Regierungslautsprecher, voll aufgedreht: Tagesschau berichtet über die Straßburger Schießereien
- ohne jede Distanz und stellt keine einzige kritische Frage -
► von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam
Was ein rechter Staatsfunk ist, zeigt die ARD-aktuell-Redaktion einmal mehr, inhaltlich und sprachlich, in ihrem Bericht über die Straßburger Tragödie: Der (mutmaßliche) Mörder ist tot / Die Ordnung ist wiederhergestellt / Der Weihnachtsmarkt hat wieder geöffnet / Jetzt aber Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen! – Nicht die Spur kritischer Distanz.
Blankes Nachbeten der behördlichen Darstellung. Verzicht auf Nachdenken und eigenständige Prüfung. Politischen Kontext des Geschehens ignorierend. Journalistische Grundsätze missachtend, zu denen auch der Respekt vor rechtsstaatlichen Prinzipien gehört. Im vorliegenden Fall: Die grundsätzliche Pflicht zur Unschuldsvermutung [hier und hier; H.S.] im Hinblick auf den „mutmaßlichen“ Attentäter.
Was fordert die Europäischen Menschenrechtskonvention?
„Jedermann hat solange als unschuldig zu gelten, bis in einem allgemeinen, gesetzlich bestimmten Verfahren rechtskräftig seine Schuld festgestellt wurde.“[1]
Sind der Tote und der Attentäter überhaupt identisch? Die Tagesschau stellt es nicht infrage. Wenn die Polizei das erklärt, muss es die Tagesschau glauben? Es wird schon stimmen... Irreführende, falsche Behördenauskünfte gibt es nämlich gar nicht. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, nicht wahr?
Also servierte die Tagesschau in ihrer Hauptausgabe um 20 Uhr am 14. Dezember reichlich vage, der mutmaßliche Attentäter sei „getötet worden“:
„Nach dem Tod des mutmaßlichen Attentäters von Straßburg fahnden die Ermittler nach möglichen Komplizen. Der Franzose mit algerischen Wurzeln war gestern abend bei einem Schusswechsel mit der Polizei getötet worden. Der 29jährige wurde im Stadtteil Neudorf aufgespürt, in der Rue du Lazaret. ...“[2]