Griechenland: "Wir leben zusammen, wir kämpfen zusammen"

Interview mit zwei Aktivistinnen des besetzten Hotels City Plaza in Athen

Das City Plaza ist ein Hotel im Herzen von Athen. Es war ein Symbol der griechischen Krise, jahrelang war es geschlossen. Heute ist es wieder geöffnet und voll belegt - und zwar mit über 400 Geflüchteten und einigen AktivistInnen, die das City Plaza im April 2016 besetzt haben. So ist mitten in einem Viertel, in dem 20 Prozent die faschistische Partei "Goldene Morgenröte" wählen, ein selbstorganisierter Ort der Solidarität entstanden.

hausbesetzung_symbol_der_hausbesetzer_squats_squatting_gewaltfreier_widerstand_anarchismus_anarchy_kritisches_netzwerk_hierarchie_herrschaft_graswurzelrevolution_gewaltfreiheit.pngGraswurzelrevolution (GWR): Olga, kannst du uns von der Entscheidung berichten, das Hotel zu besetzen und wie die ersten Tage abliefen?

Olga: Bevor wir am 22. April das Gebäude besetzt haben, haben wir die Entscheidung, das praktische Vorgehen und mögliche Probleme für circa zwei Monate in verschiedenen Versammlungen diskutiert. Während dieser Zeit wollten wir das Gebäude nicht betreten, weil die Nachbarschaft uns hätte sehen und es möglicherweise der Polizei melden können. Darum sind wir kurz vor der Besetzung nur für wenige Minuten dorthin gegangen und haben die Schlösser ausgetauscht, aber niemand hat das Gebäude betreten.

Dann, am besagten Freitag, haben sich verschiedene Gruppen zu einem festen Zeitpunkt rund um das Gebäude versammelt. Eine Minute vor zehn setzten sich diese Gruppen, insgesamt waren es 100 Personen, in Bewegung. Wir öffneten die ausgetauschten Schlösser und betraten das Gebäude. In dem Gebäude war es sehr dreckig, es wurde seit sieben Jahren nicht als Hotel genutzt, es gab kein fließendes Wasser, was es sehr schwierig gemacht hat, das Gebäude zu reinigen.

Die Situation draußen war furchtbar. Als die Nachbarn bemerkten, dass wir das Gebäude besetzt haben, sind sie aus ihren Wohnungen gerannt und völlig ausgerastet. Es gab viele Versuche, uns anzugreifen und so haben wir eine Kette aus ca. 50 Personen gebildet, die den Zugang zum Gebäude schützen sollten. Eine Stunde nachdem wir das Gebäude betreten haben, war die Ankunft der ersten 120 Geflüchteten geplant.

Als die ersten ankamen, war es sehr schrecklich. Viele von ihnen hatten Angst, als sie sahen, wie wir attackiert wurden. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite warteten einige Personen, die zu uns kommen wollten, doch sich nicht über die Straße trauten. So haben wir eine Gasse gebildet, um diese Menschen zu beschützen und ins Gebäude bringen zu können. Die Nachbarn haben uns beleidigt, haben uns geschlagen. Sie sagten, sie werden die Polizei und die Faschisten rufen und dass wir verschwinden sollen.

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Deutsche Wirtschaft 2016: Flüchtlinge trieben Konjunktur an

von Fred Schmid c/o Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

Ein gesamtwirtschaftliches Wachstum von 1,9 Prozent für das abgelaufene Jahr bilanzierte das Statistische Bundesamt (Destatis) in einer ersten Berechnung des Bruttoinlandsprodukts (BIP)  (Pressekonferenz 12. Januar 2017). Damit ist die deutsche Wirtschaft stärker gewachsen als in den vergangenen vier Jahren (2015: 1,7%; 2014: 1,6%, 2013 und 2012 jeweils 0,5%). „Blendendes Wachstum“ schwelgt die FAZ vom 13.01.2017. „Blendend“ geht allerdings anders, z.B. die plus 6,7 Prozent, die vermutlich die chinesischen Statistiker Ende der Woche für ihre Volkswirtschaft 2016 verkünden dürften. Aber hier werden die bürgerlichen Journalisten eher ein „Schwächeln“ konstatieren, weil das Wachstum gegenüber dem Vorjahr um 0,2% geringer ausgefallen ist.

Dennoch ist die deutsche Wirtschaftsbilanz 2016 in zweifacher Hinsicht bemerkenswert: Zum einen bestätigt sich einmal mehr, dass die Konsumnachfrage entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung ist, und zwar der private wie der Staatskonsum. Die Kritik des Wachstums sei hier ausgeklammert. Die private Konsumnachfrage stieg – real – um zwei Prozent: gleicher Zuwachs wie im Jahr davor, aber weit stärker als im Durchschnitt der vergangenen 15 Jahre: 0,7%. Bei einem Anteil von 53,5 % an der nachgefragten Wirtschaftsleistung trug der Zuwachs des Privatkonsums damit 1,1 Prozentpunkte zum Wirtschaftswachstum von 1,9 Prozent bei.

Relativ hohe Lohnabschlüsse, die durch die niedrige Preissteigerungsrate von 0,5 Prozent nur geringfügig entwertet wurden, sorgten für die erhöhten Reallöhne und damit Kaufkraft der Beschäftigten. Auch die rund 430.000 zusätzlichen Jobs hatten Anteil am gestiegenen Konsum. Die erhöhte Verbrauchernachfrage wiederum ließ die Absatzerwartungen der Unternehmer zunehmen, wodurch sie mehr Investitionen tätigten; diese stiegen real um 2,5 Prozent, die Bauinvestitionen gar um  3,1%.

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Bundesrechnungshof kritisiert erneut die Jobcenter

Hoher finanzieller Aufwand mit wenig Wirkung

von Laurenz Nurk, Dortmund

Mittlerweile platzt dem Bundesrechnungshof (BRH) der Kragen. Schon im Herbst 2015 hatte der Bundesrechnungshof in einem internen Prüfungsbericht die Lohnkostenzuschüsse der Bundesagentur für Arbeit (BA) an Zeitarbeitsfirmen als ungerechtfertigt gerügt.

Einige Monate später im Frühjahr 2016 schrieb er in seiner Abschlussmitteilung an das Bundesarbeitsministerium, dass es den Jobcentern in den meisten Fällen nicht gelungen sei ,,mit der Förderung von Arbeitsverhältnissen Langzeitarbeitslose mit mehreren Vermittlungshemmnissen dauerhaft in den allgemeinen Arbeitsmarkt einzugliedern“. Rund drei Viertel der früheren Hartz-IV-Empfänger hätten nur einen Arbeitsplatz bei gemeinnützigen Arbeitgebern oder Einrichtungen erhalten, die die Förderprogramme der Bundesagentur für Arbeit in Anspruch nehmen. In mehr als 90 Prozent der geprüften Fälle handelte es sich um befristete Arbeitsverträge, die in der Regel mit der Förderung auslaufen und die Beschäftigten wieder erwerbslos werden.

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Durch die Blume gesprochen wirft der Bundesrechnungshof den Arbeitsvermittlern sogar die Verschwendung von Steuermitteln vor, weil es in einigen Jobcentern die Möglichkeit gab, zusätzlich für die Einstellung von Langzeitarbeitslosen ebenfalls Landes- oder kommunale Mittel einzubringen. In fast zwei Drittel dieser Fälle nutzten die Arbeitgeber die zusätzliche staatliche Einnahmequelle und nur ein Jobcenter rechnete dies korrekt auf die eigene Förderung an. In der Praxis kam dabei heraus, dass die Unternehmen doppelt kassierten, weil ihnen die Jobcenter aus Bundes- und Landesmitteln sogar mehr als das Arbeitsentgelt für die Beschäftigten erstatteten.

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Anfangen mit Frieden: Freiwirtschaft

Mit welcher Wirtschaftstheorie kann die ungleiche Vermögensverteilung überwunden werden?

von Georg Lehle, Rothenburg o/T

Papst Franziskus prangert die ungleiche Vermögensverteilung und den Kapitalismus an, „diese Wirtschaft tötet“. Der französische Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty wies dementsprechend nach, dass Kapitalrenditen stärker als die Gesamtwirtschaft wachsen. Dies wird darin sichtbar, dass es im Kapitalismus mehr und mehr Super-Reiche und Arme gibt. Gleichzeitig herrscht zunehmend wirtschaftliche Stagnation oder Depression. Welche Wirtschaftstheorie kann das Problem der Ungleichheit und Stagnation lösen?

Die „WELTN24 GmbH“ beschreibt Pikettys Forschungsergebnisse so: „Seine Formel ist einfach: Weil in der Regel die Kapitalerträge höher sind als das Wachstum der Volkswirtschaft, ist Ungleichheit keine versehentliche Begleiterscheinung des Kapitalismus, sondern eine zwangsläufige Konsequenz.

Es gibt drei wesentliche Wirtschaftstheorien, aus der Krise herauszufinden. Die heute vorherrschende neoliberale Theorie (hier und hier) und auf der anderen Seite die keynesianische Theorie (benannt nach dem Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes) sowie die mit ihr verwandte Freiwirtschaftliche. Der Gründervater der „Freiwirtschaft“ ist Silvio Gesell.

Alle Theorien basieren auf zwei wichtigen Erkenntnissen:

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WAS TUN, WENN DER CHEF MOBBT?

von Laurenz Nurk

Das Betriebsräte-Mobbing ist in Deutschland ein wesentlicher Bestandteil der strategischen Gewerkschaftsbekämpfung geworden. Immer mehr Unternehmen versuchen durch Mobbing einzelner Gewerkschaftsmitglieder oder der Interessenvertretung von Beschäftigten den gewerkschaftlichen Einfluss in Betrieben entweder von vorneherein zu verhindern oder wenn er bereits vorhanden ist, zu zerschlagen.

Den Kampf gegen das Mobbing sollte für alle Gewerkschaften zu einer ihrer wichtigsten Aufgaben werden und ihn mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen. Im Oktober 2015 hat der "23. Ordentliche Gewerkschaftstag der IG Metall" mit dem Beschluss zum Kampf gegen BR-Mobbing einen wichtigen Schritt in diese Richtung gemacht. Ähnliche Beschlüsse gibt es bei ver.di und entsprechende Überlegungen bei der IG BCE.

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Aber die Gegenwehr der Beschäftigten entscheidet im Einzelfall und auch ganz grundsätzlich darüber, ob die Union Buster zurückgedrängt werden können oder nicht. Je mehr Mitarbeiter sich in einem Betrieb engagieren, je mehr aktive Gewerkschaftsmitglieder in einem Betrieb organisiert sind, desto schwerer fällt es Konzernchefs, Geschäftsführern, Personalabteilungen und Vorgesetzten, ihre Bossing-Methoden umzusetzen.

Die folgende Broschüre soll die Betroffene ermutigen, sich nicht mit dem Bossing/Mobbing und Union Busting abzufinden, sondern sich dagegen zu wehren. Schon immer sind Konzerne, Unternehmen und auch öffentliche Arbeitgeber gegen engagierte Beschäftigte, Betriebsräte und Gewerkschaftsaktivisten vorgegangen. In den vergangenen Jahren haben diese Fälle drastisch zugenommen und weisen eine deutliche Systematik auf: Einschlägige Rechtsanwaltskanzleien verdienen mit ihren Bossing-Seminaren und Beratungen viel Geld.

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Freihandel – eine Theorie mit Realitätsproblemen

von Charles Pauli / isw München

free_trade_profit_over_people_freihandel_delusion_transatlantisches_freihandelsabkommen_kritisches_netzwerk_ttip_neoliberalismus_oekonomie_ceta_profit_armut_soziale_ungerechtigkeit.jpgFreihandel ist ein heißes Diskussionsthema geworden. Auch deshalb, weil Donald Trump die Kündigung von Freihandelsabkommen zum Wahlkampfhit machte. Die gegen TTIP kämpfende europäische Linke muss erschrocken wahrnehmen, dass nicht nur dieser rechte Milliardärskasper, sondern auch viele andere nationalistische Bewegungen neuerdings ebenfalls gegen solche Abkommen auftreten.

Trotzdem kann man sich als markt- und kapitalismuskritischer Mensch seine Kritik ja nicht deshalb plötzlich verkneifen, weil rechte Parteien das Thema aufgreifen und nationalistisch wenden. Die Kritik am Freihandel hat schon ihre Gründe und sie führt keineswegs in simplen Protektionismus.

► Freihandel: Immer positiv?

Wir wollen es uns hier ersparen, die Urversion der Freihandelslehre breit darzustellen: David Ricardos Theorie "Principles of Political Economy and Taxation" von den komparativen Kosten ist weitgehend bekannt und in Wikipedia nachlesbar. Freihandel ist demnach immer positiv, da sich jedes Land auf das spezialisiert, was es am besten kann. Das klingt erst einmal logisch und unbestreitbar, setzt aber ein paar sehr spezifische Annahmen voraus. Im klassischen Zwei-Länder-Zwei-Güter-Fall unter anderem, dass beide handelnden Länder beide Güter herstellen können und sich in der Ressourcenausstattung nicht unterscheiden, da die einzige Ressource die menschliche Arbeit ist. Der Unterschied zwischen den Ländern liegt lediglich in der Produktivität.

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Zusammenwachsen medialer Macht mit staatlichen Strukturen

In NRW hat der Begriff Lobbyismus eine ganz neue Dimension erreicht

von Laurenz Nurk, Dortmund

In NRW hat der Begriff Lobbyismus eine ganz neue Dimension erreicht. In dem Bundesland verwaltet der Bertelsmann-Konzern inzwischen buchstäblich den Schlüssel zur Lobby der Landesregierung selbst und ist in die inneren sensiblen Bereiche der Politik vorgedrungen.

Eine Große Anfrage der NRW-Piraten zeigte im Dezember 2016 auf, dass die Bertelsmann-Tochter Arvato, die das ServiceCenter der Landesregierung technisch betreut, einen großen Beitrag zum Funktionieren der Regierung in Düsseldorf leistet und in sensible Bereiche vorgedrungen ist, in den private Firmen nichts zu suchen haben. Die Anfrage der Oppositionspartei war die bislang umfänglichste Prüfung, der sich die Regierenden hierzulande bezüglich ihrer Bertelsmann-Hörigkeit unterziehen mussten.

Die dominierende Rolle von Bertelsmann Stiftung und Bertelsmann-Medienkonzern bei der Politikprivatisierung ist schon seit langem bekannt, doch nun droht das Zusammenwachsen der medialen Macht mit ehemals staatlichen Strukturen der Überwachung zu einem neuen Mechanismus der sozialen Kontrolle.

Die NRW-Piraten haben der Landesregierung von NRW  mit einer Großen Anfrage auf den Zahn gefühlt. Die Regierung ist ihrer parlamentarischen Rechenschaftspflicht nachgekommen und hat auf 50 Seiten, detailliert wie nie zuvor, aufgelistet, was es an Kontakten, Geschäften und Verträgen zwischen der Regierung und Bertelsmann in den letzten zehn Jahren gegeben hatte.

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Obamas Abschiedsrede: Klischees und Lügen pur

von Niles Niemuth

barack_obama_massenmoerder_mass_murderer_heuchler_fraud_war_criminal_lying_hypocrite_farewell_speech_michele_guantanamo_bay_naval_base_obamacare_kritisches_netzwerk.jpgUS-Präsident Barack Obama beendete am Dienstagabend seine achtjährige Amtszeit mit einer nichtssagenden und heuchlerischen Abschiedsrede im Tagungszentrum McCormick Place in der Innenstadt von Chicago.

Zum ersten Mal hielt ein Präsident seine Abschiedsrede nicht in Washington, DC. Sie fand in der Atmosphäre eines aufgeblasenen, billigen Spektakels statt. Obama trat wie ein Rockstar auf die Bühne, flankiert von übergroßen amerikanischen Flaggen und einem riesigen beleuchteten Präsidentensiegel. Begleitet wurde sein Einzug von Musik der Rockband U2.

Genau wie alle Reden Obamas in den letzten acht Jahren war auch diese voller Klischees, seine Wortwahl geschmückt mit hohlen Phrasen. Wie üblich warf er sich in eine gewichtige Pose, die er durch geschürzte Lippen und affektiertes Flüstern auszudrücken versuchte. Die Rede wimmelte von Widersprüchen. Der offensichtlichste war der Gegensatz zwischen Obamas Behauptung, seine Regierung habe große soziale Fortschritte erzielt, und seinen Warnungen vor einer Gefährdung der amerikanischen Demokratie durch die ständig wachsende soziale Ungleichheit und wirtschaftliche Unsicherheit.

Der Präsident erklärte: „Wenn ich Ihnen vor acht Jahren gesagt hätte, dass Amerika aus einer großen Rezession herauskommen, seine Autoindustrie sanieren und die längste Zuwachsperiode bei Arbeitsplätzen seiner Geschichte verzeichnen wird,... wenn ich Ihnen gesagt hätte, wir würden ein neues Kapitel mit dem kubanischen Volk aufschlagen, das Atomwaffenprogramm des Iran ohne einen einzigen Schuss beenden und den Drahtzieher hinter den Anschlägen vom 11. September ausschalten,... wenn ich Ihnen gesagt hätte, wir könnten Gleichberechtigung bei Eheschließungen erreichen und zwanzig Millionen Bürgern zum ersten Mal das Recht auf eine Krankenversicherung geben – Sie hätten gesagt, wir haben uns wohl etwas zu viel vorgenommen.

Amerika ist in fast jeder Hinsicht besser und stärker als zu Beginn unserer Amtszeit.

Er versuchte nicht zu erklären, warum seine Partei trotz dieser großartigen sozialen Fortschritte und außenpolitischen Erfolge bei der Wahl eine so schwere Niederlage erlitten hat und der milliardenschwere Demagoge Donald Trump bald sein Nachfolger im Weißen Haus werden wird.

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Neue Hexenjagd: Donald Trump schlagen und Putin meinen!

Ein postfaktisches Arschloch in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG

von Ulrich Gellermann, Berlin

leitmedien_verarschung_mediokratie_massenmedien_medienhuren_journalismus_feindbild_freie_presse_kritisches_netzwerk_meinungsjournalismus_luegenpresse_sueddeutsche_verhetzung.jpgGroße Schlagzeile: HERR X IST EIN KINDERSCHÄNDER! Ganz, ganz klein im Text: Bisher ist es nicht bewiesen. Nach dieser Ekel-Methode, die sich für Journalismus ausgibt aber in Wahrheit den Zuhälter für bestimmte politische Interessen macht, verfahren zur Zeit nahezu die kompletten deutschen Medien.

Die einst durchaus respektable SÜDDEUTSCHE ZEITUNG führt diesen Gossen-Journalismus geradezu an und lässt auf Seite 3 ihrer heutigen Ausgabe einen Hubert Wetzel ganzseitig los, dem der Sensations-Geifer auf die Tasten tropft: „Eine Sexorgie in einem Moskauer Hotel?“ fragt der Wetzel mit nichts in der Hand als einen „ehemaligen britischen Geheimdienstmitarbeiter“ der ein Schmuddel-Dossier zu Trump herumreicht, in dem nichts, aber auch gar nichts bewiesen wurde. Und auch wenn Wetzel eher beiläufig erwähnt, dass nichts bewiesen ist, erhebt er das Geklittere gezielt in den Rang eines Dokumentes. Geradezu beschwörend taucht dieses Wort für eine Fälschung immer wieder auf, um die Schmiererei auseinandersetzungsfähig zu machen.

