Siemens-Hauptversammlung: Beschäftigte fordern „Mensch vor Marge!“

von Fred Schmid / isw München e.V.

joe_kaeser_ceo_siemens_ag_josef_kaeser_kritisches_netzwerk_gamesa_asozial_stellenabbau_stellenstreichungen_massenentlassungen_werksschliessungen_sozialabbau_waffenhersteller.jpgDie diesjährige Hauptversammlung des Siemens-Konzerns in der Münchner Olympiahalle machte schon von weitem auf sich aufmerksam: Trommelschläge auf Öl-Fässer, Trillerpfeifen, Rasseln. Einige Hundert Siemensianer aus den Standorten Görlitz, Erfurt, Würzburg, Offenbach und anderen hatten ein langes Spalier aus Transparenten gebildet mit Losungen: „Wir sind Siemens“, „Wir halten zusammen“- aufgeführt die von Schließung u. Stellenabbau betroffenen Standorte: Görlitz, Erfurt, Leipzig, Berlin, Essen, Mülheim, Duisburg, Offenbach, Erlangen, Nürnberg, „Wir kämpfen wie die Bären“, „Wir kämpfen für unseren Standort“, „Sicherung der Arbeitsplätze statt Shareholder Value“ und immer wieder auf Plakaten und gelben Warnwesten der Teilnehmer: „Mensch vor Marge!

Dazu eine Pappmache´-Plastik: Vorstandschef Joe Kaeser (Foto re.), der mit einer überdimensionierten Schraub-Presse immer mehr auf die Belegschaft drückt – rechts türmen sich die 500-Euro-Geldbündel, links landen Menschen in einem Müll-Container. Ein gutes Dutzend KollegInnen schaffte es mit ihren gelben Warnwesten „Mensch vor Marge“ und rückseitig „Stopp! Keine maximale Marge auf Kosten der Menschen“, bis in die Arena der Hauptversammlung mit einigen Tausend Aktionären vorzudringen, fast bis zum offiziellen Bühnentransparent „Siemens – Ingenuity for Life“. In der Tat: Einfallsreichtum (ingenuity) der Konzernherren zum Erhalt der Arbeitsplätze wäre gefragt.

Vorstandsboss Kaeser reagierte jovial auf das Go-in: Es sei „hochanständig“, dass sie da seien, sie sollten doch aufstehen, damit alle die Slogans lesen könnten – Zoom der Saalkameras und Großprojektion auf die Beam-Leinwand – Beifall. Er sei auch für das Motto, allerdings in leichter Modifikation: „Mensch und Marge“. Zuvor hatte er höchstpersönlich die 35 Siemens-Mitarbeiter begrüßt, die mit dem Fahrrad die 600 Kilometer-Strecke von Görlitz nach München gefahren waren und unterwegs die Losung auf ihren Trikots verbreiteten: „Keep Görlitz alive“.

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    Abgas für das Volk: "Diese Tests sind in keiner Weise zu rechtfertigen“

    von Ulrich Gellermann, Mitautor des Buches "Die Macht um Acht".

    "Ich vollziehe die Grundsteinlegung im Namen des deutschen Volkes! Das Werk soll entstehen aus der Kraft des ganzen deutschen Volkes, und es soll dienen der Freude des deutschen Volkes!“ Diese Ansammlung gefährlicher Phrasen entwichen Adolf Hitler am 26. Mai 1938 im Rahmen einer aufwendigen Einweihungsfeier bei der projektierten Stadt des KdF-Wagens, nahe Fallersleben. Der Grundstein für das heutige Volkswagenwerk war gelegt. Die Räder konnten rollen für den Sieg und die Deutschen sollten später mit dem „Kraft-durch-Freude-Wagen“ wenig Freude haben - er verschwand im Krieg. Das Reich auch. Geblieben ist bis heute VW. Der mächtige Konzern, der seit Jahren seine Kunden mit falschen Abgaswerten betrügt. Der Konzern, der gemeinsam mit anderen aus der Autoindustrie im Uniklinikum Aachen „25 junge, gesunde Personen“ über mehrere Stunden das Abgas einatmen ließ, das aus dem Auspuff kommt. Wie schön, dass die „Tagesschau“ in diesen Tagen versichert: "Solche Versuche sind notwendig“.

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    Der „Völkische Beobachter“ (VB), das Parteiorgan der NSDAP, mochte damals keine Urteile über die SS-Gaswagen, die fahrbaren Gaskammern der Nazi-Mordmaschine zur Vernichtung kranker Menschen und KZ-Insassen abgeben. Die massenhafte Vernichtung durch Kohlenstoffmonoxid (CO), dem Dieselabgas zum Verwechseln ähnlich, wollten die Nazis ungern öffentlich thematisieren. Auch darin sind Ähnlichkeiten zu erkennen: Zwar wurde die Abgas-Studie des Uniklinikums Aachen im Jahr 2016 veröffentlicht, aber im Rahmen einer wissenschaftlichen Öffentlichkeit nachrichtlich schön tiefer gelegt. Unter dem fadenscheinigen Deckmantel der Wissenschaft arbeiteten auch Dr. Josef Mengele und andere Todes-Ärzte in den Konzentrationslagern: „Wenn die sowieso ins Gas gehen …“, meinte Mengele und auch: „Eine solche Chance bekommen wir nie wieder“.

     Natürlich kam beim Aachener Menschenversuch niemand unmittelbar zu Tode. Auch die Teilname der Probanden war relativ freiwillig: Arme Leute verdienten sich ein paar Cents dazu. Aufstocker eben. Und doch kritisiert der Umweltverband „Verkehrsclub Deutschland e.V.“ (VCD) die Versuche scharf:

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      Der deutsche Arbeitsmarkt: Fundament der Abstiegsgesellschaft

      von Lars Niggemeyer

      Der deutsche Arbeitsmarkt hat in den letzten 25 Jahren einen tiefgreifenden Wandel durchgemacht. Prekarisierung, Arbeitslosigkeit und Abstiegsängste waren für viele Menschen die Folge. Und das viel besungene »Beschäftigungswunder« ist bei genauer sowie realistischer Betrachtung gar keines.

      Am deutschen Arbeitsmarkt gab es im zurückliegenden Vierteljahrhundert zwei wesentliche Einschnitte:

      1. Die Wiedervereinigung: Mit einer neoliberalen Schockstrategie wurde ein Großteil der ostdeutschen Betriebe durch die Treuhand geschlossen oder durch den nicht produktivitätsgerechten Wechselkurs von Ost- und Westmark vom Markt verdrängt. Das führte zu nach 1945 für undenkbar gehaltener Massenarbeitslosigkeit in Ostdeutschland. Hiermit folgten auch massive Auswirkungen auf die Arbeitsmarktverfassung im Westen: Sehr viele gut qualifizierte ostdeutsche Arbeitskräfte waren gezwungen im Westen Arbeit zu fast allen Bedingungen anzunehmen. In der Folge nahm die prekäre Beschäftigung in Gesamtdeutschland enorm zu: Waren im Jahr 1991 erst 13% aller Arbeitnehmer nach Definition des Statistischen Bundesamtes atypisch beschäftigt, so lag diese Zahl zehn Jahr später bei 20%.

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      2. Die Agenda 2010: Als Ursache für die in Wahrheit aus der neoliberalen Wirtschaftspolitik resultierende Massenarbeitslosigkeit wurden um die Jahrtausendwende der »starre Arbeitsmarkt« und die »blockierenden Gewerkschaften« ausgemacht. Die »Flexibilisierung« der Arbeitsverhältnisse und die »Stärkung der unternehmerischen Freiheit«, kurz: der Abbau von Schutzrechten und gesetzlichen Leistungsansprüchen der Beschäftigten sollte in die »verkrusteten Verhältnisse in Deutschland« neuen Schwung bringen. Die sei der einzige Weg zur Senkung der hohen Arbeitslosigkeit. Mit der Agenda 2010 wurden in der Arbeitsmarktpolitik fast nur noch Maßnahmen verfolgt, die beim Individuum ansetzen: Der einzelne Arbeitslose habe zu hohe Erwartungen an den Lohn, sei zu unqualifiziert oder zu faul. Dass insgesamt zu wenig Arbeit für alle Arbeitssuchenden vorhanden ist, wurde nicht mehr thematisiert.

      ► Schrumpfende Mittelschicht und Abstiegsängste

      Die Folgen dieser Politik waren für viele Menschen desaströs. Zu verzeichnen ist die Etablierung eines neuen, für die betroffenen Arbeitslosen und Beschäftigten rigiden Arbeitsmarktregimes mit einer Zone dauerhafter Prekarität für Millionen Beschäftigte. Im Ergebnis hat sich die Bundesrepublik in eine Abstiegsgesellschaft verwandelt: Nicht mehr der soziale Aufstieg, die Verbesserung der eigenen Einkommens- und Beschäftigungsbedingungen ist die vorherrschende gesellschaftliche Perspektive, sondern der erfolgte oder drohende Abstieg [1].

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        Arbeit 4.0: Ein Hype

        von Nikolaus Dimmel / Streifzüge 71/2017

        Alles wird neu. Sogar der Kapitalismus im Kapitalozän.[1] So alt kann die Megamaschine der kapitalistischen Landnahme gar nicht aussehen mit „Abstieg, Arbeitslosigkeit, Armut, Ausbildungsabbruch oder Auswanderung“ (um nur bei „A“ zu bleiben). Wenn wir schon bei „A“ im Kapitalverhältnis sind: „Automation“. Das ist das neue „Catchword“. Dazu werden assoziiert: Automatik, Big Data, Crowdsourcing, Crowdwork, Internet der Dinge, Open Innovation, Prosument, Robotik oder Social Forecasting. Zusammengerührt ergibt das das Schlagwort „Arbeit 4.0“.

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        ► Depression und Aggression

        Die Situation ist nicht lustig. Niedrige Wachstumsraten und sinkende Kaufkraft, Stagnations- und Stagflationsperioden, die Vernichtung gesellschaftlicher Lebensgrundlagen, Massenarbeitslosigkeit, der Rückgang gesunder Lebensjahre, die Explosion sozialer Ungleichheit – all das trägt zu Depressionen, einem allgemeinen Sinnlosigkeitsempfinden, kollektiver Autoaggression und einem „erschöpften Selbst“ (Alain Ehrenberg) bei.

        Und so erfindet die politische Dienstklasse und mit ihr der ideelle Gesamtkapitalist als Coach der stagnierenden Arbeitsgesellschaft, die weder formelle Arbeit noch Wachstum generieren kann, ein neues neues Narrativ: Kapitalismus macht Neustart als Nummer 4. Das setzt freilich einen neuen „Frame“ des Fortschrittsdenkens, ein neues, ästhetisiertes Wiederaufbau-Märchen nach der Weltwirtschaftskrise 2008 voraus. Adressaten dieser neuen großen Erzählung sind sowohl Kapital als auch Arbeit.

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          Energiearmut: Den einen wird der Strom gesperrt, den anderen die Fonds gefüllt

          von Laurenz Nurk

          Wegen steigender Preise können immer mehr Bundesbürger ihre Stromrechnung nicht zahlen. Die Zahl der Stromsperren ist auf den höchsten Wert gestiegen, der je gemessen wurde. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) berichtet für 2016 von 328.000 durchgeführten und über sechs Millionen angedrohten Stromsperren.

          stromzaehler_stromkonsum_stromverbrauch_stromkosten_strompreise_stromrechnung_stromschulden_stromsperre_stromsperren_kritisches_netzwerk_energiearmut_energiekosten.jpgDie zentrale Ursache für Energiearmut ist die Armut an sich. Besonders in Haushalten mit niedrigem Einkommen können die Kosten für Strom und Gas schnell zu einem existenzbedrohenden Faktor anwachsen. Wer mehr für Heizung, Warmwasser, Licht und den Betrieb von Kühlschrank und TV ausgeben muss, hat weniger Geld für Lebensmittel, Kleidung oder Bildung übrig.

          Diese Entwicklung wird sich aller Voraussicht nach in den nächsten Jahren fortsetzten.

          Für Energiearmut gibt es in Deutschland bisher keine einheitliche Definition. Man kann sich aber an eine in Großbritannien gebräuchliche Definition von Energiearmut ganz gut orientieren. Auf der Insel gilt ein Haushalt als energiearm, wenn er mehr als zehn Prozent seines Einkommens für den Kauf von Energie aufwenden muss, um im Hauptwohnraum 21 Grad Celsius und in den übrigen Räumen 18 Grad Celsius zu gewährleisten.

          Ein Schlüsselfaktor für das Entstehen und die Entwicklung von Energiearmut ist aber die Höhe der Energiepreise. Da hat sich seit Mitte der 1990er Jahre einiges getan.

          ► Die Energieversorgungsunternehmen (EVU)

          Als 1998 die “Liberalisierung” auch im Energiesektor einsetzte, kam es zunächst zu einem Rückgang der Energieunternehmen. Ab 2002 nahm dann ihre Zahl rasant zu, vor allem wegen der vielen Neugründungen von Stromvertriebsgesellschaften, der Marktregulierung von Stromhändlern und auch durch die „Legal Unbundling“, das ist die rechtliche Entflechtung von Stromerzeugung und Netzbetrieb. Außerdem hat es seit 2005 im Rahmen einer Rekommunalisierung 72 Stadtwerke-Neugründungen gegeben.

          Im Jahr 2013 gab es in Deutschland 1.402 Energieunternehmen im Bereich der Elektrizitätswirtschaft, das ist gegenüber 1998 eine Steigerung um 14,1 Prozent.

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            SPD-Fraktionsvorsitzende Nahles: „In die Fresse“ im Unternehmensinteresse

            von Marcus Schwarzbach / Gastautor des isw München e.V.

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            ► „Wettbewerbsfähigkeit“

            Einleitend wird „Wettbewerbsfähigkeit“ gefordert – für Neoliberale ein ideales Stichwort, um Lohnkürzungen und Steuersenkungen zu fordern. In Österreich will die neue Regierung das gesamte Arbeitsrecht im Sinne der Unternehmen überprüfen, Arbeitslose analog Hartz 4 unter Druck setzen. Forderungen, im Sinne einer „Wettbewerbsfähigkeit“ auch hierzulande Arbeiterrechte abzubauen, werden nicht lange auf sich warten lassen. Ähnlich auch das Verhalten gegenüber US-Präsident Donald Trump. So lobt nicht nur der Siemens-Boss Joe Kaeser die Steuersenkungspolitik Trumps im Interesse von Unternehmen und Reichen: „Glückwunsch zur Steuerreform“, sagte Kaeser in Davos. Forderungen, sich hierzulande an dieser Politik zu orientieren, folgend der Logik der „Wettbewerbsfähigkeit“.

            ► Arbeit auf Abruf

            Ein Satz zeigt den Zynismus der angehenden Regierungskoalition auf: „Die Arbeit auf Abruf nimmt zu, wir wollen jedoch sicherstellen, dass der Arbeitnehmer ausreichend Planungs- und Einkommenssicherheit in dieser Arbeitsform hat“.(>>klick)

            Diese auch KAPOVAZ ("Kapazitätsorientierte variable Arbeitsverhältnisse") genannte Vertragsgestaltungen sind im Einzelhandel weit verbreitet. Dabei wird vom Unternehmen der Umfang der zu leistenden Arbeitszeit im Einzelfall festgelegt. Der Beschäftigte weiß also erst kurzfristig, wann er zu arbeiten hat. Oft schwankt das Einkommen je nach Umfang der geleisteten Stunden.

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              Eintritt zum Ausstieg: der unschöne Tod der SPD

              von Ulrich Gellermann, Mitautor des Buches "Die Macht um Acht".

              spd_schafft_sich_ab_martin_schulz_olaf_scholz_andrea_nahles_kevin_kuehnert_jusos_jungsozialisten_groko_grosse_koalition_mitgliederentscheid_kritisches_netzwerk_sozialdemokraten.jpgWelch eine leere Idee: Komm mal eben in die SPD, stimme gegen deren erneuten GroKo-Versuch, dann kannste beruhigt wieder austreten. Das empfehlen die Jusos in NRW und anderswo. Selbst die tapferen Gegner einer erneuten großen Koalition in der SPD bedienen sich der fatalen politischen Rhetorik ihrer Gegner: Das Schlimmste soll durch ein kleineres Übel verhindert werden. Tritt ein, damit der Ausstieg aus der tödlichen Koalitions-Spirale möglich wird. Komm doch zur Beerdigung der SPD, nirgendwo schmeckt der Zer-Streuselkuchen besser.

