des fortwährenden, sogenannten Kalten Krieges, gegen die schier nicht zu bändigende Aufrüstung und gegen einen drohenden großen Krieg aufzubegehren und stattdessen für Abrüstung, für Frieden einzustehen.

Damals, das ist also schon 40 Jahre her, engagierten sich auch künstlerisch tätige Menschen, unbekannte wie berühmte Musiker in diesem Sinn. Etliche Konzerte wurden organisiert, Künstler schufen vielfältige Werke, Solisten und Bands sangen bewegende Friedenslieder. Im Osten Deutschlands, in der damaligen DDR, gab es eine politische Bewegung zahlreicher Bands, verbunden mit Plattenproduktionen, Konzertreihen, TV-Auftritten und, und, und.

Ich erinnere mich an mein eigenes musikalisches Wirken in dieser Zeit. Als ganz junger Bursche schrieb ich schon Lieder – und eben auch eines für den Frieden. Ich weiß noch, wie ich in meiner ostdeutschen Heimatstadt Plauen (Vogtland) zum wichtigsten Volksfest, dem Plauener Spitzenfest, im legendären Parktheater auf der Freilichtbühne stand. Vor 3.000 Besuchern sang ich dieses Lied solo zur Gitarre: „Wir brauchen Frieden“.

Ich erinnere mich auch daran, dass im geteilten Land eine bedrückende Atmosphäre und doch Aufbruchstimmung und Wut herrschten. Man bedenke, die Menschen in Ost und West begehrten gegen die seinerzeitige NATO-Hochrüstung, gegen den NATO-Doppelbeschluss und gegen eine schier unglaubliche Waffe auf: die Neutronenbombe. Man stelle sich vor, 1981 kamen mehr als 300.000 Menschen in Bonn zusammen, um gegen den NATO-Doppelbeschluss zu protestieren, der Protest und Demonstrationen fanden auch die folgenden Jahre statt.

Nebenbei: Es half alles nichts, die politische Klasse und die an Rüstung Interessierten setzten ihr Vorhaben durch. 1983 stimmte der Deutsche Bundestag dem Beschluss zu.

Und 2024? Man könnte meinen, der Schrei der Menschen nach Frieden und Verständigung damals war dennoch nicht vergebens. Der Eiserne Vorhang fiel, alte Feindbilder waren nicht mehr tauglich. Trotzdem werden jetzt wieder statt friedliche Zeiten kriegerische heraufbeschworen. Es ist so sinnlos. Wo bleibt der Widerstand dagegen? Schaut man sich um, herrscht bei allen Einzelaktionen, bei durchaus engagierten Friedensbemühungen im Land viel mehr und deutlicher eine verdächtige, eine beschämende Art von Stille, als Folge einer Lähmung politischer Wachheit, politischer Unbequemlichkeit, des Betäubens auch künstlerischer Unbequemlichkeit.

Zig berühmte Bands, Solisten, berühmte Persönlichkeiten fallen – mein Eindruck – nicht dadurch auf, dass sie beeindruckende Songs für Frieden und gegen Krieg und so weiter schreiben, ins Mikro schreien, dass die Waffen schweigen sollen. Manche berühmte Künstler stimmen sogar in den Chor nach Rüstung, Abschreckung, Kante zeigen ein. Und ja, wohl wahr, es gibt Ausnahmen in der Masse der Angepassten, unbequeme, wichtige Künstler. Vor ihnen ziehe ich den Hut. Diese Ausnahme muss endlich zur Regel werden. Wacht auf!

Ich runzle die Stirn und frage mich: Wo sind die Rockbands, wo finden die zahlreichen Festivals und Auftritte statt, wo hinausgesungen wird: „Nein zum Krieg, nein zu dem ganzen Wahnsinn!“ Um so mehr Hoffnung weckt bei mir die im Sommer stattfindende Aktion von Musikern: Wir für den Frieden, ein Friedenskonzert in Suhl. Endlich! Schaut auf diese Stadt! Bitte mehr davon! Ich will hoffen, dass in Zukunft mehr und mehr Informationen zu lesen sind: Friedenskonzert da, Protestaktion dort.

Singt endlich Lieder! Schreibt Eure Empörung auf! Schluss mit der Stille!

Man kann nicht der Lieder genug, leise wie eindringlich, laut und unüberhörbar in die breite Öffentlichkeit singen – so bedrohlich liegt vor uns die Situation unserer, ja, zerbrechenden Gesellschaft, die Dreistigkeit des Missbrauchs unser aller Kompetenzen und Ressourcen, nur um das Land auf allen Ebenen zu militarisieren, aufzurüsten, als kenne man kein Morgen, um dazu seitens der Verantwortlichen (und Nutznießer der Rüstung, ja, das ist ein Riesengeschäft) auch noch zu behaupten, alles geschähe nur für uns, zu unserem Wohl usw. Welch Heuchelei. Von wegen.

Wir leben ganz konkret nicht in friedlichen Zeiten, uns fliegt sinnübertragend der ganze Laden, der zwar noch steht, um die Ohren. In anderen Ländern brennt es derweil schon lichterloh, die Länder in Kriegen werden geschäftstüchtig von Deutschland mit Qualitätsprodukten aus deutschen Waffenschmieden versorgt und mit Diplomatie à la ‚Frieden durch Waffen‘ von geschickt sich Vermittler nennenden Politikern verhöhnt. Die beschämend folgenden Medien machen bei dem unsäglichen Spiel mit, Meldungen über Vernichtung und Vertreibung werden präsentiert, als wäre das alles gar nicht so schlimm.

Aus der Stadt des Friedens Suhl kommen wichtige, richtige Forderungen

Apropos Medien. Beim Durchforsten von Printmedien, von Internetseiten, von Veröffentlichungen über die Stadt Suhl stieß ich auf eine Seite namens „Rüstungskonversion Thüringen“. Auf dieser findet sich ein Forderungskatalog, der eine glasklare, einfache, eindringliche, kluge Zusammenfassung ist. Sicher werden die in Suhl auftretenden Künstler diese unterschreiben können.

  • Waffenstillstand und Deeskalation in allen weltweiten Konflikten! Glaubwürdige diplomatische Initiativen und einen Stopp aller Waffenlieferungen!
  • Globale Zusammenarbeit für eine nachhaltige Lösung der Klima- und Ernährungskrisen!
  • Schluss mit der Aufrüstung! 100 Milliarden für Klima, Gesundheit, Wohnen und Bildung!
  • Strukturelle, finanzielle und personelle Stärkung von ziviler Konfliktforschung und lokaler Friedensarbeit im In- und Ausland!
  • Beitritt Deutschlands zum UN-Atomwaffen-Verbotsvertrag!
  • Rückkehr zum Völkerrecht und zur Achtung der Menschenrechte – auf allen Seiten!
  • Fluchtursachen bekämpfen und sichere Fluchtwege ermöglichen! Schluss mit der mörderischen Abschottung Europas!
  • Asyl und Schutz für verfolgte Oppositionelle und alle Kriegsdienstverweigerer!

Titelbild: Africanstar/shutterstock.com

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Der „Scheinwohner“: Die Spiegel-Kampagne gegen Petr Bystron wird immer lächerlicher

Nachdem bereits die letzte Kampagne gegen den AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron fürchterlich nach hinten losging, blamiert sich das frühere Nachrichtenmagazin “Spiegel” nun mit einem Vorwurf, der an Absurdität kaum zu überbieten ist. „Bystrons Goldbarren: Ist es das Nazigold?“ oder „Bernsteinzimmer bei Bystron gefunden!“ – mit solchen Zeilen quittierte das Netz absurde Vorwürfe, in Petr Bystrons Berliner […]

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Online-Werbung: Ursula von der Leyen bricht eigene Transparenzregeln

netzpolitik.org - 30. Mai 2024 - 13:44

Der Schutz vor Manipulation und Desinformation im Netz war einer der Schwerpunkte der scheidenden EU-Kommission. Doch ausgerechnet Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat nun verschleiert, hinter einer Online-Kampagne zu stecken.

In Sonntagsreden verspricht Ursula von der Leyen mehr Schutz vor verdeckten Wahlkampagnen, hat aber selbst intransparente Anzeigen schalten lassen. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Political-Moments

Ursula von der Leyen hat verschleiert, hinter einer politischen Online-Werbekampagne zu stecken. Rund 70.000 Euro haben die EU-Kommissionspräsidentin und ihre politische Gruppe, die konservative Europäische Volkspartei (EVP), für insgesamt 17 Anzeigen ausgegeben, berichtet Politico. Statt den eigentlichen Absendern wurde im Transparenzregister von Google jedoch die französische Agentur MCC AdQuality als dafür verantwortlich ausgewiesen.