Genüsslich wälzt sich Wenzel in Einzelheiten, die wahr sind: Es gibt das erwähnte Hotel, es gab eine Reise Trumps nach Moskau, es gibt das „eine große Bett“ in dem schon die Obamas geschlafen haben und in dem das alles stattgefunden haben soll. Und kaum ist das „ist nicht bewiesen“ in den Artikel geworfen, wahrscheinlich wegen der teuren Folgen einer Verleumdungsklage, glitscht der Autor ins scheinbar Faktische: „Und weil Trump Michelle angeblich abgrundtief hasst, heuerte er russische Prostituierte an, die für ihn eine Orgie auf diesem Bett veranstalteten.

Diese Behauptung ist zwar ebenfalls völlig unbewiesen, wird aber von Wenzel als faktisch erzählt, damit er nur ja weiter der verklemmten Fantasie des Dossiers folgen kann, die wahrscheinlich der seinen entspricht: „Die Einzelheiten (der vorgeblichen Orgie) sind unappetitlich“, das geht noch als Zitat durch, aber schon mit Wetzels Satz „Mag sein, dass das Hotel ihm beim Check-out eine neue Matratze auf die Rechnung gesetzt hat“ erreicht er das angeblich Faktische und befriedigt doch nur seine voyeuristischen Vorstellungen und sich selbst.

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Raus aus der EU, rein in die Demokratie: Wahlbetrug um EU-Parlamentspräsident aufgeflogen

von Ulrich Gellermann, Berlin

Niemand wäre ein besserer künftiger EU-Parlamentspräsident gewesen als der belgische EU-Abgeordnete Guy Verhofstadt (s. Foto). Der Mann, der sich um die Nachfolge von Martin Schulz bewirbt, ist die Inkarnation des korrupten, antidemokratischen Dunkelmannes: Von der belgischen Investmentgesellschaft Sofina steckte er 130.500 Euro zur linken Hand ein, von der belgischen Gastanker-Reederei EXMAR bekam er 60.000 Euro fürs Zuhören und Schweigen, von der niederländischen Versicherungsgesellschaft APG nahm er mit Vergnügen 42.840 Euro, um sein schlechtes Gehalt aufzubessern.

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Denn von 8.000 Euro monatlich fürs Absitzen – ausgepolstert nur durch eine unkontrollierte Kostenpauschale von 4299 Euro im Monat – kann so ein flotter Abgeordneter wie Verhofstadt natürlich nicht leben. In der Griechenlandkrise pöbelte er den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras sieben Minuten lang unqualifiziert an, warf ihm Klientelismus vor, saß aber selbst gleichzeitig im Aufsichtsrat eines Unternehmens, das von den Privatisierungen in Griechenland profitierte.

Nur so geht EU: Lobbyismus und Scheinparlamentarismus bestimmen den Gang des EU-Parlamentes. Das alles symbolisiert Guy Verhofstadt perfekt.

Aber der hochgelobte ‚Vollbluteuropäer‘ Verhofstadt machte bei seiner Bewerbung um den Job als Parlamentspräsident einen Fehler. Nicht, dass bei ihm noch mehr Geld aus dunklen Quellen aufgedeckt wurde, das hätte ja wie bisher eher seine Eignung bewiesen. Nein, er wollte, um seine Wahl nur ja abzusichern, einen Deal mit der italienischen 5-Sterne-Bewegung (MoVimento 5 Stelle) fingern. Aber die gelten nun mal als EU-kritisch.

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Kompakter Überblick über die rechtl. Grundlagen des Asylverfahrens

von Laurenz Nurk, Dortmund

refugee_fluechtlinge_politisches_pro_asyl_asylsuchende_migration_refugees_unhcr_schutzsuchende_asylverfahren_dpwv_paritaetischer_wohlfahrtsverband_kritisches_netzwerk_syrien.pngDer "Paritätische Gesamtverband" hat eine Arbeitshilfe für Beraterinnen und Berater mit dem Titel "Grundlagen des Asylverfahrens" herausgegeben. In der Pressemitteilung heißt es: „Ziel der vorliegenden Arbeitshilfe ist es, auf knappem Raum einen kompakten Überblick über die rechtlichen Grundlagen des Asylverfahrens zu geben.

Sie richtet sich an alle, die Flüchtlinge vor, während oder auch nach Abschluss des Asylverfahrens beraten. Ganz bewusst ist die Arbeitshilfe sehr praxisorientiert angelegt, mit zahlreichen konkreten Tipps für die Beratungspraxis.

Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Vermittlung der verfahrensrechtlichen Grundlagen. Die Broschüre kann allerdings nur die Basisinformationen zur Verfügung stellen, die vor Ort mit weiteren Schulungen bzw. Beratungsgesprächen ergänzt werden müssen, um tatsächlich eine kompetente Beratung der Flüchtlinge sicherzustellen.

Mit dieser aktualisierten 4. Auflage werden die zahlreichen rechtlichen Änderungen, die seit November 2015 Einzug ins deutsche Asylverfahrensrecht gefunden haben, berücksichtigt, inklusive der umfangreichen Änderungen durch die sogenannten Asylpakete I-II und dem Integrationsgesetz, welches am 6. August 2016 in Kraft getreten ist.“

Nach Schätzungen des "Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen" (UNHCR) waren Ende 2015 weltweit 65,3 Millionen Menschen auf der Flucht.

Im Unterschied zu anderen Wanderungsformen ist Flucht keine freiwillige Migration. Flüchtlinge sind gezwungen ihr Land zu verlassen, um sich und ihre Familien in Sicherheit zu bringen. Die Fluchtursachen sowie die individuellen Gründe, weshalb Menschen ihre Heimatländer verlassen müssen und in einem anderen Staat Schutz suchen, sind vielfältig. Dazu gehören unter anderem:

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Geheimdienstbericht enthält keine Beweise

 . . .  für russischen Hackerangriff auf US-Präsidentschaftswahl

von Patrick Martin / wsws.org

Am Freitag veröffentlichten die amerikanischen Geheimdienste einen Bericht über die angeblichen Hackerangriffe Russlands auf die E-Mail-Server des Nationalkomitees der Demokratischen Partei und des Vorsitzenden von Hillary Clintons Wahlkampfteam, John Podesta. Der Bericht enthält keinerlei Beweise für diese Vorwürfe, sondern nur unbestätigte Schlussfolgerungen der CIA, des FBI und der NSA. Sie benutzen ganze neunzehnmal die Phrase „wir schätzen“, ohne auch nur durch eine Tatsache die Schuld Russlands zu demonstrieren.

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Das Dokument, das am Freitagnachmittag veröffentlicht wurde, war eine freigegebene Version eines 50-seitigen „streng geheimen“ Berichts, der am Donnerstag Präsident Obama und am Freitagmorgen den Fraktionsführern im Kongress und dem designierten Präsidenten Trump vorgelegt wurde. Doch laut zwei Geheimdienstlern, die am Donnerstag mit NBC News und der Washington Post sprachen, enthält die vertrauliche Version ebenso wenig schlagkräftige Beweise wie die öffentliche.

Der freigegebene Text behauptet nicht einmal, es gäbe Beweise zur Bekräftigung seiner Schlüsse, die aus Sicherheitsgründen nicht im öffentlichen Dokument aufgeführt würden. Man kann daraus nur den folgenden Schluss ziehen: Wir, die Geheimdienste, haben uns unser Urteil gebildet, und ihr, die amerikanische Bevölkerung, müsst es blind glauben.

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#Putin ist der Feind: So bereitet man Kriege vor

von Ulrich Gellermann, Berlin

Man sieht ihn förmlich vor sich: Wladimir Putin, wie er mit den Tasten seines Computers spielt. Gemütlich wahrscheinlich, in einer dieser Kreml-Räume, die nie ein Mensch betreten hat, wo er die Bits und Bytes mit der Häkelnadel aneinander knüpft, wie er die Software im Samowar weichkocht, wie sein magischer Blick die fernen Weiten des Cyberspace durchdringt und dann, ja, was dann? Dann wird er es sich im Computer von Hillary Clinton gemütlich gemacht haben, ihre E-Mails gelesen und sie dann, Mail für Mail, in die Öffentlichkeit des US-Wahlkampfs geworfen habe. So oder so ähnlich muss es gelaufen sein, wenn man einer von Hass besoffenen US-Macht-Fraktion und ihren Epigonen in den deutschen Medien glauben wollte. So sehen Wahlverlierer aus.

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US-Geheimdienste: Putin ordnete Hackerangriffe an“, kotzt die SÜDDEUTSCHE auf den Medientisch. Die lächerlich neutrale Schweiz kotzt mit: „Putin lancierte Attacken auf US-Wahl“, verbreiten Schweizer Radio und Fernsehen (SRF). Sogar das Mallorca 95,8 Inselradio betreut die deutschen Residenten mit der Putin-Hacker-Meldung. Auch die Stuttgarter Nachrichten, dort wo der Killesberg die Wasen küsst und Kretschmann die Merkel herzt, wissen es ganz genau: „USA machen Putin für Beeinflussung von Wahl verantwortlich“, jetzt sind es nicht nur die US-Dienste, jetzt ist es die komplette USA. Alle, alle sind sie dabei bei der Hatz: FOCUS, DIE ZEIT, FAZ, alle geifern und eifern: Der Putin war´s!

Der stinkende Meinungsjournalismus der TAGESSCHAU setzt zwar noch Alibi-Anführungszeichen, bleibt aber mit seinem Mäntelchen hart am Wind der deutschen Regierung: "Putin befahl eine Kampagne“, weiß Rolf Büllmann, aus dem ARD-Studio Washington und nennt den totalen Beweis: "Mit einer Vielzahl von Quellen" würden die US-Geheimdienste die Anklage gegen Putin begründen. Besser geht Journalismus nur noch auf dem Klo, wenn man sich der BILD-Zeitung bedient.

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Samir Amin: Das europäische Projekt ist abzulehnen!

“Oft muss erst einmal abgebrochen werden, was neu aufgebaut werden soll.”

Ein Gespräch mit Samir Amin über die Krise des Kapitalismus und die Stelle der EU im imperialistischen Staatensystem

von Ron Augustin

Samir Amin, der vor kurzem seinen 85. Geburtstag gefeiert hat, ist einer der wichtigsten politischen Ökonomen, die es heute gibt. Er gehört zum Kreis marxistischer Wissenschaftler um die Zeitschrift Monthly Review, wo er eng mit André-Gunder Frank, Immanuel Wallerstein, Paul Sweezy und John Bellamy Foster zusammengearbeitet hat. Er ist Mitbegründer der Sozialistischen Partei Ägyptens, hat in den 1950er und 1960er Jahren in verschiedenen Planungsgremien Ägyptens, Malis und der UNO gearbeitet und politische Ökonomie an der Universität Paris-Vincennes unterrichtet. Seit 1980 leitet er die afrikanische Abteilung des Dritte-Welt-Forums in Dakar. Es gibt mehr als fünfzig Bücher und zahlreiche Artikel von seiner Hand, von denen nur wenige auf Deutsch übersetzt worden sind. [1] [2] [3]

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Während einer seiner ständigen Reisen zwischen Dakar, Kairo und Paris nahm er sich die Zeit, in der Nähe von Brüssel einer Handvoll Studenten in Fragen zum aktuellen Stand der Globalisierung Rede und Antwort zu stehen. Dort hatten wir das folgende Gespräch mit ihm.

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Ron Augustin: Der neue Vorsitzende der Europäischen Linken im Europaparlament, Gregor Gysi, meint, “dass wir über die Frage, aus der EU auszutreten oder sie aufzulösen, nicht einmal zu diskutieren brauchen”. Er will, wie eine Mehrheit der staatstragenden Parteilinken, “die Menschen für ein Europa gewinnen, das sozial gerechter sei, demokratischer und antimilitaristischer”. Diese Linke hat dem rechtspopulistischen Nationalchauvinismus kaum mehr entgegenzuhalten als die alte Leier “Ein anderes Europa ist möglich.” Aus welchen Gründen lehnen Sie sie ab?

Samir Amin: Die Frage ist nicht, ob “ein anderes Europa” (welches? wozu?) möglich ist, sondern, ob das bis jetzt hervorgebrachte Projekt nachhaltig lebensfähig ist oder so umgewandelt werden kann, dass es lebensfähig wird. Das hängt natürlich auch von der Frage ab, ob ein reformierter “Kapitalismus mit menschlichem Antlitz” angestrebt wird beziehungsweise überhaupt realisierbar ist. Der zentrale Punkt, mit dem wir uns auseinanderzusetzen haben, ist die Krise des Systems. Was Europa betrifft, ist die vordergründige Krise der Eurozone nicht von der dahinterliegenden Krise der EU zu trennen.

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Die Kritik von Silvio Gesell an Karl Marx

von Georg Lehle, Rothenburg o/T

silvio_gesell_freihandel_freigeld_humane_wirtschaft_freiwirtschaft_freiwirtschaftslehre_umlaufgesichertes_geld_kritisches_netzwerk_umlaufsicherung_natuerliche_wirtschaftsordnung.jpg1916 erschien das Buch „Die natürliche Wirtschaftsordnung“ von Silvio Gesell. Der deutsch-argentinische Kaufmann übt darin profunde Kritik an den Ansichten von Karl Marx. Für Karl Marx wäre Geld eine ganz normale Ware: Waren und Geld seien äquivalent, vollständig gleichberechtigt und austauschbar.  Daher suchte Karl Marx den kapitalistischen Systemfehler im Produktionsprozess. Dort würde vom Unternehmer ein Mehrwert (Gewinn) erwirtschaftet werden, zunehmend zu Lasten der Arbeiter.

Dieser Ansicht tritt Silvio Gesell entgegen. In einer funktionierenden Marktwirtschaft (ohne Monopole) würde der Gewinn gegen Null eliminiert werden, durch Wettbewerb und vermehrte Produktion. Soweit könne es aber nicht kommen, da das Geld vorher „streikt“ und eine positive Verzinsung erzwingt. Für Gesell ist der Ausbeuter also der Geldbesitzer und nicht der Unternehmer.

► Text aus dem 1952 veröffentlichten Buch von Ernst Winkler „Theorie der Natürlichen Wirtschaftsordnung“:

„Aus dem offenkundigen Versagen des historischen Liberalismus erwuchs die sozialistische Bewegung mit dem Ziel, die missbrauchten Freiheitsrechte einzuschränken zugunsten der Gesamtheit und besonders zugunsten der wirtschaftlich Schwachen. Diese Zielsetzung beruht jedoch auf einem Denkfehler; denn der historische Liberalismus versagte nicht, weil er zuviel, sondern weil er zuwenig Freiheit verwirklichte.

Eine „freie Wirtschaft“ hat es im Liberalkapitalismus in Wahrheit nie gegeben, sondern nur eine vermachtete Wirtschaft: vermachtet durch Privatmonopole, durch den privaten Monopolbesitz von Grund und Boden und den Rohstoffen, durch das Geld- und Bodenmonopol, durch die Bildung von Syndikaten, Kartellen und Trusts. An die Stelle einer freien Konkurrenzwirtschaft trat die Herrschaft privater Wirtschaftsmächte, die durch ihre Maßnahmen weitgehend auch die Höhe von Preisen, Löhnen und Zinsen und damit das Wirtschaftsgeschehen insgesamt nach ihren Interessen bestimmen konnten.

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#Whistleblower im Betrieb

DGB muss Gewerkschaftsflüsterer besser schützen und unterstützen

von Laurenz Nurk, Dortmund

top_secret_geheimnisverrat_whistleblower_enthuellung_hinweisgeber_anonymous_whistleblowing_kritisches_netzwerk_datenklau_bnd_geheimdienste_nsa_datendiebstahl_pressefreiheit.gifIm Frühsommer 2016 wurde im EU-Parlament über die Richtlinie [(EU) 2016/943] zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen abgestimmt und sie dann in Kraft gesetzt. Die Richtlinie, in der gemeinsame Maßnahmen gegen den rechtswidrigen Erwerb und die rechtswidrige Nutzung und Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen festgelegt sind, soll sicherstellen, dass der Binnenmarkt reibungslos funktioniert. Aus Sicht der US-Regierung ist sie sogar eine wichtige Voraussetzung für das Handelsabkommen TTIP.

Der DGB hatte schon im Vorfeld davor gewarnt, dass so Unternehmen auch Informationen über Missstände in ihren Betrieben zu Geschäftsgeheimnissen erklären können, da sie nun selbst bestimmen dürfen, was ein Geschäftsgeheimnis ist und was nicht.

Whistleblower, die auf die Missstände in den Betrieben berechtigterweise aufmerksam machen, haben nun auch noch den letzten Schutz verloren. In der Regel sind die Hinweisgeber ja Beschäftigte derjenigen Betriebe, in denen die Missstände angeprangert werden. Hinzu kommt noch, dass die Arbeitnehmer nun im vollen Umfang für den durch die Offenlegung von angeblichen Geschäftsgeheimnissen entstandenen wirtschaftlichen Schaden beim Arbeitgeber haftbar gemacht werden können.

Die Richtlinie bedroht nicht nur die Whistleblower, sondern auch die Pressefreiheit in erheblichen Maßen.

 Bei der neuen Richtlinie handelt es sich um einen Mindestschutzstandard für Unternehmen. Das heißt, dass die EU-Mitgliedstaaten den Schutz von Geschäftsgeheimnissen in der nationalen Gesetzgebung sogar noch verstärken können. Es fehlt hier vor allem das Kriterium des objektiven Geheimhaltungsinteresses des Inhabers. Das bedeutet einen großen Rückschritt bei uns, da die deutschen Gerichte bisher stets auf das objektive Geheimhaltungsinteresse abstellen.

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WikiLeaks-Enthüllungen bestätigen enge Kooperation von BND und NSA

von Sven Heymanns / wsws.org

Der deutsche Auslandsgeheimdienst hat den US-Geheimdiensten nicht nur massenhaft Daten geliefert, sondern auch bei der Erstellung von Spähsoftware direkt mit ihnen zusammengearbeitet. Das bestätigt der umfangreiche Datensatz, den die Enthüllungsplattform WikiLeaks Anfang Dezember veröffentlichte. Er dokumentiert die enge Kooperation zwischen deutschen und amerikanischen Geheimdiensten und lässt neue Einzelheiten darüber erkennen.

Der Datensatz umfasst etwa 90 Gigabyte an Informationen. Er besteht aus insgesamt 2420 Akten, die im Jahr 2015 an den NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages weitergeleitet wurden. Die Daten stammen WikiLeaks zufolge aus mehreren deutschen Bundesbehörden, darunter der Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).

Wie WikiLeaks an die Daten gelangte, ist bislang unbekannt. Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" schiebt die Verantwortung dafür Russland zu. Sie will „aus Sicherheitskreisen“ erfahren haben, dass die Daten aus einem Hackerangriff auf den Bundestag vom Frühjahr 2015 stammen könnten, für den Russland verantwortlich sei. Dafür gebe es eine „hohe Plausibilität“, weil keines der Dokumente nach Januar 2015 digitalisiert worden sei. Außerdem handle es sich ausschließlich um Dokumente des geringsten Geheimhaltungsgrads, die innerhalb des Bundestages im Umlauf gewesen seien. Eine Bestätigung für diese Vorwürfe gegen Russland gibt es nicht.

Das der deutsche Bundesnachrichtendienst und die amerikanische NSA eng zusammenarbeiten, war bereits im Juni 2013 durch die Enthüllungen von Edward Snowden bekannt geworden. Snowden hatte unter anderem aufgedeckt, dass beide Geheimdienste die Software XKeyscore benutzen, um den weltweiten Mobilfunk- und Internetverkehr zu filtern und zu durchsuchen.