              Gegen die GroKo eintreten. Gut. Aber wofür? Für eine echte Bürgerversicherung, für den Stopp aller Rüstungsexporte, sogar für eine neue Mieterpolitik ließen sich Partner finden. Wahrscheinlich nicht bei der CDU. Aber auch mit einer klaren, inhaltlichen Absage könnte man in alternative Kämpfe ziehen - sogar in Wahlkämpfe.

              Die SPD stirbt – Umfragen sehen sie unter 20 Prozent. Mit ihr stirbt ein Stück alter Bundesrepublik. Aber wer auf dieser Beerdigung tanzen will, der sollte ich fragen, wer die Musik bezahlt. Den Taktstock schwingen die Bertelsmänner und Denkfabriken wie der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM), deren händereibender Chef Hubertus Pellengahr vielen sozialdemokratischen Funktionären aus der neuen Klasse der Verwaltungsangestellten zum Verwechseln ähnlich sieht.

              Die eigentlichen Leistungsträger der Parteiorganisation sind nicht mehr die ehrenamtlichen Funktionäre sondern die Mandatsträger aus Kommunal-, Landes- und Bundespolitik, die SPD wird zunehmend zu einer ’Fraktionspartei’", schreibt die "Bundeszentrale für politische Bildung" (bpb). Und wer die alerten Schlipsträger am Rande sozialdemokratischer Versammlungen sieht, der könnte sie auch für Teilnehmer an einem Start-up-Seminar halten: Viel up, kein Start.

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                Systemdeserteur Roland Düringer: Eine gültige Stimme!

                Nachdenken durch Anecken

                von Christian Jakob, Bergisch Gladbach

                Der in Wien geborene Kabarettist, Schauspieler, Buchautor und politischer Aktivist Roland Düringer dürfte den meisten Menschen in Deutschland eher kaum ein Begriff sein. In Österreich hingegen ist Düringer bekannt wie ein bunter Hund. Humor, gepaart mit Tiefgründigkeit, schauspielerischem Talent und einem gewissen Hang zum “Nachdenken durch Anecken”, haben dazu geführt, dass Düringers Stimme gehört wird. Und das nicht nur bei seinen Anhängern und Fans. Durch seine linientreue Lebensweise und seinem politischen Aktivismus sorgt er regelmäßig auch bei seinen Gegnern für Stirnrunzeln. Er spricht Probleme nicht einfach nur in seinen Kabarett-Programmen an, sondern liefert auch in seinem Privatleben genau das ab, was er auf der Bühne präsentiert, kritisiert und sich dort auch echauffiert. Authentisch, klar im Blick und immer seiner Linie treu, erreicht Düringer sein Publikum und seine Anhängerschaft. Er lebt was er denkt und denkt wie er lebt.

                Wir diskutieren immer über das WAS. Was ist richtig, was ist falsch. Wir diskutieren aber immer weniger über das WIE, oder das WIE VIEL. Aber das ist die entscheidende Frage. Ist ein modernes Elektrofahrzeug besser für die Umwelt, oder ist es ein uralter Citröen BX mit 200.000 Kilometer Laufleistung und Dieselmotor, mit schwarzem Rauch aus dem Auspuff? Was ist besser für die Umwelt? Der Citröen, denn der muss nicht mehr produziert werden, den gibt es schon. Lediglich erzeugt ein alter PKW in uns ein schlechtes Gefühl.”[1]

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                Durch seinen Vater, der als Garderobier am Wiener Burgtheater arbeitete, kam Roland Düringer recht früh mit der Schauspielkunst in Berührung. In einem Workshop für Schauspieler lernte er seinen späteren Kabarett-Partner und Co-Autoren Alfred Dorfer kennen. Dorfer tritt in regelmäßigen Abständen bei der Kabarett- und Satiresendung des ZDF “DIE ANSTALT” auf, und genießt dadurch hierzulande einen langsam steigenden Bekanntheitsgrad. Neben dem Schauspiel absolvierte Düringer die "Höhere Technische Lehranstalt" (HTL) für Maschinenbau, einer nur in Österreich weit verbreiteten Hochschuleinrichtung, die man in Deutschland mit dem Ingenieurstudium gleichsetzen kann.

                ► Karl, die "Goldene Romy" und der Ybbser Spaßvogel

                1985 schloss sich Düringer der Kabarettgruppe “Schlabarett” an, die von Alfred Dorfer und Peter Wustinger 1984 ins Leben gerufen wurde. Zusammen mit Andrea Händler trat das Quartett erfolgreich im Wiener Kabarett Niedermair, der Brut- und Förderstätte für Kabarett und Kleinkunst, auf und gingen mit ihrem damaligen Programm “Atompilz von links”, einer Parodie auf das österreichische Bundesheer, auf Tournee. 1986 folgte ihr Programm “Kultur gegen alle”. 1988 traten Düringer und Dorfer als Schlabarett-Duett mit “Sein und Schwein” auf. Zwischen 1985 und 1992 trat Düringer mit Schlabarett in 8 Programmen auf, bevor er sich 1994 zum ersten Mal als Solokünstler auf die Bühne versuchte. Sein Soloprogramm “Hinterholzacht” wurde noch im gleichen Jahr mit dem österreichischen Kleinkunstpreis ausgezeichnet.

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                  Ein Jahr Trump – so geht Rechtspopulismus

                  von Conrad Schuhler / Leiter der Redaktion des ISW München e.V.

                  Trump hat die Bilanz seines ersten Amtsjahres treffend beschrieben. Zur allfälligen Feier lud der Präsident in sein „Winter White House" (Winter-Weißes Haus) ein, in seinen feudalen Mar-a-Lago-Club in Palm Beach, Florida (Jahresmitgliedsgebühr: 200.000 Dollar). Die Teilnahme am Fest-Dinner kostete pro Paar 200.000 Dollar, also eine Sache für die ganz Reichen. Trump wollte seine Gäste mit den Worten begrüßen: „You all just got a lot richer.“ „Sie alle wurden gerade eine Menge reicher“.

                  donald_trump_orange_3_wall_street_45th_president_usa_presidential_election_republikaner_republican_party_republicans_federal_reserve_kritisches_netzwerk_america_first.jpg Die Begrüßung musste er sich versagen. Der Government Shutdown (englisch für Stilllegung der Regierung) zwang ihn, in Washington zu bleiben. Doch die Einschätzung trifft ins Schwarze, hatte Trump doch eben seine Steuerreform im Kongress durchgesetzt. Das reichste 1% würde bis 2027 ein Steuergeschenk von 207.000 Dollar pro Haushalt erhalten. Die Erbschaftssteuer wird ganz abgeschafft, die Unternehmenssteuern von 35 auf 21 % gesenkt.

                  Die Steuerreform "Tax Cuts and Jobs Act" (TCJA) ist nur eine von zahlreichen „Reformen“ und Maßnahmen, die Trump im Interesse des Großen Geldes durchgeführt hat. Der in den deutschen Medien gerne als dumm und faul dargestellte „Clown im Weißen Haus“ hat emsig und zielstrebig die staatlichen Vorteile für Wall Street u. Großkonzerne vorangetrieben.

                  Allein im Umweltschutz gab es 70 Dekrete und neue Gesetze. Die von Amtsvorgänger Barack Obama eingeführten Emissionsbeschränkungen werden Schritt für Schritt wieder zurückgenommen. Bisher geschützte Gebiete werden für Öl- und Gasförderung geöffnet. Die gesamte Küste – bis auf Florida, wo Trump größere Abschnitte am Meer besitzt – ist heute offen für Offshore-Bohrungen. Die Rohölexporte der USA haben sich 2017 verdreifacht. Insgesamt erleben die Unternehmen der fossilen Brennstoffe ein gewaltiges Comeback. In 2018 sollen sich die Exporte an Flüssigerdgas dank fünf neuer Hafenanlagen verdoppeln.

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                    Die Beschäftigten malochen unglaublich viel

                    Gewerkschaften machen daraus unglaublich wenig

                    von Laurenz Nurk, Dortmund

                    Zum Jahresanfang liegen die aktuellen Zahlen der letzten zwei Jahre für die Entwicklung des Tarifentgelts, der Überstunden und des Arbeitsvolumens vor: Die Tariflöhne und -gehälter sind im Jahr 2017 nominal im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt um 2,4 Prozent angestiegen. Nach Abzug des Verbraucherpreisanstiegs von 1,8 Prozent ergibt sich daraus ein realer Zuwachs der Tarifvergütungen um 0,6 Prozent.

                    Die Beschäftigten in Deutschland haben im Jahr 2016 zusammen fast eine Milliarde unbezahlte Überstunden geleistet. Die Gesamtzahl bezahlter und unbezahlter Überstunden betrug rund 1,7 Milliarden. In Arbeitsplätze umgerechnet ergeben sich aus der Menge der nicht bezahlten Mehrarbeit eine Million zusätzliche Vollzeitstellen. Mehr als zwei Drittel der Überstunden leisteten Männer mit 69,2 Prozent, die Frauen waren mit 30,8 Prozent beteiligt.

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                    Die Erwerbstätigen in Deutschland haben im vergangenen Jahr 59,3 Milliarden Stunden Arbeit geleistet. Im Vergleich zum Vorjahr stieg das Arbeitszeitvolumen um 2,9 Prozent an. Männer leisteten 2016 demnach mit 36 Milliarden gut 60 Prozent aller Arbeitsstunden. Sie sind aber auch häufiger in Vollzeitstellen anzutreffen. Bei Frauen stieg die geleistete Arbeitszeit zwischen den Jahren 2000 und 2016 um zwei Prozentpunkte auf 39,2 Prozent an. Stark gestiegen ist in den letzten Jahren die Teilzeitarbeit, lag sie im Jahr 2000 noch bei 6,5 Milliarden Stunden, stieg sie im vergangenen Jahr auf fast 11 Milliarden.

                    Diese Zahlen würden den Gewerkschaften in allen Verhandlungen und Arbeitskämpfen genügend Rückenwind geben, zu vernehmen ist bei ihnen nur ein laues Lüftchen.

                    ► Lohnpolitik

                    Gewerkschaftliche Lohnpolitik muss mehr sein, als für 0,6 Prozentpunkte mehr Lohn zu kämpfen. Ihr kommt eine viel größere gesamtwirtschaftliche Bedeutung zu, als vielen gewerkschaftlichen Akteuren bewusst ist. So kann Lohnpolitik z.B. solche Auswirkungen entfachen:

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                      Werbung bei YouTube: Ethik und Moral in einem Algorithmus

                      von Christian Jakob, Bergisch Gladbach

                      youtube_accountloeschung_accountsperrung_algorithmus_kritisches_netzwerk_clickbaiting_kritisches_netzwerk_entgrenzung_internetwerbung_monetarisierung_videoportal_videoclips_videosperre.pngYouTube stellt am 20. Februar 2018 die Richtlinien für die Monetarisierung der Partner-Kanäle um. Als neue Richtlinie gelten von da an die Mindestzahl von 1000 Abonnenten für den entsprechenden Kanal und das die eigenen Videos in den letzten 12 Monaten mindestens 4000 Stunden geschaut wurden. Nur eine von den beiden Bedingungen zu erfüllen, reicht NICHT mehr. Es müssen beide Bedingungen erfüllt sein. Wer diese Bedingungen nicht erfüllt hat, oder wer mit seinen hochgeladenen Videos auch nur vorübergehend unter einer der beiden Grenzen fällt, wird ebenfalls automatisch aus der Monetarisierung gekickt, sprich rausgeschmissen.

                      Das Ganze gilt natürlich auch für die YouTuber, die in einem sogenannten "Multi-Channel-Netzwerk" (MCN, wortwörtlich übersetzt ‚Viel-Kanal-Netzwerk‘) vertreten sind. Da dürfte es noch deutlicher zur Sache gehen. Wer die Bedingungen nicht erfüllt, fliegt wegen den neuen YouTube-Richtlinien nicht nur aus der Monetarisierung, sondern auch aus dem MCN. In den neuen Vertragsbedingungen steht im Grunde drin, dass man nur aufgenommen wurde, weil man YouTube-Partner ist.

                      ► Ausmisten 3.0 - Leider verfehlt

                      YouTube mistet also auf den hinteren Rängen aus. Ein Versuch wieder Kontrolle zu erlangen, denn die scheint seit einiger Zeit verloren gegangen zu sein. Alles eine Folge der Probleme, die man seit ungefähr einem Jahr auf YouTube kennt. Es geht um die ungewollte Werbefinanzierung für Terror, Sex, Gewalt oder Drogen. Die Frage ist nur ob die, die jetzt aussortiert werden, auch diejenigen sind, die entsprechendes Problem verursacht haben. Ernsthafte Zweifel daran und zugleich Kritik an der rigiden Vorgehensweise scheinen mehr als berechtigt.

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                        Critical employment studies: Gedanken zur Abwertung Arbeitsloser

                        von Martin Schroeder / Streifzüge 71/2017

                        Arbeitslosigkeit ist ein strukturelles Problem. Dennoch werden insbesondere Langzeitarbeitslose geächtet. Folgendes erörtert, auf welche Privilegien Arbeitende vertrauen können und warum kein Grundeinkommen vor der Diskriminierung rettet.

                        Arbeitslose erleiden mit dem Lohnausfall zugleich die Sanktion des Marktes: dass eine unverkäufliche Arbeitskraft, wie jede brachliegende Ware, ihre Bestimmung verfehlt. Durch noch so gutes Zureden kann man ihnen das Gefühl ihrer Minderwertigkeit nicht ganz nehmen. Sie wissen, dass der Markt kein Gott ist – und empfinden doch anders.“ So konstatierte der Philosoph und Theologe Christoph Türcke die Situation von Arbeitslosen.

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                        Schwer ist es, Empfindungen nachzuvollziehen, doch sind diese in Bezug auf den Arbeitsmarkt keine bloß individuellen und persönlichen, wie es nicht nur Amtsberaterinnen Arbeitslosen gern einreden möchten. Ein wesentlicher Teil gesellschaftlicher Beziehungen konstituiert sich über den Markt, die Ware, die Arbeitskraft, die Ware, den Markt – den teuflischen Zirkel. Aus diesem Verwertungskreislauf als Produzent herauszufallen, hat nicht nur Konsequenzen auf die Wahl der Wohnung und anderer Produkte. Es wäre eine Persönlichkeitsspaltung nötig, um diese, durch die Arbeitslosigkeit erlittene, Unwertigkeit der Ware Arbeitskraft nicht auf die eigene Person zu beziehen. Ist doch jedes Produkt, selbst eine Massenware, authentisch und einzigartig. Das Individuum bestimmt sich auf dem Markt zu bestimmtem Gebrauch – der Kellner kellnert, die Managerin managt und Arbeitslose sind arbeitsuchend. Sie suchen ihre Bestimmung.

                        Das Abstraktum Arbeitsmarkt tritt spätestens mit der Arbeitssuche so unmittelbar und doch so unfassbar in den Alltag, dass der Markt als schicksalhaft erscheint. Aber auch die, die einen guten Job hat, sagt: Ich habe Glück gehabt. Es hatten sich über hundert beworben. Viel Glück bei der Jobsuche, wünscht uns die Verwandtschaft nach einem Studium. Eigentlich haben wir uns schon während des Studiums gekümmert, um einen Job. Am besten unbefristet und in einer sicheren Branche. Ein sicherer Job eben, sicher vor den uneinschätzbaren Kapriolen des Marktes. Ob er gut ist, ist erst einmal drittrangig.

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                          2017 steigen die Tariflöhne nominal um 2,4 Prozent

                          Real erzielen die Tarifbeschäftigten ein Plus von 0,6 Prozent

                          Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung

                          Die Tariflöhne und -gehälter haben im Jahr 2017 nominal im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt um 2,4 Prozent zugelegt. Nach Abzug des Verbraucherpreisanstiegs von 1,8 Prozent ergibt sich daraus ein realer Zuwachs der Tarifvergütungen um 0,6 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt die Bilanz der Tarifpolitik des Jahres 2017, die das Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung heute vorlegt.

                          tarifbilanz_inflation_realloehne_verbraucherpreise_reallohn_wsi_kritisches_netzwerk_reallohnzuwachs_lohnentwicklung_tariflohn_binnennachfrage_kaufkraft_lohnerhoehungen_lohnpolitik.jpg

                          Da die Inflationsrate wieder spürbar höher ist, fällt der Reallohnzuwachs 2017 im Vergleich zu den Vorjahren deutlich geringer aus“, sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Prof. Dr. Thorsten Schulten. „In den Jahren 2014 bis 2016 stiegen die Tariflöhne wegen der sehr geringen Preissteigerung real zwischen 1,9 und 2,4 Prozent und haben damit einen wesentlichen Beitrag für den ökonomischen Aufschwung in Deutschland gelegt. Der von den Lohnerhöhungen ausgehende Impuls für die Binnennachfrage hat sich 2017 – wenn auch in abgeschwächter Form – weiter fortgesetzt. Und auch in diesem Jahr sind spürbare Reallohnzuwächse wichtige Faktoren für eine stabile, balancierte Wirtschaftsentwicklung“, so Schulten.