Ab Mitte März wurden die Botschaften über das Werbenetzwerk von Google europaweit ausgespielt und sollen millionenfach angesehen worden sein, schreibt Politico. In den Spots bewarb von der Leyen ihre Führungsqualitäten und ihren Einsatz für das europäische Projekt, rechtzeitig vor den nächste Woche anstehenden EU-Parlamentswahlen. Für einen Sitz im Parlament bewirbt sich von der Leyen zwar nicht, die deutsche EU-Politikerin ist jedoch EVP-Spitzenkandidatin für den Posten der Kommissionspräsidentin. Abhängig vom Wahlergebnis will sie das Amt weiter ausüben, sie ist aber auch auf den guten Willen der EU-Regierungschefs angewiesen.

Verstoß gegen Regeln

Die verschleierte Urheberschaft der Werbekampagne spießt sich mit gleich zwei Verpflichtungen: Zum einen hat die EVP einen Verhaltenscodex für die Parlamentswahlen unterschrieben, mit dem sie sich zu „ethischen und fairen Wahlkampfpraktiken verpflichtet“. Dazu zählt etwa, „keine politischen Anzeigen zu schalten, die von nicht deklarierten Quellen gesponsert werden, oder anderweitig Vermittler zu beauftragen, Wahlkampfbotschaften ohne entsprechende Kennzeichnung zu platzieren.“

Zum anderen hat die EU jüngst neue Regeln für politische Werbung verabschiedet, die allerdingst erst nach der Wahl in Kraft treten. Die Vorgaben zielen vor allem darauf ab, mehr Transparenz im Bereich von Online-Werbung zu schaffen. Um verdeckte Einflussnahme und Manipulation einzudämmen, soll unter anderem klar ersichtlich sein, wer die Anzeigen finanziert hat.

Gegenüber Politico bestätigte EVP-Generalsekretär Thanasis Bakolas, dass MCC AdQuality im Auftrag der Partei gehandelt und die Anzeigen geschaltet zu haben. Inzwischen sollen die Anzeigen in Googles Transparenzregister unter dem Banner der EVP auftauchen, schreibt Politico. Google untersuche derzeit noch, ob die EVP gegen die Transparenzvorgaben des Konzerns verstoßen habe, heißt es.

Mit Transparenz auf Kriegsfuß

Es ist nicht das erste Mal, dass die EU-Kommission und von der Leyen es mit der Transparenz nicht so ernst meinen. So soll die Kommissionschefin über Smartphone-Nachrichten einen milliardenschweren Corona-Impfstoff-Deal mit dem Pharmaunternehmen Pfizer ausgehandelt haben. Wie genau diese Verhandlungen abgelaufen sind, bleibt jedoch öffentlich unbekannt. Bislang verweigert die Kommission Antworten auf Informationsfreiheitsanfragen, trotz einer Rüge der EU-Ombudsfrau.

Zudem enthüllte im Vorjahr eine gemeinsame Medienrecherche, dass sich die Kommission selbst einen weiten Handlungsspielraum dabei einräumt, welche Dokumente sie im Dokumentenverwaltungssystem Ares oder anderen Kommissionsarchiven ablegt. Das macht es der Brüsseler Behörde etwa möglich, massenhaft E-Mails zu löschen und damit systematisch die öffentliche Kontrolle ihrer Arbeit zu behindern.

Löchrige Regelwerke

Schon nach der Verabschiedung der EU-Verordnung für politische Online-Werbung hatten Analysen festgestellt, dass weiterhin Schlupflöcher für potenzielle Manipulation offenstehen. Mit Nachdruck hatte zudem erst vor wenigen Tagen ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis an die EU-Kommission sowie an Google, den größten Online-Werbeanbieter, appelliert. So genüge Googles Transparenzregister den Vorgaben des neuen Digital Services Acts nur ungenügend, heißt es in einem offenen Brief der Nichtregierungsorganisationen. Das Register versage dabei, tatsächlich sämtliche politische Werbung abzubilden, die über den Anbieter geschaltet wurde.

Dabei hatte sich die EU-Kommission und insbesondere von der Leyen mehr Transparenz auf die Fahnen geschrieben. Im April hatte die Kommission ein Verfahren gegen Meta eingeleitet, weil sie mutmaßliche Verstöße gegen den DSA und „irreführende Werbung und politische Inhalte“ auf den Diensten des Unternehmens vermutete. Damals erklärte Ursula von der Leyen noch, den Schutz demokratischer Wahlen hochzuhalten: „Große digitale Plattformen müssen ihrer Verpflichtung nachkommen, dafür ausreichende Ressourcen einzusetzen, und die heutige Entscheidung zeigt, dass wir es mit der Einhaltung von Vorschriften ernst nehmen“, sagte von der Leyen.

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FSB arrests four people plotting terror attacks on Crimea

SANA - Syrian Arab News Agency - 30. Mai 2024 - 13:37

Moscow, SANA-Russia’s Federal Security Service (FBS) has arrested 4 residents of Crimea who plotted terrorist attacks on the peninsula’s railways.

“a series of sabotage and terrorist acts at railway transport facilities in the Republic of Crimea plotted by Ukrainian intelligence agencies has been thwarted, FBS press office said in a statement published by TASS on Thursday.

The statement added that “in order to carry out terrorist attacks, the Ukrainian Defense Ministry’s Main Intelligence Department has picked and recruited five residents of the Republic of Crimea who were supporters of the Kiev regime, this group was headed by a Russian citizen born in 1970 who sustained fatal wounds upon the detonation of an improvised explosive when it was retrieved from an arms cache, while the other members of the subversive group were arrested.

Fedaa al-Rahai

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Mikdad stresses on uplifting cooperation level between china and Arab countries through opening New prospects

SANA - Syrian Arab News Agency - 30. Mai 2024 - 13:19

Beijing, SANA- Foreign Affairs and Expatriates Minister, Dr. Fayssal Mikdad and the accompanying delegation participated Thursday in the 10th session of China-Arab States Cooperation Forum held in Beijing.

In his speech, Minister Mikdad underlined that choosing cooperation as a base to boosting Chinese-Arab relations opens great prospects between our countries, noting that President Bashar al-Assad’s important visit to China several months ago was an opportunity to bolstering relations between the two countries in all fields.

Mikdad noted that political and economic partnership between Arab countries and China seeks to improve living conditions and uplift the level of development, underscoring the need to boost cooperation on the basis of respect and friendship.

Minister Mikdad asserted that addressing crises and confronting common challenges is the only way to achieve political and economic stability.

He touched on the terrorist war that Syria has been exposed to and the Syrian people standing with their leadership, indicating that this terrorist campaign did not affect the Syrian sovereignty and territorial integrity at all.

He went on saying that Syria has stood against policies of intervention, since they escalated tension among Arab countries, adding that the Zionist entity is acting terrorism policy against Arab people in Palestine and occupied Syrian Golan.

Mikdad hailed China’s stances in support of Arab countries, asserting Syria’s appreciation for the initiatives presented by President Xi Jinping over recent years.

He noted that Syria has stressed on Chinese territorial integrity as it is considered a superpower and a responsible member of Security Council, underscoring the necessity of opening new horizons that uplift cooperation level between Arab countries and China.

Rafah al-Allouni/ latifa-moammar

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Foreign Ministry: Western countries’ repetition of negative stances before Brussels conference stresses their wrong policies

SANA - Syrian Arab News Agency - 30. Mai 2024 - 13:11

Damascus, SANA-Syria said that some well-known Western countries are repeating their negative stances before the so-called the 8th conference in Brussels to “support the future of Syria and the region,” which affirms the continuation of their wrong policies that they have been following towards Syria for more than ten years now, based on their fabricated narratives and their malicious intentions.

“Stances of those countries aim to divert attention from the real causes of the suffering of Syrians, which are represented by their support for terrorist organizations, including those put on the Security Council’s lists, facilitating the plunder of national resources, imposing unilateral and inhumane coercive measures on the Syrian people,” Foreign and Expatriates Ministry said in a statement on Thursday.

Foreign ministry added that contrary to the unacceptable approach adopted by the conference organizers, the objective positions expressed by some countries during the conference demonstrated the need to follow a different approach based on supporting efforts to boost the early recovery projects and livelihoods, and supporting resilience in a way that contributes to improving the humanitarian and living situation, and allows a decent return of Syrian refugees to their home.

The statement said that Syria stresses the importance of financing the United Nations’ humanitarian response plan, far from any political considerations or narrow agendas promoted by Western countries.

Mazen Eyon

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The War Is Widening Into Armageddon

The War Is Widening Into Armageddon

Paul Craig Roberts

Every provocation action the West said it would not do it has done. The false denials have kept alive Putin’s hope that the conflict can be restricted to Donbas. But the attack on Russia’s warning system has brought Putin closer to reality.

The situation is dire and all the Idiot West does is to provoke it further. It is of the greatest urgency that the Biden Regime stand down and immediately sit down with Putin and resolve the conflict.