Die jüngsten Veröffentlichungen zeigen, dass der BND die Software nicht nur nutzte, sondern auch an ihrer Entwicklung beteiligt war. Aus einem internen Dokument vom Juni 2013, das über die Kooperation mit den US-Geheimdiensten berichtet, geht hervor, dass ein BND-Mitarbeiter „zur Programmierung und Bewerkstelligung der Handhabung bzgl. XKeyScore für die Dauer von zwei Jahren“ abgeordnet wurde.

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Die Bewusstseins-Industrie

von Jens Wernicke (NDS) im Gespräch mit Propagandaforscher Jörg Becker

joerg_becker_solingen_die_linke_propaganda_medienpolitik_medienkultur_massenmedien_leitmedien_politikwissenschaftler_kritisches_netzwerk_medien_krieg_friedensforschung_rassismus.jpgEdward L. Bernays formulierte vor fast einem Jahrhundert: „Die bewusste und zielgerichtete Manipulation der Verhaltensweisen und Einstellungen der Massen ist ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften. Organisationen, die im Verborgenen arbeiten, lenken die gesellschaftlichen Abläufe. Sie sind die eigentlichen Regierungen in unserem Land. Wir werden von Personen regiert, deren Namen wir noch nie gehört haben. Sie beeinflussen unsere Meinungen, unseren Geschmack, unsere Gedanken. Doch das ist nicht überraschend, dieser Zustand ist nur eine logische Folge der Struktur unserer Demokratie.“ (Wikip.)

Und Hans Magnus Enzensberger sekundierte vor nicht gar so langer Zeit, indem er feststellte, der gesellschaftliche Auftrag der Bewusstseins-Industrie sei „heute überall derselbe: die existierenden Herrschaftsverhältnisse, gleich welcher Art sie sind, zu verewigen. (…) Materielle Ausbeutung muss hinter der immateriellen Deckung suchen und die Zustimmung der Beherrschten mit neuen Mitteln erwirken. (…) Gepfändet wird nicht bloß Arbeitskraft, sondern die Fähigkeit, zu urteilen und sich zu entscheiden.

Wie aber dürfen wir uns das vorstellen: die tägliche Manipulation, die unser Denken in vorgefertigte Muster zu zwingen versucht? Hierzu sprach Jens Wernicke mit dem Politikwissenschaftler u. Propagandaforscher Jörg Becker (Foto rechts).

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Jens Wernicke: Herr Becker, der Wahlkampf Clinton versus Trump war wieder einmal sehr bezeichnend: Die Medien malten den Einen als Teufel an die Wand und standen der Anderen sogar dann bei, als sie mit dem 3. Weltkrieg oder dem Einsatz von Atomwaffen drohte. Wie schätzen Sie diese Medienberichterstattung ein, was erlebten wir hier?

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DGB-Studie entzaubert das Märchen vom Azubi-Mangel

Wie die öffentliche Ausbildungsstatistik die Lage auf dem Ausbildungsmarkt verschleiert

von Laurenz Nurk, Dortmund

dgb_studie_ausbildungsreport_2016_ausbildung_berufsausbildung_ausbildungsplaetze_kritisches_netzwerk_ausbildungsplatz_ausbildungsplaetze_leistungsdruck_arbeit_bildung.pngDer DGB und einige Einzelgewerkschaften schlagen Alarm: Mehr als 1,9 Millionen junge Erwachsene zwischen 20 und 34 Jahren haben keinen Berufsabschluss.

Wie immer, wenn Ende September jeden Jahres die Lehrstellenbilanz gezogen wird, beginnt rituell das Jammern der Unternehmer. Sie suchen händeringend nach Auszubildenden, aber es würde immer schwerer, welche zu finden. Bei dieser immer gleichen Aussage der Firmenchefs zur Lage auf dem Ausbildungsmarkt werden sie von Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (BA) unterstützt.

Der DGB hat nun die Daten analysiert und kritisiert: Die Zahlen verschleiern demnach, wie es wirklich ist. Von einem Bewerbermangel kann schon anhand dieser Zahlen überhaupt keine Rede sein.

Die BA hat für das Jahr 2015/2016 einen Anstieg der gemeldeten Ausbildungsstellen von drei Prozent gegenüber dem Vorjahr gemeldet – bei einem Rückgang der Zahl der Bewerberinnen und Bewerber um 0,6 Prozent.

Ende September 2016 gebe es der BA-Statistik zufolge 43.500 freie Ausbildungsplätze. Dem stünden rund 20.000 Bewerber ohne Lehrstelle gegenüber. Die Zahlen suggerieren: Es gibt mehr freie Plätze als Bewerber. Aber stimmt das?

Die Geschichte vom bundesweiten Auszubildenden-Mangel entpuppt sich bei Licht betrachtet aber als Märchen, denn zahlreiche Jugendliche ohne Ausbildungsplatz werden der DGB-Analyse zufolge gar nicht in den Daten der BA berücksichtigt:

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Ein Rat für 2017: Misstraut den „Experten“ und denen, die sich dafür halten!

Von Ernst Wolff / Autor des Buches „Weltmacht IWF- Chronik eines Raubzugs“

bankster_banker_gangster_spekulanten_finanzfaschismus_financial_fascism_kritisches_netzwerk_bankenkrise_bankenrettung_wallstreet_finanzhai_finanzheuschrecken_capitalism.pngWohl kaum jemand sieht der Zukunft zu Jahresbeginn 2017 mit ungetrübtem Optimismus entgegen. Zu recht, denn die Zeichen der Zeit stehen auf Sturm. Doch gerade schwierige Großwetterlagen erfordern einen klaren Kopf und präzise Orientierung.

Beides aber ist schwer zu erlangen, wenn man ständig dem Trommelfeuer der etablierten Mainstream-Medien ausgesetzt ist. Dort werden Halbwahrheiten mit Unwahrheiten gemischt, tatsächliche Sachverhalte verdreht, Ängste geschürt und Vorurteile bedient.

Wer auf diese Weise unter einer Flut von Informationen erstickt, wendet sich deshalb gern „Experten“ zu, die ihm im Labyrinth unserer Gesellschaft den Weg weisen sollen. Eine ganze Heerschar solcher Politik- und Wirtschafts-„Experten“ war in den vergangenen Wochen aktiv, um uns allen die Weltlage zum Jahreswechsel und die Aussichten für 2017 zu erklären.

Das Problem: Die vermeintlich fundierten Analysen dieser „Experten“ lenken genauso wie die übliche Berichterstattung von den wahren Schuldigen an den derzeitigen Problemen – Spekulanten, Bankern und den ihnen hörigen Politikern – ab, erzeugen Panik, wo diese vollkommen unangebracht ist, und verharmlosen, wo dringende Aufmerksamkeit geboten wäre. Hier ein Beispiel dafür, wie wir alle durch derartige Analysen fehlinformiert werden und Gefahr laufen, wirkliche Bedrohungen nicht wahrzunehmen oder zu unterschätzen:

► Der Fall Monte dei Paschi

Es gibt kaum einen Wirtschafts- oder Finanz-„Experten“, der sich in den vergangenen Wochen nicht mit der Frage beschäftigt hat, ob die älteste italienische Bank "Monte del Paschi di Siena" (MSP) denn nun gerettet werde, ob ihre Rettung durch den italienischen Staat oder die EU erfolgen und ob die EZB grünes Licht dafür geben werde. Dabei wurde immer wieder betont, wie gefährlich ein „Fallenlassen“ des Institutes durch die Verantwortlichen wäre.

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Soros´ und Merkels Hohle Phrasen zum Neuen Jahr

Reden und nichts sagen

von Ulrich Gellermann, Berlin

Kühl und gelassen sagt uns der Multimilliardär George Soros zum Jahresende auf einer ganzen Seite der WELT die Wahrheit ins Gesicht: „Die Globalisierung hatte weitreichende wirtschaftliche und politische Folgen. Sie erhöhte die Ungleichheit sowohl innerhalb der armen als auch innerhalb der reichen Länder.“ Von der Höhe eines 25-Milliarden-Dollar-Vermögens aus lässt sich das leicht und locker sagen. Von der Klarheit des Herrn der Finanzoligarchie weit entfernt speist uns Angela Merkel per Neujahrs-TV-Auftritt mit diesem Satz ab: „Zu dem, was mir Mut für unser Deutschland macht, gehört auch unsere soziale Marktwirtschaft. Sie lässt uns Krisen und Veränderungsprozesse besser meistern als jedes andere Wirtschaftssystem auf der Welt.

Soros stattet seine Perspektiven immerhin mit einem Teil der Wahrheit aus. Die Kriege im Ergebnis der Globalisierung lässt er aber lieber weg. Frau Merkel verzichtet gleich auf alles, was in die Nähe der Wahrheit führen könnte: Keine Kinderarmut, keine Altersarmut, sogar die noch bei Gauck obligaten Grüße an die tapferen Bundeswehrsoldaten überall auf der Welt fallen bei ihr weg: Man könnte ja auf Ideen kommen.

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Während die Kanzlerin nahezu ein Drittel ihrer Rede dem Terrorismus widmet, über dessen Ursachen sie vornehm und gründlich schweigt, kommt Soros mit seinen Sorgen ziemlich unverblümt zur Sache: „Die USA werden nicht mehr die Demokratie in aller Welt schützen.“ Aus dem Oligarchischen übersetzt, fürchtet der mächtige Mann, mit Trump könne die gute Zeit der Regime-Changes und der Interventionskriege zu einem vorläufigen Ende kommen. Und schiebt deshalb nach: „Selbst die USA – das weltweit führende demokratische Land – haben einen Hochstapler und Möchtegern-Diktator zum Präsidenten gewählt.

Einen winzigen Zipfel dieser Befürchtung lässt auch die Dame Merkel durchblicken, wenn sie sagt: „Viele verbinden mit diesem Jahr 2016 auch das Gefühl, die Welt insgesamt sei aus den Fugen geraten oder das, was lange Zeit als Errungenschaft galt, sei jetzt in Frage gestellt.“ Die Errungenschaften der US-Welt, der Frau Merkel lange und freundschaftlich verbunden war, sind in den Trümmern des Iraks, Libyens und Syriens zu besichtigen. Und von den Normalos, durchweg Merkel-Fans, könnte noch mehr in Frage gestellt werden. Sogar die Kanzlerin selbst?

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Weitere 50 Jahre Unfrieden im Mittleren Osten

von Eric Margolis

parthisches_manoever_partherpfeil_parther_partherreich_partherschuss_parthian_empire_parthian_shot_parthian_bogenschuetze_bogenschiessen_archery_kritisches_netzwerk_partherkrieg.jpgEiner meiner liebsten literarischen Ausdrücke ist der Begriff „Partherpfeil.” Dieser bezieht sich auf die bevorzugte Taktik der Parther, eines persischen Volks, sich auf dem Pferderücken umzudrehen und im Davonreiten Pfeile abzuschießen. Der römische Konsul Crassus, der Spartacus besiegt hat, könnte nach seiner Niederlage in der Schlacht bei Carrhae 53 v.Chr. an so einem Partherpfeil gestorben sein.

Diese Woche schoss der scheidende Präsident Barack Obama seinen Partherpfeil auf Israels Führer Benjamin Netanjahu ab, indem er sich ausnahmsweise weigerte, ein Veto gegen eine Resolution des UN-Sicherheitsrats einzulegen, die Israels anhaltende Enteignung arabischen Bodens in der besetzten West Bank verurteilte. [⇒ Resolution 2334]

Gleichartige Enteignung und ethnische Säuberungen in den von Israel okkupierten Golanhöhen, die rechtlich zu Syrien gehören, wurden nicht erwähnt.

In den vergangenen acht Jahren hat die Administration Obama mit Israel diskrete Gespräche über die Errichtung von Siedlungen in der West Bank und Jerusalem geführt. In der Öffentlichkeit hielt die Obamaregierung die alberne aber bequeme Fiktion aufrecht, dass fruchtbare Gespräche geführt würden, die zur Schaffung von zwei Staaten im historischen Palästina führen würden.

Niemand glaubte wirklich diesen Unsinn: nicht Israel, nicht Mahmud Abbas, der von den Vereinigten Staaten von Amerika und Israel eingesetzte Quisling, nicht die UNO, nicht Amerikas Alliierte, die arabischen Klientenstaaten eingeschlossen. Die Aufrechterhaltung dieser Lüge bedeutete, dass niemand etwas zu unternehmen brauchte, um Israels unübersehbare Expansion zu durchkreuzen.

 Wenn Barack Obama und seine feministische außenpolitische Riege gelegentlich öffentliche Piepser des Protests von sich gaben, wurden er und Vizepräsident Joe Biden abgewatscht und jämmerlich gedemütigt. Es spielte keine Rolle, dass die Administration Obama versprach, Israel 38 Milliarden Dollar aus dem US-Steuertopf zum Kauf von Waffen zu überweisen, gegen eine endlose Serie von UNO-Resolutionen, die Israel wegen illegaler Ausbreitung und wegen massiver Verstöße gegen die Menschenrechte verurteilten, ihr Veto einlegte, Israel machte klar, wer wirklich der Boss in Washington war, und der war nicht Barack Obama.

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2016: Über 5000 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken

von Martin Kreickenbaum / wsws.org

Die Zahl der Menschen, die in diesem Jahr auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken sind, ist laut offiziellen Angaben des "Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen" (UNHCR) über 5000 gestiegen. „Das heißt, im Schnitt sind an jedem einzelnen Tag in diesem Jahr 14 Menschen, die in Europa Schutz oder ein besseres Leben gesucht haben, auf dem Mittelmeer gestorben“, kommentierte UNHCR-Sprecher William Spindler die neue Rekordzahl.

Die tatsächliche Zahl der Opfer dürfte nach Schätzung der "Internationalen Organisation für Migration" (IOM) sogar noch viel höher liegen, da die Statistiken nur die offiziell registrierten Todesopfer wiedergeben, insbesondere auf der Route von Nordafrika nach Spanien keine verlässlichen Daten vorliegen und viele Bootsunglücke auf dem Mittelmeer überhaupt nicht entdeckt werden.

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2015 hatten nach Angaben des UNHCR 3777 Flüchtlinge auf dem Mittelmeer ihr Leben verloren und 2014 rund 3000. Der dramatische Anstieg ist eine direkte Folge der brutalen Abschottungspolitik der Europäischen Union, die 2016 die Außengrenzen systematisch abgeriegelt hat und das Massensterben im Mittelmeer zur Abschreckung weiterer Flüchtlinge billigend in Kauf nimmt.

Die Schwelle von 5000 Opfern wurde in der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember überschritten, als vor der Küste der italienischen Insel Sizilien kurz nacheinander zwei Boote kenterten. Beim einen konnte die italienische Küstenwache 80 Flüchtlinge retten, während 57 ertranken. Beim anderen, einem Schlauchboot, werden 40 von 120 Insassen vermisst.

Das Mittelmeer ist die mit Abstand tödlichste Zone für Flüchtlinge. Obwohl sich nur ein Bruchteil der weltweit 60 Millionen Flüchtlinge auf den Weg nach Europa machten, ereignen sich hier zwei Drittel der weltweit 7.400 Todesfälle. Hinzu kommen 1440 Flüchtlinge, die auf den nach Europa führenden Fluchtrouten – in Westafrika, der Sahara, am Horn von Afrika, im Nahen Osten und in der Türkei – ums Leben kamen, wobei mehr als 100 von Grenzpolizisten erschossen wurden.

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Beitragsschulden der Krankenkassenmitglieder: Die neue Schuldenfalle

von Laurenz Nurk, Dortmund

Die Beitragsschulden der "Versicherten bei der gesetzlichen Krankenversicherung" (GKV) sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen. Anfang dieses Jahres sind sie auf 4,48 Milliarden Euro angewachsen. Zur Kerngruppe unter den Beitragsschuldnern gehören viele freiwillig versicherten (Solo/Schein)-Selbständige mit geringem Einkommen. Der Anteil der Solo-Selbständigen an den Selbständigen insgesamt liegt bei 62 Prozent. Die Forderungen der GKV an ihre säumigen Mitglieder sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. 2011 lagen sie noch bei rund einer Milliarde Euro, 2013 bereits bei 2,15 Milliarden Euro, seitdem haben sie sich auf rund 4,5 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Auch ein Ergebnis einer verfehlten Arbeitsmarktpolitik.

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Aufgrund der Arbeitsmarktpolitik der rotgrünen Bundesregierung ist die Zahl der Selbstständigen von 2002 bis 2012 um fast 600.000 auf 4,5 Millionen Menschen gestiegen.

Der Anteil der Solo-Selbständige an den Selbständigen insgesamt liegt bei 62 Prozent und ist überdurchschnittlich gewachsen. Besonders die „Ich-AGs“ waren zwischen 2003 und 2006 politisch gewollt und wurden durch die Arbeitsverwaltung entsprechend gefördert, oft ohne ein schlüssiges Betriebskonzept entwickelt zu haben und bildeten lediglich ein Ausweg aus der Erwerbslosigkeit der Betroffenen. Von dieser „Welle“ der Regelinsolvenzen bei Einzelpersonen können die Insolvenzberatungsstellen ausgiebig berichten.

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Obamas Weihnachtsgeschenk für Trump: ein Wahrheitsministerium

von Thomas L. Knapp

thomas_knapp_news_analyst_william_lloyd_garrison_center_for_libertarian_advocacy_journalism_kritisches_netzwerk_united_states_of_america.jpgAm Freitag vor dem Weihnachtstag – das ist die Art von Termin, den Politiker wählen, um Dinge zu tun, von denen sie hoffen, dass man sie nicht bemerkt – unterzeichnete US-Präsident Barack Obama das "2017 National Defense Authorization Act" (NDAA - Gesetz über die Ermächtigung zur nationalen Verteidigung).

Nebst den üblichen schrecklichen, furchtbaren, unguten Bestimmungen (all die kleinen Bestimmungen, die dazu gehören, um die am meisten aufgeblähte und teuerste Militärmaschine der Welt in Bewegung zu halten) enthielt dieses NDAA ein hässliches kleines Weihnachtsgeschenk für den kommenden Präsidenten Trump, das "Countering Foreign Propaganda and Disinformation Act" (das Gesetz zur Bekämpfung fremder Propaganda und Desinformation).

Das CFPADA (ja ich kürze das einfach ab) begann als eigenes Stück „parteiübergreifender“ Gesetzgebung und wurde eingebracht von den US-Senatoren Rob Portman (Republikaner, Ohio) und Chris Murphy (Demokraten, Connecticut). Es wurde in das NDAA aus dem gleichen Grund integriert, aus dem Obama es am Freitag vor dem Feiertagswochenende unterzeichnete: also um die öffentliche Aufmerksamkeit zu minimieren und Kritik zu dämpfen.

Einige der hitzigeren Reaktionen auf das CFPADA stellen es hin als ein Komplott, das es der Bundesregierung ermöglicht, Medien „zu ächten,“ die nicht der Regierungslinie entsprechen: zücke einfach einen Zauberstab, erkläre einen frechen Blog zu „fremder Propaganda und Desinformation“ dreh den Blog ab und zerre vielleicht den Blogger nach Guantánamo für ein "langes Gespräch".

Nun, ganz so ist es nicht, zumindest theoretisch, aber diese Aussicht sollte nicht so mir nichts, dir nichts verworfen werden. Und in mancher Beziehung ist es sogar schlimmer. Sogar wenn man vom bedauerlichen Nachlassen der Wachsamkeit der Amerikaner gegenüber Bedrohungen unserer Rechte im Lauf der letzten paar Jahrzehnte ausgeht, so würde eine direkte, offen eingestandene politische Zensur weit verbreiteten und wahrscheinlich erfolgreichen Widerstand hervorrufen.