                          Bei der Berechnung der kalenderjährlichen Tariferhöhungen für das Jahr 2017 werden sowohl die Neuabschlüsse aus dem Jahr als auch Abschlüsse aus den Vorjahren, die eine Laufzeit bis mindestens Ende 2017 haben, berücksichtigt. Insgesamt schlossen die DGB-Gewerkschaften in Deutschland im vergangenen Jahr Lohn- und Gehaltstarifverträge für rund 8,7 Millionen Beschäftigte ab, darunter etwa 7,2 Millionen in den alten und 1,5 Millionen in den neuen Bundesländern. Die Laufzeit der Verträge beträgt durchschnittlich 25,6 Monate und liegt damit höher als im Vorjahr mit 22,8 Monaten. Für weitere 10,5 Millionen Beschäftigte traten im Jahr 2017 Erhöhungen in Kraft, die bereits 2016 oder früher vereinbart worden waren.

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                            Das Lindenblatt auf Putins Schulter - oder warum Putin auf Wahlkampfreisen geht

                            In Russland wird demnächst  ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Das neue wird das alte sein, Wladimir Putin. Das ist die allgemeine Erwartung, der man wohl zustimmen muss: Putin hat das Land stabilisiert. Er hat den Schuldendrachen besiegt, der Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in seinen Klauen hielt. Er hat die Zinsgier des internationalen Kapitals zurückgewiesen, als er bei seinem Amtsantritt weitere Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank ablehnte und die Altschulden der Sowjetunion gegen den Widerstand der westlichen Banken beglich. Er hat die vielköpfige Schar der Privatisierungsgewinnler gezähmt, die sich aus dem Chaos der Ära Jelzin erhoben hatten und sie im Konsens um sich zum Nutzen der Stabilisierung Russlands gruppiert.

                            vladimir_vladimirovich_wladimir_wladimirowitsch_putin_russische_foederation_kritisches_netzwerk_kremlin_kreml_putinismus_united_russia_einiges_geeintes_russland_duma_staatsduma.jpgIm Krieg mit den Tschetschenen hat er verhindert, dass der Zerfall der Sowjetunion sich als Zerfall Russlands entlang seiner Vielvölkerstruktur fortsetzte. Er hat einen Stabilitätsfonds geschaffen, mit dem er zwei Krisen und drei Amtszeiten überstand. Alle oppositionellen Angriffe, berechtigt oder nicht berechtigt, sind an ihm abgeprallt, ebenso wie Versuche aus dem Ausland, ihn als neuen Stalin oder Hitler zu diffamieren. Am Ende wuchs er sogar, wenn auch getrieben von wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten, über den innenpolitischen Stabilisierer zum außenpolitischen Krisenmanager empor, der mit China an einer neuen multipolaren Weltordnung baut, welche die USA in die Schranken weisen könnte. Das weltweit erfolgreiche Wirtschaftsmagazin Forbes setzte ihn im 2016er Ranking zum 4. Mal hintereinander auf Platz eins der einflussreichsten Menschen unserer Zeit.

                            Kurz, dieser Mann scheint vielen seiner Landsleute und nicht nur diesen und nicht wenigen auch zu ihrem Ärger, unverwundbar wie seinerzeit die Sagenfigur Siegfried, nachdem er im Blut des von ihm erlegten Drachen gebadet hatte. Herausforderer, die mit ihm jetzt um das Amt des Präsidenten konkurrieren, haben keine Chance, ihn zu  besiegen, es sei denn, sie treffen ihn dort, wo einst Siegfried getroffen werden konnte, als ein Lindenblatt zwischen seinen Schulterblättern die Aushärtung des Drachenblutes verhindert hatte.

                            ► Die Riege der Konkurrenten

                            Betrachten wir Putins Konkurrenten. Da ist zunächst der „ewige Zweite“, wie er im Lande genannt wird, der Chef der „Kommunistischen Partei der Russischen Förderation“ (KPRF) Gennadij Sjuganow. Er ist zwar soeben zugunsten eines neuen unverbrauchten Kandidaten der KP, Pawel Grudinin zurückgetreten. Grudinin ist als erfolgreicher landwirtschaftlicher Unternehmer auch über die traditionellen Kreise der alten Riege der KPRF hinaus eine angesehene politische Figur, die für eine mögliche Erneuerung der KP steht. Aber auch der jüngere und weltoffenere Grudinin wird, mit der sklerotisierten KPRF im Schlepptau, nicht mehr als einen Achtungserfolg einfahren können.

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                              Digitalisierung im Krankenhaus: Zwischen Arbeitserleichterung und zusätzlicher Hetze

                              Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung

                              Die Digitalisierung hat das Gesundheitswesen erfasst. Aus Sicht der Beschäftigten ist das eine zweischneidige Entwicklung: Digitale Geräte können im Krankenhaus die Arbeit erleichtern, doch gleichzeitig nehmen Zeitdruck und Unterbrechungen zu. Wie sich die Digitalentwicklung auf die Personalausstattung auswirkt, scheint auch davon abzuhängen, ob die Kliniken in privater, öffentlicher oder gemeinnütziger Trägerschaft geführt werden. Bei Auswahl und Bewertung der neuen Techniken wird nur eine Minderheit der Arbeitnehmer einbezogen. Weniger als 30 Prozent der befragten Arbeitnehmer fühlen sich rechtzeitig und umfassend informiert, wenn es um digitale Neuerungen geht. Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie.

                              krankenhaus_digitale_technik_technologien_digitalentwicklung_digitalisierung_personalmangel_patientenversorgung_kritisches_netzwerk_aerzte_gesundheitswesen_krankenhausfinanzierung.jpg

                              Digitale Technologien haben auf breiter Front in den deutschen Krankenhäusern Einzug gehalten, stellen Forscher um Michaela Evans, Prof. Dr. Josef Hilbert, und Christoph Bräutigam vom "Institut Arbeit und Technik" (IAT) fest. Die Gesundheits- und Sozialwissenschaftler haben untersucht, welche Auswirkungen diese Entwicklung aus Sicht der Beschäftigten hat. Ihrer Studie zufolge sorgen sich Pfleger und Ärzte zwar nicht um die Sicherheit ihrer Jobs. Was das Aufgabenspektrum und die Arbeitsbelastung angeht, nehmen sie aber durchaus Veränderungen wahr: Die Digitalisierung hat die Arbeit einerseits erleichtert, andererseits aber auch zu mehr Druck geführt. Ein besonderes Problem: Vielfach werden die neuen Techniken eingeführt, ohne die Beschäftigten zu beteiligen. Aufgrund ihrer Anlage ist die Studie zwar nicht im strengen Sinne repräsentativ, ermöglicht aber dennoch einen außergewöhnlich detaillierten und empirisch fundierten Einblick in den Digitalisierungsalltag deutscher Krankenhäuser.

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                                Beispiel Deutschland: die Folgen eines ausgehöhlten Kollektivvertragssystems

                                von Michael Schäfers

                                In Deutschland sind es vor allem drei Bereiche, die in der kapitalistischen Marktwirtschaft die Rechte der ArbeitnehmerInnen sichern sollen: (1.) das Arbeitsrecht als Schutzrecht gegenüber Ausbeutung und Willkür seitens der ArbeitgeberInnenseite, (2.) das selbstverwaltete und solidarische Sicherungssystem und (3.) das Koalitionsrecht bzw. die Tarifautonomie, also das Recht zum Abschluss von Tarif- bzw. auf gut Österreichisch Kollektivverträgen. Letzteres wurde im Namen des Standorts in den letzten 20 Jahren ausgehöhlt – zum Nachteil vieler Beschäftigter in Deutschland.

                                Die Tarifautonomie ist ein hohes Gut. ArbeitgeberInnen und die Interessenvertretungen der ArbeitnehmerInnen (Gewerkschaften) schließen Tarifverträge ab und sichern so den Frieden im Betrieb zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen. Zudem sorgen sie für vergleichbare Wettbewerbsbedingungen der Betriebe untereinander.

                                Diese Auffassung wird aber längst nicht mehr von allen in Deutschland geteilt. Tarifverträge werden von den AnhängerInnen der marktradikalen Doktrin als Hindernis für den Wettbewerb und die freie Aushandlung des Arbeitslohns zwischen ArbeitgeberInnen und Beschäftigten angesehen. Die Weichen wurden deshalb so gestellt, dass Unternehmen zunehmend die Flucht aus Tarifen bzw. Tarifverträgen ermöglicht wird.

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                                  Trump geht gegen Pakistan los

                                  von Eric S. Margolis

                                  Henry Kissinger hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es oft gefährlicher ist, ein Verbündeter der Vereinigten Staaten von Amerika zu sein als deren Feind. Das jüngste Opfer dieser traurigen Binsenweisheit ist Pakistan, ein treuer Verbündeter der USA seit Beginn unserer Ära.

                                  pakistan_islamic_republic_islamabad_karatschi_lahore_faisalabad_rawalpindi_gujranwala_peschawar_peshawar_multan_mamnoon_hussain_kritisches_netzwerk_khyberpass_chaiber_khyber_pass.pngPräsident Donald Trump's eindringlicher Hass auf Muslime (egal, welche Art, warum oder wo) brach diese Woche aus, als er anordnete, dass etwa 900 Millionen Dollar an US-Hilfe für Pakistan abrupt eingestellt werden sollten. Trump beschuldigte Pakistan, die USA zu belügen und zu täuschen und den afghanischen Widerstandskräften der Taliban ("Terroristen" in US-Sprech), die gegen die amerikanischen Besatzungsmächte kämpfen, einen sicheren Hafen zu bieten.

                                  Frustriert und ausgetrickst in Afghanistan, haben die imperialen Generäle der USA, die Bürokraten des Pentagons und Politiker versucht, jedem, den sie finden können, die Schuld zuzuschieben, wobei Pakistan der primäre Prügelknabe ist. Als Nächstes folgt das berüchtigte Haqqani-Netzwerk, das für die meisten US-Militärversagen in Afghanistan verantwortlich gemacht wird, obwohl seine aktive Kampfrolle bescheiden ist. Ich kannte seinen Gründer, den alten Haqqani. In den 1980er Jahren war er der goldene Junge der von der CIA gemeinsam mit Pakistan geführten Bemühungen, die Sowjets aus Afghanistan zu vertreiben.

                                  Warum hat Washington Pakistan Milliarden von Hilfsgütern zur Verfügung gestellt? Im Jahr 2001 beschloss Washington, Afghanistan zu überfallen, um die paschtunische Widerstandsbewegung Taliban zu entwurzeln oder zu zerstören, die fälschlicherweise für die Anschläge vom 11. September 2001 auf New York und Washington verantwortlich gemacht wurde. Die ethnischen paschtunischen Krieger, die Präsident Reagan als "Freedom Fighters" ("Freiheitskämpfer") gefeiert hatte, wurden zu "Terroristen", sobald der Westen Afghanistan besetzen wollte.

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                                    Privat geht vor Staat. Selbstmord der Linkspartei

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                                    Es sei ja nur die Berliner Linkspartei, nur Fuzzis aus dem Landesparlament. Es sei ja nicht die Bundesebene, die gerade jetzt sich und andern das soziale Messer in den Gedärmen umdreht, wenn sie, in der rot-rot-grünen Koalition agierend, den Bau von Schulen privatisieren will. Ach nee: Die Stadt ist voll von linken Wichtig-Leuten der Bundesebene. Der Parteivorstand treibt durch die einschlägigen Cafés, die parteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) sitzt mit ihrem 60 Millionen-Etat am Berliner Franz-Mehring-Platz. Und wenn die rot-rot-grüne Koalition im Landesparlament den Schröder macht, soll das ein lokaler Vorfall sein?

                                    Quatsch. Privat geht vor Staat: Der Slogan der Vermögensverschleuderung Gerhard Schröders weht über dem neuesten Vorhaben des Berliner Senats. Rund 5,5 Milliarden Euro sollen bis zum Jahr 2026 in Neubau und Renovierung der Berliner Schulen investiert werden. Als habe die Privatisierung der Deutschen Bahn nicht zum akuten Plan-Desaster geführt. Als habe die Privatisierung des Gesundheitswesens nicht dessen Krankheit vorangetrieben. Als habe nicht gerade der Verkauf kommunaler und genossenschaftlicher Wohnungen das wachsende Mieter-Elend beschleunigt.

                                    Noch heute nennt die „Berliner MieterGemeinschaft e.V.“ (BMG) den Verkauf der "Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft" (GSW) an "Cerberus Capital Management" (CCM) und Goldman Sachs ein „Schurkenstück“. Der geheime Deal – die Verträge waren nicht veröffentlicht – wurde vom Rassisten Thilo Sarrazin (SPD), damals Finanzsenator, initiiert und dem damaligen Wirtschaftssenator Harald Wolf von der PDS (heute LINKE) ratifiziert. Beide Parteien setzten in ihrer nächsten Koalition das Schurkenstück fort, als sie sich aktiv gegen die Re-Kommunalisierung der "Berliner Wasserbetriebe" (BWB) einsetzten. Schon damals war der heute als Zensur-Senator bekannte Klaus Lederer einschlägig unterwegs. Und beide Parteien erhielten Quittungen von ihren Wählern: Das bundesweite Siechtum der SPD ist fraglos auf ihre asoziale Schröder-Hartz-Politik zurückzuführen, der langsame Tod der Linkspartei im Schlepptau der SPD lässt sich am besten in Mecklenburg-Vorpommern beobachten.

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                                      Der betrügerische Krieg der NATO im Namen der Frauen

                                      von George Szamuely

                                      angelina_jolie_pitt_bosnienkrieg_kosovo_in_the_land_of_blood_and_honey_nato_kritisches_netzwerk_unhcr_vergewaltigung_kriegstaktik_sexuelle_gewalt_sexual_violence_propaganda.jpgIn einem kürzlich erschienenen Guardian-Artikel mit dem Titel "Why NATO Must Defend Women's Rights" ("Warum die NATO die Frauenrechte verteidigen muss") behaupten NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und Hollywood-Filmstar Angelina Jolie, dass "die NATO die Verantwortung und die Chance hat, ein führender Beschützer der Frauenrechte zu sein". Darüber hinaus kann die NATO "zum weltweiten militärischen Führer in Bezug auf die Prävention und Reaktion auf sexuelle Gewalt in Konflikten werden". Die beiden gelobten, "Wege aufzuzeigen, wie die NATO ihren Beitrag zum Schutz und zur Beteiligung von Frauen in allen Aspekten der Konfliktverhütung und -lösung verstärken kann".

                                      Die Paarung eines NATO-Bürokraten mit einer berühmten Filmschauspielerin mag auf den ersten Blick merkwürdig erscheinen. Diese Partnerschaft hat sich jedoch schon lange angebahnt. Vor einigen Jahren hat die NATO, die immer auf der Suche nach einem Grund ist, ihr Fortbestehen zu rechtfertigen, ganz zu schweigen von ihrer ständigen Erweiterung, eine neue Daseinsberechtigung gefunden: Sie würde der globale Champion der Frauen werden. "Die Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter ist unsere gemeinsame Aufgabe. Und die NATO leistet ihren Beitrag", sagte Mari Skåre, die Sonderbeauftragte des NATO-Generalsekretärs für Frauen, Frieden und Sicherheit im Jahr 2013.

                                      Im März 2016, am Internationalen Frauentag, veranstaltete die NATO eine sogenannte "Barbershop-Konferenz" über die Gleichstellung der Geschlechter. Stoltenberg nutzte die Gelegenheit, um zu erklären, dass die Gleichstellung der Geschlechter ein erschreckend wichtiges Thema für die NATO sei, denn "die NATO ist eine auf Werten basierende Organisation und keiner der Grundwerte des Bündnisses - individuelle Freiheiten, Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit - funktioniert ohne Gleichberechtigung".