Kennedy and Khrushchev resolved the Cuban Missile Crisis. Putin has made it clear that he wants to resolve the Ukraine matter that the West has pushed into crisis. Why doesn’t Washington want to resolve a dangerous crisis? Why is no-one but me asking this question?

The West Summons a Propaganda “Peace Conference”
https://www.unz.com/mwhitney/ukraine-will-return-to-neutrality-or-face-partition-or-annihilation/

Ukrainian attacks on Russian nuclear radars unnerving US
The Washington Post pretends the US is not behind the attacks.
https://www.rt.com/news/598458-icbm-radar-us-concerns/

German leader U-turns on allowing Kiev strike inside Russia
https://www.rt.com/news/598456-scholz-policy-change-ukraine-strikes-russia/

RUSSIA HAS MOVED ELEVEN NUCLEAR SUBMARINES INTO THE ATLANTIC OCEAN
The Idiot Western World Is Bringing Armageddon to Humanity
https://halturnerradioshow.com/index.php/news-selections/world-news/bulletin-russia-has-moved-eleven-nuclear-submarines-into-the-atlantic-ocean

Hiding Behind Puppet Kiev, NATO Trying to Inflict Strategic Defeat on Russia
https://www.globalresearch.ca/kiev-nato-trying-inflict-strategic-defeat-russia/5858372

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Haftstrafen gegen HDP-Vorstand im Schweizer Nationalrat eingebracht

Initiativen aus der Schweiz haben die drakonischen Haftstrafen gegen die ehemaligen HDP-Vorsitzenden Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş und 22 weitere Politikerinnen und Politiker im sogenannten Kobanê-Verfahren in Ankara kritisiert und Außenminister Ignacio Cassis zum Handeln aufgefordert. Die Initiativen Brückenschlag Zürich-Amed, Städtepartnerschaft Basel-Wan), Solidaritätsgruppe Syrien/Kurdistan und Plattform für Frieden und Demokratie fordern von der Regierung der Schweiz, die politischen Strafen in der Türkei zu verurteilen und sich für die Freilassung der inhaftierten Politikerinnen und Politiker einzusetzen.

Die Nationalrätin Claudia Friedl (SP) hat Thema aufgegriffen und am Mittwoch im Nationalrat nachgefragt, warum die Schweiz nicht gegen die Urteile protestiert hat und ob der Bundesrat bereit ist, sich für die Freilassung der Gefangenen einzusetzen. Die sozialdemokratische Abgeordnete wies in dem Fragetext darauf hin, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Verhaftungen als politisch motiviert einstuft und mehrmals die Freilassung der HDP-Abgeordneten gefordert hat. Eine Antwort steht noch aus.

Hintergrund des Kobanê-Verfahrens

In dem seit April 2021 andauernden Kobanê-Verfahren wurden 108 Persönlichkeiten aus Politik, Zivilgesellschaft und der kurdischen Befreiungsbewegung angeklagt, die im Zusammenhang mit den Protesten während des IS-Angriffs auf Kobanê im Oktober 2014 terroristischer Straftaten und des Mordes in dutzenden Fällen beschuldigt werden.

Am 16. Mai ergingen die Urteile für 36 Angeklagte. 24 von ihnen wurden zu Haftstrafen von insgesamt 407 Jahren verurteilt. Gegen die übrigen Angeklagten wurde das Verfahren abgetrennt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Auslöser des Verfahrens war ein Beitrag des HDP-Exekutivrats im Kurznachrichtendienst Twitter, der während einer Dringlichkeitssitzung verfasst worden war und neben Solidarität mit der von der Terrormiliz „Islamischer Staat” (IS) eingekesselten Stadt in Rojava auch zu einem unbefristeten Protest gegen die türkische Regierung aufrief, da diese ihre Unterstützung für den IS nicht beendete: „In Kobanê ist die Lage äußerst kritisch. Wir rufen unsere Völker dazu auf, auf die Straße zu gehen und diejenigen zu unterstützen, die bereits auf der Straße sind, um gegen die Angriffe des IS und gegen das Embargo der AKP-Regierung zu protestieren.”

Dutzende Tote, hunderte Verletzte

Im Zuge dessen kam es in vielen Städten zu regelrechten Straßenschlachten zwischen Sicherheitskräften sowie paramilitärischen Verbänden wie Dorfschützern und Anhängern der islamistischen türkisch-kurdischen Hisbollah (Hizbullah) und den Demonstrierenden. Die Zahl der dabei getöteten Menschen, bei denen es sich größtenteils um Teilnehmende des Aufstands handelte, schwankt zwischen 46 (IHD) und 53. Die Regierung spricht lediglich von 37 Toten. Viele von ihnen wurden durch Schüsse der Sicherheitskräfte getötet. Laut einem Bericht des Menschenrechtsvereins IHD wurden 682 Menschen bei den Protesten verletzt. Mindestens 323 Personen wurden verhaftet. Im Verlauf des Aufstands kam es zudem zu Brandanschlägen auf Geschäfte sowie öffentliche Einrichtungen. Die Regierung und Justiz legt alle Taten dem damaligen HDP-Vorstand und der Partei als Ganzes zur Last.

EGMR wertet Aufruf als politische Rede

Die Generalstaatsanwaltschaft Ankara legt den Twitter-Beitrag der HDP-Zentrale als Aufruf zu Gewalt aus. Laut Auffassung der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) liegen für diese Annahme aber keine Beweise vor. Im Dezember 2022 stellte das Straßburger Gericht im Fall Selahattin Demirtaş vs. Türkei fest, dass sich der Eintrag „innerhalb der Grenzen der politischen Rede” bewegte. Insofern könne der Tweet nicht als Aufruf zur Gewalt ausgelegt werden, urteilte die Kammer und forderte die sofortige Freilassung des ehemaligen Ko-Vorsitzenden der HDP. Das Ministerkomitee des Europarates hat zuletzt im März die Freilassung der ehemaligen HDP-Abgeordneten gefordert. Die Türkei ignoriert diese Entscheidungen.

https://anfdeutsch.com/aktuelles/exilpolitiker-innen-fordern-freilassung-von-hdp-abgeordneten-42307 https://anfdeutsch.com/aktuelles/grune-wien-turkische-willkurjustiz-darf-nicht-geduldet-werden-42226 https://anfdeutsch.com/aktuelles/kpO-verurteilt-polit-justiz-in-der-turkei-42225 https://anfdeutsch.com/aktuelles/wiener-gemeinderat-steht-an-der-seite-der-demokratischen-opposition-42302 https://anfdeutsch.com/aktuelles/erdogan-bugelt-kritik-an-urteil-im-kobane-verfahren-ab-42269 https://anfdeutsch.com/aktuelles/dem-vorsitzende-besuchen-figen-yuksekdag-und-selahattin-demirtas-42273 https://anfdeutsch.com/aktuelles/fortsetzung-der-justizfarce-kobane-verfahren-2-0-42347

 

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Armageddon is Closing in on us

Armageddon is Closing in on us

Paul Craig Roberts

Foreign Minister Sergey Lavrov’s remarks at the 32nd Assembly of the Council for Foreign and Defence Policy, Moscow, May 18, 2024

https://www.mid.ru/en/foreign_policy/international_safety/disarmament/1951435/

Lavrov’s speech indicates that after 20 years of rebuffs the Russian government is gradually realizing that their “Western partners” are in fact determined enemies. Sooner or later Lavrov and Putin will comprehend that arrayed against Russia is Satanic Evil that cannot be negotiated with.

Putin and Lavrov have tried to deal with evil diplomatically. Even after the entire West cold-shouldered the Russian government’s efforts during December 2021 and January 2022 to arrive at a mutual defense treaty, the Russian government still misunderstood its adversary and with the slow paced limited intervention in Ukraine carelessly conveyed to Washington the means to widen the conflict.

By all indications, the conflict is now wide open. If Putin fails to decisively win the war before Western Ukraine fills with NATO soldiers, Putin’s options will be surrender or nuclear war.

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The West Has Placed the Survival of the World in the Hands of Three Artificial States

The West Has Placed the Survival of the World in the Hands of Three Artificial States

Paul Craig Roberts

All of the trouble in the world revolves around three artificial states: Ukraine, Taiwan, and Israel.

Ukraine was part of Russia for longer than the United States has existed. It was first created as an independent country in the early 1990s by Washington following the Soviet government’s collapse and replacement of the Communist Party rule’s with Yeltsin’s, a puppet of Washington. Ukraine is thus an artificial country merely 30 years old, having never previously existed as an independent country.

Taiwan is a small island off the China coast, a part of China inhabited by Chinese people. Washington tried to pretend that a small island was China and had Taiwan setting on the UN Security Council. But President Nixon knew better. He supported the removal of Taiwan and its replacement with the Chinese mainland. Nixon originated the one-China policy that was US policy until the Biden Regime.