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Anhebung des gesetzl. Mindestlohns zum 1. Jan. 2017 um 34 Cent

8,84 Euro statt bisher 8,50: ein Desaster für die Beschäftigten

von Laurenz Nurk, Dortmund

Der gesetzliche Mindestlohn in Höhe von derzeit 8,50 Euro brutto pro Stunde wird zum 1. Januar 2017 um 34 Cent auf 8,84 Euro angehoben, was einer Steigerungsrate von 4 Prozent entspricht.

Anfang 2015 wurde der gesetzliche Mindestlohn eingeführt, um die steigende Armut und Lohnungleichheit in Deutschland zu verringern. Doch der Mindestlohn ist in dieser Hinsicht bislang wirkungslos geblieben. Er hat weder die Armut gesenkt, noch die Lohnungleichheit verringert. Im Gegenteil, die Armut nimmt  weiter zu. Galten vor der Einführung des Mindestlohns 15,4 Prozent der Bevölkerung als armutsgefährdet, sind es jetzt 15,7 Prozent.

Unverändert geblieben ist die statistisch gemessene Ungleichheit der Einkommensverteilung. Der sogenannte Gini-Koeffizient ist der international gängigste Maßstab für Ungleichheit. Vor dem Inkrafttreten des Mindestlohns ermittelte das Statistische Bundesamt für Deutschland einen Gini-Koeffizienten von 29 Prozent. Heute liegt dieser Gini-Wert immer noch bei ebenjenen 29 Prozent. Es hat sich da nichts verändert.

Auch hat sich die Zahl der Beschäftigten, die ergänzend zu ihrem Lohn noch Arbeitslosengeld II beziehen, nur geringfügig verändert. Gab es im Jahr 2014 noch 1,18 Millionen der sogenannten Aufstocker, so sank diese Zahl im vergangenen Jahr nur auf 1,13 Millionen Personen.

Vom Mindestlohn ausgenommen bleiben weiterhin minderjährige Beschäftigte, Auszubildende, Ehrenamtliche sowie bestimmte Langzeitarbeitslose und Praktikanten. Weitere Ausnahmen vom Mindestlohn sind auch in den Bereichen möglich, in denen Branchenmindestlöhne gezahlt werden. In mehreren Niedriglohnbranchen werden deshalb auch jetzt noch weniger als 8,50 Euro gezahlt, so in der Land- und Forstwirtschaft mit dem Gartenbau, in der Fleischindustrie, im Friseurhandwerk sowie bei den Zeitungszustellern und Zeitarbeitern. Spätestens ab dem 1.1.2018 gilt dann erst für alle Branchen der gesetzliche Mindestlohn, wenn er denn höher als der Branchenmindestlohn ist.

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Trumps Triumph. Ein von Putin gefaktes Faktotum?

von Wolfgang Blaschka, München

Immer, wenn Machteliten und ihr williges Gefolge nicht mehr glauben mögen, was so alles um sie herum geschieht, erfinden sie ihre nach außen gekehrte Haltung neu und waren schon immer dafür, hatten nie mit etwas anderem gerechnet und konnten daher auch gar nicht überrascht sein. Nicht von der Wende, nicht von Fukushima, nicht von so vielen Kriegsflüchtigen. Vor allem Ereignisse, die ihnen so überhaupt nicht in den Kram passen, müssen mühsam ins Weltbild integriert werden. Dazu bedarf es einer gewissen geistigen Wendigkeit, um die stabile innere Haltung mit der frisch modifiziert geäußerten in Übereinklang zu bringen.

Nur sehr schlichte Gemüter wollen einfach nicht wahrhaben, dass Elvis seit Jahren nicht mehr lebt. Die intellektuelleren Nasen richten ihren Rüssel entweder nach dem Wind, oder sie schnauben wütend wider die Widerwärtigkeiten, schnäuzen sich kurz und heftig und finden eine Erklärung für ihre unbegreifliche Erkältung. Hauptsache, die Malaise hat einen Namen. Jetzt dieser Trump! Bevor der Unsägliche tatsächlich die Wahl gewann, machten sie tapfer Wahlkampf aus dem Off für Hillary Clinton. Nun schwenken sie um.

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Nachdem das leider Unabwendbare eingetreten ist und der rotzfreche Rohling zum Chef der westlichen Welt gekürt wird, raunzen sie etwas von den ersten hundert Tagen, die man doch jedem Gewählten im neuen Amt gewähren müsse, auf dass der sich bewähre, und dass dieses neu eroberte Amt den brutalsten Wahlkampf-Berserker doch bändige, zumindest zähme, und dass es so schlimm schon nicht werde. Doch das schier Unglaubliche erheischt allemal eine Erklärung. Und die heißt in Zeiten wie diesen: Putin!

Putin ist an allem schuld. An Aleppo, an der Ukraine-Krise, letztlich auch am Weltklima. Ein Wunder, dass Wirbelstürme noch nicht nach ihm benannt werden. Putin hat den Wahlkampf in den USA beeinflusst und wird auch die Bundestagswahl manipulieren, heißt es ernsthaft aus Falkenkreisen. Seine professionellen Trolls, seine subversiven Fernsehsender und vor allem seine willigen "Versteher" hierzulande, die einfach nicht mehr jede subtile Nachrichten-Lüge oder skandalöse Informations-Unterlassung hinnehmen wollen.

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Benjamin Netanjahu zündelt, Donald Trump bläst ins Feuer

Was ist die UN-Resolution 2334 denn wert?

von Ulrich Gellermann, Berlin

Das Jahr neigte sich seinem Ende zu, da zeichneten die internationalen TV-Stationen den ersten Teil einer grausigen Harlekinade auf. In einer Versammlung der Vereinten Nationen hielt der israelische UN-Botschafter Danny Danon eine Bibel in die Kameras und erregte sich: „Diese Buch enthält 3.000 Jahre jüdischer Geschichte in Israel, und niemand wird dieses Faktum ändern!“ Gezielt war die Äußerung auf die Resolution 2334 des UN-Sicherheitsrates zur Verurteilung israelischer Siedlungspolitik im Palästinenserland. Und die Bibel, ein Traktat des Glaubens, nicht des Wissens, sollte die israelischen Gebietsansprüche auf „Judäa und Samaria“, also auf das Westjordanland, beweisen. Klar, und die Welt wurde in nur sechs Tagen vom HERRN persönlich geschnitzt.

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Doch der Akt historisierenden Größenwahns wurde vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin (Bibi) Netanjahu flugs weiter aufgeblasen: Der Herr über eine 8,5-Millionen-Bevölkerung richtete sich zu seiner vollen Größe auf und bestellte umgehend die Botschafter jener Länder zur Strafe ins israelische Außenministerium ein, die für die Anti-Siedlungsbau-Resolution gestimmt hatten. Und den Botschafter der USA, die gewagt hatten die Resolution nur mit einer Enthaltung zu kommentieren statt sie, wie Israel das gewohnt war, mit einem Veto zu verhindern, knöpfte sich Netanjahu persönlich vor. Soweit die Harlekinade.

Doch der Hanswursterei grausiger Teil folgte sogleich: Der künftige Präsident der USA, Donald Trump, kommentierte die UN-Resolution mit diesem misstönenden Twittern: „Nach dem 20. Januar wird es anders sein.“ Klar, was soll schon so eine blöde UN-Resolution. Wenn Donald der Mächtige als US-Präsident inthronisiert worden ist, dann gelten andere Regeln. Dann wird die UN-Resolution aber revidiert. Denn, so Trump weiter: „Die Vereinten Nationen haben solch großes Potenzial, aber momentan sind sie nur ein Club, wo sich Leute treffen, unterhalten und vergnügen können. So traurig!“. Trump soll offenkundig der Riese sein, auf dessen Schultern der Zwerg Netanjahu sitzt und den Nahen Osten unsicher macht.

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Der Fluch des Reichtums - Afrikas Ausplünderung

Der Fluch des Reichtums

von Jean Feyder / NDS

Afrika ist ein Kontinent, der äußerst reich ist an Rohstoffen wie Erdöl, Gold und Diamanten. Hier befinden sich auch die bedeutendsten Vorräte von Uran, Kupfer, Eisenerz, Bauxit und Coltan, das immer mehr für die Massenproduktion von Handys gebraucht wird. Die Frachtladungen dieser Produkte gehen hauptsächlich nach Nordamerika, Europa, vermehrt auch nach China.

Tom Burgis Buch „Fluch des Reichtums“ zeigt, wie diese Naturschätze von multinationalen Unternehmen ausgebeutet werden, von in Steueroasen registrierten Konzernen, aber auch, zunehmend von mächtigen, chinesischen Gesellschaften, die all diese Produkte für den riesigen chinesischen Markt erobern und sichern wollen.

Die systematische Plünderung all dieser Reichtümer erfolgt in Zusammenarbeit mit einflussreichen Mitgliedern afrikanischer Regierungen und deren Hintermännern. Sie basiert auf diskreten Komplizenschaften, auf geheimen Abmachungen, auf mafiösen Geschäftsverbindungen und Schmugglernetzen. Es geht um regelmäßige Bestechung, um private Bereicherung auf Kosten der Bevölkerung, die weiterhin arm bleibt. Die an den neuen Imperien beteiligten Regierungen legen nationalen Institutionen oder Parlamenten in keiner Weise Rechenschaft über ihr Tun ab.

Diese Ausbeutung begann schon vor der Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten, als Shell bereits Erdöl aus dem Boden Nigerias pumpte. Sie hat eine lange Tradition, die in die Kolonialzeit zurückgeht und auf „Helden“ wie Cecil Rhodes in Südafrika oder König Leopold II. im früheren Belgisch-Kongo.

► Wie vernichtend kann Freihandel sein?

300 000 Nigerianer verloren ihre Arbeitsplätze in der Textilindustrie durch Billigimporte aus China, die skrupellose, einheimische Millionäre über Schmuggelwege organisierten. Eine halbe Million Bauern war gezwungen, die Baumwollproduktion aufzugeben, die für die einst bestehenden 175 Textilfabriken bestimmt war. Heute leben in Nigeria fast zwei Drittel der Bevölkerung von weniger als 1,25 Dollar am Tag. Kein Wunder, wenn dann arbeitslose Jugendliche sich von Terrororganisationen wie Boko Haram anziehen lassen.

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#Energiewende als Transformationsprozess

Kosten der Konzerne werden in öffentliche Mittel umgewandelt

von Laurenz Nurk, Dortmund

Was sich da in Washington abspielte, war nicht der Vorgriff auf die Praxis von TTIP, sondern eine Inszenierung, die es nach Ansicht vieler Freihandelsgegner eigentlich gar nicht geben dürfte. Ein Konzern, der schwedische Energieriese Vattenfall und ein Staat, die Bundesrepublik Deutschland, treffen sich zur mündlichen Verhandlung vor einem US-amerikanischen Schiedsgericht.

2011 wurde beschlossen, dass Deutschland aus der Atomenergie aussteigt. Vattenfall, eines der vier großen Energieunternehmen meint, dadurch enteignet zu werden und dass Deutschland gegen die internationale Energiecharta verstoßen habe. Deshalb verlangt der Energieriese 4,7 Milliarden Euro vom Bund.

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Hier wird deutlich, wie Konzerne ihre Macht gebrauchen, um sich mit horrenden Schadenersatzforderungen über Entscheidungen demokratisch gewählter Parlamente hinwegzusetzen. Was uns bei der Energiewende noch erwarten kann, zeigen der Ausstieg aus der Atomenergie und das Ende der Kohleverstromung, wobei die Verluste der Unternehmen in öffentliche Mittel transformiert werden.

Seit der Energiemarktliberalisierung 1998 kann man vor allem bei den 4 Branchenriesen ein ziemlich hohes Umsatzwachstum beobachten, beruhend auf internationalen Expansionen, dem Auftun neuer Energiedienstleistungen und durch die durchgesetzte Preissteigerung im privaten Haushaltsbereich.

Als die Liberalisierung im Energiesektor einsetzte, sank zunächst die Zahl der Energieunternehmen. Ab 2002 nahm dann ihre Zahl rasant zu, vor allem wegen der vielen Neugründungen von Stromvertriebsgesellschaften, der Marktregulierung von Stromhändlern und auch durch die „Legal-Unbundling“, das ist die rechtliche Entflechtung von Stromerzeugung und Netzbetrieb. Außerdem hat es seit 2005 im Rahmen einer Rekommunalisierung 72 Stadtwerke-Neugründungen gegeben.

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Weihnachten an der Islam-Front

Die Legende vom Kampf gegen den Terror

von Ulrich Gellermann, Berlin

Da war er wieder, der deutsche Racheengel: Auf dem Adventsmarkt im Feldlager von Masar-i-Scharif in Afghanistan lief Frau von der Leyen durch die weihnachtliche Gegend. Die Dame war schon mehrfach zum Fest dort: „Die Besuche der Verteidigungsministerin kurz vor Weihnachten haben Tradition“, teilt die Bundeswehr mit. Denn der deutsche Recke steht dort auf Wacht gegen den Terrorismus. Und das schon seit 15 Jahren. Da gab es in Deutschland noch gar nichts zu rächen. Aber an der Seite der USA wurde tapfer der Terror bekämpft. Mit dem bekannten Erfolg: Mehr Terror, mehr Tote. In Afghanistan ohnehin. Aber natürlich auch in allerlei anderen Ländern.

Ziemlich pünktlich, nach dem Ende des Sozialismus, als dem Kapitalismus ein prima Feind abhanden gekommen war, warf Samuel Phillips Huntington 1996 sein Buch „The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order“ auf den Markt. Mit dem „Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert.“ war in den Machtzentralen des Westens ein neuer Feind gefunden: Der Islam.

Ein Gespenst, mit dem die Massen geängstigt und diszipliniert werden konnten. Ein Widersacher, der zudem über den Treibstoff verfügte, der nicht nur die Wirtschaft antrieb, sondern auch den Rohstoff-Hunger des Westens gieren ließ: Öl.

Und weil „unsere“ Kultur als die Überlegene verkauft wurde, musste das auch bewiesen werden: Im Irak, in Afghanistan, in Libyen und in Syrien. Die Zahl der Toten, primär auf der Seite der islamisch geprägten Länder, ist ohne Ende. Mehr als 700 Luftangriffe haben die USA im Jahr 2016 allein in Afghanistan geflogen. Aber die kaputten Hütten, die ermordeten Ziegenhirten und deren Familien sind nie auf TV-Bildern zu sehen.

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Die Verteidigung christlich-abendländischer Kultur

Christentum als Wiege abendländischer Kultur?

von Peter A. Weber, Klotten

Die Verteidigung der „christlich-abendländischen Kultur“ wird nicht nur von Kirche und Politik sondern auch vom größten Teil des Establishments zum erstrebenswerten Ziel erklärt. Es ist die Rede vom „christlichen Erbe unseres Kontinents“ und sogar von der „christlichen Zivilisation“, deren weltweite Ausbreitung auch Indern, Indianern, Papuas, Buschmännern, Chinesen und dem Volk der Eskimos (Inuit, Yupik, Kalaallit und Inupiat) Glück und Segen gebracht habe. Die christlich-abendländische Zivilisation ist verantwortlich für die Kolonialisierung der Welt, auf die wir mächtig stolz sein können.

Die Folgen dieser christlich-abendländischen Mission sind allgemein bekannt: Blutige Kriege wurden im Namen des Christentums geführt, in denen Priester beider Konfessionen die Waffen für den Kampf gegen die „Ungläubigen“ segneten. Ganze Völker wurden ausgerottet oder unterworfen und zwangsweise zum Kreuz bekehrt sowie ihre Jahrtausende alten Kulturen brutal unterdrückt. Die Devise „Willst Du nicht mein christlicher Bruder sein, so schlage ich dir den Schädel ein“ wurde zum ersten Gebot erklärt. In Europa selbst loderten über Jahrhunderte die Scheiterhaufen der Hexen-, Ketzer und Bücherverbrennungen.

Getreu dem Satz „Daß nicht sein kann, was nicht sein darf“ mußten sämtliche Relikte beseitigt werden, die der Gleichsetzung von Abendland und Christentum widersprachen. Das Christentum hat stets Wert darauf gelegt, daß nur seine Werte alleinige Wahrheit und Gültigkeit besitzen, andere Religionen wurden verteufelt, ihre Anhänger als Heiden gebrandmarkt und antike wissenschaftlichen Erkenntnisse als gotteslästerlich diskriminiert und ausgelöscht. So ist die große Bibliothek von Alexandria wahrscheinlich von christlichen Eiferern um das Jahr 300 zerstört worden, wobei unersetzliches Wissen der Antike verloren ging. Die Grundlagen für die Intoleranz  des (finsteren) Mittelalters und den kulturellen Verfall wurden gelegt. Die Hybris des offiziellen Christentums war grenzenlos.

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Religionszugehörigkeiten in Deutschland 2015 - aktualisiert im Dezember 2016

von Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid)

Der Anteil der Katholiken und Protestanten in der deutschen Bevölkerung ist 2015 auf 28,9 beziehungsweise 27,1 Prozent gesunken. 36 Prozent der Bevölkerung gehörten keiner Religionsgemeinschaft an. Der Anteil der konfessionsgebundenen Muslime lag bei 4,4 Prozent. Die Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften (u. a. Orthodoxe Kirchen, Freikirchen, Juden, Hindus und Buddhisten) stellten rund 3,6 Prozent der Bevölkerung.

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In den letzten vier Jahrzehnten haben die beiden christlichen Großkirchen empfindliche Mitgliederverluste hinnehmen müssen: 1970 waren (in der damaligen Bundesrepublik) 92,3 Prozent der Bevölkerung Protestanten (47,7 Prozent) oder Katholiken (44,6 Prozent). 1987 hatte sich der Anteil der Kirchenmitglieder auf 84,5 Prozent reduziert, wobei die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) mit 41,6 Prozent sehr viel stärkere Verluste verkraften musste als die römisch-katholische Kirche, deren Mitglieder damals 42,9 Prozent der Bevölkerung stellten.

Mit der deutschen Einheit verringerten sich die Anteile der beiden Amtskirchen weiter, da die Bürgerinnen und Bürger in den „neuen Ländern“ mehrheitlich konfessionsfrei waren. Dennoch gehörten 1990 noch über 72 Prozent der Bevölkerung der römisch-katholischen oder evangelischen Kirche an. Seither ist der Anteil der Katholiken und Protestanten noch einmal beträchtlich gesunken. Im Jahr 2015 waren nur noch 56 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen in einer der beiden Großkirchen organisiert, nämlich 28,9 Prozent in der römisch-katholischen und 27,1 Prozent in der evangelischen Kirche (EKD).

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Von den Werten der NATO

von Emran Feroz / NDS

Während die Türkei immer mehr ins Chaos zu sinken droht, haben türkische Soldaten in Deutschland um Asyl gebeten. Richtig gelesen. Angehörige eines NATO-Staates haben in einem anderen NATO-Mitgliedsstaat Asyl beantragt. In diesem Kontext muss man sich zu Recht folgende Frage stellen: Was ist hier eigentlich los?

Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass mehrere türkische Soldaten aus dem NATO-Quartier in Ramstein Asylanträge in Deutschland gestellt haben. Der Grund: Die Soldaten wollen nicht in die Türkei zurückverlegt werden. Um wie viele Angehörige des türkischen Militärs es sich genau handelt, ist unklar. Beobachter gehen allerdings davon aus, dass das Handeln der Soldaten mit dem Putschversuch im vergangenen Juli zu tun hat.