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                                        Das Schweizer Taschenmesser der US-Außenpolitik: Der Fall Venezuela

                                        von Wolf Gauer / São Paulo

                                        venezuela_bolivarische_republik_armenviertel_barrios_caracas_maracaibo_nicolas_maduro_hugo_rafael_chavez_kritisches_netzwerk_petroleos_citgo_petroleum_petrodollar_reconquista_simon_bolivar.pngSeit Februar 2013, kurz vor Hugo Chávez Frias’ Tod (5.3.2013), ist Venezuela Ziel wirtschaftlicher Sanktionen und administrativer Schikanen der USA. Und seit Anfang November 2017 sanktioniert auch die EU. Die fünftgrößte Nation Südamerikas (31 Millionen Einwohner) verfügt mit etwa 50 Milliarden Tonnen über die weltweit größten und, wohlgemerkt, tatsächlich anzapfbaren Ölreserven (Saudi-Arabien: 34 Milliarden Tonnen).

                                        Venezuela zählt zu den wenigen ressourcenstarken Wirtschaftsräumen, die noch nicht unter US-amerikanischer Vormundschaft stehen und obendrein wirtschaftl. Beziehungen zu Russland und China pflegen. Länder wie Bolivien, Iran, Syrien oder Simbabwe, die selbstredend auch mit Sanktionen belegt sind.

                                        Die venezolanische Öl-, Gas- und Kohleförderung ist ausschließlich Sache des Staatsunternehmens "Petróleos de Venezuela, S.A." (PDVSA) und seiner fünf Beteiligungsgesellschaften. Zu Zeiten des Öl-Booms garantierte das Erdöl etwa 50 Prozent der Staatseinnahmen. Diese  – und Hugo Chávez’ politisches Genie  – ermöglichten den Aufbau der Bolivarischen Republik Venezuela auf breiter, direktdemokratischer und partizipativer Basis.

                                        Die Verfassung von 2000 schrieb die gesellschaftliche Neustrukturierung und das demokratische Prozedere fest. Besondere Bedeutung kommt neben den politischen Parteien den praxisorientierten Körperschaften der Bevölkerung zu.

                                        Der Verfall des Ölpreises ab 2014 (von circa 110 auf zeitweilig 35 US-Dollar je Barrel, zurzeit bei 60 US-Dollar) führte zu schwerwiegenden wirtschaftlichen und innenpolitischen Konflikten. Versorgungsengpässe, Inflation und die Ängste der Verbraucher ermutigten eine von den USA dirigierte Opposition, den "regime change" anzugehen: mittels systematischer Maidanisierung, angezettelter Straßenschlachten, Zurückhaltung von Konsumgütern und medialer Desinformation.

                                        Die Gewaltausbrüche dienten wiederum als Vorwand für US-Wirtschaftssanktionen. Die US-Regierung begründete sie mit (nicht nachgewiesenen) Menschenrechtsverletzungen der Regierung Maduro. Inzwischen ist auch der internationale Zahlungsverkehr Venezuelas sanktioniert und die Bonität des Landes von allen US-amerikanischen Ratingagenturen auf Niedrigstwerte herabgestuft.

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                                          Siemens-Beschäftigte gegen den Kahlschlag: Joe Kaeser unter Druck

                                          von Isa Paape / Gastautorin des isw München e.V.

                                          Erst die guten Nachrichten, dachte wohl der Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, Joe Kaeser, als er Anfang November wieder einmal eine glänzende Jahresbilanz vorstellen konnte. Bei einem Umsatz von 83 Mrd. Euro wurde ein Gewinn nach Steuern von 6,2 Mrd. Euro eingefahren, eine Gewinnsteigerung gegenüber dem Vorjahr von satten 11%. Gleichzeitig erhielten die Beschäftigten die Mitteilung, dass im Jahr 2018 nun endlich ein aus Gewinnsteigerungen der letzten Jahre angefüllter Topf ausgeschüttet werde, insgesamt 400 Mio. Euro in Gratis-Siemens-Aktien für die „lieben Mitarbeiter“. Damit solle nicht nur herausragendes Engagement belohnt, sondern auch die viel beschworene „Eigentümerkultur“ unter den Beschäftigten gestärkt werden.

                                          siemens_ag_joe_kaeser_ceo_josef_erfurt_goerlitz_kritisches_netzwerk_gamesa_asozial_stellenabbau_stellenstreichungen_massenentlassungen_werksschliessungen_sozialabbau_ruestungshersteller.jpg

                                          Eine Woche später allerdings mussten Kolleginnen und Kollegen wieder einmal feststellen, dass das Verhalten von Eigentümern und Vorstand der Siemens AG mit Kultur so gar nichts mehr zu tun hat. Joe Kaeser und Personalvorstand Janina Kugel kündigten die Vernichtung von knapp 7000 Arbeitsplätzen weltweit sowie die Schließung mehrerer Standorte an. Begründet wurden die Pläne mit der schlechten Auftragslage im Kraftwerksbau und in der Antriebssparte für die Öl- und Gasindustrie. Deutschland ist mit etwa 3.400 Arbeitsplätzen  betroffen, die Standorte Görlitz (Turbinenbau), Leipzig (Getriebeteile für die Öl- und Gasindustrie) und Offenbach (Kraftwerksbau) sind von Schließung bedroht, das Generatoren-Werk in Erfurt soll verkauft werden. Mit Protesten der Betriebsräte war zu rechnen, aber offensichtlich hatte in der Vorstandsetage niemand den dann losbrechenden Sturm der Entrüstung erwartet.

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                                            Friedrich August von Hayek und Ludwig v. Mises: Die Feinde der Gewerkschaften

                                            von Laurenz Nurk

                                            neoliberalism_devolution_neoliberalismus_kapitalismus_capitalism_milton_friedmann_friedrich_ausbeutung_von_hayek_homo_oeconimicus_kritisches_netzwerk_marktradikalismus.jpgIm Jahr 1947 beschlossen einige Männer auf dem Schweizer Berg Mont Pèlerin, die Regeln für das weltweite Zusammenleben grundlegend zu ändern. Zu der Gruppe gehörten Friedrich August von Hayek, Frank Knight, Karl Popper, Ludwig von Mises, George Stigler und Milton Friedman.

                                            Sie gründeten die „Mont Pèlerin Society“ (MPS), eine Gruppe von Industriellen, Erben und Superreichen, die seit dem ein Netzwerk finanzierten, in dem sich Denkfabriken, Journalisten und Politiker zusammengeschlossen haben, um die wirtschaftspolitische Ideologie des Neoliberalismus durchzusetzen.

                                            Im Staat, in der Wirtschaft und vor allem in den Köpfen der Menschen sollte der Liberalismus als dominantes, wenn nicht sogar als absolutes Prinzip sozialer Organisation gelten. Damals nahm dies kaum jemand ernst, doch hat man es mit viel Macht und Geld im Hintergrund über die Jahrzehnte geschafft, dieses absolute Prinzip zum weltweiten Einfluss verholfen zu haben und zum Mainstream zu machen. Zum großen Schaden der Allgemeinheit und vor allem der Gewerkschaften.

                                            In den 1940er Jahren war der Neoliberalismus noch unbedeutend, kaum jemand nahm ihn ernst. Die systematische Arbeit von Denkfabriken, Politikern und Journalisten im Gemisch mit Universitäten und Konzernen hat in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Bereichen Früchte gezeigt und zu einer Gesinnung geführt, die den Menschen als „Homo oeconomicus“, also als völlig profitorientiertes Lebewesen sieht, das nichts anderes will, als den größtmöglichen wirtschaftlichen Eigennutz.

                                            Solidarität, Empathie, Freundschaft, Liebe, füreinander sorgen oder einstehen, all das sind Normen und Werte, die nicht mehr gefragt sind. Es hat sich das Menschenbild des Neoliberalismus etabliert, das ganz viel über seine Jünger verrät.

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                                              Chinesisches Importverbot: China nicht mehr Müllkippe der Welt

                                              von Fred Schmid / isw München e.V.

                                              Ab Januar dieses Jahres importiert China keinen „yáng lājī“ mehr, keinen „westlichen“ oder „ausländischen“ Müll, wie er abfällig genannt wird. Bis dato war China die größte Müllkippe der Welt. Die Hälfte der globalen Müllexporte, vornehmlich aus den westlichen Metropolen, landeten in China. Das Land war mit Abstand der größte Importeur von Abfall. Der westliche Müll wurde dort feinsortiert, recycelt, aufbereitet, ausgeschlachtet und der Rest verbrannt oder auf Deponien geschüttet.

                                              china_elektroschrott_elektromuell_muelltrennung_muellimporteur_muellexporte_muellimport_wohlstandsmuell_kritisches_netzwerk_muellaufbereitung_recycling_abfallrecycling_muellvermeidung.jpg

                                              Bereits im Juli vergangenen Jahres kündigte das chinesische Umweltministerium gegenüber der WTO ein Importverbot zum Jahresende an, das jetzt in Kraft trat. Auf der Verbotsliste stehen 24 Abfallarten, vor allem Elektroschrott, Misch- und Altpapier, Schlacke aus der Stahlproduktion, Wolle- und Baumwollreste aus der Textilindustrie, und gewaltige Mengen von Kunststoffen und Plastik (PVC, PET, Polyethylen) sind davon betroffen. „Allein im vergangenen Jahr (2016 – F. S.) importierte die Volksrepublik 7,3 Millionen Tonnen Plastikmüll im Wert von 3,7 Milliarden Dollar“. ( REUTERS-Artikel) Das waren 56% der weltweiten Altplastik-Einfuhren bzw. -exporte. Der Löwenanteil stammte aus den USA, Japan und der EU, hier vor allem aus Deutschland. In der BRD fallen im Jahr rund 6 Millionen Tonnen Plastikabfälle an, ein Viertel davon wird exportiert, großteils nach China.

                                              Die Container, mit denen China als „Fabrik der Welt“ seine Waren in den Westen exportierte, wurden auf dem Rückweg mit Abfällen vollgepfropft. Es war für beide Seiten ein lukratives Geschäft, denn die westlichen Industrieländer wurden so einen Teil ihres Wohlstandsmülls los und bekamen dafür auch noch Geld.

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                                                Trumps gescheiterter Staatsstreich im Iran

                                                von Eric S. Margolis

                                                Hören Sie sich die staatlich "gelenkten" US-Medien in der vergangenen Woche an, und Sie würden glauben, dass eine Reihe spontaner Proteste gegen die Regierung im Iran ausgebrochen sind. Die Proteste, so Präsident Donald Trump und seine israelischen Verbündeten, wurden verursacht durch "Ärger über die Milliardenausgaben des Iran für Kriege in Syrien, Irak und Libanon und durch die Unterstützung der palästinensischen Bewegung Hamas". Trump twitterte, dass sich die Iraner endlich gegen das, wie er es nannte, verhasste, brutale Regime auflehnten.

                                                Nun ja, fabrizierte Nachrichten. Die meisten Iraner waren begeistert und stolz auf die Rolle ihrer Nation bei der Verhinderung von US-Plänen, einen Großteil Syriens zu besetzen und die Regierung von Präsident Baschar al-Assad zu stürzen. Die andere Seite dieses langen Stellvertreterkrieges - die USA, Israel, Saudi-Arabien und Großbritannien - schmerzte dagegen die Niederlage und sie suchte nach Wegen, um Rache an dem hasserfüllten Trio Syrien, Iran und Russland zu nehmen.

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                                                Interessanterweise stammt die sogenannte Nachricht von Protesten gegen die Militärausgaben des Iran offenbar nicht aus dem Iran, sondern aus Washington, von wo aus sie weit und breit auf unsere staatlich gelenkten Medien verbreitet wurde. Das war ungeschickt, aber die USA und Israel waren so begierig darauf, mit dieser erfundenen guten Nachricht herauszubekommen, dass sie die Grundlagen des Propagandamanagements vergaßen: Warten Sie auf das Ereignis, bevor Sie es verkünden.

                                                Was geschah eigentlich im Iran, wo mehr als 21 Demonstranten gewaltsam ums Leben gekommen sind? Als langjähriger iranischer Beobachter erlaube ich mir, das zu erklären.

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                                                  Das Schicksal hat Pause. Mehr als 100 Tage ohne neue Regierung

                                                  von Ulrich Gellermann, Mitautor des Buches "Die Macht um Acht".

                                                  Hören Sie das auch? Dieses „Tata-ta-Ta!“ Das ganze Land ist erfüllt von Beethovens FÜNFTER. Von der Schicksalssinfonie. „Tata-ta-Ta“ klingt es auf deutschen Straßen und Plätzen, unter Parkbänken und in Parkhäusern. Aus Pommes-Buden schallt das orchestrierte Schicksal, aus Gourmet-Tempeln schwellen die Streicher bis hinaus auf die roten Teppiche.

                                                  indirekte_demokratie_demokratieversagen_staatsterror_meinungsfreiheit_pressefreiheit_kritisches_netzwerk_vasallenstaat_herrschaft_macht_souveraenitawt_democracy_ttip_ceta_volkeswille.png „Wahl-Irrsinn - 100 Tage ohne neue Regierung“ schreit die BILD-Zeitung in die armen deutschen Ohren, an denen Hirne hängen wie bemooster Blumenkohl. Tata-ta-Ta! Und jeder kann sie zur Zeit besonders gut hören, die Sinfonie des Schicksals. Denn das Gelärm und Geschwätz, das sonst aus Lautsprechern und zwischen Zeitungszeilen schrillt, scheint verstummt. Keine Verlautbarungen der Regierung, kein Zwischenruf der Opposition. Selbst das ersterbende „Maut-Maut-Maut-Maut“ des Herrn Dobrindt quäkt nicht in das Schweigen der parlamentarisierten Lämmer.

                                                  Kann es eine Verschwörung von CDU und SPD sein, die uns diese unglaubliche Stille beschert? Oder ist es doch der gnadenlose deutsche Amtseid nach Artikel 56 des Grundgesetzes – „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe“ – der da schallschützend wirksam wird? Soll weniger Gesetz, weniger Geschwätz, weniger Gelärm einfach nur Schaden vom deutschen Volke abwenden? Soll Gott allein der Sache der Deutschen helfen, in Ermangelung besseren Rates?

                                                  Doch der deutscheste Funk im Äther, der DEUTSCHLANDFUNK, das Radio für den Gebrauchs-Führer, macht mit einem verbalen Radetzky-Marsch Schluss mit Lustig: „Die Welt erwartet von Deutschland, dass es führt“. – Deutscher Funk, befiehl, wir folgen Dir! Ta-tatata, ta-tatat, ta-tata, schnäderä-päng. Kein Sack Reis kann in China ohne deutsche Führung umfallen. Kein Sperling kann ohne den deutschen Gott vom Himmel stürzen, das wusste schon die Bibel. Und jetzt? Vor einem leeren Himmel fällt kaum jemandem noch etwas ein. Außer man wolle Sondierungen für ETWAS halten. Diese Lautlosigkeit kann nur böse enden!

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                                                    Es gibt Alternativen zur neoliberalen Sackgasse! Für einen neuen u. progressiven Konsens

                                                    Von João Antônio Felício, Präsident des Intern. Gewerkschaftsbundes (ITUC)

                                                    (Übersetzung aus dem Englischen: Stefan Beck)

                                                    In dem Positionspapier "Working for the Few" [1] weist die Nichtregierungsorganisation OXFAM auf einen besorgniserregenden Trend hin: Das reichste Prozent der Weltbevölkerung verfügt über ein Vermögen von 110 Billionen US-Dollar – 65 mal soviel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. In den letzten 25 Jahren wuchs die Konzentration des Reichtums in den Händen Weniger mehr und mehr an. Eine kleine Elite besitzt nun 46% des Weltvermögens.[Zahlen v. Januar 2014; H.S.]

                                                    Verschärfend kommt hinzu, dass diese Vermögen, wie kürzlich der französische Ökonom Thomas Piketty in seinem viel beachteten Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ gezeigt hat, überwiegend aus Gewinnen aus Kapital, Vermögen oder Anlagen und nicht aus Lohneinkommen resultieren. Ein großer Teil hoch profitabler Geschäfte wird häufig zu niedrig besteuert. Dies ist ein inakzeptabler Trend, der die Anlagemärkte weltweit betrifft. Es trägt letztlich zu ökonomischer Ungleichheit bei und schafft eine neue Belle Époque, in der die soziale Mobilität der Arbeiterklasse durch das System eines „patrimonialen Kapitalismus“ erheblich eingeschränkt wird.