Israel was a creation of the stupid and corrupt British government, or perhaps more correctly of the fanatic Zionists who drove countless undefended Palestinians from their towns and villages. Generations of Palestinians have been born in refuge camps located in Jordan and Lebanon.

The genocide of Palestine as a people and a country has been ongoing since 1947, and nothing has been done about it. Israel has gotten away with it by using the Holocaust card to gain sympathy for its victim status and by paying Western politicians with campaign contributions to support its agenda.

Now consider the fact that these three totally artificial countries totally lacking in any reality are each capable of unleashing nuclear Armageddon. Ukraine can do it by continuing to use Western-supplied long range missiles to attack Russia’s early warning system.

Taiwan can do it by accepting occupation by US soldiers and more shipments of US missiles.

Israel can do it by getting the bought-and-paid-for-Biden regime to OK Israel’s attack on Iran.

The question I now propose to you is: If in fact the US is a superpower, and if the West as a whole constitutes a mega-super power, how it is possible for three artificial states to have control of the West’s future?

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Meeting with families awarded the Orders of Parental Glory and Mother Heroine

PRESIDENT OF RUSSIA - 30. Mai 2024 - 12:50

Ahead of International Children’s Day, Vladimir Putin met with parents decorated with the Order of Parental Glory, holders of the Mother Heroine honorary title, and members of their families.

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Darf die Krankenkasse eine Reha aufdrücken um das Krankengeld zu verkürzen?

Lesedauer 2 Minuten

Krankenkassen sind verpflichtet, bis zu 78 Wochen Krankengeld zu zahlen, wenn Versicherte chronisch krank sind. Das machen Versicherungen ungern, da es für sie hohe Kosten bedeutet. Die Mitarbeiter kennen Tricks und Strategien, Betroffenen den Bezug von Krankengeld auszureden, und auch legale Mittel, um zu prüfen, ob sie Krankengeld zahlen müssen.

Betroffene zu zwingen, eine Reha zu absolvieren, ist ein Recht der Versicherung, dem Sie sich nicht entziehen können.

Die Verpflichtung zur Reha

Die Krankenversicherung kann Sie während des Bezugs des Krankengeldes, dazu auffordern, eine Reha zu beantragen.

Zwei Ergebnisse der Reha können dazu führen, dass die Krankenkasse das Geld für ihr Krankengeld spart: Erstens könnte die Reha so erfolgreich sein, dass Sie wider arbeiten können und kein Krankengeld mehr beziehen müssen. Zweitens könnte die Reha ergeben, dass Sie dauerhaft erwerbsgemindert sind.

Dann würden Sie eine Erwerbsminderungsrente beantragen / beziehen statt Krankengeld.

Verdacht der Erwerbsminderung

Die Krankenversicherung wird Sie vermutlich dann dazu auffordern, eine Reha zu beantragen, wenn der Verdacht besteht, dass Sie nicht mehr erwerbsfähig sind, und damit ein Fall für die Rentenversicherung und nicht für die Krankenkasse.

Diesen Antrag zu einer Reha müssen Sie selbst stellen, und zwar bei der Rentenversicherung, verbunden mit einem Antrag auf Übergangsgeld. Sie können sich die jeweilige Klinik auswählen.

Wenn Sie Post von der Krankenkasse mit der Aufforderung zur Reha erhalten, dann haben Sie zehn Wochen Zeit. Stellen Sie den Antrag nicht, dann sperrt die Versicherung nach zehn Wochen das Krankengeld.

Können Sie Widerspruch einlegen?

Sie können Widerspruch gegen den Bescheid der Krankenversicherung einlegen. Das wird allerdings lediglich dazu führen, Zeit zu schinden, da die Zehn-Wochen-Frist still steht, solange der Widerspruch bearbeitet wird.

Erfolgreich wird ein solcher Widerspruch voraussichtlich nicht sein, denn die Krankenkasse hat das Recht, zu fordern, dass Ihre Arbeitsfähigkeit in der Reha geprüft wird.

Sie können sich der Forderung der Krankenkasse also nicht entziehen und zugleich weiterhin Krankengeld beziehen.

Ihnen bleiben Monate

In jedem Fall bleiben Ihnen zehn Wochen, also zweieinhalb Monate, in denen Sie auf jeden Fall Krankengeld beziehen. Es ist ratsam, den Antrag zur Reha erst gegen Ende der Frist zu setzen.

Es ist dann unwahrscheinlich, dass die Reha sofort einen Platz für Sie hat. Erfahrungsgemäß vergeht ein Viertel- oder sogar ein halbes Jahr, bis Ihre Maßnahme anfängt. Bis dahin bekommen Sie also weiterhin Krankengeld.

Das gesamte Krankengeld würde 78 Wochen laufen, also knapp 18 Monate. Nehmen wir einmal an, Ihre Krankenkasse drängt Sie zur Reha, nachdem Sie bereits drei Monate Krankengeld beziehen, Sie stellen kurz vor dem Ablauf der Zehn-Wochen-Frist Ihren Antrag, und es dauert noch einmal drei Monate, bis die Maßnahme beginnt. Dann haben Sie bis dahin von den 18 Monaten bereits mehr als acht in Anspruch genommen.

Keine Panik

Ein Bescheid der Krankenkasse während des Bezugs von Krankengeld, mit der Aufforderung eine Reha zu beantragen, reißt Ihnen also nicht plötzlich den Boden unter den Füßen weg. Was dann später bei der Reha herauskommt, ist abhängig von Ihrem gesundheitlichen Zustand.

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KI-Hype: Wie die öffentliche Verwaltung dem Sparzwang entkommen kann

netzpolitik.org - 30. Mai 2024 - 12:09

Die öffentliche Verwaltung soll digitaler und moderner werden. Das Geld dafür fehlt jedoch. Denès Jäger und Damian Paderta haben eine Idee, wie die Behörden dem Sparzwang ein Schnippchen schlagen können – nämlich mittels KI-Marketing.

Der KI-Hype-Zug fährt auf voller Geschwindigkeit durchs Land. (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Unsplash/Alistar McRobert; Bearbeitung: netzpolitik.org

Der KI-Hype-Zug rast mit voller Geschwindigkeit durchs Land. Die sogenannte Künstliche Intelligenz zieht dabei, finanziert mit öffentlichen Mitteln, auch ins staatliche Digitalangebot ein – ob in Lern-Apps, bei der Erforschung medizinischer Diagnoseverfahren oder als Arbeitsvermittlungstool bei der Arbeitsagentur.

Auch in der öffentlichen Verwaltung ist KI längst angekommen. Hier soll sie dabei helfen, die Verzögerungen bei der Digitalisierung aufzuholen. Noch immer fehlen landesweit einheitliche Standards und offene Schnittstellen. Außerdem mangelt es an Personal, Haushaltsmitteln und Kompetenz.

Insbesondere KI-Startups locken hier mit dem Versprechen auf schnelle Lösungen. Zu ihnen zählt Aleph Alpha, ein Unternehmen mit Sitz in Heidelberg, das als deutsches OpenAI gehandelt wird. Es arbeitet unter anderem mit dem bayrischen Digitalministerium daran, sogenannte Künstliche Intelligenz in die öffentliche Verwaltung zu bringen.

KI-Hype lange angekommen

Doch müssen Kommunen auf den Hype-Zug aufspringen? Brauchen Behörden solche Systeme überhaupt? Welche Probleme soll KI für sie lösen?

Antworten auf diese Fragen suchten Denès Jäger und Damian Paderta auf der diesjährigen re:publica. Jäger arbeitet für die Open Knowledge Foundation und Paderta ist Digitalberater zu den Themen offenes Regierungshandeln (Open Government), offene Daten (Open Data) und freies Wissen (Open Knowledge).

In ihrem Workshop mit dem Titel „AI-washing als Chance: Mit KI-Bezug zu einer besseren Infrastruktur für die Verwaltung?“ kommen sie zunächst zu einem eindeutigen Fazit: Der KI-Hype ist in den deutschen Amtsstuben längst angekommen. Gleichzeitig sei aber nicht klar, wie KI die zahlreichen Missstände – etwa die veraltete Infrastruktur oder die lückenhaften Datensätze – beheben soll.

Wie schon beim einstigen Hype-Thema Blockchain verspüren viele Behörden auch beim Thema KI eine Fear of missing out (FOMO) – die Angst, die technologische Innovationswelle zu verpassen. Inzwischen sei Blockchain weitgehend vom Tisch, wenn es darum geht, Verwaltungsleistungen zu digitalisieren. Das gleiche Schicksal könne auch den KI-Hype ereilen, so Jäger und Paderta, auch wenn dieser nachhaltiger wirkt als sein Vorgänger.

„Künstliche Intelligenz“ als Verkaufsargument

Solange der KI-Hype-Zug aber noch durchs Land rast, könnten IT-Dienstleister ihre Software-Produkte den Behörden mit dem Stempel „Künstliche Intelligenz“ mit Erfolg feilbieten. Dieses AI-Washing sei derzeit ein beliebter Marketing-Trick, bei dem Anbieter den Nutzen ihrer Software-Lösungen maßlos übertreiben würden. Der Trick funktioniere auch deswegen so gut, da der Begriff „KI“ sehr vage ist.