Seit eben jenem Putschversuch gehört der repressive Umgang der türkischen Regierung zum Alltag in der Türkei. Im Laufe der letzten Monate kam es zu zahlreichen Verhaftungswellen. Tausende von Menschen kamen ins Gefängnis. Unter ihnen befinden sich nicht nur Soldaten, die mutmaßlich am Putschversuch beteiligt gewesen sind, sondern auch Politiker, Journalisten, Aktivisten und Angehörige der Zivilgesellschaft.

Seitens der NATO, die sich immerhin unter anderem auch als „Wertegemeinschaft“ betrachtet, war die Reaktion auf die Vorgänge in der Türkei nur spärlich. Von Generalsekretär Jens Stoltenberg wurden die Verhaftungen in keiner Art und Weise kritisiert oder angeprangert. Stattdessen beharrte Stoltenberg darauf, dass er der Türkei in dieser Hinsicht vertrauen werde. Immerhin habe ihm die türkische Regierung versichert, dass jegliche Aktionen im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit geschehen würden. Außerdem, so Stoltenberg, habe die Türkei das Recht, gegen die Verantwortlichen des Putschversuchs vorzugehen.

Stoltenbergs Phrasen scheinen jene Soldaten, die nun Asyl beantragt haben, herzlich wenig zu interessieren. Berichten zufolge sehen die Soldaten sich und ihre Familien in Gefahr und wollen deshalb nicht in ihre Heimat zurückkehren. Völlig unabhängig von den Beweggründen der Soldaten muss man sich fragen, was das ganze Szenario eigentlich für die NATO bedeutet. Immerhin flüchten hier NATO-Soldaten von einem NATO-Staat in einen anderen.

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Bundesregierung fälscht Armutsbericht

von Dr. Utz Anhalt / gegen-hartz.de

Was sich wie eine Verschwörungstheorie anhört, ist Wirklichkeit: Die Bundesregierung strich, laut der Tageszeitung Neues Deutschland, Passagen, die belegen, dass Reichtum darüber entscheidet, dass jemand Einfluss auf die Politik nimmt bzw. Armut darüber, dass Menschen keinen Einfluss haben.

Die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hatte die Untersuchung selbst in Auftrag gegeben, die feststellen sollte, wie politischer Einfluss und Einkommen zusammen hängen. Das Ergebnis war ihr offensichtlich zu kritisch.

Kritische Passagen verheimlicht

Die Süddeutsche Zeitung meldete, dass die Aussagen im Bericht, ob Reiche mehr Einfluss auf politische Entscheidungen haben als Arme nicht veröffentlicht worden seien. So verschwieg die Bundesregierung zum Beispiel folgenden Satz: „Die Wahrscheinlichkeit für eine Politikveränderung ist wesentlich höher, wenn diese Politikveränderung von einer großen Anzahl von Menschen mit höherem Einkommen unterstützt wird.

Die unzensierte Version hatte das Bundesarbeitsministerium dem Kanzleramt und Ministerien vorgelegt. Der Politikwissenschaftler Armin Schäfer aus Osnabrück gehörte zu den Forschern, die den Einfluss des Vermögens auf politische Entscheidungen untersuchten.

Demokratie nur für Reiche

Schäfer selbst kam zu kritischen Ergebnissen. So schrieb er: „Personen mit geringerem Einkommen verzichten auf politische Partizipation, weil sie Erfahrungen machen, dass sich die Politik in ihren Entscheidungen weniger an ihnen orientiert.

Im Klartext heißt das: Wer wenig verdient, resigniert, weil er für die Politik sowieso keine Rolle spielt.

Die Regierung strich auch den Satz: „In Deutschland beteiligten sich Bürger »mit unterschiedlichem Einkommen nicht nur in sehr unterschiedlichem Maß an der Politik, sondern es besteht auch eine klare Schieflage in den politischen Entscheidungen zulasten der Armen.“ Im Klartext: Politik wird für Reiche gemacht und gegen die Armen.

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Das Trump-Kabinett: Milliardäre, Generäle – der Ausschuss des 1%

von Conrad Schuhler / Vors. des Instituts für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

In „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“ schreibt Friedrich Engels, der Staat „ist in der Regel Staat der mächtigsten, ökonomisch herrschenden Klasse, die vermittelst seiner auch politisch herrschende Klasse wird und so neue Mittel erwirbt zur Niederhaltung und Ausbeutung der unterdrückten Klasse“. ( Quelle). Danach hat in den USA mit dem Trump-Triumph das superreiche 1% der Bevölkerung die Macht in Washington übernommen. Und im Gegensatz zu den Beschwörungen der Medien, nun müsse man erstmal sehen, wohin die Reise Trumps und der Seinen gehe, hat die Kabinettsriege längst kundgetan, dass es im Kern darum geht, die „Niederhaltung und Ausbeutung der unterdrückten Klasse“ noch zu verschärfen, sowohl im nationalen wie im globalen Maßstab.

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► Trump - Kabinett der Milliardäre

Die Washingtoner Insider-Zeitung „Politico“ rechnet vor, dass an Trumps Kabinettstisch rund 35 Milliarden Dollar Privatvermögen sitzen. Dazu zählt in erster Linie die Trump-Familie selbst. Ob der neue Präsident, wie er selbst behauptet, 10 Milliarden US-Dollar schwer ist, wird von manchen bezweifelt. Aber auch Skeptiker schätzen sein Vermögen auf 2 bis 3 Milliarden US-Dollar. Sein Schwiegersohn Jared Kushner, der zusammen mit seiner Frau Ivanka zum engsten Beraterkreis Trumps gehört, hat ein Immobilienvermögen von mindestens 7 Milliarden US-Dollar aufzuweisen.

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Nach Aleppo: Wir brauchen eine neue Syrien-Politik

von Ron Paul  

In der vergangenen Woche wurde Ostaleppo zur Gänze zurück unter die Kontrolle der syrischen Regierung gebracht. Die Bevölkerung begann, in ihre Wohnungen zurückzukehren, von denen viele verlassen wurden, als mit al-Qaida verbundene Rebellen 2012 die Macht übernommen haben. Soweit mit bekannt ist, hatten die westlichen Massenmedien nicht einen einzigen Reporter in Aleppo, sondern verließen sich auf „Aktivisten,“ um uns zu informieren, dass die syrische Armee die Zivilbevölkerung hinschlachtet. Es macht schwerlich Sinn für eine Armee, bewaffnete Rebellen zu bekämpfen und zu besiegen, nur um dann unbewaffnete Zivilisten zu ermorden Aber es ist ja nichts neues, dass nicht viel von der Berichterstattung der Massenmedien über die Tragödie in Syrien wirklich Sinn gemacht hat.

In der vergangenen Woche sprach ich mit einer westlichen Journalistin, die wirklich aus Aleppo berichtet hat, und diese vermittelte ein ganz anderes Bild von dem, was dort vor sich ging. Sie führte Videointerviews mit Dutzenden von Einwohnern, und diese sprachen davon, wie sie von den „Rebellen“ als Geiseln gehalten und ausgehungert wurden, von denen viele Waffen benützten, die von den Vereinigten Staaten von Amerika angeblich an „Gemäßigte“ geliefert worden waren.

Wir können nicht wissen, was in Aleppo genau geschieht, aber wir wissen Bescheid über einige Dinge, die in Syrien in den letzten fünf Jahren geschehen sind. Es gab keinen Volksaufstand, der einen Diktator stürzen und die Demokratie bringen sollte. Von dem Augenblick an, da Präsident Obama erklärte: „Assad muss weg“ und die Lieferung von Waffen anordnete, war klar, dass es sich um eine aus dem Ausland betriebene Regimewechsel-Operation handelte, die ausländische Kämpfer gegen Kräfte der syrischen Regierung benützte. Wäre das syrische Volk wirklich gegen Assad, dann hätte er absolut keine Chance gehabt, fünf Jahre lang Attacken von Ausländern und von seinen eigenen Leuten zu überleben.

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Terror-Experten wissen es besser.

Am besten wissen es israelische Experten

von Ulrich Gellermann, Berlin

terror_5_berlin_attentat_terroranschlag_nizza_paris_islam_islamic_state_terrorismus_islamischer_staat_islamophobie_moslems_kritisches_netzwerk_terrorism_dschihad_jihad_al-qaida.pngSchon seit Jahren ist der Kampf gegen den Terror eine kriegerische Disziplin, die nach Experten verlangt. Experten sind Menschen, die im jeweiligen Sachgebiet alles wissen - und das auch noch besser. Wenn zum Beispiel der Terrorfall vorfällt, fallen sie in den Medien durch superkluge Reden auf. Und während der normale Experte in seinem Fachgebiet selbst gearbeitet hat, darf man nicht davon ausgehen, dass der Terror-Experte selbst Terrorist war, bevor er begann über dieses Fachgebiet des Kriminellen zu dozieren. Auch wenn seine mediale Präsenz durchaus Züge des Psychoterrors aufweist.

Trotz unterschiedlicher Denkschulen gibt es einige Grundwissenschaften, die alle Terror-Experten eint. Vorrangig gilt der Kernsatz: Terrorist ist immer der andere! Schon in den Terror-Kämpfen der britischen Spezialeinheiten gegen die irische Terror-Organisation IRA war den englischen Experten klar: Der katholische Ire war´s. Katholische Iren konnten allerdings lange und intensiv über den Terror britischer Truppen in katholischen Wohnvierteln Nord-Irlands berichten. Aber sie kamen in den allgemeinen Medien einfach nicht vor.

Auch deshalb hat sich "DER ANDERE" als Schuldiger für den Terror eingebürgert. Kann man den ANDEREN dann auch noch die andere Hautfarbe, Sprache, Religion oder Kultur nachweisen, ist der Fall schon halb geklärt.

Der Terror-Experte weiß grundsätzlich auch, dass der Terrorist immer nur "feige" Anschläge verübt. Bei Selbstmordattentaten ist das Eigenschaftswort besonders sonderbar: Hat doch der Terrorist immerhin sein Leben riskiert. Aber vielleicht war es ohnehin nichts wert und der Terrorist hat es einfach "feige" weggeworfen. Nie hat man Terrorismus-Experten von "feigen Drohnen-Morden" reden hören. Obwohl der Drohnen-Mörder unangreifbar in einem warmen und trockenen Büro sitzt und der Kaffeeautomat nur den Gang runter links ist, während die feige Trauer- oder Hochzeitsgesellschaft, die der Terroristen-Jäger klinisch sauber in die Luft jagte, wahrscheinlich ein paar feige Terroristen beherbergte und ihr Anderssein schon durch den fehlenden Kaffeeautomaten bewies.

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Disziplinierung der Niedriglöhner und Erwerbslosen

Mehr als 16 Millionen Menschen in Deutschland sind von Armut bedroht

14,5 Millionen Menschen lebten schon mal von Hartz IV

von Laurenz Nurk, Dortmund

hartz_iv_arbeitsamt_studium_abitur_schule_kindergarten_kritisches_netzwerk_berufsaussichten_lebensplanung_armut_kinderarmut_altersarmut_zukunftsperspektive_erwerbsl.jpgOb die Zahlen stimmen oder nicht, ist egal – sie werden auf jeden Fall ihre Wirkung haben. In den vergangenen Wochen geisterten Zahlen durch die Medienlandschaft, bei der jede Zahl für sich schon ein Skandal ist.

Das Bundessozialministerium gab bekannt, dass mindestens 14,5 Millionen Menschen in Deutschland seit der Einführung im Jahr 2005 zumindest einmal Hartz-IV-Leistungen bezogen haben. Ein Fünftel der Bevölkerung in Deutschland – und damit rund 16,1 Millionen Menschen – war einer Statistik zufolge im vergangenen Jahr von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Dieser Anteil ist seit 2008 nahezu unverändert, teilte das Statistische Bundesamt mit.

Im vergangenen Jahr waren rund 13,4 Millionen Menschen in Deutschland von Armut durch Geldprobleme bedroht, das entsprach 16,7 Prozent der Bevölkerung.

14,5 Millionen Menschen in Deutschland haben seit der Einführung im Jahr 2005 zumindest einmal Hartz-IV-Leistungen bezogen. Diese hohe Zahl zeigt auf, dass Hartz-IV ein Massenphänomen ist.

Rund zehn Millionen der Betroffenen zählten als erwerbsfähig. 4,4 Millionen waren Kinder unter 15 Jahren.

Aktuell beziehen 5,9 Millionen Menschen Hartz-IV. 4,3 Millionen von ihnen sind erwerbsfähig, 1,6 Millionen nicht.

Dabei handelt es sich auch um eine ganze Generation von Minderjährigen, die sich in einem Disziplinierungsprozess befinden oder befunden haben, dem sie völlig hilflos ausgesetzt waren.

Für die 15- bis 24-Jährigen waren die Regeln schon im Jahr 2007 derart verschärft worden, dass ein Sachbearbeiter vom Jobcenter sie nicht nur in jedwede Ausbildung, sondern auch in jeden Ein-Euro-Job, jedes unbezahlte Praktikum und jede Leihfirma verpflichten kann. Leistet z.B. ein Schulabgänger dem nicht Folge, darf das Jobcenter ihm drei Monate lang den kompletten Regelsatz sperren. Wenn er nicht verhungern will, muss der Jugendliche dann um Essensgutscheine betteln.

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Aleppo – apropos Scham

Das Versagen“, so lautete der Leitkommentar der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zur Niederlage der „Rebellen“ in Aleppo am 17. Dezember.

Dass wir alle etwas sehen im 21. Jahrhundert“, erklärte die deutsche Bundeskanzlerin auf dem zurückliegenden Gipfel der „Europäischen Union“, „was zum Schämen ist, wo das Herz bricht, was zeigt, dass wir politisch nicht so handeln konnten, wie wir gerne handeln würden.“ (ebendort)

Ja! kann man dazu nur sagen! Ja! Es ist eine Schande, was dort in Aleppo, was heute noch in Syrien geschieht, was weiterhin dort zu geschehen droht. Aber worin besteht das Versagen? Und wer sind „wir“, die sich schämen müssten, weil sie nicht so handeln konnten wie sie wollten?

Ist es die, wie die ‚FAZ‘ weiter schreibt, „internationale Staatengemeinsaft, seit 1945 verkörpert durch die Vereinten Nationen und den Sicherheitsrat“, die sich „als nicht handlungsfähig erwiesen, also versagt hat – zumindest aus der Sicht derer, die für Syrien eine politische Lösung angestrebt hatten, und im UN-Sicherheitsrat nicht wie Russland eine Blockade durch Vetos praktizierten“, während „die ‚Sieger‘ aber auf eine militärische Lösung setzen, bei der die Zivilbevölkerung nicht verschont wird und den UN-Sicherheitsrat zur Farce degradieren.“? (ebendort,)

► Die Russen also wieder einmal?

Dazu passt, dass die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in einer Erklärung verlangten, „die Verantwortlichen für die Verstöße gegen das Völkerrecht, bei denen es sich ‚zum Teil möglicherweise um Kriegsverbrechen handelt‘ zur Rechenschaft zu ziehen.“ Die EU ziehe dazu alle verfügbaren Optionen in Betracht.

Zwar konnte man sich auf keine konkrete Option einigen, kam aber überein, Russland stattdessen „wegen der Übergriffe in der Ostukraine“ für ein weiteres halbes Jahr mit Sanktionen zu überziehen – ersatzweise sozusagen.

Bei all dem stellt sich die Frage: Wie schamlos kann man sich schämen? Auf diese Frage kann man nichts anderes als die blanken Tatsachen anführen:

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Die neoliberale Invasion

von Jens Wernicke (NDS) im Gespräch mit Sebastian Müller (le Bohémien)

indirekte_demokratie_demokratieversagen_staatsterror_meinungsfreiheit_pressefreiheit_kritisches_netzwerk_vasallenstaat_herrschaft_macht_souveraenitawt_democracy_ttip_ceta_volkeswille.pngWieso ist der Neoliberalismus seit fast 50 Jahren so wirkmächtig? Eine mögliche Antwort auf diese Frage hat Edward L. Bernays bereits vor fast einem Jahrhundert formuliert:

Die bewusste und zielgerichtete Manipulation der Verhaltensweisen und Einstellungen der Massen ist ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften. Organisationen, die im Verborgenen arbeiten, lenken die gesellschaftlichen Abläufe. Sie sind die eigentlichen Regierungen in unserem Land. Wir werden von Personen regiert, deren Namen wir noch nie gehört haben. Sie beeinflussen unsere Meinungen, unseren Geschmack, unsere Gedanken. Doch das ist nicht überraschend, dieser Zustand ist nur eine logische Folge der Struktur unserer Demokratie.

Lässt sich mit dieser Sicht aus der Perspektive der PR die Wirkweise des Neoliberalismus und seines Netzwerkes erklären? Welche Ziele hat der Neoliberalismus, wer unterstützt ihn und wie wurde die politische Landschaft geprägt?

Zu diesen Fragen sprach Jens Wernicke mit Sebastian Müller, Herausgeber des Mehrautorenblogs le Bohémien, der die neoliberale Invasion seit Langem kritisch begleitet und analytisch seziert.

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Jens Wernicke: Herr Müller, gerade erschien Ihr Buch „Der Anbruch des Neoliberalismus. Westdeutschlands wirtschaftspolitischer Wandel in den 1970er-Jahren“, mit dem Sie die Ursprünge einer inzwischen hegemonialen Gesellschaftsideologie beleuchten. Warum dieses Buch? Was ist Ihre Intention?

sebastian_mueller_der_anbruch_des_neoliberalismus_wirtschaftsliberalismus_kritisches_netzwerk_new_deal_neomarxismus_reagan_thatcher_keynesianismus_kapitalismus.jpgSebastian Müller: Die Idee zu diesem Buch entstand damals im Rahmen meiner Magisterarbeit. Dort setzte ich mich mit der Geschichte des Neoliberalismus, die mich seit den Agenda-Reformen durch Rot-Grün ohnehin schon immer interessierte, intensiv auseinander. Meine Motivation war es, zu verstehen, wie und warum es passieren konnte, dass eine sozialdemokratische Partei sich derart selbst verrät. Mich interessierten die Ursprünge des Ganzen.

Da ich mich insbesondere auf die Entwicklungen in der BRD der 1970er Jahre fokussierte, fiel mir auf, wie vergleichsweise wenig hierzulande die sogenannte neoliberale „Konterrevolution“, gemessen am angelsächsischen Raum, beleuchtet ist. Das ist aber relevant, um etwa die dogmatische Wirtschaftspolitik Deutschlands, gerade in Hinblick auf die Eurokrise, begreifen zu können.

Jens Wernicke: Was genau ist denn „der Neoliberalismus“? Stimmen Sie David Harvey zu, der etwa meint, es handele sich um eine Ideologie, die primär der Privilegien- und Profitsicherung der Reichen weltweit diene – und die alle andere als unwissend weltweit Opfer fordere? Sozusagen also um die ideologisch-moralische Blaupause zur Entfesselung eines ungehinderten Kapitalismus, dem Demokratie und Menschenrechte endlich immer weniger im Wege stehen?

Sebastian Müller: Die Frage, was Neoliberalismus ist, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Das hat mehrere Gründe. Erstens die Genese des Begriffs zu einem allgemeinen Kampfwort, zweitens die Heterogenität des Neoliberalismus selbst. Und drittens, dass auch er sich mit der Zeit „marktradikalisiert“ hat.

Der Politologe Jürgen Nordmann hat einmal treffend darauf hingewiesen, dass unklar ist, „ob es sich beim Neoliberalismus um Ideologie, einen Denkstil, eine Theorie, eine wirtschaftswissenschaftliche Schule, einen Regierungsstil oder um eine Gesellschaftsphilosophie handelt“ – wahrscheinlich alles in einem, so sein Schluss. Und er hat recht, denn heute ist der Neoliberalismus ein Projekt der radikalen Umwälzung der menschlichen Ordnung unter rein ökonomischen Kriterien, das sich zwangsläufig auf staatliche Maßnahmen stützen muss.