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                                                    ► Der Preis der Ungleichheit

                                                    Das Anwachsen der Ungleichheit bleibt nicht folgenlos. Abgesehen von der moralischen Fragwürdigkeit hat dies auch erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen: die Ungleichheit verringert die Kaufkraft und die Nachfrage der Konsumenten, begrenzt das binnenwirtschaftlich nachhaltige Wachstum und gefährdet die Fortschritte bei der Armutsbekämpfung. Darüber hinaus wird in der gegenwärtigen Form des Kapitalismus die Kontrolle über die Wirtschaft innerhalb der Oberklasse mehr oder weniger vererbt. Die anhaltende Ungleichheit schafft so eine unsichtbare Barriere, die eine soziale Mobilität der weniger bevorteilten Klassen verhindert. Piketty entlarvt ein oft wiederholtes Argument konservativer Diskurse, die heißt: die Einkommensunterschiede wären gerechtfertigt durch die Leistungen außergewöhnlich fähiger Individuen: die Top-Manager großer Unternehmen.

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                                                      Trotz Digitalisierung – kein Geld für Qualifizierung

                                                      von Marcus Schwarzbach / Gastautor des isw München e.V.

                                                      Die Digitalisierung macht die Qualifizierung der Beschäftigten immer wichtiger. „Lebenslanges  Lernen  ist  Grundvoraussetzung,  um  mit  der  abnehmenden  »Halbwertzeit  des  Wissens« Schritt halten zu können“, verkündet der "Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände" (BDA). Die betriebliche Realität sieht aber immer noch anders aus.

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                                                      Den meisten Beschäftigten „fehlt es für Weiterbildungen an Zeit und Angeboten, um im Job mit den Anforderungen der Digitalisierung Schritt halten zu können“, sagt Bitkom, der Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche. Deren Untersuchung zeigt: 72 Prozent der abhängig Beschäftigten beklagen, dass während der Arbeit keine Zeit für eine Weiterbildung zum Umgang mit digitaler Technik ist, 39 Prozent sagen, ihr Arbeitgeber setze zwar vermehrt auf die Digitalisierung, sorge aber nicht für die erforderliche Weiterbildung. „Lebenslanges Lernen muss raus aus dem Podiumssprech und rein in die unternehmerische Praxis“, fordert Bitkom-Präsident Achim Berg.

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                                                        Revolution oder Revolte: Ein Dialog zwischen Boris Kagarlitzki und Kai Ehlers

                                                        Kai Ehlers: Als wir uns vor 30 Jahren kennenlernten, versuchte Michail Gorbatschow gerade die Sowjetunion zu reformieren. Unser gemeinsames Buch »25 Jahre Perestroika« erzählt davon, wie Du mit Deinen politischen Freunden versucht hast, der Entwicklung eine sozialistische Richtung zu geben. Heute sehen wir uns indessen einem semi-kapitalistischen Russland, einer Amerikanisierung des sogenannten Sozialstaats in Deutschland und Europa sowie einer neoliberalen Globalisierung in der ganzen Welt gegenüber. In Russland haben die Leute genug von Revolutionen. Allenfalls könnte man sich eine weitere neoliberale Pseudo-Revolution à la Alexej Nawalny gegen das »System Putin« vorstellen, gegen den »Peripherie-Kapitalismus«, wie Du ihn nennen würdest bzw. »hybride Strukturen«, wie ich es nenne.

                                                        In vielerlei Hinsicht bewegt sich die Welt auf die finale Krise des Kapitalismus zu, aber in dessen Zentren sind keine revolutionären Kräfte in Sicht, die denen zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts vergleichbar wären. Der Schwerpunkt des Wandels hat sich auf die globale Ebene verlagert. Ich denke, dass sein mögliches Kollektivsubjekt die »Marginalisierten« sind, die »Überflüssigen«, deren Zahl weltweit wächst. Sie finden sich in der früheren Dritten und Vierten Welt, auch wenn der Prozess der Prekarisierung nicht auf diese Regionen beschränkt ist. Haben die ‚Verdammten dieser Erde‘ heute eine andere Perspektive als eine ständige, ziellose Revolte? Und welche Rolle können Europa und Russland in dieser künftigen Entwicklung hin zu einer postkapitalistischen Gesellschaft spielen?

                                                        Boris Kagarlitzki: Es gibt viele Gründe, sich über die vergangenen Misserfolge der Linken zu ärgern, und noch mehr, um die Zukunft besorgt zu sein. Dennoch teile ich nicht Deine Sicht auf die gegenwärtige Situation. Dass eine ausformulierte Alternative fehlt, hat nichts mit der Frage nach der Möglichkeit einer Revolution zu tun. Dieser Mangel ergibt sich aus objektiven Bedingungen, nicht aus unseren politischen Überzeugungen. Gleichgültig, was wir oder Leute wie wir in den 1980er-Jahren dachten: Sozialismus oder Revolution hatten damals keine Chance. Als wir glaubten, dass eine theoretisch hergeleitete Alternative wesentlich sei, hatten wir Unrecht. Alternativen haben in der Vergangenheit niemals Revolutionen hervorgebracht und werden das auch in der Zukunft niemals tun. Im Gegenteil: Nur andauernde Revolutionen bringen reale (nicht falsche, utopische oder imaginierte) Alternativen hervor.

                                                        Es ist seltsam, dass Du Russland »semi-kapitalistisch« nennst. Was ist falsch am russischen Kapitalismus? Warum soll ein russischer Oligarch ganz anders sein als ein amerikanischer, deutscher oder peruanischer? Das Weltsystem integriert alle Länder, und es gibt spezifische Nischen für die deutsche verarbeitende Industrie wie für russische, lateinamerikanische oder saudische Ökonomien, die den globalen Kapitalismus mit Rohstoffen und anderen Ressourcen versorgen. Dies macht die Kapitalismen jeweils besonders. Aber dieses Modell der Arbeitsteilung, das im Neoliberalismus entstand, ist nun in einer Krise, die uns über Kriege und Revolutionen in eine andere, sich radikal von der gegenwärtigen unterscheidenden Gesellschaft führen wird.

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                                                          Aufgeweckt & Naiv: Alternative Medien und Berichterstattung einmal anders

                                                          von Christian Jakob, Bergisch Gladbach

                                                          YouTube, Twitter, Podcast, Facebook - diese Verbreitungs-Plattformen zu nutzen ist das eine. Sie gezielt und positiv an den (Des)-Interessierten zu bringen eine andere. Aufgrund der vielen Anbieter in alternativen Medienbereichen verliert man schnell den Überblick, besonders hinsichtlich Qualität, Themen und Aufmachung. Wer sich in diesem Sammelsurium behaupten möchte, muss hervorstechen, auffallen, originell sein.

                                                          jung_und_naiv_tilo_jung_alexander_theiler_hans_huett_kritisches_netzwerk_alternative_medien_podcast_politik_fuer_desinteressierte_malchin_crowdfunding_naive_fragen_gespraechstaktik.pngTilo Jung, im Oktober 1985 in Malchin (Mecklenburg-Vorpommern) geboren, ist jemand, der mit seinen verschiedenen Formaten auffällt und dabei "unterhaltend und informativ" heraussticht. Und das auf eine Art und Weise, die einzigartig erscheint.

                                                          Angefangen hat alles im Jahr 2011. Nach abgebrochenem Studium in Betriebswirtschaft und Jura trat Jung als freier Mitarbeiter bei Radio Eins (RBB) zum ersten Mal in Erscheinung. Als Radioreporter war er für Interviews und Reportagen über Social Media und internationale Politik zuständig. Hier benutzte Jung schon sein typisches Frageformat, in dem er seinem Motto folgte: “Fragt Deutschlands VIPs alles”. Ob es nun um politische Einstellungen, um den Beruf, Gedanken zu gesellschaftlichen Themen oder um die Ausbildung des jeweiligen "Prominenten" geht - die Art und der Umfang solcher Fragestellungen in Interviews ist einfach eine andere.

                                                          Aus dieser Idee machte Jung zusammen mit Alexander “Tyler” Theiler und dem freien Autor Hans Hütt ein eigenständiges Format. Unter dem ursprünglichen Titel "Jung & Naiv - Politik für Desinteressierte" startete die erste Sendung auf der Plattform YouTube im Februar 2013. Erster Interviewgast war Falk Steiner vom Deutschlandfunk. Schon Ende Februar begrüßte man die ersten bekannteren Politiker in der Interviewreihe. Mit Dorothee Bär (CSU) behandelte man das Thema Betreuungsgeld und mit Volker Beck (Bündnis90/die Grünen) unterhielt man sich über die Homo-Ehe.

                                                          Das Format wurde schnell ausgeweitet und verlängert. Dauernden Interviews aufgrund technischer Defizite anfangs nur 10 - 12 Minuten, sind mittlerweile Gespräche von 60 Minuten keine Seltenheit mehr. Beim ersten Besuch auf einem Parteitag der FDP konnte man Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Wolfgang Kubicki als auch Frank Schäffler für Gespräche begrüßen. Als erstes politisches Schwergewicht und gleichzeitiger Kanzlerkandidat konnte man Peer Steinbrück (SPD) für ein Interview gewinnen.

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                                                            Und täglich grüßt das Murmeltier. IRAN im Aufruhr.

                                                            Erleben wir gerade ein Mossadegh 2.0? Eine statistische Betrachtung 

                                                            von Christian Jakob, Bergisch Gladbach

                                                            Mit knapp über 81,0 Millionen Einwohnern (Jan. 2017) und einer Fläche von 1.648.195 Quadratkilometern zählt die "Islamische Republik Iran" zu den 20 bevölkerungsreichsten und größten Staaten der Erde. Seine Lage zwischen dem Kaspischen Meer und der Straße von Hormus am Persischen Golf macht ihn zu einem Gebiet von hoher geostrategischer Bedeutung mit langer, bis in die Antike zurückreichender Geschichte.

                                                            Kurz vor dem Jahreswechsel keimten dort erste Proteste in vereinzelten iranischen Städten wie Maschhad, Isfahan, Kermānschāh, Schiras, Ghom, Rascht etc. auf. Diese Proteste haben sich mittlerweile über das ganze Land verbreitet. Irans Hauptstadt Teheran mit ca. 8,7 Millionen Einwohnern (2016) und der ältesten, größten und angesehenste Universität des Landes mit über 50.000 Studenten und tausenden wissenschaftlicher Angestellten, bietet eine weltweit beachtete Kulisse protestierender Menschen - Regimekritiker als auch regierungstreue Befürworter.

                                                            Während die iranische Regierung unter dem gemäßigten Präsidenten Hassan Rouhani anfangs noch ausgesprochen ruhig auf diese Proteste reagiert, kursieren mittlerweile Meldungen über tote Demonstranten, Polizisten und Gardisten. Glaubhaft bestätigen lässt sich davon bisher noch sehr wenig, die Meldungen sind widersprüchlich und der jeweiligen Interessenslage geschuldet. Einige soziale Netzwerke wurden von der Regierung gesperrt und Nachrichtensperren verhängt. Die Diskrepanz zwischen der "öffentlichen Meinung" und dem, was in den sogenannten Qualitätmedien als "veröffentlichte Meinung" feilgeboten wird, könnte auch im aktuellen Iran-Konflikt kaum größer sein.

                                                            Den USA an der Seite von Israel und Saudi-Arabien macht das aber nur wenig aus, für sie scheint die Situation ohnehin schon "vollkommen klar" zu sein. Ebenso wie für ein Großteil der EU-Mitgliedsstaaten, wo man anfangs - noch leicht konsterniert - mahnend und einigermaßen neutral aufzutreten versuchte. Nun ist man sich mittlerweile auch hier im Hinblick eigener politischer Interessen und transatlantischer Willfährigheit schon recht einig darüber zu wissen, worum es bei den Protesten im Iran geht.

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                                                              Neujahr 2018: Profitraketen und Dividenden-Kracher

                                                              von Fred Schmid / isw München e.V.

                                                              DAX-Aktionäre dürften zur Jahreswende im Gewinn- und Dividendenrausch geschwelgt haben. Aktienkurs, Profite und Dividenden erreichten Höchstmarken. Der Kurs für die „Blue Chips“ an der Deutschen Börse hatte im abgelaufenen Jahr ordentlich zugelegt: + 13,1%. Wer zu Jahresbeginn 100.000 Euro in den DAX-Indexfonds investiert hatte, war Silvester 2017 um 13.100 Euro reicher. Bei gleicher Investition in die so genannten Nebenwerte, MDAX bzw. TecDAX betrugen die Kursgewinne für die Anleger sogar 18.000 bzw. 40.000 Euro.

                                                              Und für 2018 wird eine weitere, wenn auch volatilere Kurssteigerung prognostiziert.

                                                              Davor – um Ostern herum – werden goldene Eier in die Wertpapier-Depots gelegt, in Form der größten Dividendenbescherung aller Zeiten. Aus den DAX-Konzerngewinnen 2017 werden insgesamt etwa 35,5 Milliarden Euro an die Aktionäre für das Halten der Aktien (Shareholder) ausgeschüttet; gut 11% mehr als im Vorjahr, prognostiziert das "Handelsblatt Research Institute" (HRI) auf der Basis einer Gewinn- und Dividendenanalyse von Bloomberg und Thomson Reuters. Das Geld wird jeweils wenige Tage nach der Hauptversammlung überwiesen.

                                                              Die ersten im Reigen der Aktionärsversammlungen sind Thyssen-Krupp und Siemens, deren Geschäftsjahr vom Kalenderjahr abweicht und die deshalb bereits im Januar bzw. Anfang Februar ausschütten. Bei Siemens sind es diesmal 3,0 Mrd. Euro, die an die Aktionäre verteilt werden, knapp die Hälfte des Nettogewinns von 6,2 Milliarden Euro (48%). Bei der Belegschaft, die diesen Rekordgewinn erarbeitet hat, werden dagegen 6.900 Arbeitsplätze in der Kraftwerksparte (Gasturbinen) rausgeschüttet. Die Siemens-Familie, die Nachfahren und Erben des Firmengründers, die noch einen Aktienanteil von 6 Prozent ihr Eigen nennt, erhält 180 Millionen Euro Dividende - quasi für´s Nichtstun.

                                                              Üppige Bescherung auch bei den Institutionellen Anlegern (Fonds, Versicherungen, Vermögensverwalter), die 65% der Siemens-Aktien halten, allen voran der weltgrößte Vermögensverwalter BlackRock Inc., der in fast allen DAX-Konzernen investiert ist. Auch die Großaktionäre bei VW, der Piech/Porsche-Clan, wird trotz Diesel-Skandal und manipulierten Abgaswerten reichlich bedient: Etwa 900 Millionen Euro Dividende. Doch getoppt werden sie alle von der Quandt-Sippe, die bei BMW das Sagen hat. Stefan Quandt und seine Schwester Susanne Klatten, deren Verdienst darin besteht, sich in die richtige Wiege gelegt zu haben, kassieren 26 bzw. 21 Prozent der gesamten BMW-Dividende von 2,43 Milliarden Euro; macht zusammen 1,14 Mrd. Euro. Aufs Jahr gerechnet sind die beiden über Nacht jeweils um gut drei Millionen Euro reicher geworden. „Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf“, heißt es schon in der Bibel (Psalm 127,1).

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                                                                Richard David Precht: Nicht jeder Intellektuelle ist eine Rampensau

                                                                von Christian Jakob

                                                                richard_david_precht_1_philosoph_gesellschaftsbild_gesellschaftsentwurf_gesellschaftskritik_systemcrash_systemkollaps_buergergesellschaft_kritisches_netzwerk_rampensau_buergerbeteiligung.jpgEr gilt als der Popstar unter den heutigen Philosophen. Seine Position finden sich in den Themen Bürgergesellschaft, Tiere, Migration, Bildung und Digitalisierung wieder, aber auch zu anderen Themen wartet Precht immer wieder mit interessanten Denkansätzen auf. Er selbst sieht sich allerdings nicht wirklich als Philosoph. “Das was ich mache nennt man in Frankreich einen Philosophen. Tatsächlich aber bin ich Vortragsredner und Buchautor. Aber es gibt viele Hochschulprofessoren, die würden das nicht so nennen.”[1]

                                                                Trotz seiner zwei Honorarprofessuren für Philosophie an der "Leuphana Universität Lüneburg" und für Philosophie und Ästhetik an der "Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin" (HFM), sieht sich Precht nicht als den klassischen Philosophen. Er sieht sich mehr als ein Intellektueller, der es in die Medien geschafft hat, was selten genug vorkommt. Denn nicht jeder Intellektuelle ist auch gleichzeitig eine Rampensau.