Warum aber kommt das AI-Washing in den Ämtern so gut an? Darauf haben Jäger und Paderta gleich mehrere Antworten. Kommunen müssten derzeit viele Bälle jonglieren: Meist fehlt es ihnen an Kompetenz im Haus und sie sind von externen Dienstleistern abhängig. Zugleich stünden sie unter wachsendem Innovationsdruck seitens des Bundes und der Wirtschaft.

Breite KI-Förderung versus Sparzwang bei der Digitalisierung

Aus dieser Not könnten die Behörden indes eine Tugend machen, so Jägers und Padertas Idee.

Der Bund will zwar im Rahmen seiner nationalen KI-Strategie bis zum Jahr 2025 insgesamt 5 Milliarden Euro gezielt in KI-Projekte investieren. Allein Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) will bis Ende nächsten Jahres 1,6 Milliarden Euro für KI-Projekte in Bildung, Forschung und Wirtschaft ausgeben. Der KI-Aktionsplan ihres Ministeriums sei ein Update zur KI-Strategie der Bundesregierung. KI dürfe nicht „dämonisiert“ werden, betonte die Ministerin im November vergangenen Jahres. Vielmehr müsse man das Potential der Technologie heben.

Doch der milliardenschweren KI-Förderung steht ein zunehmend strenger Sparzwang gegenüber, den gerade auch die Verwaltungsbehörden spüren. Für deren Digitalisierung sieht der Bundeshaushalt in diesem Jahr gerade einmal 3,3 Millionen Euro (pdf) vor. Darüber hinaus können Behörden, so verspricht es Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), auf Restmittel aus den Vorjahren zurückgreifen.

Diese vergleichsweise geringen Summen reichen aber voraussichtlich nicht aus, um beispielsweise papierne Archive in durchsuchbare Datenbanken zu überführen, Verwaltungsdaten einheitlich bereitzustellen oder die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Antragsformulare automatisiert ausgewertet werden können.

Die Behörden als Trittbrettfahrer

Warum sollen die Verwaltungen daher nicht das AI-Washing als Chance für sich nutzen? Konkret schlagen Jäger und Paderta vor, dass die Kommunen in all ihre Fördermittelanträge die Buchstabenfolge „KI“ einfügen, selbst wenn die entsprechenden Projekte diese nur „minimal oder gar nicht“ vorsehen.

Die Kommunen könnten so als Trittbrettfahrer auf den KI-Zug aufspringen. Sie würden damit dem Sparzwang entkommen und könnten zugleich ihre Digitalisierungsvorhaben in Schlepptau nehmen. Davon profitieren dann nicht in erster Linie jene Software-Buden, die derzeit das große KI-Geschäft wittern, sondern vor allem die Kommunen selbst – und nicht zuletzt auch die Bürger:innen.

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Bud Dajo oder Die Orchestrierung des Grauens

Anfang Mai erschien im New Yorker Verlag PublicAffairs/Hachette Book Group mit „Massacre in the Clouds: An American Atrocity and the Erasure of History“ („Massaker in den Wolken: Eine amerikanische Gräueltat und die Auslöschung von Geschichte“) aus der Feder des dänisch-britischen Historikers Kim A. Wagner ein längst überfälliges Opus, das überdies nicht zeitgemäßer hätte herausgegeben werden können. Die Publikation Wagners, der als Professor für globale und imperiale Geschichte an der Queen Mary University of London lehrt, stellt ein Massaker im Frühmärz des Jahres 1906 von 1.000 Tausūg auf der südphilippinischen Insel Jolo in den Kontext des US-Kolonialismus in Übersee zu Beginn des 20. Jahrhunderts und beschreibt minutiös, wie im Zuge imperialer Politik die Anwendung brutaler Gewalt totale Entmenschlichung gebiert. Schließlich und endlich erhellt diese Publikation ein Geschichtskapitel, das in unseren Breiten gänzlich unbekannt und in den USA selbst beharrlich beschwiegen oder für zutiefst islamophobe Zwecke instrumentalisiert worden ist. Skizzen und Anmerkungen dazu von unserem Südostasienexperten Rainer Werning.

Philippinen – Amerikas einstige und einzige Kolonie in Südostasien

Der Beginn des Amerikanisch-Spanischen Krieges (1898) markierte den Anfang der Transformation der USA von einer hemisphärischen zur hegemonialen Macht. Sowohl in der Karibik als auch im Westpazifik sowie in Südostasien mussten die vormals mächtigen spanischen Konquistadoren schmähliche Niederlagen einstecken. In den Philippinen führte das dazu, dass die Filipinos zwar nach über reichlich 300-jähriger Kolonialherrschaft das spanische Joch abschüttelten und am 12. Juni 1898 ihre Unabhängigkeit verkündeten. Doch die währte nur kurz; die USA verleibten sich nicht nur gewaltsam die vormals spanische Kolonie ein, sondern sie überführten den Krieg gegen das spanische Imperium direkt in den Amerikanisch-Philippinischen Krieg, der im Süden des Archipels – genauer: auf der mehrheitlich von Tausūg bewohnten Insel Jolo – besonders langwierig und blutig verlief.

Während ihrer gesamten Kolonialzeit (1571 bis 1898) hatten es die Spanier nicht vermocht, die vorwiegend muslimische Bevölkerung im Süden des Archipels, von den Kolonialherren in Anlehnung an die „Mohren“ beziehungsweise „Mauren“ Nordafrikas abschätzig „Moros“[1] genannt, in die Knie zu zwingen. Das sollte erst den neuen US-Kolonialherren gelingen, die immerhin 15 lange Jahre sogenannter „Pazifizierung“ benötigten, um den „Moro“-Widerstand physisch zu eliminieren.

Allein die haushohe technische Überlegenheit der US-Waffen – inklusive des seinerzeit modernsten Mehrladegewehrs Krag-Jørgensen aus ursprünglich norwegischer Produktion – sorgte dafür, dass die Tausūg beziehungsweise „Moros“ keinerlei Chance hatten, den US-Truppen auch nur annäherungsweise militärisch Paroli zu bieten. Wenngleich sie mit dem Kris, dem malaiischen Krummdolch, und Speeren buchstäblich gegen Krags kämpften, galten besonders die Tausūg auf Jolo als ebenso stolze wie wagemutige Kämpfer, die bis zum letzten Blutstropfen in eine Schlacht zogen. Die Tausūg waren auch lange vor der Ankunft der Spanier diejenigen, die als Erste in der Region ein Sultanat errichteten – gefolgt von den Maguindanao im Zentrum der südphilippinischen Hauptinsel Mindanao.

Haudegen und „Moro-Schlächter“ Leonard Wood

Im Jahre 1902 übernahm Brigadegeneral Leonard Wood das Kommando über die US-Divisionen in den Philippinen und avancierte ein Jahr später, gleichzeitig zum Generalmajor befördert, zum Gouverneur der von Washington eigens kreierten Moro Provinz, der er bis 1906 vorstand. Um den Widerstand jener „Moros“ zu brechen, die sich aus Protest gegen Kopfsteuern und andere aus ihrer Sicht erniedrigende Kolonialverordnungen am Bud Dajo verschanzt hatten, ließ Wood mehrere Einheiten seiner Truppen anrücken und erteilte ihnen den Befehl, „die Wilden“ anzugreifen. Bud Dajo ist ein vulkanischer Krater, der etwa zehn Kilometer von der heutigen Stadtgemeinde Jolo City entfernt ist und 650 Meter über dem Meeresspiegel liegt.

In den frühen Märztagen des Jahres 1906 wurde dieser Ort zum Schauplatz eines der größten Kolonialmassaker. Gleichzeitig diente er einer brandschatzend-mordenden US-Soldateska als Kulisse, wo inmitten aufgestapelter Leichenberge, um die sichtlich vergnügte GIs in Siegerstimmung posierten, das abscheuliche Geschehen seelenruhig mit einer Kamera eingefangen wurde. Während die US-Streitkräfte 21 Tote und 73 Verwundete zu beklagen hatten, waren mindestens 1.000 einheimische Männer, Frauen und Kinder niedergemetzelt worden! Augenzeugen berichteten, dass sich die Leichen bis zu fünf Meter stapelten und viele der Leichen mehrfach verwundet waren. Bis heute findet sich auf dem Wappen des U.S. 4th Cavalry Regiment eine Anspielung auf den Bud-Dajo-„Feldzug“: Auf dem Wappen ist ein grüner Vulkan zu sehen mit einem umgedrehten Kris, der die Niederlage der Moros symbolisiert. Der Sieg der Einheit wird durch einen gelben Säbel an der Spitze symbolisiert.