Dass das Phänomen „Neoliberalismus“ so schwer zu greifen ist, merkt man allein schon daran, dass die meisten heute schon gar nicht mehr wissen, dass sie selbst neoliberal denken. Viele Facetten des Neoliberalismus wirken auch für das ganz normale Bürgertum, selbst für Linke, attraktiv. Stichwort „Selbstverwirklichung“, Überwindung von Grenzen, Staatsskepsis, „alternative Lebensentwürfe“. Wobei das Letztere meist nur eine konsumistische Selbsttäuschung ist.

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Kacem El Ghazzali: "Islamophobie" - der Blasphemievorwurf der westlichen Linken

von Kacem El Ghazzali

kacem_el_ghazzali_atheismus_saekularisierung_saekularitaet_islam_islamismus_islamkritik_koran_dissident_schweiz_marokko_morocco_atheism_kritisches_netzwerk_qasem_el-ghazali.jpgEs ist völlig klar, dass der Islam Aufklärung benötigt. Doch die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, diesen Aufklärungsprozess in Gang zu setzen. Was also tun? Zuvorderst ist es wichtig, dass man sich auf einige Basisbanalitäten verständigt. Zum Beispiel darauf, dass nicht "islamophob" ist, wer den konservativen Alltagsislam im Allgemeinen und den Islamismus im Besonderen kritisiert.

Im Gegenteil: Kritik ist die Voraussetzung jeglicher Aufklärung im Islam.

Die Geschichte lehrt uns, dass die europäische Aufklärung nicht von heute auf morgen vonstatten ging. Es war nicht so, dass Europa eines schönen Tages aufgewacht ist und sich plötzlich anschickte, eine säkulare und pluralistische Gesellschaft zu formen. Um die neue Welt zu errichten, durchschritt Europa einen dialektischen Prozess der Aufklärung, der gekennzeichnet war von harten geschichtlichen Auseinandersetzungen.

Ein ähnlicher Prozess, wenn auch noch auf bescheidenerem Niveau, ist hier und da durchaus auch in der islamischen Welt zu beobachten. Unglücklicherweise sieht sich dieser Prozess jedoch hartnäckigstem Widerstand ausgesetzt. Nicht nur seitens fundamentalistischer Muslime, sondern auch seitens westlicher Intellektuellen, regressiver Linken und politische Rechten.

Es ist jedenfalls schon erstaunlich, dass ausgerechnet jene Liberalen aus dem Westen, die für sich das Erbe der Aufklärung in Anspruch nehmen, nicht selten davon sprechen, dass Islamisten und Djihadisten den Islam missbrauchen würden. Was macht sie so sicher, dass sie bar jeder Evidenz und Erfahrung unentwegt behaupten, die Fundamentalisten seien nicht islamisch und hätten nichts mit dem Islam zu tun? Missbrauchte etwa auch der Prophet Mohammed den Islam, als er, wie es im Koran und den Hadithen nachzulesen ist, religiöse Kriege gegen Nichtgläubige und Juden geführt oder Apostaten zum Abschuss freigegeben hatte?

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Weihnachtsgeld: Informationen und Tipps für Beschäftigte

von Laurenz Nurk, Dortmund

Ein Anspruch auf Weihnachtsgeld ist nicht gesetzlich geregelt. Er kann sich nur aus Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Arbeitsvertrag, betrieblicher Übung oder dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben.

Zum Jahresende tauchen hierzu häufig Fragen auf: Zum Beispiel ob ein Anspruch auf Weihnachtsgeld überhaupt besteht? Ob die Kürzung oder Streichung des Weihnachtsgeldes zulässig ist, wenn es in der Vergangenheit gezahlt wurde? Und ob die Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohns Auswirkungen auf das Weihnachtsgeld hat?

weihnachtsgeld_weihnachtsgratifikation_gratifikation_tarifvertrag_betriebliche_uebung_kritisches_netzwerk_tarifvertrag_treuepraemie_arbeitslohn_jahresgrundgehalt_lohnabrechnung_geld.jpg

Nachfolgend werden einige Grundsätze zum Weihnachtsgeld erläutert.

► Grundsätze zum Weihnachtsgeld

Der Tarifvertrag zählt.

Das in Tarifverträgen festgeschriebene Weihnachtsgeld darf nicht vom Arbeitgeber gekürzt werden. Zahlt der Arbeitgeber einem tarifgebundenen Beschäftigten weniger als tarifvertraglich vorgeschrieben, so verstößt er gegen den Tarifvertrag. Beschäftigte sollten hier über den Betriebsrat/Personalrat oder die Gewerkschaft den Sachverhalt klären. Erfolgt keine Zahlung, kann das Weihnachtsgeld gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich eingefordert und schließlich vor dem Arbeitsgericht geklagt werden. Auch ein gekündigter Tarifvertrag zum Weihnachtsgeld entbindet nicht von der Zahlung, sofern er nachwirkt.

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Journalist und Publizist Eckart Spoo gestorben

Der unbequeme Fragesteller wird bleiben

Der Journalist und Publizist Eckart Spoo ist am Donnerstag, dem 15. Dezember, in Berlin gestorben, vier Tage vor seinem 80. Geburtstag. Als Kind erlebte er Krieg und Faschismus in seiner Geburtsstadt Mönchengladbach und im Fluchtort Harz; dies hat sein ganzes Leben geprägt. Mehr als drei Jahrzehnte schrieb er als Korrespondent der Frankfurter Rundschau Zeitungsgeschichte. Er galt als unbequemer Fragesteller in Pressekonferenzen und deckte manchen Skandal auf. Von 1970 bis 1986 war er Vorsitzender der Deutschen Journalisten-Union (dju).

Pressefreiheit, auch die „innere Pressefreiheit“ in den Redaktionen und die damit erforderliche Abschaffung des Tendenzparagraphen waren Forderungen, die den Journalisten Spoo bis zu seinem Tode umtrieben. Die voranschreitende Monopolisierung der Zeitungsverlage und die damit einhergehende Vereinheitlichung und Verflachung der Zeitungslandschaft prangerte er an.

Spoo sah die Pressefreiheit vom Grundrecht für alle zum Privileg einiger weniger Pressekonzerne verkommen, deren Eigentümer ihre Aufgaben darin sehen, den Kapitalismus und die von ihm geschaffenen gesellschaftlichen Verhältnisse zu rühmen und vor Kritik zu schützen – auch durch Verschweigen von Tatsachen, Verleugnen von Wahrheiten – und aus diesem Missbrauch der Pressefreiheit möglichst viel Profit zu ziehen. Spoo hielt publizistische Monopole für verfassungswidrig.

In der Konsequenz gründete er 1997 zusammen mit weiteren Publizisten eine eigene Zeitschrift: Ossietzky. Die Zweiwochenschrift für Politik, Kultur und Wirtschaft steht in der antimilitaristischen und antifaschistischen Tradition der Weltbühne. Spoos Anspruch als langjähriger Ossietzky-Chefredakteur: jedes Heft voller Widerspruch gegen angstmachende und verdummende Propaganda, gegen Sprachregelungen, gegen das Plattmachen der öffentlichen Meinung durch die Medienkonzerne, gegen das vermeintliche Recht des Stärkeren und gegen die Gewöhnung an den Krieg. Zu diesen Themen veröffentlichte er auch eine Vielzahl aufklärerischer Bücher.

Verlag und Redaktion Ossietzky werden Spoos Vermächtnis fortführen.

Dr. Rolf Gössner
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1. Eckhart Spoo, Journalist, Publizist, außerdem Herausgeber und verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift Ossietzky. Foto: Christopher Dömges / Arbeiterfotografie > Arbeiterfotografie.com. Infos über die Arbeiterfotografie - weiter.

Keine Entschädigung für die Atomindustrie: Beschleunigter Atomausstieg ist angesagt!

von Franz Garnreiter c/o Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts über den Atomausstiegsbeschluss 2011

Beim Bau der AKWs in den 1960er bis 1980er Jahren waren diese auf eine Standzeit von 20 bis 25 Jahren ausgelegt. Man hielt damals die AKWs nach dieser Zeitspanne angesichts der extremen (und radioaktiven) Materialbelastung für abbruchreif. 2002 verhandelte die Schröder-Fischer-Regierung mit der Atomindustrie einen so genannten Atomausstieg. Darin wurde eine Laufzeit der Atomkraftwerke (AKWs) von 32 Jahren festgelegt. Diese Laufzeit von 32 Jahren ist aber etwas ganz anderes als die bis dahin diskutierte Standzeit (also die Zeitspanne zwischen Betriebsbeginn und Betriebsende). 32 Jahre Laufzeit bedeuten 32 Jahre mal 365 Tage mal 24 Stunden Volllastbetrieb, also eine garantierte Stromproduktion in Höhe von 32 Jahren ununterbrochener Dauer-Volllast. Die Produktionspausen durch Wartung, Reparaturen und Unfälle eingerechnet, bedeuten 32 Jahren Laufzeit eine Standzeit von 40 Jahren und mehr.

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Die spätere Merkel-Westerwelle-Regierung hat sich darauf festgelegt, diese beschränkte Laufzeit von AKWs erheblich zu verlängern. Dementsprechend wurde Ende 2010 eine Laufzeitverlängerung der AKWs um im Durchschnitt 12 Jahre beschlossen. Da die pro AKW garantierten Strommengen fast beliebig von einem AKW auf ein anderes übertragen werden dürfen, war damit zu rechnen, dass die letzten AKWs erst tief in den 2040er Jahren abgeschaltet werden. Die Forderung der Atomindustrie nach 60-jähriger Laufzeit wäre in weitem Umfang faktisch erfüllt.

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Donald Trump: Tojanisches Pferd der kommenden Finanz-Militärdiktatur

Von Ernst Wolff / Autor des Buches „Weltmacht IWF- Chronik eines Raubzugs“

Mit Forderungen wie “Dry the swamp!” (“Legt den Sumpf trocken!”) präsentierte sich Donald Trump im US-Wahlkampf als entschlossener Gegner des US-Establishments. Millionen am System zweifelnde Amerikaner glaubten ihm und setzten darauf, dass er als Präsident der korrupten Elite des Landes endlich die Stirn bieten werde.

donald_trump_orange_3_wall_street_45th_president_usa_presidential_election_republikaner_republican_party_republicans_federal_reserve_kritisches_netzwerk_america_first.jpgMittlerweile dürfte den Informierteren unter ihnen klar geworden sein, dass sie nicht nur einem Irrtum aufgesessen, sondern ganz bewusst hinters Licht geführt worden sind: Trump erweist sich seit seiner Wahl als trojanisches Pferd, das den Sumpf nicht etwa trockenlegen, sondern ihm ganz im Gegenteil zu noch größerer Macht verhelfen will.

Und nicht nur das: Wer im Wahlkampf glaubte, mit Hillary Clinton entscheide man sich für die Fortsetzung der US-Kriegspolitik, mit Trump dagegen für ihr Ende, der reibt sich spätestens seit zwei Wochen ungläubig die Augen: Das Kabinett des 45. US-Präsidenten gleicht mit seinen Ex-Generälen und Wirtschaftsbossen eher einer Mischung aus südamerikanischer Militärjunta und der Führungsetage eines Wirtschaftskonzerns als den Kabinetten früherer Präsidenten.

Ein solch offener Betrug am Wähler ist in den USA allerdings nichts Neues, und das hat seinen Grund: Spätestens seit dem Dezember 1913 wird die Richtung der US-Politik nämlich nicht vom Weißen Haus in Washington, sondern von der Wall Street und ihrer wichtigsten Organisation, der US-Zentralbank Federal Reserve, vorgegeben. Beide haben andere Vorstellungen von der Zukunft des Landes als der arbeitende Bürger.

► Hinter der US-Politik steht immer die Finanzindustrie

Mit der Gründung der Federal Reserve im Jahre 1913 sicherte sich ein Kartell von US-Banken und ihren ultravermögenden Besitzern die Kontrolle über die US-Währung, den Dollar. Sie verwirklichte damit den Traum des Begründers der Rothschild-Dynastie, Mayer Amschel Rothschild (1744 – 1812), der einmal gesagt hat: „Gib mir die Kontrolle über das Geld einer Nation und es interessiert mich nicht, wer dessen Gesetze macht.

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L'Italia ha scelto: Paolo Gentiloni neuer Regierungschef Italiens

von Marianne Arens / wsws.org

paolo_gentiloni_silveri_presidente_del_consiglio_dei_ministri_della_repubblica_italiana_regierungschef_premierminister_italien_partito_democratico_kritisches_netzwerk_renzi.jpgVier Tage nach dem Rücktritt des italienischen Regierungschefs Matteo Renzi hat Staatspräsident Sergio Mattarella am Sonntag den bisherigen Außenminister Paolo Gentiloni zu seinem Nachfolger ernannt.

Am Montagabend stellte Gentiloni dem Präsidenten den Vorschlag für seine Kabinettsliste vor. Am heutigen Dienstag werden die Namen bekannt gegeben und in den nächsten Tagen muss sich das neue Kabinett in beiden Parlamentskammern einer Vertrauensabstimmung stellen.

Gentiloni (62) gilt als Statthalter Renzis, der beim Verfassungsreferendum vom 4. Dezember eine empfindliche Niederlage erlitten hatte und daraufhin zurückgetreten war. Er ist ein enger Gefolgsmann des bisherigen Ministerpräsidenten und wird deshalb von der Opposition als dessen „Klon“ und „Avatar“ verhöhnt.

Der Spross eines alten italienischen Adelsgeschlechts war als Jugendlicher in linksradikalen Kreisen aktiv gewesen und hatte eine Schule besetzt. Dann schloss er sich der Umweltbewegung an, um schließlich in der christdemokratisch geprägten Partei La Margherita eine politische Karriere in der römischen Lokalpolitik zu beginnen. In der Partito Democratico (PD), in der Margherita 2007 aufging, gilt er als Theoretiker eines „Dritten Wegs“ nach dem Vorbild Tony Blairs.

In seiner ersten Erklärung am Sonntagnachmittag erklärte Gentiloni, seine Regierung werde sowohl ihrer Zusammensetzung wie auch ihrem Programm nach in die Fußstapfen der Regierung Renzi treten. „Nicht aus freien Stücken“, sagte er, „sondern aus Verantwortungsgefühl werden wir uns im Rahmen der scheidenden Regierung und ihrer Mehrheit bewegen.

Gentiloni stützt sich wie sein Vorgänger auf eine Koalition der "Demokratischen Partei" (PD) mit dem rechtskonservativen "Nuovo Centrodestra" (NCD), einer Abspaltung von Silvio Berlusconis Partei Forza Italia. Auch das Personal ist Medienberichten zufolge weitgehend dasselbe.

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Die Burka bringt´s: CDU biedert sich bei der AfD an

von Ulrich Gellermann, Berlin

Auf Rügen haben sie noch nie eine Burka gesehen. Im Allgäu haben sie aber schon davon gehört. In Berlin wird davon geraunt: Man kenne einen, der habe letzte Woche oder so mal eine Burka gesehen, nicht in der Glotze, sondern live, in echt. Aber die 1000 Delegierten des CDU-Parteitages jubelten Angela Merkel zu, als die ein Burka-Verbot forderte: Erlösung, endlich, vom unerträglichen Burka-Terror befreit! Jetzt kann die deutsche Leitkultur ihren Siegeszug antreten.

Eine Kultur, die jüngst von der sächsischen CDU und der bayerischen CSU sogar in einen Aufruf gegossen wurde: Für die „Ausgestaltung der Rolle Deutschlands in Europa und der Welt“. Ist das klar, ihr Ausländer?! Deutsche Rolle überall in der Welt!

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► Wem gehört die deutsche Kultur eigentlich?

Frag mal einen aus den Eliten (früher treffender "Fettaugen auf der Suppe" genannt), was die so über die Kultur der Kleingärtner, Kegelvereinsmeier oder KiK-Käufer denken. Die sind denen so fremd wie illegal eingewanderte Albaner und machen nicht mal so eine gute Straßenmusik. Schon Individual-Reisende fühlen sich dem Pauschalreisenden so fern, dass die nie und nimmer in einer Nation Platz haben. Was geht eigentlich leit-kulturell bei Hartz-Vierern ab? Wie, die haben die Elb-Philharmonie noch nicht von innen gesehen und werden das auch nie? Was soll man denn mit denen reden, wenn man zur Elite gehört?

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Was hat Terrorismus mit globaler sozialer Gerechtigkeit zu tun?

von Conrad Schuhler / Vors. des Instituts für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

Eduardo Galeano hat in seiner Schrift „Die offenen Adern Lateinamerikas“ vor fast 50 Jahren die Frage gestellt, was eigentlich die internationale Arbeitsteilung sei. „Die internationale Arbeitsteilung besteht darin“, gab er zur Antwort, „ dass einige Länder sich im Gewinnen und andere sich im Verlieren spezialisieren.“(Stephan Lessenich stellt es seinem aktuellen Buch „Und neben uns die Sintflut“ voran) Es ist der sogenannte Norden, die westlich-kapitalistische Welt, mittlerweile ergänzt durch Schwellenländer wie China, die sich auf das Gewinnen spezialisieren. Es sind die armen Länder des Südens, die die Spezialisten im Verlieren sind.

Das hat aber in beiden Fällen nichts mit angeborenen Vorzügen oder Nachteilen zu tun. Es hat zu tun mit Macht, mit militärischer Macht, mit Kriegen und mit ökonomischen Unterwerfungsverfahren, mit denen der Norden den Süden unterwirft. Es ist die Bundesregierung, die feststellt, Deutschland profitiert von dem globalen Gefüge, wie es heute besteht, am meisten, und es wird dieses Gefüge dort, wo geboten, mit allen Mitteln, wenn nötig auch mit militärischen aufrechterhalten.

Zum Gegenstück, zum Terrorismus, sagte Jürgen Todenhöfer, nach seinen zehn Tagen beim IS: „Terroristen verstehen ihre Anschläge als berechtigte Antwort auf die aggressiv ausbeuterische Politik der USA, die ihre Länder als amerikanische Tankstellen betrachten.

Darum soll es in den nächsten Minuten gehen:

  • Was ist überhaupt Terrorismus und haben wir es wirklich mit seinem Anschwellen zu tun?
  • Von wo, von welchen Ländern geht der Terrorismus aus?
  • Was sind seine Ursachen und welche Verantwortung für diese hat der Westen zu übernehmen?
  • Wie hängen Terror und das Fehlen globaler sozialer Gerechtigkeit miteinander zusammen?
  • Terror und Islam
  • Wie steht es mit der zweiten Generation der Migranten in Europa? Ein terror-affines Umfeld?
  • Wie hat die Linke den Terror einzuschätzen?
  • Ist der Terror tatsächlich eine berechtigte Antwort auf die aggressive Ausbeutung durch die Allianzen des Westens?

1. Das Anschwellen von Terror und Krieg

Tatsächlich nimmt der Terrorismus global rasch zu. Er wird definiert als „der angedrohte oder tatsächliche Gebrauch von illegaler Gewalt durch nicht-staatliche Akteure, um politische, wirtschaftliche, religiöse oder soziale Ziele durch Furcht, Zwang oder Einschüchterung zu erreichen“, (so die Definition im "Global Terrorism Index", siehe mehrere Jahrgänge als im Anhang zum Download!). Entscheidende Definitionsmerkmale sind: es sind nicht-staatliche Akteure, die illegale Gewalt ausüben. Wird solche Gewalt von staatlichen Stellen ausgeübt, gilt sie nicht als „Terror“, sondern als „Krieg“.