                                                                ► Von Tennisarm und Staublunge

                                                                Der am 08. Dezember 1964 in Solingen geborene Richard David Precht wuchs mit seinen vier Geschwistern in einem linksgerichteten Elternhaus auf. Die Politik der USA wurde verurteilt, Bundeskanzler Helmut Schmidt galt als “Rechter” und die DDR wurde als verklärt betrachtet. Nach seinem Abitur 1984 und seinem Zivildienst begann er 1986 sein Studium an der Kölner Universität. Dort studierte Precht Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte. Um sein Studium zu finanzieren, arbeitete er unter anderem im Haribo-Werk in Solingen, wo er 10h am Tag von Hand Sirup unter einem Gemisch aus Zucker und Puderzucker vermengte. “Man musste sich kopfüber in eine Art große Betonmischmaschine hangeln und mit dem ganzen Arm den Sirup unter den Zucker mischen. 10 Stunden am Tag. Und wenn dann noch der Puderzucker hinzugefügt wurde, bekam man eine Staublunge.

                                                                Nach einem kurzen Gastspiel in einer Baumschule als Gartenhelfer bekam er eine Anstellung als Nachtwächter in der Kölnmesse. Ideale Voraussetzungen für ihn als Studenten. Die tagsüber übrig gebliebenen Reste an belegten Brötchen, Schnitzel oder Frikadellen klaubte sich der junge Precht abends zusammen, und hatte dann die ganze Nacht Zeit zum lesen und schreiben. Somit schaffte er nach nur 8 Semestern seine Promotion in Germanistik.

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                                                                  Die "Händler des Todes" überleben und gedeihen

                                                                  von Lawrence Wittner

                                                                  Mitte der 1930er Jahre hatte eine bestverkaufte Abhandlung über den internationalen Waffenhandel, kombiniert mit einer Untersuchung des US-Kongresses über Munitionshersteller unter Leitung von Senator Gerald Nye, einen großen Einfluss auf die öffentliche Meinung in den USA. Überzeugt davon, dass militärische Auftragnehmer Waffenverkäufe und Krieg zu ihrem eigenen Vorteil anheizten, wurden viele Menschen diesen "Händlern des Todes" gegenüber kritisch.

                                                                  Heute, rund acht Jahrzehnte später, sind ihre Nachfolger, die heute höflicher "Rüstungskontraktoren" genannt werden, am Leben und wohlauf. Laut einer Studie des "Stockholm International Peace Research Institute" (SIPRI) stiegen die Verkäufe von Waffen und militärischen Dienstleistungen durch die weltweit größten 100 militärischen Lieferanten im Jahr 2016 (dem letzten Jahr, für das Zahlen vorliegen) auf 375 Milliarden Dollar. US-Konzerne steigerten ihren Anteil auf fast 58 Prozent und lieferten Waffen an mindestens 100 Länder weltweit.

                                                                  Die dominierende Rolle der US-Konzerne im internationalen Waffenhandel verdankt sich in hohem Maße den Bemühungen der US-Regierungsbeamten. "Bedeutende Teile der Regierung", stellt der Militäranalyst William Hartung fest, "sind darauf bedacht, sicherzustellen, dass amerikanische Waffen den Weltmarkt überschwemmen und Unternehmen wie Lockheed und Boeing ein gutes Leben führen. Vom Präsidenten auf seinen Reisen ins Ausland, um verbündete Staatsoberhäupter, Staatssekretäre und Verteidigungsminister zu besuchen, bis hin zu den Stäben der US-Botschaften, agieren amerikanische Beamte regelmäßig als Verkäufer für die Waffenfirmen". Darüber hinaus stellt er fest: "Das Pentagon ist ihr Wegbereiter. Von der Vermittlung, der Erleichterung und dem buchstäblichen Bankgeschäft des Geldes aus Waffengeschäften bis hin zur Weitergabe von Waffen an bevorzugte Verbündete auf Kosten der Steuerzahler ist es im Wesentlichen der größte Waffenhändler der Welt."

                                                                  Als Tom Kelly, der stellvertretende Ministerialsekretär des Büros für politische Angelegenheiten des Außenministeriums, 2013 während einer Anhörung des Kongresses gefragt wurde, ob die Obama-Administration genug für die Förderung der amerikanischen Waffenexporte getan habe, antwortete er:

                                                                    weiterlesen

                                                                    Die BDA sagt Gewerkschaften und Betriebsräten den Kampf an

                                                                    Merkel und Schulz zeigen sich dankbar fürs Dabeisein

                                                                    von Laurenz Nurk

                                                                    Die "Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände" (BDA) will an die Rechte der Beschäftigten ran. Beim „Deutschen Arbeitgebertag“ hat die organisierte Unternehmerschaft den Gewerkschaften und Betriebsräten den Kampf angesagt. Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) soll flexibler, die Mitbestimmungsrechte der Belegschaften im Betrieb verwässert und die Sozialabgaben, die die Unternehmen zu leisten haben, gesenkt werden. Vom Staat fordern die Unternehmer mehr Investitionen, den Ausbau des Bildungsbereichs und der Kinderbetreuung. Die Gäste der Lobbyveranstaltung der deutschen und internationalen Großkonzerne, Angela Merkel und Martin Schulz, bedankten sich brav bei ihnen und zeigten den Beschäftigten schon einmal, wohin die Reise der zukünftigen Großen Koalition geht.

                                                                    ingo_kramer_praesident_bundesvereinigung_der_deutschen_arbeitgeberverbaende_bda_arbeitgeberpraesident_arbeitszeitflexibilisierung_arbeitszeitgesetz_kritisches_netzwerk_neoliberalismus.jpg

                                                                    Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer rief beim „Deutschen Arbeitgebertag“ Ende November 2017 die künftige Regierung zu einem wirtschaftsfreundlichen Kurs auf und verwahrte sich vor „neuen wachstums- und beschäftigungsschädlichen Gesetzen und Verordnungen“. Er machte Druck auf die Politik, schnellstmöglich eine weitere Legislaturperiode lang die Große Koalition aufzulegen, mit Angela Merkel als Kanzlerin und Martin Schulz als Vizekanzler und diktierte schon mal in das Lastenheft von SchwarzRot hinein:

                                                                      weiterlesen

                                                                      Kluft zw. Arm und Reich in Deutschland so groß wie vor 100 Jahren

                                                                      von Fred Schmid / isw München e.V.

                                                                      Die Einkommensungleichheit ist in Deutschland so groß wie vor gut 100 Jahren. Das ist das Ergebnis des ersten „Weltreports über Ungleichheit“ (World Inequality Report) – Kurzfassung: Bericht zur weltweiten Ungleichheit), einer Studie des französischen Ökonomen Thomas Piketty, Autor des Bestsellers „Das Kapital im 21. Jahrhundert“, zusammen mit mehr als hundert WissenschaftlerInnen aus der ganzen Welt.

                                                                      thomas_piketty_2_world_inequality_report_bericht_zur_weltweiten_ungleichheit_das_kapital_im_21._jahrhundert_einkommensungleichheit_vermoegensverteilung_kritisches_netzwerk_neoliberalismus.jpg

                                                                      Der Bericht zeigt, dass die Einkommensungleichheit in den letzten Jahrzehnten in fast allen Weltregionen zugenommen hat, jedoch in unterschiedlicher Geschwindigkeit“ (Kurzfassung, S.5). „Seit 1980 ist die Einkommensungleichheit in Nordamerika, China, Indien und Russland rasant gestiegen“. Im Vergleich dazu verlief der Anstieg in Europa eher moderat. Der Anteil der obersten 10% am Gesamteinkommen betrug 2016 in Europa 37%, in China 41%, in Russland 46%, in USA/Kanada 47%, in Subsahara/Afrika 54%, in Brasilien 55% und im Nahen Osten 61% (S. 5f).

                                                                      ► Krasse Einkommensungleichheit in Deutschland

                                                                      Die Schere zwischen Einkommens-Reichen und Menschen mit wenig Einkommen hat sich auch in Deutschland vor allem in den letzten Jahren weit geöffnet. Charlotte Bartels vom "Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung" (DIW), die die deutschen Daten auswertete, erklärt: „Die unteren 50 Prozent der Gesellschaft haben in den letzten Jahren massiv an Anteil am Gesamteinkommen verloren. In den 60er Jahren verfügten sie noch über etwa ein Drittel, heute sind es noch 17 Prozent“. Die oberen zehn Prozent dagegen steigerten ihren Wert von einem Drittel auf 40 Prozent. Das entspricht den Einkommensverhältnissen von 1913, dem letzten Jahr vor dem Ersten Weltkrieg.

                                                                        weiterlesen

                                                                        2018 – Die Welt am Tropf der Zentralbanken

                                                                        Von Ernst Wolff / Autor der Bücher „Weltmacht IWF“ und neu: „Finanztsunami“  

                                                                        Die Lage zum Jahresende 2017 scheint extrem widersprüchlich: Die Wirtschaft wächst, die Aktienmärkte verzeichnen Rekordstände, die Arbeitslosenzahlen sinken und die Industrie zeigt ein seit langem nicht gesehenes Maß an Optimismus. Zugleich erstickt die Welt unter der höchsten Schuldenlast ihrer Geschichte, krankt an der größten sozialen Ungleichheit und wird von höheren Risiken als vor der Krise von 2007/2008 bedroht.

                                                                        Wo stehen wir denn nun wirklich? fragen sich die meisten von uns zum Jahreswechsel. Können wir beruhigt in die Zukunft sehen oder drohen historische Gefahren? Gibt es irgendeine Wirtschaftstheorie, die uns diese Fragen klar und deutlich beantworten kann?

                                                                        ► Die Wirtschaftstheorien der Vergangenheit helfen nicht mehr weiter

                                                                        Nein, die gibt es nicht. Und zwar aus einem einfachen Grund: Weil wir in einer Ausnahmesituation leben, die die Welt so noch nicht gesehen hat: Das globale Wirtschafts- und Finanzsystem ist seit 2008 klinisch tot. Es funktioniert nur noch, weil es wie ein Patient auf der Intensivstation künstlich am Leben erhalten wird, und zwar durch die Zentralbanken.

                                                                         Seit dem Beinahe-Zusammenbruch von 2008 haben die größten Zentralbanken der Welt zwischen 14 und 16 Billionen US-Dollar ins globale Finanzsystem gepumpt und fast siebenhundert Mal die Zinsen gesenkt. Der größte Teil dieses „billigen“ Geldes ist in die Finanzspekulation geflossen und hat so für eine historisch nie dagewesene Verzerrung der Märkte gesorgt.

                                                                          weiterlesen

                                                                          ARD, Wirtschaft und Wahrheit: Wie Arbeitgeberverbände ihren Willen bekommen

                                                                          von Christian Jakob

                                                                          wahrheit_luegen_leichtglaeubigkeit_ignoranz_gleichgueltigkeit_verlogenheit_unwahrheit_propaganda_manipulation_kritiklosigkeit_massenmedien_leitmedien_kritisches_netzwerk_luegenpresse.pngEs ist Mittwoch der 27. Dezember 2017, 20:00 Uhr MEZ, Tagesschau. Sprecherin Susanne Daubner begrüßt die Zuschauer zu den Abendnachrichten im ersten deutschen Fernsehen und eröffnet das Top-Thema der Sendung: Konjunktur-Umfrage in der deutschen Wirtschaft. Es wird vorab vermeldet, das ein Großteil der deutschen Unternehmen 2018 “optimistisch” betrachtet. Das Geschäftsjahr 2017 hätte sich positiv entwickelt und man rechne damit, das sich dies auch für das kommende Jahr so fortsetzt. 48 Verbände wurden nach ihrer Einschätzung in einer Umfrage-Studie des "Instituts der deutschen Wirtschaft Köln" (IW) befragt. Allerdings würden aufgrund des Fachkräftemangels die Unternehmen zunehmend an ihre Grenzen stoßen. Gleich mehrere Punkte springen mir da ins Auge und stoßen schwer auf.

                                                                          Da holt also jemand die Glaskugel heraus und sieht was die Zukunft bringt. Es gab Zeiten, da saßen solche subtilen Gestalten auf einer Kirmes oder Jahrmarkt in einem Zelt und gaukelten dem naiven Kunden im Austausch von Geldleistung in ausschweifender Erzählung sein Schicksal voraus. Heute schaffen sie es als solche in die öffentlich-rechtlichen Anstalten, und geben ihre Weissagungen einem breiten Publikum preis. Hat der Sachverständigenrat der Wirtschaftsweisen in all seinen bisherigen Voraussagen auch nur einmal annähernd richtig in seinen Prognosen gelegen? Nein, niemals! Spätestens hier sollte man schon erkannt haben, das solche Vorhersagen absolut unseriös und albern sind. Selbst die Wettervorhersage ist da um Längen genauer.

                                                                          ► Das Orakel des Herrn Hüther

                                                                           Was früher noch Orakel oder Medusa genannt wurde, heißt heute Michael Hüther. Er ist nicht nur Direktor und Präsidiumsmitglied des IW, er ist gleichzeitig auch noch im Vorstand des Netzwerks / Politikberatungsinstituts Atlantik-Brücke, im Kuratorium der arbeitgebernahen "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM) und im "Verein für Socialpolitik", in denen sich das “Who is who” der neoliberalen Wirtschaftsrhetorik die Hand gibt, oder dessen Geist dort weiter lebt.

                                                                            weiterlesen

                                                                            Wenn Arbeit psychisch krank macht: Sozialpsychologische Aspekte des Burnout

                                                                            von Dr. Rainer Funk, Tübingen

                                                                            Psychologische Ansätze, das Burnout zu verstehen, leiden bisweilen daran, nur das Individuum in seinem familiären und intersubjektiven Gewordensein im Blick zu haben, und den Menschen nicht wirklich als gesellschaftliches Wesen zu begreifen. Diese verkürzte Sicht versucht der sozial-psychoanalytische Ansatz Erich Fromms zu vermeiden. Fromm sieht den Menschen in erster Linie als ein bezogenes Wesen, das auf andere Menschen, auf die Wirklichkeit und sich selbst bezogen ist, immer aber auch auf die Gesellschaft bezogen sein muss, in der das Individuum lebt. Gesellschaftliche Isolierung oder gar Ächtung führt zu schwerwiegenden psychischen Erkrankungen, wie etwa der unverhältnismäßig hohe Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund bei psychiatrischen Erkrankungen und bei forensischen Klienten verdeutlicht [1].

                                                                            rainer_funk_tuebingen_kritisches_netzwerk_erich_fromm_der_entgrenzte_mensch_burnout_psychoanalyse_entbindung_gesamtausgabe_depression_neoliberalismus_entgrenzung_des_menschen.jpg

                                                                            ► 1. Die hier gewählte sozial-psychoanalytische Perspektive

                                                                            Innerlich angetrieben und motiviert wird der Mensch nach Fromm in erster Linie von der Notwendigkeit, bezogen sein zu müssen. Dies wurde von der Bindungsforschung seit John Bowlby [2] inzwischen auch empirisch eindrücklich bestätigt. Gemäß diesem bezogenheitstheoretischen (statt triebtheoretischen) Ansatz verinnerlicht der Mensch vor allem jene für das gesellschaftliche Zusammenleben erforderlichen Bezogenheitsmuster, die er wiederholt erfährt und als funktional, normal oder gefordert wahrnimmt.

                                                                            Der von Erich Fromm entwickelte Ansatz [3] ermöglicht als psychoanalytischer darüber hinaus noch einen anderen Zugang zu sozialpsychologisch relevanten Phänomenen wie dem Burnout. Das psychodynamische Konzept des Charakters aufgreifend, erklärt Fromm nicht nur das Verhalten Einzelner, sondern auch das Verhalten der Vielen als von bewussten und unbewussten Strebungen disponiert und determiniert. Dabei wird der Sozial-Charakter als eine eigene psychische Strukturbildung verstanden, bei der wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Erfordernisse und Bezogenheitsmuster internalisiert werden, so dass Menschen leidenschaftlich nach dem streben, was sie an psychischen Anpassungsleistungen für das Gelingen von Wirtschaft und Gesellschaft zu erbringen haben.

                                                                              weiterlesen

                                                                              Heinrich Böll würde sich schämen

                                                                              Von Sybille Fuchs

                                                                              heinrich_boell_ansichten_eines_clowns_verlorene_ehre_der_katharina_blum_frauen_vor_flusslandschaft_nobelpreis_kritisches_netzwerk_kirchenaustritt_kirchenkritik_gruppe_47_doktor_murkes.jpgKurz vor Weihnachten, am 21. Dezember 1917, im letzten Jahr des Ersten Weltkriegs, wurde Heinrich Böll geboren. Sein hundertster Geburtstag fällt in eine Zeit, in der man einen mutigen Mahner und scharfzüngigen Intellektuellen wie ihn sehr vermisst.

                                                                              Den Zweiten Weltkrieg in all seiner Grausamkeit erlebte er als junger Soldat. Kaum heimgekehrt, noch mitten in der Not der ersten Nachkriegszeit begann er, das jüngst Erlebte und die unmittelbare Gegenwart in Kurzgeschichten zu verarbeiten. Er schlägt sich zu dieser Zeit als Gelegenheitsarbeiter durch und nimmt ein vor dem Krieg begonnenes Studium der Germanistik wieder auf.