In all den Jahren, die dem Massaker vorausgingen, hatten die USA auch ihre Kontrolle über die südlichen Philippinen ausgedehnt, nachdem sie die nördlichen und zentralen Inseln annektiert hatten. Die Beziehungen zwischen den USA und dem Sultanat von Sulu mit der Hauptinsel Jolo als Zentrum wurden zunächst durch den Bates-Vertrag von 1899[2] geregelt. Doch nach nur wenigen Jahren kündigten die USA diesen Vertrag auf und versuchten, eine direkte Herrschaft zu errichten. Schließlich verwarf Washington den Vertrag auf Empfehlung von keinem Geringeren als dem verschlagenen Leonard Wood.

„Glänzende Heldentat“ und andere Schandtaten

Die sogenannte „Schlacht von Bud Dajo“ galt in den USA „als Triumph über eine unerbittliche Gruppe gefährlicher Wilder“, und Präsident Theodore Roosevelt gratulierte General Leonard Wood höchstpersönlich zu dieser „glänzenden Heldentat”. Anders der Wortlaut in einigen US-amerikanischen Medien. Die Schlagzeile der New York Times vom 11. März 1906 beispielsweise lautete wie folgt:

„Frauen und Kinder in der Moro-Schlacht gefallen. Sie mischten sich unter die Krieger und fielen im Schusshagel. Vier-Tage-Kampf: Neunhundert Personen getötet oder verwundet – Präsident überbringt Glückwünsche an die Truppen.“ (diese und weitere Übersetzungen: RW)

Trotz der Tatsache, dass das Massaker von Bud Dajo mit der Kamera festgehalten worden war, verschwand die Erinnerung an das Massaker aus den historischen Aufzeichnungen und erst recht aus dem Gedächtnis der meisten Amerikaner. Einzig rührigen Personen der Antiimperialistischen Liga der Vereinigten Staaten von Amerika – wie Samuel Langhorne Clemens, uns besser bekannt unter seinem Künstlernamen Mark Twain – war es zu verdanken, dass sie inner- wie außerhalb des US-Kongresses Fotos des Bud Dajo-Massakers verteilten und auf Aufklärung drängten.

Zu Recht gehört dieses Massaker in die gleiche Kategorie historischer Gräueltaten wie Wounded Knee im Jahr 1890 oder das bekanntere Massaker von My Lai in Vietnam im Jahr 1968, wenngleich es in Bud Dajo mehr Opfer gab als in den beiden letztgenannten „Fällen“ zusammengenommen! Während Wounded Knee und My Lai zum Sinnbild für die amerikanischen Gräueltaten während der Unterwerfung der indigenen Bevölkerungen beziehungsweise des Vietnamkriegs geworden sind, blieb Bud Dajo weitgehend vergessen.

Nach Bud Dajo folgten weitere Massaker wie beispielsweise im Sommer 1913 im nahe gelegenen Bud Bagsak, wo diesmal Brigadegeneral General John Joseph Pershing das Kommando innehatte, der 1909 Gouverneur der Moro Provinz geworden war und seinen Spitznamen „Black Jack“ mit Stolz trug. Seine steile Karriere im Militär begann er nämlich als Befehlshaber einer afro-amerikanischen Einheit. Während das Tandem Wood/Pershing als „Schlächter der Moros“ in die Geschichtsannalen der Tausūg einging, erfuhren beide Personen in ihrem Heimatland eine Heldenverehrung höchster Güte.

Was ist und was bleibt letztlich? In den Philippinen wurde von US-Soldaten das Wort „gook“ geprägt, was so viel wie „schlitzäugiger, hinterhältiger Asiate“ bedeutet. Tief verwurzelter Rassismus bildete denn auch eine augenfällige Konstante imperial(istisch)er Kriegführung, der seitens der USA später in Korea und Vietnam an der Tagesordnung war. „Gook“ war für US-Truppen kein feindlicher Kombattant, sondern „etwas“, was es mit allen Mitteln „auszuradieren“ galt.

Lehren aus der Geschichte oder Amnesie?

Vollumfänglich kann ich mich dem Urteil anschließen, das Susie Protschky, Professorin für globale politische Geschichte an der Vrije Universiteit Amsterdam, über Wagners neue Publikation fällte:

Das Buch enthüllt Bud Dajo als fehlendes Bindeglied zwischen der kolonialen Gewalt der amerikanischen Siedler gegen die indigene Bevölkerung ‚zu Hause‘ und den späteren Gräueltaten im Ausland während des amerikanischen Vietnamkriegs. Wagner zeigt geschickt, wie eine Gräueltat, die größtenteils in die amerikanische historische und militärische Amnesie verbannt wurde, an anderen Orten lebendig bleibt: in Archivquellen und Nachrichtenmedien von 1906, in Trophäenfotos des Massakers von Bud Dajo, in der lokalen Erinnerung in Jolo und in der Rhetorik zeitgenössischer amerikanischer und philippinischer Politiker wie Trump und Duterte. Massacre in the Clouds ist somit eine wichtige neue Geschichte der amerikanischen Kriegführung, des Imperialismus und der historischen Amnesie, die aus der Verleugnung von Rassismus und extremer Gewalt in der amerikanischen Außen- und Innenpolitik resultiert.”

Die List der Geschichte will es, dass ausgerechnet die am 4. Juli 1946 von den USA in die Unabhängigkeit entlassene Republik der Philippinen (Republika ng Pilipinas) als eine Hinterlassenschaft der Kolonialherren mit dem sogenannten „Moro-“ oder „Mindanao-Problem“ konfrontiert wurde. Die Moros auf Jolo, in der Sulu-See sowie auf Mindanao hatten lange gegenüber Washington darauf gepocht, nicht in den philippinischen Staatsverband integriert zu werden. Doch eben das geschah mit der Konsequenz, dass alte Wunden wieder aufrissen und sich seit Ende der 1960er / Anfang der 1970er-Jahre zunächst die von Nur Misuari gegründete Moro Nationale Befreiungsfront (MNLF) sowie deren spätere Abspaltung in Gestalt der Moro Islamischen Befreiungsfront (MILF) in blutigen, teils bürgerkriegsmäßigen Gefechten mit den Armed Forces of the Philippines (AFP) konfrontiert sahen. Schätzungen beziffern die Opferzahl der allein in diesem Konflikt getöteten Personen auf 150.000. Erst im Mai 2025 entscheidet sich, ob der letzte zwischen Manila und der MILF-Führung geschlossene Friedensvertrag mit dem Regierungsversprechen eines Autonomiestatus Bestand hat und dauerhaft die Waffen schweigen lässt.

Weiterführende Lektüre

[«1] Eines von mehreren Abkommen zwischen US-Militärs und dem Sultan von Sulu, die dazu führten, die „Moros” durch Versprechungen hinzuhalten und sie letztlich zu „pazifizieren” – https://en.wikipedia.org/wiki/Kiram%E2%80%93Bates_Treaty & philippineupdate.com/Bates.htm

[«2] Ende der 1960er / Anfang der 1970er-Jahre entschloss sich eine politisch radikalisierte muslimische Gruppe um Nur Misuari, den Begriff „Moro” umzudeuten und ihm fortan eine positive Konnotation zu geben. Die von ihnen aus der Taufe gehobene Organisation „Moro National Liberation Front” (MNLF) führt mithin „Moro” im Namen – in stolzer Rückbesinnung auf das antikoloniale Vermächtnis ihrer Vorfahren im Kampf gegen die US-Besatzungstruppen.

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An Frieden nicht interessiert: Erneut ignoriert der Westen Verhandlungsinitiativen Putins

Vergangene Woche meldete die Agentur „Reuters“, gestützt auf fünf hochrangige russische Quellen, dass der russische Präsident Wladimir Putin bereit sei, den Krieg in der Ukraine mit einem Waffenstillstand zu unterbrechen, der die derzeitigen Frontlinien anerkenne. Wenn Kiew und der Westen nicht reagieren würden, sei er bereit weiterzukämpfen. Drei mit Putins Beraterumfeld vertraute Quellen erklärten, dieser […]

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Three civilians injured in an explosion in a tourist car in Homs province

SANA - Syrian Arab News Agency - 30. Mai 2024 - 11:09

Homs, SANA-A source at Homs Police Command announced in a statement to SANA’s reporter that three civilians were injured as a result of an explosion in a tourist car in al-Shammas neighborhood in Homs city.

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KON-MED ruft zur Beteiligung an EU-Wahlen auf

Der kurdische Dachverband KON-MED (Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V.) ruft zur Beteiligung an den Wahlen zum Europaparlament auf. In einem Statement mit dem Titel „EUROPAWAHLEN 2024: Unsere Stimme für Abrüstung, Klimaschutz und Menschenrechte“ erklären die Ko-Vorsitzenden Emine Ruken Akca und Kerem Gök:

„Am 9. Juni 2024 finden Europawahlen statt. Migration, Klima und Sicherheitspolitik sind dabei mit die zentralen Themen. Forderungen nach dem Ausbau von Aufrüstung und sogenannter kontrollierter Migration treten hierbei hervor. Einhergehend damit ist ein gefährliches Erstarken rechter Parteien und Organisationen zu verzeichnen.