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Ist die Politische Ökonomie der Arbeitsmigration der 1970er noch aktuell?

von Laurenz Nurk, Dortmund

Als die Aktivisten, die Mitte der 1970er Jahre in der „Ausländerarbeit“ Bildungsangebote für die „Gastarbeiterkinder“ machten, das Buch von Marios Nikolinakos zur „Politische Ökonomie der Gastarbeiterfrage“ in die Hände bekamen, waren sie gezwungen ihre Arbeit zu überdenken, sich mehr an den Gewerkschaften auszurichten und in den neu gegründeten Arbeitskreisen zum Erfahrungsaustausch deutscher und ausländischer Gewerkschaftsmitglieder mitzuarbeiten.

marios_nikolinakos_politische_oekonomie_der_gastarbeiterfrage_migration_kapitalismus_arbeitsmigration_gastarbeiter_kritisches_netzwerk_gewerkschaften_zuwanderung_arbeitsmarkt_refugees.jpgDie Gewerkschaften waren damals noch geschockt von dem Streik bei Ford in Köln, bei dem vor allem die türkischen Beschäftigten dem Unternehmen, aber auch der IG Metall mächtig Druck machten und von dem raschen Ansteigen des Organisationsgrades bei den Arbeitsmigranten, der damals schon 27 Prozent betrug.

Eine Neuausrichtung bzw. Rückbesinnung würde auch derzeit den Gewerkschaften gut anstehen, da die Bundeskanzlerin und die Unternehmerverbände im Jahr 2015 für offene Grenzen warben und auch heute noch dabei sind, das Angebot an Arbeitskräften stetig zu vergrößern.

Nach wie vor ist das Verlangen der deutschen Unternehmen nach einem Überangebot an möglichst gut ausgebildeten Arbeitskräften vorhanden. Der alte Grundsatz gilt immer noch, dass, je höher das Arbeitskräfteangebot ist, desto größer wird die Konkurrenz unter den Anbietern der Arbeitskraft, desto niedriger ist der Lohn.

Hier bieten sich derzeit die geflüchteten Menschen an, deren Flucht auch durch die deutsche Politik der letzten Jahre erst mit verursacht wurde.

Da die Unternehmen schon immer die „Nebenkosten“ für die eingewanderten Arbeitskräfte wie Anlernen, Wohnen und Transferleistungen auf die Gesamtgesellschaft abwälzen konnten, sind auch die Lohnkosten für die zugezogenen Flüchtlinge niedriger. Um die Familienangehörigen kümmert sich die öffentliche Infrastruktur mit dem Wohnungs-, Verkehrs- und Bildungssektor, dem Gesundheitswesen und den Bereichen Kommunikation und Erholung.

Aber zurück zu Marios Nikolinakos.

Seine Ausführungen waren damals auch für viele Gewerkschafter neu und wurden eifrig diskutiert. Er stellte nicht die Frage, ob die Beschäftigung der Migranten einen Gewinn oder eine Belastung für die deutschen Wirtschaft bedeutet, sondern er fragte nach den Gründen für den Import der Arbeitskräfte. Er prognostizierte 4 Phasen der Zuwanderung von Arbeitskräften und sollte Recht behalten:

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Die Linke: Mit Spitzenduo auf Regierungskurs

von Johanes Stern / wsws.org

Die Linkspartei wird mit ihren beiden Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch als Spitzenkandidaten in den Bundestagswahlkampf 2017 ziehen. Dies habe der Parteivorstand mit nur einer Gegenstimme beschlossen, verkündeten die beiden Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger in einem gemeinsamen Pressestatement am Sonntag.

Zuvor hatte es Spannungen zwischen den unterschiedlichen Parteiströmungen über die Frage der Kandidatur gegeben. Kipping und Riexinger hatten wiederholt selbst ihren Führungsanspruch angemeldet, mussten sich nun aber den beiden Fraktionsvorsitzenden beugen. Immerhin werde man ein vierköpfiges „Spitzenteam“ mit Wagenknecht und Bartsch bilden, betonten sie. Die Leitung des Wahlkampfs übernehme Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn.

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Unter Bedingungen einer scharfen politischen und wirtschaftlichen Krise in Europa und wachsender Instabilität auch in Deutschland rückt die Partei damit weiter nach rechts. Mit dem Spitzenduo Sahra Wagenknecht / Dietmar Bartsch bereitet sich Die Linke auf eine mögliche Regierungsbeteiligung im Bund vor und versucht gleichzeitig, mit einer Mischung aus sozialer Demagogie und Wirtschaftsnationalismus einen oppositionellen Schein zu wahren.

Wagenknecht, das Aushängeschild der Partei und langjährige Mitglied der stalinistischen Kommunistischen Plattform, vertritt seit langem politische und theoretische Positionen, die jenen der AfD ähneln. Im vergangenen Jahr ist sie mehrfach mit flüchtlingsfeindlichen Parolen aufgefallen, für die sie vom AfD-Vize Alexander Gauland Beifall erhielt.

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Was Obama aus Afrika gemacht hat

von Emran Feroz / NDS

Zum Ende von Barack Obamas Amtszeit müssen viele verschiedene Bilanzen erstellt werden. Wie gewohnt, gibt es dabei meist keinen Fokus auf Afrika. Dabei hat der erste afroamerikanische US-Präsident die Eskalation auf dem afrikanischen Kontinent vorangetrieben wie kein anderer. Aus dem Schatten heraus hat der US-Imperialismus Afrika wieder voll im Griff.

Der Schattenkrieg des Weißen Hauses umfasst mittlerweile fast fünfzig afrikanische Staaten. Geografisch betrachtet erfasst dieses Kriegsgebiet, welches offiziell keines ist, die Größe der Vereinigten Staaten, Europas, Chinas und Indiens. Laut der US-Regierung befindet man sich in Afrika nicht im Krieg.

Ein Teil dieser Kriege wird zum Beispiel von US-amerikanischen Drohnen geführt. Abseits jeglicher Öffentlichkeit wurde der Drohnen-Krieg auf Afrika vor wenigen Wochen massiv ausgeweitet. In Tunesien wurden sowohl unbemannte Flugzeuge als auch amerikanisches Militärpersonal verlegt. Vorläufiges Ziel: Spionagemissionen in Libyen, jenem Land, welches seit der NATO-Intervention im Jahr 2001 als „failed state“ schlechthin gilt und mittlerweile von zahlreichen extremistischen Gruppierungen, unter anderem auch vom IS, heimgesucht wird. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass Libyen seit letztem August abermals vom US-Militär bombardiert wird. In der Region um die Küstenstadt Sirte fanden in den letzten vier Monaten über 400 Luftangriffe statt.  (The Intercept / New York Times).

Das Pentagon lässt offen, ob in naher Zukunft auch bewaffnete Drohnen in Libyen zum Einsatz kommen. Der Drohnen-Standort Tunesien ist hierbei lediglich als eine weitere strategische Erweiterung des Pentagons auf dem afrikanischen Kontinent zu betrachten. Weitere Drohnen-Basen lassen sich im Niger und in Dschibuti finden. Eine Basis in Äthiopien wurde Anfang 2016 geschlossen. (BBC).

Washingtons Rhetorik ist in diesem Kontext ein weiteres Mal bezeichnend. So heißt es etwa seitens der US-Regierung, Tunesien könne als „junge Demokratie“ eine wichtige Rolle im „Krieg gegen den Terror“ in der Region spielen. De facto ist allerdings die geografische Lage des Landes von Bedeutung. Alle anderen Drohnen-Basen in Afrika liegen für Operationen in Libyen zu weit entfernt. (Washington Post).

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Deutschland heizt das Wettrüsten in Europa an

von Fred Schmid c/o Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

bundesadler_bundeswehr_aufruestung_militarisierung_militaerausgaben_militarismus_abschreckung_kriegspropaganda_russophobie_nato_kritisches_netzwerk_wehrpflicht_weissbuch_russland.png75 Jahre nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion ist sie wieder da –  die „Gefahr aus dem Osten“. Die „Russen kommen“, trommeln Medien und politische Kalte Krieger. Man hört förmlich die Kosaken-Pferde wiehern. Vorerst reiten sie ihre Attacken noch im Cybernetz. Aber wie aggressiv „der Russe“ ist, zeigt sich schon daran, dass er seit der Wende seine Grenzen immer näher an NATO-Area herangerückt hat. Deshalb wird es  höchste Zeit, dass die „Regierungen Europas“ … „ihr Versprechen an die NATO umsetzen, künftig zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für das Militär auszugeben und damit in der NATO mehr Gewicht zu bekommen“, meint der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger (HB, 24.11.16). Europa müsse „sicherheitspolitisch erwachsen werden“.

Die deutsche Bundesregierung nimmt sich das zu Herzen und startet ein Aufwuchs-Beschleunigungsprogramm bei neuen Waffensystemen. Das Haushaltsjahr 2017 leitet  eine rüstungspolitische und militärische Wende zu einem waffenstarrenden Europa ein, in dem die Kriegsgefahr dramatisch zunehmen dürfte.

► 2% vom BIP für die Wehr-Macht = ein Rüstungsetat von über 70 Milliarden Euro.

Im Bundeswehr-Weißbuch, das die Bundesregierung im Juli 2016 beschloss (siehe im Anhang!), ist auffällig häufig von „äußerer und innerer Sicherheit“ die Rede, die „nicht  mehr trennscharf voneinander abzugrenzen“ seien. Im jetzt verabschiedeten Bundeshaushalt 2017 wachsen die „Sicherheits“-Etats Verteidigung um acht Prozent und Innere Sicherheit um 15 Prozentbei einer Steigerungsrate des Gesamt-Etats um 3,8 Prozent. Für den inneren Gewaltapparat werden insgesamt neun Milliarden Euro locker gemacht, für die Kriegsmaschinerie 37 Milliarden Euro. Es handelt sich bei den Militärausgaben um die größte prozentuale und absolute Erhöhung  seit der Wiedervereinigung: + 2,7 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahrzehnt wurde der Rüstungsetat insgesamt „nur“ um sechs Milliarden Euro erhöht – von 28,3 Mrd. Euro (2007) auf  34,3 Milliarden (2016), im Jahresdurchschnitt also um 0,6 Mrd. Euro.

Der Einzelplan 14 „Verteidigung“ ist mit großem Abstand der zweithöchste Posten im Bundeshaushalt 2017, größer als die Etats Bildungs-/Forschung und Gesundheit zusammen. Der Etat Arbeit und Soziales steht zwar mit 137,6 Milliarden Euro einsam an der Spitze, „zieht man allerdings die Bundeszuschüsse zur Rente ab, dann schrumpft dieser Posten auf 39,2 Milliarden Euro zusammen“, stellt Gesine Lötzsch (Linke) die Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag fest. Die Sozialausgaben sind damit kaum größer als die für Militär und Waffen.

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Personalreport Öffentlicher Dienst 2016

Weniger Beschäftigte – mehr Unsicherheit

von Laurenz Nurk

Mit dem jährlich erscheinenden Personalreport bietet der DGB einen Überblick über lang- und kurzfristige Personalentwicklungen im öffentlichen Dienst.

4,65 Millionen Menschen arbeiten im öffentlichen Dienst, das sind zwei Millionen weniger als noch 1991. Gleichzeitig haben geringfügige Beschäftigungen, Befristungen und Teilzeit zugenommen. Für die Beschäftigten heißt das: Unsicherheit und Arbeitsverdichtung nehmen zu. Das muss sich ändern, auch um die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu erhalten.

Wie hat sich die Beschäftigung im öffentlichen Dienst in den letzten Jahren entwickelt, wie ist die aktuelle Situation? Das untersucht der DGB einmal im Jahr auf der Grundlage von Zahlen des Statistischen Bundesamts. Jetzt ist der Personalreport 2016 erschienen.

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Ein Ergebnis: Flexibilisierte und atypische Beschäftigungsformen sind im öffentlichen Dienst weiterverbreitet als bislang angenommen, Arbeitsverdichtung und Unsicherheit der Beschäftigten nehmen zu.

Parallel dazu hat sich durch den Anstieg des Frauenanteils, das steigende Durchschnittsalter und die Zunahme von Teilzeitbeschäftigung und Zeitverträgen auch die Beschäftigungsstruktur erheblich verändert. Hinzu kommt, dass gut 7 Prozent der Arbeitnehmer/-innen geringfügig beschäftigt sind.

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Terror. Wo er herrührt. Wozu er missbraucht wird. Wie er zu überwinden ist.

von Rolf Gössner, Conrad Schuhler / isw-spezial 29

rolf_goessner_conrad_schuhler_terror_wo_er_herruehrt_kritisches_netzwerk_angstpolitik_sicherheitspolitik_terrorismus_schnoeggersburg_islam_kriegspolitik_sozialstaat_29_isw-spezial.jpgDie Frage des Terrors wird von zwei Autoren und von zwei Seiten angegangen. Rolf Gössner arbeitet in seinem Beitrag „Angst- statt Sicherheitspolitik“ heraus, dass die politischen Eliten dabei sind, eine staatliche Aufrüstung nach innen und außen zu betreiben, für die sie im „Terrorismus“ die passenden Feindbilder und Sündenböcke finden.

Seit 9/11, dem Angriff auf die Twin Towers in New York, sind dies „islamistische Extremisten“ und der „internationale Terrorismus“, was in der Medienöffentlichkeit schlicht mit dem „Islam“, mit Muslimen und Migration gleichgesetzt wird. Das Horrorbild dient als Legitimation für weitere Grundrechtseingriffe und Rüstungsmaßnahmen.

Für diese staatliche Aufrüstung zahlt unsere Gesellschaft einen hohen Preis: die westlichen Werte, die angeblich geschützt werden sollen – Demokratie, Rechtsstaat, Bürgerrechte, Freiheit, Offenheit, Rechtssicherheit – werden eben durch die „Schutzmaßnahmen“ aufs Schwerste beschädigt.

Statt dieser Aufrüstungs- und Kriegspolitik fordert der Autor eine wirklich effiziente Ursachenbekämpfung des Terrors. Es geht um die Schaffung einer friedlichen Welt und einer gerechten Weltwirtschaftsordnung. Um die Herstellung sozialer Gerechtigkeit, sozialer Sicherheit, fairer Integration, um humane Flüchtlingspolitik und konsequente Umwelt- und Friedenspolitik. Den Terror zu überwinden, verlangt mithin einen grundlegenden gesellschaftlichen Kurswechsel, der nicht anders durchzusetzen sein wird als im Kampf gegen diejenigen, die aus der aktuellen Situation von Ungerechtigkeit und Ungleichheit ihren hohen Profit ziehen.

Conrad Schuhler nimmt diese Verantwortlichen ins Visier in seinem Beitrag „Der Terror und die Verantwortung des Westens“. Die Quellen des Terrorismus – Kriege und soziales Elend – sind Ergebnis der vom Westen betriebenen Globalisierung, in die mittlerweile „Schwellenländer“ wie China einbezogen sind. In Europa findet der Terror in der zweiten Generation der Migranten, die in ihren neuen Ländern diskriminiert, arm und ohne Perspektive sind, Zuspruch.

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Italien: Matteo Renzi tritt nach Scheitern von Referendum zurück

von Alex Lantier und Mark Wells / wsws.org

matteo_renzi_referendum_no_partito_democratico_italien_italia_italicum_la_costituzione_verfassungsreform_kritisches_netzwerk_bankenkrise_massenarbeitslosigkeit.jpgDer italienische Ministerpräsident Matteo Renzi hat im Lauf der vergangenen Nacht seinen Rücktritt bekannt gegeben. Davor hatten die Wähler seiner Verfassungsreform im Referendum vom Sonntag, 4. Dezember, eine klare Absage erteilt. Die Reform sollte die Stellung des Ministerpräsidenten im Machtgefüge der Republik deutlich stärken.

Die Beteiligung an dem Referendum lag mit 68 Prozent höher als erwartet. 59 Prozent der Wähler sprachen sich gegen die Verfassungsreform aus und 41 Prozent dafür.

Eine halbe Stunde nach Mitternacht trat Renzi im nationalen Fernsehen vor die Bevölkerung und gestand seine tiefe Niederlage ein. „Ich trage die volle Verantwortung“ für das Scheitern des Referendums, sagte er in einer kurzen Ansprache, und fügte hinzu, noch heute werde er sich in den Quirinalspalast, den Amtssitz des Präsidenten, begeben, um dem Präsidenten der Republik, Sergio Mattarella, seinen Rücktritt anzubieten.

Die Abstimmung ist ein Ausdruck tiefer Opposition gegen die Regierung Matteo Renzis und der Demokratischen Partei (Partito Democratico - PD), wie auch gegen die Sparpolitik der Europäischen Union (EU), die seit dem Wall Street -Crash von 2008 gegen die italienische Bevölkerung durchgesetzt wird.

Die angestrebten Verfassungsänderungen waren eindeutig reaktionär. Eine Zustimmung zum Referendum hätte den Senat in eine ungewählte Institution verwandelt, die nicht mehr die Möglichkeit hat, den Ministerpräsidenten zu stürzen. Die Abgeordnetenkammer hätte allein den Ministerpräsidenten gewählt, der ohne effektive parlamentarische Opposition als autoritäre Instanz mit weitgehenden Vollmachten hätte regieren können.

Die Banken und die EU hatten das Referendum als letzte Chance gesehen, die italienische Bankenkrise im Rahmen der EU und des Euro zu lösen. Die italienischen Banken sind mit gigantischen faulen Krediten in Höhe von 360 Milliarden Euro belastet. Die italienische Wirtschaft und Industrie stecken in einer tiefen Krise und sind von Austeritätspolitik und Massenarbeitslosigkeit gezeichnet. Der so genannte „Bail-in“ der Banken, den die EU-Regeln vorschreiben, hatte zu heftigen Diskussionen geführt, weil damit die Verluste auch auf Kleinsparer abgewälzt werden, die ihr Geld in italienische Bankanleihen investiert haben. Ein Sieg im Referendum hätte den Weg für Renzi frei gemacht, die Arbeiterklasse rücksichtslos anzugreifen.

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Der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung

von Franz Garnreiter c/o Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

In der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 wurde beschlossen, den Klimawandel auf unter 2°C zu begrenzen und alle Anstrengungen darauf zu richten, nicht mehr als 1,5°C Erwärmung zu verursachen. Basis dafür sind die Klimaschutzzusagen der beteiligten Regierungen, die zusammen allerdings die Erwärmung erst bei etwa 3 °C stoppen. Es fehlt also noch sehr viel.

Die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks machte sich nach der Rückkehr aus Paris daran, in einem durchaus aufwendigen Prozess mit Bürgerbeteiligung, Diskussionen mit Interessengruppierungen und mit Wissenschaftlern die Klimaschutz-Absichtserklärung der EU für die Pariser Konferenz in ein nationales Programm zu konkretisieren – erst mal konzentriert auf das Zwischenziel 2030. Bis zu diesem Jahr sollen die Treibhausgas-Emissionen um 55 % gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 reduziert werden. Angesichts des ganz unzureichenden Standes heute (erst 27 % Reduzierung seit 1990) ist das ein anspruchsvolles Ziel, das eingriffsintensive Maßnahmen fordert.