                                                                              Der achte Sohn eines durch die Inflation von 1923 und schließlich durch die Weltwirtschaftskrise total verarmten Schreiners und Holzbildhauers aus der Kölner Südstadt kennt Armut und das Leben ärmster Schichten nicht nur aus Büchern. Sein scharfer Blick für die Armut großer Teile der Bevölkerung, für Außenseiter und Sonderlinge beruht auf eigenen Erfahrungen. Sie haben seine Wahrnehmung der schreienden sozialen Gegensätze der Gesellschaft und der Heuchelei der Autoritäten von Staat und Kirche geprägt.

                                                                              Nicht nur für das Elend der Kriegsheimkehrer, der Ausgebombten und Traumatisierten findet er eindrucksvolle Bilder und liebevolle oder grausame Detailschilderungen, bei denen es einem heute noch (oder gerade wieder) kalt den Rücken herunterläuft. Auch das Salbadern von Kirchenoberen, die Lügen der gewendeten Nazis oder von Vertretern von Kultur und Politik in der frühen Bonner Republik nimmt er kritisch oder satirisch aufs Korn. So karikiert er in „Dr. Murkes gesammeltes Schweigen“ bissig die pseudoreligiösen Predigten im Rundfunk der frühen Jahre der Bundesrepublik. Böll selbst war gläubiger Katholik, aber immer kritisch gegenüber der Institution der Kirche, aus der er schließlich sogar austrat.

                                                                                weiterlesen

                                                                                Neoliberales Wirtschaftssystem in der Praxis: Die Chile AG

                                                                                von Christian Jakob

                                                                                Alles begann am 11. September 1973. In dem brennenden Regierungspalast “La Moneda” in Santiago de Chile starb nicht nur Präsident Salvador Allende, der Tag sollte auch das Ende der sozialistischen Wirtschaftspolitik sein. Diktator Augusto Pinochet führte ein neoliberales Wirtschaftssystem ein. Der Staat zog sich zurück. So frei wie in Chile durften die Marktkräfte in keinem anderen Land der Erde walten.

                                                                                Pinochet ist lange weg, doch die neoliberale Marktwirtschaft ist bis heute geblieben. Sie hat nicht nur den Unternehmenssektor gestärkt, sie hat auch die Menschen verändert. Chile ist ein reiches Land an Natur, reich an Rohstoffen und Bodenschätzen, reich an Wirtschaftskraft. Der Andenstaat wurde 2010 als erstes südamerikanisches Land in den Kreis der OECD-Staaten aufgenommen. Gleichzeitig ist Chile auch ein armes Land, denn reich sind nur wenige Menschen. Vier chilenischen Familien beherrschen die Wirtschaft, die Zeitungen und das Fernsehen. Der Besitzer des TV-Senders Chilevision und der Fluggesellschaft LAN (Sebastián Piñera) hatte es 2010 sogar zum Präsidenten gebracht.

                                                                                chile_neoliberalismo_es_una_mierda_neoliberalism_sucks_chicago_boys_neoliberalismus_santiago_de_michelle_bachelet_kritisches_netzwerk_mont_pelerin_society_joaquin_lavin.png

                                                                                El Teniente ist das größte Kupferbergwerk der Erde. Diese Mine wird schon seit rund 200 Jahren ausgebeutet. Chiles Reichtum heißt Kupfer. 40 bis 50% der weltweiten Reserven liegen im chilenischen Boden, und das Metall ist wichtig. Kupfer braucht man für Kühlschränke, Smartphones und Autos. Hier in Chiles trockenem Norden, in der Atacama-Wüste, gibt es die meisten Kupferminen. Sie brauchen viel Energie und viel Wasser. Wasser dass sie der Landwirtschaft entziehen.

                                                                                  weiterlesen

                                                                                  Deutsche Kolonialpolitik in Griechenland

                                                                                  Ausbau neoliberaler Hegemonie Deutschlands in Gesamteuropa schreitet voran

                                                                                  von Laurenz Nurk

                                                                                  Schon vor dem Regierungswechsel 2015 in Griechenland war die Strategie klar. Die Existenz einer funktionierenden Links-Regierung in der Europäischen Union (EU), die wohlmöglich gegen die Austeritätspolitik kämpfen und die politische und wirtschaftliche Vormachtstellung Deutschlands infrage stellen könnte, konnte unter keinen Umständen geduldet werden. So drehten die Kreditgeber und der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble den Spieß um und arbeiteten daran, Griechenland zum Modell für ihre neoliberalen Pläne für Gesamteuropa zu machen.

                                                                                  Die Kredite und die Memoranden waren von Anfang an politisch nicht neutral, sondern wurden instrumentalisiert. Und hier konnte man nach dem Regierungswechsel den Hebel ansetzen. Die Kreditvergabe wurde noch strenger als zuvor an eine breite und unkontrollierte Treuhandschaft gebunden und die direkte Einmischung in Landesangelegenheiten ausgeweitet, die weit über die fiskalischen Regelungen hinausging.

                                                                                  Am Beispiel Fraport kann man vieles festmachen, da es hier um Ausplünderung des geschundenen Landes bei gleichzeitigem Aufbau der Hegemonie der deutschen Luftfahrtindustrie in der EU geht.

                                                                                  Die Privatisierung von griechischem Staatsbesitz wurde in den Memoranden festgeklopft und war eine der wesentlichen Bedingungen für die Verlängerung der griechischen Staatversschuldung. Der deutsche Finanzminister drängte darauf, eine Behörde nach dem Muster der deutschen Treuhandgesellschaft einzurichten, die den Kahlfraß der wirtschaftlichen Landschaft im Osten Deutschlands erfolgreich vorführte.

                                                                                    weiterlesen

                                                                                    Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE): Argumente für und wider

                                                                                    Plädoyer für ein besseres BGE

                                                                                    von Logos

                                                                                    Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist ein sozialpolitisches Finanztransferkonzept, nach dem jeder Bürger vom Baby bis zum Greis – unabhängig von seiner wirtschaftlichen Lage (inkl. Multimilliardär) – eine gesetzlich festgelegte und für jeden gleiche – vom Staat ausgezahlte – finanzielle Zuwendung (Transferleistung) erhält, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Die Höhe dieses Betrags schwankt je nach BGE-Modell und Finanzierungskonzept. Oft beläuft sich der angedachte BGE-Betrag um 1000 € / Monat.

                                                                                    Warum ist eigentlich ein konstruktiv-kritisch geführter gesellschaftspolitischer Diskurs über ein (bedingungsloses) Grundeinkommen zwingend erforderlich? Weil . .

                                                                                    bedingungsloses_4_grundeinkommen_basic_income_existenzsicherung_existenznot_grundsicherung_transferleistung_kritisches_netzwerk_solidaritaet_teilhabe_menschenwuerde_mindestbedarf.pngder Staat sich aufgrund neoliberaler Indoktrination und Meinungshegemonie neoliberaler Ideologie bei den „Machteliten“ in Politik, Wirtschaft und Lehrbetrieben immer mehr von einer seiner grundlegendsten Pflichten, nämlich der eines Sozialstaates gemäß Artikel 20 GG und Artikel 28 GG, de facto verabschiedet und

                                                                                    das derzeitige Wirtschaftssystem seinem Anspruch, „Wohlstand für alle“, ständig weniger gerecht wird - unter anderem infolge fortwährend exekutierter [neoliberaler] Privatisierungsmaßnahmen (zuletzt für Autobahnen & Schulen), deren Profiteure (Heuschrecken, Hedgefonds und Hyperreiche) soziale Erwägungen [i.d.R.] wesensfremd sind.

                                                                                    das zukünftige Wirtschaftssystem unter der Digitalisierungswelle eine Massenarbeitslosigkeit erzeugen wird, gegen die die derzeitigen Verhältnisse wie Peanuts anmuten (50 - 60% der Jobs werden wegrationalisiert). Dafür muss rechtzeitig eine Lösung gefunden werden.

                                                                                    Siehe dazu auch die Lesetipps am Ende dieser Analyse. Immer mehr Menschen erkennen Dank der Aufklärungsarbeit durch alternative Medien wie dem Kritischen Netzwerk diese menschenfeindlichen Missstände und die Propagandamärchen der Regierung (allen voran durch Kanzlerin Merkel, Andrea Nahles und weiterer Schergen der GroKo) mit Spott und Abscheu. Angeblich gehe es "den Menschen" in unserem Lande so gut wie noch nie. (⇒ Artikel b. DER TAGESSPIEGEL).

                                                                                    Bei nur wenig anderen Themen sind die Menschen so sehr gespalten, wie in der Frage eines bedingungslosen Grundeinkommens. Der Autor dieser Analyse hatte bis vor wenigen Jahren selbst erhebliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit und Finanzierbarkeit eines BGE und zählte sich eher zu den Gegnern. Was nach einer Sachanalyse aller Argumente für und wider ein BGE übrig bleibt, klärt das Folgende.

                                                                                      weiterlesen

                                                                                      Das deutsche Wirtschaftswunder und die Mont-Pèlerin-Gesellschaft (MPS)

                                                                                      von Christian Jakob

                                                                                      Hitler-Deutschland lag in Schutt und Asche. Die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg war geprägt von Armut, Hunger und Arbeitslosigkeit. In dieser Zeit wurde ein Mann zur Symbolfigur für das Wirtschaftswunder in der noch jungen Republik. Ludwig Erhard (CDU) war Wirtschaftsfachmann und blickte auf eine hervorragende Ausbildung in diesem Bereich zurück. Durch sein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Frankfurter Universität promovierte er unter Franz Oppenheimer und bekam den Doktortitel.

                                                                                      Zur damaligen Zeit war Erhard besonders von den Wirtschaftstheorien Walter Eucken angetan und kam somit zum ersten Mal mit dem gedanklichen Gut der bis dato noch nicht gegründeten Mont Pèlerin Society (MPS) in Berührung. Ebenso wie seine späteren Berater Wilhelm Röpke, Leonhard Miksch und Alfred Müller-Armack, die er alle in der MPS wieder treffen würde.

                                                                                      ludwig_erhard_cdu_konrad_adenauer_wohlstand_fuer_alle_soziale_marktwirtschaft_wirtschaftswunder_massenkaufkraft_ordoliberalismus_kritisches_netzwerk_mont_pelerin_society_die_waage.jpg

                                                                                      Nach der Bundestagswahl 1949 wurde er von Bundeskanzler Konrad Adenauer in die Position des Wirtschaftsministers beordert. Zu der Zeit war Erhard ebenso wie seine damaligen Brüder im Geiste Miksch und Müller-Armack Mitglied bei der MPS [1] geworden, nachdem diese von Eucken und Röpke 1947 in der Schweiz unter der Führung vn Friedrich August von Hayek und Milton Friedman mitgegründet wurde. Aufgrund der weit verbreiteten Skepsis in der deutschen Bevölkerung gegenüber dem neuen Wirtschaftsmodel der sozialen Marktwirtschaft, suchte man in den Arbeitgeberverbänden nach Lösungen. Weg von der weitaus viel besser akzeptierten und angewendeten Planwirtschaft.

                                                                                        weiterlesen

                                                                                        Humanitäre Katastrophe: Lasst die Jemeniten leben!

                                                                                        von Kathy Kelly

                                                                                        Am 2. Mai 2017, bevor er Kronprinz von Saudi-Arabien wurde, sprach Mohammed bin Salman als Verteidigungsminister über den Krieg der von den Saudis geführten Koalition im Jemen, den er seit März 2015 orchestriert. "Ein langer Krieg ist in unserem Interesse," sagte er und erklärte weiter, dass den Huthi-Rebellen schließlich das Geld ausgehen, externe Lieferungen fehlen und sie auseinanderbrechen würden. Im Gegenzug konnten die Saudis mit einem stetigen Zufluss von Geld und Waffen rechnen. "Die Zeit ist auf unserer Seite", schloss er.

                                                                                        mohammed_bin_salman_bin_abdulaziz_al_saud_donald_trump_crown_prince_saudi_arabia_oval_office_white_house_kritisches_netzwerk_petrodollar_erdoelfakturierung_petro-dollar.jpg

                                                                                        Mächtige Menschen in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Ägypten, Sudan, Bahrain, Kuwait, Marokko, Senegal und Jordanien haben sich mit dem saudi-arabischen Kronprinzen zusammengetan, um den Krieg gegen den Jemen zu verlängern. Die Saudis haben sudanesische Kämpfer der furchterregenden Janjaweed-Milizen eingesetzt, um in kleinen Städten entlang der Küste des Jemen zu kämpfen. Das scheinbare Ziel ist es, die Kontrolle über die Gebiete zu erlangen, die zum lebenswichtigen Hafen von Hodeidah führen. Es wird berichtet, dass das Militär der VAE ein Netz von Geheimgefängnissen betreibt, in denen Jemeniten verschwinden und gefoltert werden, was Menschen davon abhält, sich über Menschenrechtsverletzungen zu äußern, damit sie nicht in einem dieser gefürchteten Gefängnisse landen.

                                                                                        Zu den mächtigsten Kriegsherren, die am Krieg teilnehmen, gehören die Vereinigten Staaten von Amerika und das Vereinigte Königreich.

                                                                                        Trotz der jüngsten Publicity für strenge Worte von Donald Trump und Theresa May, die Saudi-Arabien drängten, seine Blockade des Jemen aufzuheben, kassieren beide Länder weiterhin Milliarden von Dollar, indem sie Waffen an Saudi-Arabien verkaufen. Präsident Trump verurteilte rasch die Huthi-Kämpfer, weil sie mehrere Raketen auf Saudi-Arabien und die VAE abgefeuert hatten. Aber die Huthis konnten sagen, dass sie diese Waffen zur Selbstverteidigung einsetzten, nachdem Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate tonnenweise Bomben abgeworfen haben, die sie in den USA und Großbritannien gekauft haben.

                                                                                          weiterlesen

                                                                                          Jobcenter sind zu Kreditinstituten geworden, Insolvenzverfahren vorprogrammiert!

                                                                                          von Lurenz Nurk, Dortmund

                                                                                          ++++Die Bundesagentur für Arbeit (BA) beauftragt private Inkassounternehmen mit dem Forderungseinzug und treibt die Schuldner in die Insolvenz.++++

                                                                                          Die Hauptursache für die Überschuldung ist der Verlust des Arbeitsplatzes. Für jeden fünften deutschen Schuldner war die Erwerbslosigkeit im vergangenen Jahr der Grund für die finanzielle Notlage. Damit beginnt für viele Schuldner die Spirale abwärts in die Schuldenfalle. Weil Schulden ein wichtiges „Vermittlungshemmnis“ bei der Arbeitssuche ist, finanzieren viele Jobcenter für die betroffenen Menschen eine Schuldnerberatung in externen Beratungsstellen.

                                                                                          geldboerse_armutsrente_portmonee_bargeld_pleite_portemonnaie_kritisches_netzwerk_armut_altersarmut_altersvorsorge_verarmung_mindestrente_sozialabbau_kapitalismus_konsumverzicht.jpgIst das Jobcenter oder die Bundesagentur aber selbst Gläubiger, verhält man sich dort ganz anders. Nur in besonderen Härtefällen dürfen sie sich bei der Schuldenregulierung auf eine außergerichtliche Einigung einlassen. Damit ist bei allen verschuldeten, erwerbslosen Menschen, die auch bei der BA Schulden haben, ein Insolvenzverfahren vorprogrammiert, weil bei diesen außergerichtlichen Einigungen der Grundsatz gilt, dass alle Gläubiger mitmachen und auf einen Teil der Forderung verzichten.

                                                                                          ► Kreditgeber

                                                                                          Jeder Berater, der im Rechtskreis des Sozialgesetzbuchs (SGB) Klienten berät, konnte in den letzten Jahren beobachten, dass die Zahl der Personen, die bei der BA verschuldet sind, unglaublich schnell angestiegen ist. Vor allem verleihen die Jobcenter immer mehr Geld an die erwerbslosen Bedürftigen oder an die Geringverdiener. Im Jahr 2016 erreichten die Darlehen, die Hartz-IV-Empfänger für Anschaffungen wie etwa einen Kühlschrank bekamen, eine Rekordsumme von 86,4 Millionen Euro, vor neun Jahren waren es noch 33 Millionen Euro. Eine erhebliche Steigerung gibt es auch bei der Summe, die einzelne Personen im Schnitt bekommen und dann an das Jobcenter zurückzahlen müssen. Die Zahl hat sich in den 7 Jahren auf 430 Euro verdoppelt.