Die Antwort auf zunehmende Krisen und Kriege kann nur Abrüstung und Dialog sein. Doch hier zeichnet die Europäische Union bzw. das Europäische Parlament kein sehr positives Vorbild ab. Während im Fall des Krieges in der Ukraine zurecht die Verletzung des Völkerrechts angeprangert wird, herrscht Schweigen im Kontext der Angriffe des EU-Beitrittskandidaten Türkei auf die Kurdistan Region des Irak, unter anderem auf das ezidische Hauptsiedlungsgebiet Şengal im Nordirak sowie das Gebiet der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien.

Universelle Werte und Rechte dürfen nicht zum À-la-Carte-Menü werden. Auch im Fall einer politischen Lösung der sogenannten kurdischen Frage - schließlich war es die Politik in Europa, die mit dem Vertrag von Lausanne die Teilung Kurdistans und damit den Konflikt mitsamt seiner zahlreichen Konnotationen verursacht hat - ist die EU initiativlos. Selbst die Durchsetzung institutioneller Beschlüsse, so des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europarates, steht nicht auf ihrer Agenda. Seit über drei Jahren gibt es kein Lebenszeichen von der Gefängnisinsel İmralı, wo Abdullah Öcalan, der wichtigste Vordenker und politische Repräsentant der Kurd:innen, inhaftiert ist. Auch hier negiert Europa, allen voran das Komitee für die Verhütung von Folter und unmenschlicher Behandlung (CPT), seine Verpflichtungen.

Rechtsverletzungen beschränken sich nicht nur darauf. Auch das Recht auf Asyl ist ein Grundrecht, dessen Aushöhlung inakzeptabel ist. Neue bzw. weitere Migrationsdeals darf es nicht geben, der Flüchtlingsdeal mit der Türkei muss umgehend aufgekündigt werden.

Es ist brandgefährlich, rechte Narrative - nicht nur zum Thema Migration - zu übernehmen. Zumal die Menschen das Original wählen. Rechte Gesinnung nutzt demokratische Mechanismen lediglich, um ihre menschenfeindliche Agenda durchzusetzen. Wenn keine deutliche Abgrenzung nach Rechts erfolgt, werden nationalstaatliche Interessen weiter ausgebaut, und es entstehen neue Konflikte und Krisen.

Wenn wir Kurd:innen das Kreuz auf dem Wahlzettel setzen, werden all diese Kriterien wahlentscheidend sein. Es gilt Demokratie nicht nur zu verteidigen, sondern neu zu denken. Unser demokratisches, ökologisches und gendergerechtes Verständnis bildet die Grundlage unserer Wahlentscheidung am 9. Juni 2024.“

https://anfdeutsch.com/aktuelles/warum-konstantin-wecker-am-9-juni-carola-rackete-wahlt-42352

 

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Yusuf Erdoğan: Kranke Gefangene werden bewusst dem Tod überlassen

Insbesondere schwer kranken politischen Gefangenen in türkischen Gefängnissen wird die Entlassung systematisch verweigert. Sie kommen nur sterbend oder tot aus den Gefängnissen. Im Moment befinden sich nach Statistiken des Menschenrechtsvereins IHD 1517 kranke Gefangene in Haft. 651 Gefangene gelten als schwerkrank.

Die Haftbedingungen machen krank

Der Rechtsannwalt und Ko-Sprecher der Gefängniskommission des Menschenrechtsvereins IHD, Yusuf Erdoğan, äußerte sich im ANF-Gespräch zur Lage in den Gefängnissen. Er führte aus: „Eines der größten Probleme, auf das wir bei unserer Arbeit zu kranken Gefangenen stießen, besteht darin, dass Menschen aufgrund der Bedingungen in den Gefängnissen krank werden. Bei einigen Gefangenen schreitet ihre Krankheit während ihrer Zeit in den Gefängnissen aufgrund von Vorerkrankungen voran. Aber auch Gefangene, die als gesund eingeliefert werden, haben aufgrund der Bedingungen in den Gefängnissen mit Krankheiten zu kämpfen.“

 


Das gerichtsmedizinische Institut verhindert Entlassung von Haftunfähigen

Yusuf Erdoğan erinnerte daran, dass sowohl Gefangene als auch Angehörige aufgrund der vielen Rechtsverletzungen in den Gefängnissen immer wieder versucht hätten, sich juristisch dagegen zu wehren: „Es gibt viele Probleme für kranke Gefangene, insbesondere bei der Verlegung ins Krankenhaus. Wir erhalten Beschwerden darüber, dass bei der Verlegung in Krankenhäuser Untersuchungen in Handschellen durchgeführt werden und dass es Probleme bei der Versorgung von kranken Gefangenen mit Medikamenten gibt. Vor allem besteht das Problem, dass kranke Gefangene, die sich nicht mehr selbst versorgen können, aufgrund von Gutachten des Gerichtsmedizinischen Instituts (ATK) nicht entlassen werden. Das ist schon lange ein riesiges Problem. In unseren Berichten weisen wir immer wieder auf diese Situation hin. Kranke Gefangene werden trotz durch Krankenhäuser festgestellter Haftunfähigkeit aufgrund der Gutachten des Gerichtsmedizinischen Instituts in den Gefängnissen belassen. Dies stellt vornehmlich bei schwerkranken Gefangenen eine Verletzung des Rechts auf Leben dar. Hier sollte die Rolle des Gerichtsmedizinischen Instituts analysiert werden. Dieses Institut scheint die alleinige Entscheidungsinstanz zu sein, wenn es um kranke Gefangene geht. Kranke Gefangene sterben, kurz nachdem das Institut ihnen Haftfähigkeit bescheinigt. Uns begegnet immer wieder das Problem der fehlenden Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichtsmedizinischen Instituts. Denn bei den Meldungen kranker Gefangener an das Institut stoßen wir auf viele Probleme. Manchmal werden Gefangene sogar trotz entsprechender Gutachten des Gerichtsmedizinischen Instituts nicht entlassen. Das ist auf das Gesetz Nr. 5275 über den Strafvollzug und Sicherheitsmaßnahmen zurückzuführen. Wenn man ein politischer Gefangener ist und das Gerichtsmedizinische Institut Haftunfähigkeit bescheinigt, dann entscheidet dennoch am Ende die Staatsanwaltschaft. Es gibt nämlich einen Satz in dem Gesetz mit der Nummer 5275. Darin heißt es, dass die Strafverfolgungsbehörde über die Staatsanwaltschaft prüfen muss, ob die Person eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Das gilt auch, wenn ein Gutachten vorliegt, dass die Person im Gefängnis nicht allein überleben kann. Wenn die Strafverfolgungsbehörde sagt, dass trotz des Haftunfähigkeitsgutachtens des Gerichtsmedizinischen Instituts eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht, kann der Staatsanwalt hier die Initiative ergreifen und die Freilassung des Gefangenen verhindern.“

Was alten und kranken Gefangenen angetan wird, ist Folter“

Erdoğan berichtete von verschiedenen aktuellen Fällen: „In Wan wurde die 81-jährige Makbule Özer erneut ins Gefängnis gebracht, weil ein zweites gerichtsmedizinisches Gutachten ihr Haftfähigkeit bescheinigte. Das geschah, obwohl das erste Gutachten aussagte, dass sie haftunfähig sei. Dann ist da noch Abdulalim Kaya. Obwohl er ebenfalls sehr alt ist und mit vielen Krankheiten zu kämpfen hat, stellt das Gerichtsmedizinische Institut kein positives Gutachten aus. Es ist notwendig, dieses Thema anzusprechen. Menschenrechtsorganisationen müssen ihre Haltung gegenüber der Situation der kranken Gefangenen klarmachen. Der Umgang mit kranken Gefangenen offenbart auch eine Doppelmoral. Vor kurzem wurde der Präsident der Republik ermächtigt, ein Gesetz über kranke Gefangene auszuarbeiten. Für viele kranke Gefangene wurden Entlassungsentscheidungen getroffen. Wir Menschenrechtsorganisationen finden dies zwar positiv, möchten aber auch auf Folgendes hinweisen. Obwohl wir uns schon in der Vergangenheit an das Justizministerium gewandt und darauf hingewiesen haben, dass der Zustand einiger kranker Gefangener kritisch ist, wurden in letzter Zeit Entlassungsentscheidungen getroffen, insbesondere für einige Gefangene, die mit dem Putschversuch vom 28. Februar (1997) in Verbindung gebracht werden. Allerdings werden immer noch Tausende kranker Gefangener in kritischem Zustand in Gefängnissen festgehalten. Hier müssen die Behörden aufhören, nach einer Doppelmoral vorzugehen.“