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Zu Beginn im Frühjahr 2016 war der erste Entwurf wohl ein ganz brauchbares Papier. Dann kam die Abstimmung mit den anderen Ministerien, als erstes mit dem Wirtschaftsminister. Gabriel kassierte den ersten Entwurf – für seinen Geschmack enthielt er viel zu scharfe Anforderungen an Industrie und Energiewirtschaft. Ähnlich zerrupften andere beteiligte Ministerien (v.a. Verkehr und Landwirtschaft) diesen Plan. Die Bewertungen seitens der Regierungskollegen lauteten „Horrorkatalog“, „überhastete Vorschläge“, „grundsätzliche Vorbehalte“, „große Gefahr für Wirtschaft und Wohlstand“, „untragbar“. Erfolgreich bekämpft, also aus dem vorgelegten Papier raus gestrichen, wurden von den Klimaschutzgegnern alle Konkretisierungen:

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Kuba, Fidel Castro, Sozialismus

Hasta la victoria siempre!

von William Blum

In den meisten Kommentaren, die ich in den Massenmedien in Zusammenhang mit Fidel Castros Tod gelesen habe, steht dass er ein „Diktator” war – das war auch in nahezu jeder Überschrift zu finden. Seit der Revolution im Jahr 1959 haben die amerikanischen Massenmedien routinemäßig über Kuba als Diktatur berichtet. Aber was tut Kuba eigentlich oder was nicht, um eine Diktatur zu sein?

► Keine „freie Presse”?

Abgesehen von der Frage, wie frei die Medien des Westens sind (darüber habe ich in den vorhergehenden Artikeln geschrieben), falls das als Standard gelten soll, was würde passieren, wenn Kuba ankündigt, dass ab sofort jeder im Land jede Art von Medien betreiben könnte? Wie lange würde es dauern, bis CIA-Geld – geheimes und uneingeschränktes CIA-Geld, das alle Arten von Fronten in Kuba finanziert – alle Medien, die es wert wären, besitzen oder betreiben würde?

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► Sind es „freie Wahlen”, an denen es Kuba mangelt?

Sie halten dort regelmäßig Wahlen auf kommunaler, regionaler und landesweiter Ebene ab. Sie haben keine direkte Wahl des Präsidenten, aber eine solche haben auch Deutschland oder das Vereinigte Königreich und viele andere Länder nicht. Der kubanische Präsident wird vom Parlament gewählt, der landesweiten Versammlung der Volksmacht. Geld spielt bei Wahlen praktisch keine Rolle, auch politische Parteien spielen keine, die kommunistische Partei eingeschlossen, nachdem alle Kandidaten als Einzelpersonen laufen.

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Modernisierungsverlierer? Globalisierungsverlierer?

Die Politik verhöhnt ihre Opfer

von Jens Berger / NDS

think_global_globalisierung_globalisierungsverlierer_abgehaengte_ausbeutung_kapitalismus_massenmarkt_kritisches_netzwerk_freihandel_standort_deutschland_neoliberalismus.jpgAngela Merkel hat ihr Herz fürs Volk entdeckt. Die CDU müsse nun endlich auf Menschen zugehen, die „sich als Modernisierungsverlierer“ sehen und bei „Populisten von rechts und links ihre Zuflucht suchen“, so die Kanzlerin. Dabei tritt die Uckermärkerin zielsicher in Fußstapfen, die Andere hinterlassen haben. Seit dem Brexit ist es für die westlichen Eliten beispielsweise ausgemachte Sache, dass es vor allem „Globalisierungsverlierer“ sind, die nicht mehr die Vertreter der klassischen Politik wählen. Es ist schon zum verrückt werden. Da verfolgen die westlichen Eliten jahrzehntelang eine Politik der Ausgrenzung und Verarmung, die sich gegen weite Teile ihrer eigenen Bevölkerung richtet und nun verhöhnen sie ihre Opfer auch noch dadurch, dass sie sie zu „Verlierern“ erklären; was übrigens faktisch noch nicht einmal zutreffend ist.

► Was ist eigentlich ein Globalisierungsverlierer?

Die Globalisierung ist ja keine neue Entwicklung. Schon bei den Römerinnen waren blonde Echthaarperücken aus dem fernen Germanien der Renner und da bei uns kein Pfeffer wächst, bezogen unsere Vorfahren das Gewürz schon seit Ewigkeiten aus dem fernen Indien. Mit der Weiterentwicklung des Handels wurden später auch Fertigprodukte gehandelt, die theoretisch im Herkunfts- wie im Empfängerland hergestellt werden können.

Die Erkenntnisse der frühen volkswirtschaftlichen Außenhandelstheorien von Adam Smith und David Ricardo griffen streng genommen nur auf, was längst Usus war. Absolute und komparative Kostenvorteile führen dazu, dass beispielsweise Kohle in Frankreich und Kleidung in Irland produziert und in das jeweils andere Land exportiert wurden. Französische Weber und irische Kohlekumpel waren so gesehen die ersten Globalisierungsverlierer. Durch den technischen Fortschritt sollten sie nicht die einzigen bleiben. Heute werden Sie in Deutschland kaum noch Gerber und Köhler finden und auch Kleidung oder Schuhe werden hierzulande nicht mehr für den Massenmarkt produziert. Eine vollkommen normale Entwicklung, die vom Begriff „Globalisierung“ nur mythisch überhöht wird.

Wann immer die Politik die „Globalisierung“ ins Spiel bringt, geht es meist überhaupt nicht um die Globalisierung, sondern um hausgemachte Entscheidungen, die mit der Globalisierung gar nichts zu tun haben. Nehmen wir den Niedriglohnsektor als Beispiel. Worum es bei „Reformen“ wie der Agenda 2010 ging, hatte Gerhard Schröder ja 2005 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos sehr gut zusammengefasst:

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Kulturrassismus bzw. antimuslimischer Rassismus

Die große Begriffsverwirrung

von Michael Schmidt-Salomon

Der aus dem Iran geflüchteten Vorsitzendenden des „Zentralrats der Ex-Muslime“, Mina Ahadi, ist (mal wieder) von „linker“ Seite vorgeworfen worden, einen „antimuslimischen Rassismus“ zu verbreiten. Dagegen ließe sich einwenden, dass Mina Ahadi in erster Linie nicht gegen Muslime kämpft, sondern für Muslime, denn diese sind ja in besonderer Weise Opfer des politischen Islam.

Man könnte an dieser Stelle auch leicht aufzeigen, dass Mina als Vorsitzende des „Internationalen Komitees gegen die Todesstrafe“ weit mehr Muslimen das Leben gerettet hat als der Bundesvorstand der „Linksjugend“, der sich über Ahadis Islamkritik mokiert. Stattdessen aber soll hier der Fokus auf ein allgemeineres Thema gelenkt werden, nämlich die intellektuell unredliche Verwendung von Begriffen, die jede inhaltliche Substanz verlieren und somit nur noch als „Killerphrasen“ im „empörialistischen Überbietungswettbewerb“ taugen.

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Aus gegebenen Anlass veröffentlichen wir hier das Unterkapitel „Die große Begriffsverwirrung“ aus „Die Grenzen der Toleranz. Warum wir die offene Gesellschaft verteidigen müssen“, das sich mit dem völlig widersprüchlichen Begriff des „Kulturrassismus“ (bzw. des „antimuslimischen Rassismus“) auseinandersetzt.

* * *

Die große Begriffsverwirrung

Die Islamdebatte krankt seit Langem daran, dass die Vertreter unterschiedlicher Positionen alles tun, um die Gegenseite mit moralischen Killerphrasen außer Gefecht zu setzen. Schon seit Jahren tobt auf diesem Gebiet ein empörialistischer Überbietungswettbewerb, in dem es nicht mehr um den rationalen Austausch von Argumenten geht, sondern um die größtmögliche Diffamierung der „Anderen“.

Dies zeigt sich nicht zuletzt in der inflationären Verwendung diskreditierender Begriffe wie „antisemitisch“, „rassistisch“, „faschistisch“ oder „islamophob“. Selbstverständlich ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn Antisemitismus als Antisemitismus, Rassismus als Rassismus oder Faschismus als Faschismus bezeichnet wird. Gefährlich wird es aber, wenn der Bedeutungshorizont dieser Begriffe so weit ausgedehnt wird, dass sie ihre inhaltliche Substanz verlieren und derart entkernt bei jeder passenden wie unpassenden Gelegenheit zur Brandmarkung Andersdenkender verwendet werden können.

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UN-Klimakonferenzen: Von Paris nach Marrakesch

von Franz Garnreiter c/o Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

In Marrakesch in Marokko fand vom 7. bis 18. November 2016 die diesjährige UN-Klimakonferenz statt. Sie war die 22. Folgekonferenz nach dem sogenannten Erdgipfel 1992 in Rio de Janeiro. Diese Konferenzen bemühen sich, den beständigen und gefährlichen Prozess des menschengemachten[1] Klimawandels zu bekämpfen. Die bisherigen Ergebnisse sind aber äußerst unzureichend ausgefallen. Auf der letztjährigen Klimakonferenz in Paris wurden Beschlüsse gefasst, die als endlich gefundener Durchbruch gefeiert wurden.

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Die beiden wichtigsten Vereinbarungen waren:

Eine Verpflichtung, die Klimaerwärmung deutlich unter 2°C zu halten und alle Anstrengungen aufzubieten, um die Erwärmung schon bei 1,5°C zu stoppen. Dazu verpflichtete sich jedes Land in einer selbst aufgestellten To-do-Liste zu Klimaschutzaktionen.

Eine Verpflichtung der Industrieländer, den armen und vom Klimawandel bedrohten Ländern (die Länder in den Tropen und Subtropen werden im Durchschnitt weit mehr unter dem Klimawandel leiden als die reichen Industrieländer, die diesen hauptsächlich verursachen) einen Fonds für Emissionsreduzierungen und zur Anpassung an die Klimafolgen in Höhe von 100 Mrd. Dollar jährlich ab 2020 zur Verfügung zu stellen (ca. 0,2 % des BIP der reichen Länder). Dieses Versprechen wurde erstmalig auf der UN-Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen abgegeben und seither jährlich erneuert.

Das erste Problem an beiden Beschlüssen ist, dass es – bewusst und absichtlich so gewollt – keinerlei Sanktionen oder Strafen gibt, wenn ein Land seine Verpflichtungen nicht erfüllt. Das ist also ein ganz anderes Herangehen als bei den Handelsverträgen, wo Politik gegen die Konzerne mit extrem hohen Strafzahlungen geahndet werden kann. Hier wird an die Moral und die Ehre der Staaten appelliert. Insofern sind es keine Verpflichtungen, sondern unverbindliche Absichtserklärungen.

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Einige Gedanken zum Jahrestag des PKK-Verbots

von Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit

pkk_verbot_civaka_azad_arbeiterpartei_abdullah_oecalan_politische_autonomie_rojava_pyd_ypg_tuerkei_turkey_recep_tayyip_erdogan_sevim_dagdelen_hdp_kriminalisierung.jpg23 Jahre ist es her, seitdem das PKK-Verbot in Deutschland erlassen wurde. Das Verbot wurde 1993 erklärt, also in demselben Jahr, in welchem die PKK erstmals einen einseitigen Waffenstillstand im Konflikt mit der Türkei ausrief und ihr Vorsitzender erklärte, dass die kurdischen Frage in irgendeiner Form wohl auch innerhalb der Grenzen des türkischen Staates zu lösen sei. Ebenfalls im Mai desselben Jahres gingen in der Stadt Bonn rund 100.000 Menschen  auf die Straßen, um ein Ende des schmutzigen Kriegs in Kurdistan und eine friedliche Lösung einzufordern. In solch eine Zeit fällt der Erlass des PKK-Verbots durch den damaligen deutschen Innenminister Manfred Kanther.

Die Folgen des Verbots sind bis in unsere Gegenwart verheerend. Denn die Repressionen und Kriminalisierung durch den deutschen Staat sind für die zweitgrößte Migrantengruppe in Deutschland, den Kurdinnen und Kurden, seitdem zu einem festen Bestandteil ihres Lebens geworden.

Jugendliche werden vom Verfassungsschutz unter Druck gesetzt und/oder als Spitzel angeworben; Diskussionsveranstaltungen an Universitäten oder anderen Räumen des öffentlichen Lebens werden verboten; auf Demonstrationen werden Fahnen, selbst von Vereinen, die nach deutschem Vereinsrecht ordnungsgemäß eingetragen sind, ebenso verboten wie das Rufen bestimmter Parolen; manchmal werden Demonstrationen gar ganz untersagt; Mitgliedern kurdischer Vereine wird die Einbürgerung aufgrund ihres Engagements verweigert, anderen wird der Aufenthaltstitel aberkannt; kurdischen Aktivistinnen und  Aktivisten wird nach §129b StGB der Prozess gemacht, manche von ihnen werden für Jahre hinter Gittern gesteckt…

Die Liste ließe sich vermutlich noch um einiges erweitern.

Das PKK-Verbot war in erster Linie eine außenpolitische Entscheidung der deutschen Bundesregierung. Es hatte damals genauso wenig eine Berechtigung wie heute. Und auch wenn sich in den letzten Jahren im Mittleren Osten so vieles, und mit ihr auch die PKK, gewandelt hat, hält die Bundesregierung stur am Verbot der PKK fest. Doch was sich derzeit wandelt, ist die öffentliche Stimmung. War es in den vergangenen Jahren der Kampf gegen den sog. Islamischen Staat, der die öffentliche Aufmerksamkeit auf die PKK lenkte, so ist es gegenwärtig insbesondere ihre Rolle als oppositionelle Kraft gegen das despotische Regime des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan.

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Österreich: Sozialdemokraten hofieren rechtsextreme FPÖ

von Markus Salzmann / wsws.org

Wenige Tage vor der Bundespräsidentenwahl in Österreich hat die Sozialdemokratische Partei (SPÖ) den Weg für eine Zusammenarbeit mit der rechtsradikalen Freiheitlichen Partei (FPÖ) frei gemacht. Die Gefahr, dass nach dem Urnengang vom 4. Dezember erstmals in der Nachkriegsgeschichte eine rechtsextreme Partei das Staatsoberhaupt in Wien stellt, ist damit erheblich gewachsen.

Zur Stichwahl treten der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer und der ehemalige Grünen-Vorsitzende Alexander Van der Bellen an. Van der Bellen hatte die Stichwahl bereits im Mai mit 50,3 zu 47,7 Prozent gewonnen. Hofer hatte die Wahl aber wegen Regelverstößen erfolgreich angefochten. Ein weiterer Termin wurde wegen nicht klebender Briefwahlumschläge verschoben, so dass sich der Wahlkampf nun schon Dreivierteljahr hinzieht.

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Die meisten Umfragen sehen Hofer leicht vorne. Ein Wahlerfolg des FPÖ-Politikers wird allgemein als Auftakt zu grundlegenden Veränderungen der Machtverhältnisse in der Alpenrepublik gesehen. Verlässlich Prognosen gibt es aber nicht.

Im Umfragen liegt die FPÖ auch vor der SPÖ und der konservativen Volkspartei (ÖVP), die das Land in einer Großen Koalition regieren und deren Präsidentschaftskandidaten bereits in der ersten Wahlrunde ausschieden. Wären am Sonntag Parlamentswahlen, würde die FPÖ mit über 30 Prozent stärkste Kraft. Die SPÖ reagiert darauf, indem sie weiter nach rechts rückt und eine Zusammenarbeit mit der FPÖ anstrebt.

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China treibt VW zur E-Mobilität

von Fred Schmid c/o Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

Eines ist klar: Es gibt kein Entrinnen mehr. Peking packt VW, Daimler & Co. am Schlafittchen und schreibt so Industriegeschichte“, stellt Frank Sieren, einer der führenden China-Spezialisten im Handelsblatt (7.11.16) fest. Der Grund für seine seine Prognose: Ende Oktober stellte das Pekinger Ministerium für Industrie- und Informationstechnologie einen Gesetzentwurf ins Netz, der eine feste Elektroquote bei der Neuzulassung von PKWs vorsieht (vgl. SZ, 19.11.16). Acht Prozent bereits für das Jahr 2018, 12 Prozent 2020, dann jährlich steigend um jeweils zwei Prozentpunkte. Bei der europäischen Autoindustrie herrschte das blanke Entsetzen, als deutlich wurde, die Chinesen machen Ernst mit der E-Mobilität. Vor allem mit dem frühen Einsatz der Elektroquote hatte niemand gerechnet.

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Die chinesischen Pläne zur schrittweisen Umstellung der Autoindustrie vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb dürften den so genannten „Zukunftspakt“, wie er jetzt vom VW-Vorstand – Konzernvorstand Matthias Müller und Markenvorstand Herbert Diess und Betriebsratschef Bernd Osterloh vorgestellt wurde, entscheidend mit voran getrieben haben. Denn für VW geht es um nicht weniger als um den größten Absatzmarkt des Konzens.

Während die USA für den Absatz der Stamm-Marke nur noch eine geringe Rolle spielt, setzt VW in China jedes zweite Auto ab; beim Gesamtkonzern sind es 40 Prozent des Absatzes. Fünfzig Prozent des Gewinns wird in China eingefahren. Da steht für den führenden europäischen Autobauer einiges auf dem Spiel. Denn bislang hat dieser die Entwicklung des Elektroautos schlicht verschnarcht. Unter den drei größeren E-Autoherstellern der Welt ist kein europäischer. Weltmarktführer ist inzwischen ein chinesischer mit dem visionären Namen "Build Your Dreams" (BYD Auto Company Limited) [1]; es folgen Nissan und Tesla Motors (USA).

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Präsidentenkür: politisches Leben ist voller Überraschungen

Als würde die Erde rückwärts drehen

von Wolfgang Blaschka, München

frank-walter_steinmeier_hartz_iv_agenda_2010_bundespraesident_spd_sozialabbau_sozialdemokratie_schloss_bellevue_bnd_kritisches_netzwerk_murat_kurnaz_putin_russland_minsk.jpgIst das jetzt noch postdemokratisch oder schon präfaschistisch? Allenthalben regen sich Rückschritt, Rassismus und Repression. Donald Trump ist es geworden, zumindest präfaktisch, solange die Nachzählung der Wählerstimmen in drei Bundesstaaten nichts anderes ergeben sollte. Marine Le Pen (F) steht bereit. Norbert Hofer (A) will's wissen. Und Frank-Walter Steinmeier ist faktisch gesetzt.

Ausgerechnet Steinmeier, die bitterste Beruhigungspille seit es Sedativa gibt, das Schlafmittel für tiefste Bewusstlosigkeit. Längst vergessen hat er wohl selbst schon, dass er entscheidend mitverantwortlich war für Schröders "Agenda 2010": Jene Arbeitsmarkt-Liberalisierung, die der deutschen Exportwirtschaft dazu verhalf, ihre dominierende Stellung in Europa zu zementieren und noch auszubauen, und dafür der deutschen Sozialdemokratie den Boden unter den Füßen wegzog, indem sie den Sozialstaat im Fundament erschütterte.

Nicht zuletzt mit der Hartz-Gesetzgebung, die viele Menschen zur Verzweiflung und in die Armut treibt, weil sie dem Verelendungs-Karussell kaum noch entkommen, wenn sie erst einmal in den Abwärtsstrudel aus Offenbarungszwang, Sanktionen und Zwangs-Jobvermittlung geraten sind. Sie können weder Rücklagen bilden noch den marginalen Arbeitsverhältnissen entfliehen, sofern sie nicht ein Riesenglück haben.

 Doch selbst ein solches nützt wenig, um aus dem Gefängnis herauszukommen, wenn Steinmeier seine Finger im Spiel hat. Davon kann der muslimische Bundesbürger Murat Kurnaz aus Bremen ein Lied singen: Erst hatte er das Pech, der CIA als terrorverdächtig zu gelten und nach Guantanamo verschleppt zu werden. Dann widerfuhr ihm das Glück als unschuldig und "ungefährlich" erkannt worden zu sein. Die USA boten seine Entlassung an und alsbaldige Repatriierung.

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