Immer mehr Gefangene werden einfach sterben gelassen“

Erdoğan warnte abschließend: „Wir haben das Beispiel von Mehmet Emin Özkan. Seine Freilassung wurde nach langen Bemühungen entschieden. Tatsächlich lässt der Staat kranke Gefangene entweder frei, wenn nur noch sehr wenig Zeit bis zu ihrer regulären Freilassung bleibt, oder er lässt sie nicht frei und lässt sie in Haft sterben. Ja, die Gefangenen werden in Haft sterben gelassen. Das ist eine Form von Misshandlung und anhaltender Folter. Denn wir sehen bei unseren Besuchen, dass sie nicht wirklich behandelt werden. Vor allem bei unseren Besuchen in den sogenannten R-Typ-Gefängnissen, die als Gefängnisse gelten, in denen kranke Gefangene behandelt werden, sehen wir, dass der Zustand der kranken Gefangenen nicht sehr gut ist. Kranke Gefangene werden nicht einmal dort behandelt. Das liegt daran, dass hier ein politischer Ansatz und kein humanitärer und gewissenhafter Ansatz verfolgt wird. Die derzeitige Situation der kranken Gefangenen ist ein Zustand, in dem sie dem Tod überlassen werden. Diese Situation wird immer schlimmer.“

https://anfdeutsch.com/menschenrechte/ihd-besorgt-uber-gesundheitszustand-von-siddik-guler-42329 https://anfdeutsch.com/menschenrechte/politischer-gefangener-ergin-akdogan-tot-42288 https://anfdeutsch.com/menschenrechte/81-jahrige-terroristin-muss-wieder-ins-gefangnis-41899 https://anfdeutsch.com/menschenrechte/es-ist-5-vor-12-trillerpfeifen-protest-vor-turkischen-gefangnissen-42090 https://anfdeutsch.com/kultur/ausstellung-ausbrechende-kunst-in-st-gallen-42325

 

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Betroffene Kämpfer:innen berichten über Chemiewaffenangriffe

Der türkische Staat setzt alles daran, die Medya-Verteidigungsgebiete zu erobern. Dabei schreckt er auch nicht vor dem Einsatz unkonventioneller Waffen wie thermobarischer Bomben und verbotener Waffen wie Giftgas zurück. Die Guerilla hält sich jedoch in den Kriegstunneln und schlägt mit mobilen Einheiten immer wieder zu. Eines dieser Widerstandsgebiete ist Girê Ortê in Metîna. Seit April 2022 versucht die zweitgrößte NATO-Armee, das Gebiet Girê Ortê zu erobern, seitdem leisten die Guerillakämpfer:innen in den Tunneln und im Gelände Widerstand. Durch den Einsatz von Chemiewaffen und unkonventionellen Bomben sind vier Kämpfer:innen gefallen. Şahin Armanc und Rojda Zagros sind zwei Kämpfer:innen, die monatelang in diesem gnadenlosen Umfeld Widerstand geleistet haben und aus erster Hand vom Einsatz von Chemiewaffen und den Gegenstrategien berichten können.

 


Verschiedene Gase wurden eingesetzt

Rojda Zagros berichtete: „In den Kriegstunneln im Widerstandsgebiet Girê Ortê gab es Freundinnen und Freunde aus verschiedenen Bereichen. Einige von ihnen waren erfahren, andere waren unerfahren, manche hatten noch nie an Operationen teilgenommen. Der Feind konnte sich den Tunneln eine Zeit lang nicht nähern. Er griff zunächst mit Sprengstoff rund um die Tunneleingänge an. Dann folgten Angriffe mit Tränengas und geruchlosen Erstickungsgasen. Wir wussten, dass der Feind Chemiewaffen einsetzte, farbige und geruchlose Gase, die einen fertig machten und drei bis vier Tage lang Kopfschmerzen bereiteten. Es wurde auch eine Chemikalie, die wie weißes Pulver aussah, eingesetzt. Dadurch wurden unsere Füße taub und wir fühlten uns schwach, sobald wir uns bewegten.

Kämpfer:innen schützten sich mit einfachen Mitteln

Wir trafen Vorkehrungen gegen das Giftgas. Wir trugen Masken, befeuchteten ein Handtuch oder einen Lappen und legten ihn auf die Maske und machten die Erfahrung, dass das half. Einige der verwendeten Gase rochen nach Bleichmittel, andere nach Äpfeln, und wieder andere hatten einen schwereren Geruch. Uns brannten die Augen und die Nase, wir hatten Atembeschwerden, und es wurde uns übel. Obwohl der Feind so massiv angriff und so viele chemische Waffen einsetzte, konnte er keine Wirkung erzielen. Das musste er ebenfalls selbst feststellen. Deshalb versuchte der Feind Tag für Tag, sich dem Eingang des Tunnels zu nähern und ihn zu kontrollieren. Das fand zu bestimmten Zeiten statt. Etwa zwei Monate lang wurde der Tunneleingang zwischen 11.30 bis 16.30 Uhr mit Sprengstoff angegriffen. Viele Male rief man uns zu: ‚Gebt auf, wir geben euch warmes Essen, kommt raus.‘ Die Freunde antworteten auf jede Aufforderung des Feindes, sich zu ergeben, mit Bomben. Der Kommandant der Soldaten drohte mit den Worten: ‚Wenn ihr euch nicht ergebt, werden wir Nuklearwaffen einsetzen.‘ Er dachte, dass er der Guerilla auf diese Weise Angst einjagen könnte.

Der Feind betrieb eine Spezialkriegspolitik, aber das hatte bei uns keine Wirkung. Niemand schenkte der Rhetorik des Feindes Beachtung. Dann setzte er Nuklearwaffen ein. Schließlich, am 18. Dezember, unternahm er einen Großangriff und setzte erneut chemische Waffen ein. Etwa fünf Minuten nach dem Angriff erfüllte Rauch den Raum. Es war ein cremefarbener Rauch. Er war geruchlos. Zu diesem Zeitpunkt wurde ich ohnmächtig. Nach sieben Stunden kam ich wieder zu mir. Ich war durch das chemische Gas gelähmt. Ich konnte nur meine Augen bewegen, konnte aber meine Freunde nicht erkennen. Als ich aufzustehen versuchte, wurde mir übel und ich musste mich übergeben. Ich war erneut 10 bis 15 Minuten lang bewusstlos und hatte starke Schmerzen. Nach dem Angriff rief der Feind wieder: ‚Ergebt euch, ihr könnt nirgendwo hin.‘ Obwohl die Freunde erschöpft waren, reagierten sie auf diesen Ruf erneut mit Bomben. Bevor unsere Freunde fielen, hatten sie Minen am Eingang des Tunnels gelegt, und als der Feind angriff, ließen wir die Minen explodieren. Zwei eindringende Soldaten wurden von der Explosion getroffen.

Mein Ziel und mein Anspruch ist es, auf der Spur meiner gefallenen Genoss:innen zu kämpfen und auf diesem Weg kein Hindernis zu akzeptieren. Wir werden kein anderes Leben als den Kampf und die Rache akzeptieren.“

Türkische Armee konnte sich monatelang nicht dem Tunneleingang nähern

 


Şahin Armanc war ebenfalls in den Tunneln am Girê Ortê: „Im Juli 2023 startete der Feind einen Angriff auf das Widerstandsgebiet Girê Ortê in der Region Metîna. Als der Feind das erste Mal vorrückte, musste er mehrere schwere Verluste einstecken. Da wir vorbereitet waren, konnten wir wirksame Aktionen durchführen. Es war Juli, es war heiß, Aufklärungsflugzeuge flogen herum. Wenn der Feind einen Angriff startete, führten wir Aktionen mit schweren Waffen durch. Auch dabei erlitt der Feind Verluste. Unsere Moral und Motivation waren gut. Der Feind konnte sich aus Angst zwei bis drei Monate lang nicht dem Tunneleingang nähern. Das lag an unseren Sabotageaktionen.

Nachdem der Feind unseren Tunneleingang entdeckt hatte, setzte er chemische Waffen ein. Der Feind setzte ein rotes Gas ein, das Verätzungen in den Augen und Atemwegen verursachte. Wir konnten unsere Augen nicht öffnen. Wir hatten Masken, und nur damit konnten wir uns schützen. Der Feind setzte auch ein schwarzes Gas ein; es verbrannte die Kehle, wir hatten Schwierigkeiten beim Atmen.

Ein anderes chemisches Gas, das vom Feind eingesetzt wurde, schien den Menschen zunächst nichts auszumachen, aber später kam das Gefühl zu ersticken. Das war eine sehr schwere chemische Waffe. Sobald man sich bewegte, wurde man bewusstlos. War man zwei bis drei Stunden diesem Gas ausgesetzt, so drohte der Tod.“

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