                                                                                          Auch müssen die „Aufstocker“ sich immer häufiger beim Jobcenter verschulden, weil ihr Einkommen und damit die Unterstützung vom Amt schwankt und sie dann zeitverzögert Geld zurückzahlen müssen. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) ist dieser Personenkreis „überproportional häufig überschuldet”.

                                                                                          Während es problemlos ist, Zahlen vom Statistischen Bundesamt zu erhalten, kann die BA keine Aussagen darüber machen, gegen wie viele Leistungsberechtigte im Rechtskreis SGB II und Leistungsempfänger im SGB III offene Forderungen geführt werden. Als Grund für dieses Manko spricht die BA davon, dass ihr im Rahmen des Einzugsverfahrens genutzte IT-Verfahren Auswertungen nur belegbezogen und nicht personenbezogen zulassen.

                                                                                            weiterlesen

                                                                                            Kahlschlags-Politik mit Halbwahrheiten und Lügen: Personalabbau bei Opel

                                                                                            Von Marianne Arens

                                                                                            Vorstand, Betriebsrat und IG Metall haben bei Opel einen drastischen Abbau von Personal und Arbeitskosten vereinbart, um den Konzern profitabler zu machen. Das geht aus einer umfassenden Vereinbarung hervor, die sie am 15. Dezember vorstellten.

                                                                                            Erste Opfer des Abkommen sind die Leiharbeiter, die alle gehen müssen. Auch Verträge mit mehreren Dienstleistungsbetrieben werden gekündigt, was dort ebenfalls Arbeitsplätze gefährdet. Ältere Arbeiter werden durch Vorruhestand und Altersteilzeit aus den Werken gedrängt, während die verbleibenden als Folge umfangreicher Kurzarbeit und kürzerer Arbeitszeiten mit empfindlichen Einkommenseinbußen rechnen müssen.

                                                                                            opel_adam_ag_groupe_psa_vauxhall_michael_lohscheller_ruesselsheim_kaiserslautern_eisenach_standortschliessung_kahlschlagspolitik_stellenabbau_stellenstreichungen_kurzarbeit_personalabbau.jpg

                                                                                            Genaue Zahlen über die einzusparenden Stellen und das Ausmaß der Kurzarbeit nannten Vorstand und Betriebsrat nicht. Bereits im November zirkulierten aber Zahlen, dass von den rund 19.000 Opel-Arbeitsplätzen in Deutschland 4500 verschwinden sollen.

                                                                                             Mit dem Übereinkommen, das zynischerweise als „Sozialvereinbarung“ bezeichnet wird, beginnt die Umsetzung des Sanierungsplans „Pace“ (Tempo), auf den sich Betriebsrat und IG Metall mit dem französischen PSA-Konzern geeinigt hatten, nachdem dieser im Oktober Opel und Vauxhall Motors vom US-Konzern General Motors übernommen hatte.

                                                                                              weiterlesen

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                                                                                              Das „Nackter-Luther-Jahr“ war eines der erfolgreichsten der bisherigen Stiftungsgeschichte

                                                                                              giordano-bruno-stiftung-gbs-oberwesel-herbert_steffen-michael-schmidt-salomon-kritisches-netzwerk-evolutionaerer-humanismus-kirchenkritik-islam-grenzen-der-toleranz-elke-held.png

                                                                                              Die Giordano-Bruno-Stiftung ist seit ihrer Gründung im Jahr 2004 kontinuierlich gewachsen. Das Jahr 2017 brachte allerdings einen besonderen Wachstumsschub, was sich u.a. in einem Zuwachs des gbs-Förderkreises um 1.300 Personen auf 8.500 Fördermitglieder ausdrückt. gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon führt diese Entwicklung vor allem darauf zurück, dass es der Stiftung in diesem Jahr mit Aktionen wie "Die nackte Wahrheit über Martin Luther" und Neugründungen wie dem "Institut für Weltanschauungsrecht" oder der "Säkularen Flüchtlingshilfe" in besonderer Weise gelungen ist, gesellschaftlich relevante Themen zu besetzen.

                                                                                              martin-luther-von-den-juden-und-ihren-luegen-karl-heinz-buechner-bernd-kammermeier-reinhold-schlotz-robert-zwilling-kritisches-netzwerk-hetzschrift-antisemitismus-lutherjahr.jpg Der offizielle Tätigkeitsbericht 2017 der Giordano-Bruno-Stiftung wird erst im kommenden Jahr erscheinen, doch bei einem Treffen des Vorstands und der Geschäftsführung in der vergangenen Woche haben die Stiftungsverantwortlichen bereits eine erste Bilanz gezogen. Demnach war das "Nackter-Luther-Jahr" eines der erfolgreichsten der bisherigen Stiftungsgeschichte. Der nachfolgende Rückblick auf die wichtigsten Ereignisse dieses Jahres verrät einiges darüber, warum die Stiftung eine immer größere Rolle in der gesellschaftlichen Debatte spielt.

                                                                                              ► Ein Geschenk für Erdogan, Neutralität im Rechtssystem, Heidenspaß an Karfreitag

                                                                                              Die Giordano-Bruno-Stiftung startete ins Jahr 2017 mit einem "Geschenk für Erdogan", nämlich der türkischen Fassung des Evokids-Films "Big Family – Die phantastische Reise in die Vergangenheit", der Kindern (und Erwachsenen) die große Geschichte der Evolution auf unterhaltsame Weise näherbringt. Anlass des "Geschenks" war die Befürchtung (die sich wenig später bestätigte), dass der türkische Präsident die Evolutionstheorie aus den schulischen Lehrplänen streichen würde.

                                                                                              In Deutschland sieht die Lage deutlich besser aus, denn allmählich zeichnet sich ab, dass die Forderung der Evokids-Gruppe nach einer stärkeren Berücksichtigung der Evolutionstheorie im Unterricht ernster genommen wird. So veröffentlichte die Leopoldina (Nationale Akademie der Wissenschaften) in diesem Jahr eine umfassende Stellungnahme  zur "Evolutionsbiologischen Bildung in Schule und Hochschule". Zudem wurde das von der gbs und dem Institut für Biologiedidaktik Gießen getragene Evokids-Projekt 2017 in das Angebot der Landesmedienzentrale Baden-Württemberg sowie in das Scientix-Programm der EU-Kommission aufgenommen, das vorbildliche Lehrmaterialien in die Sprachen der EU übersetzt.

                                                                                              Im Februar trafen sich am gbs-Stiftungssitz in Oberwesel renommierte Juristen, um das "Institut für Weltanschauungsrecht" (ifw) zu gründen, das sich für eine Stärkung des Gebots der "weltanschaulichen Neutralität" in Gesetzgebung und Rechtsprechung engagiert. Nach gründlicher Vorbereitung ging das ifw Anfang September 2017 mit seiner Website weltanschauungsrecht.de an die Öffentlichkeit. Unter Leitung der Juristin Dr. Jacqueline Neumann sorgt das Institut seither durch rechtsphilosophische Kommentare, juristische Gutachten sowie durch die Begleitung und Finanzierung von Musterprozessen für eine stärkere Berücksichtigung säkularer Positionen und evidenzbasierter Argumentationen in Politik und Justiz.

                                                                                                weiterlesen

                                                                                                Die rechte WELT der Neo-Liberalen

                                                                                                von Christian Jakob

                                                                                                liberalpopulismus_marktliberalismus_wirtschaftsliberalismus_neoliberalismus_marktfundamentalismus_marktideologie_afd_fdp_kritisches_netzwerk_marktradikalismus_deregulierung_sozialdarwinismus.png"Jeder von ihnen könnte und sollte jeden Arbeitslosen, jeden Rentner und jeden Studenten danach fragen, mit welchem Recht er davon ausgeht, dass er (der Staat) ihm den Lebensunterhalt, die Rente oder das Studium bezahlt."[1] Wer hier schon leichten Würgereiz verspürt, für den wird der nachstehende Artikel ziemlich hart werden. Dieses Zitat stammt von einem gewissen Herrn Konrad Adam - Journalist und Publizist, ehemaliger Redakteur der FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) und Korrespondent der Tageszeitung DIE WELT.

                                                                                                Mit André F. Lichtschlag haut ein weiterer Journalist und ehemaliger Kolumnist der WELT gedanklich in die gleiche Kerbe von Adam. Lichtschlag kritisierte das Wahlverhalten der „Nettostaatsprofiteure“, zu denen er Beamte, Politiker, Rentner und Arbeitslose zählt, und schlug vor, darüber nachzudenken, ihnen das Wahlrecht zu entziehen, da diese „mit ihren Mehrheiten jeden noch produktiven Menschen“ niederstimmen würden.[2]

                                                                                                populismus_rechtspopulismus_rechtsradikalismus_afd_alternative_fuer_deutschland_fremdenhass_rassismus_pegida_nationalkonservatismus_voelkischer_nationalismus_kritisches_netzwerk.pngNette Worte und eine ziemlich undemokratische, ja schon fast faschistische Aussage der beiden Protagonisten. Und in dieser Riege darf natürlich ein Ulf Poschardt, Chefredakteur bei der WELT, nicht fehlen. Der elitäre Selbstdarsteller und Mitglied der FDP setzte sich in eine Talksendung und gab ganz unverhohlen von sich, „Meine persönliche Gesellschaft unterteile ich nicht in arm und reich, sondern in faul und fleißig. Die Fleißigen müssen dabei gefördert, die Faulen müssen härter rangenommen werden.“[3]

                                                                                                Da bleibt einem schon mal der Atmen stehen, und der aufgeklärte Leser oder Zuschauer reibt sich fragend die Augen: „Darf man so was wirklich ungestraft sagen?“. Anscheinend, denn diese neoliberale Sprachkultur hat längst eine gesellschaftlich anerkannte Akzeptanz erreicht, und schmückt so einige Titelblätter, Parteiplakate oder Aussagen im TV.

                                                                                                Ganz besonders scheint davon die Tageszeitung DIE WELT angetan zu sein. Man spricht denen, die ihr Leben lang in das staatliche Rentensystem eingezahlt, die neben ihrem Beruf auch noch Kinder groß gezogen und im Altersruhestand nicht ausreichend zum Leben haben, nicht nur das Wahlrecht ab, sondern gibt ihnen selbst die Schuld, weil sie ihr Leben lang faul gewesen seien.

                                                                                                Das ausgerechnet diese Riege von Journalisten ihre eigene Vorsorgekasse nutzen und sich aus dem Solidarprinzip der Umlagen finanzierten Rente verabschiedet haben, bleibt dabei natürlich unerwähnt. Wer will auch schon in seiner gesellschaftlichen Stellung als „Elite“ auch mit dem arbeitendem Pöbel aus der Mittel- und Unterschicht zu tun haben?

                                                                                                  weiterlesen

                                                                                                  Globaler Farbwechsel: Gedanken zu Putins Rückzug aus Syrien

                                                                                                  Beim GO, dem in Asien beliebten strategischen Brettspiel, geht es beim wechselseitigen Besetzen der Spielfläche durch schwarze oder weiße Steinchen um Geländegewinn. Dabei kann ein Steinchen, zur rechten Zeit an die richtige Stelle gesetzt, auf einen Schlag die eben noch dominante Farbe des Feldes umschlagen lassen, wenn die so eingekreisten Steinchen des Gegners aus dem Feld genommen werden. Plötzlich tritt eine vorher gewachsene, aber übersehene Konstellation hervor.

                                                                                                  Ein solcher Farbwechsel ist durch den Befehl des russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Rückzug russischer Truppen aus Syrien, verbunden mit seiner Erklärung, der Terrorismus sei besiegt und die Menschen könnten in ihr Land zurückkehren, um es wieder aufzubauen, soeben auf dem globalen Spielbrett vor sich gegangen.

                                                                                                  go_strategisches_brettspiel_gelaendegewinn_geostrategie_geopolitik_strategie_farbwechsel_kritisches_netzwerk_spielbrett_geostrategic_imperatives_vormachtstellung_weltherrschaft_weltordnung.jpg

                                                                                                  Putins Besuche in Ankara und Ägypten, dazu seine öffentliche Kritik an der Entscheidung des US-Präsidenten Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen (hier und hier), ergänzen das Bild. Was wird da erkennbar?  

                                                                                                  ► Das „Heartland“ beherrschen?

                                                                                                  Wer die Welt beherrschen wolle, hieß es bisher, der müsse Eurasien beherrschen; wer Eurasien beherrschen wolle, müsse das „Herzland“, also Russland, beherrschen – müsse es am Besten in drei Teile teilen, einen östlichen, einen mittleren und einen westlichen, die sich so gegeneinander abgrenzen und manipulieren ließen.

                                                                                                  Der so sprach, schrieb und zu handeln versuchte, um damit den Fortbestand  des US-Imperiums nach dem Zusammenbruch  der bipolaren Welt  Ende der 80/Anfang der 90 Jahre  zu sichern, Zbigniew Brzeziński, ist inzwischen verstorben. (hier und hier) Seine Thesen, basierend auf den Erfahrungen des britischen Empire, erstmals 1904 bei Sir Halford Mackinder formuliert, von Brzeziński in seinem Buch „The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives“ (deutsch „Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft“) nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1997 mit Blick auf Russland weiter ausgearbeitet, sind jedoch nach wie vor brandaktuell – allerdings in Umkehrung dessen, was das Ziel Brzezińskis war und nach anderen Regeln, eben denen des asiatischen GO, statt des westlichen Schach.

                                                                                                    weiterlesen

                                                                                                    GroKo, KoKo, am liebsten EU-Ko

                                                                                                    Ein Antisemitismus-Beauftragter als Retter

                                                                                                    von Ulrich Gellermann, Mitautor des Buches "Die Macht um Acht".

                                                                                                    groko_spd_cdu_kritisches_netzwerk_postdemokratie_demokratirverlust_staatsfaschismus.png Wirst Du Minister oder ich? Kann ich noch ein paar Staatsekretäre für meine Partei mehr haben? Dienstwagen, wer will noch mehr Dienstwagen? In zähen Verhandlungen testen die Bundestagsparteien aus was geht und ob alle Versorgungsträume auch wirklich in die Koalitionspläne passen.

                                                                                                    Trotz aller langwieriger Kungelei: Für eine Diätenerhöhung auf nunmehr 9524 Euro im Monat reicht die Zeit immer noch. Die Bezüge waren zuletzt zum 1. Juli 2017 um 2,3 Prozent oder 215 Euro gestiegen. Nun hat das neu gewählte Parlament beschlossen, dass es eine solche Erhöhung auch weiterhin jährlich geben soll. Draussen im Land frieren immer mehr Obdachlose. Drinnen im Bundestag werden heiße Hoffnungen ausgebrütet: Mehr Pensionen, mehr Bundesverdienstkreuze und mehr Auslandsreisen. Die Zukunft der Diäten-Schlucker scheint gesichert.

                                                                                                    Für die Zukunft oberhalb der Versorgung gibt es Hinweise: Nächst der Diätenerhöhung hat das Parlament im Eilverfahren eine Reihe von Auslandseinsätze durchgewinkt. Die Bundesrepublik soll nach wie vor den künftigen Flüchtlingen schon in ihrer Heimat zeigen, wie das deutsche Wesen gesund macht. Mit Panzern und Granaten.

                                                                                                    Guter Rat für die deutsche Zukunft kommt auch aus Frankreich: Die französische Ex-Verteidigungsministerin, Sylvie Goulard, erwartet in der FAZ „die künftige Bundesregierung muss Europa gestalten“. Was bedeutet das auf gut imperialistisch? „Der Ausbau der europäischen Verteidigungskapazität ist kein Größenwahn“. Klar, die Bundeswehr soll der größenwahnsinnigen At-Kolonialmacht Frankreich helfen die goldenen Kastanien aus dem Feuer in Mali zu holen.

                                                                                                     Das hat Martin Schulz schon begriffen: Auf dem Parteitag der SPD hat er die Umwandlung der EU in die Vereinigten Staaten von Europa gefordert. Die US of EU! Die könnten dann mit der vereinigten europäischen Armee noch mehr Kastanien aus noch mehr Feuern holen. Denkt Schulz weit über Würselen hinaus? Oder ist er doch nur auf der Flucht aus der aktuellen Klemme?

                                                                                                      weiterlesen

                                                                                                      Armes reiches Deutschland oder "Wie die Merkel-Rampe laufen lernte".

                                                                                                      von Christian Jakob

                                                                                                      angela_merkel_autokanzlerin_cdu_kuschelkurs_untreue_asylpolitik_abgasskandal_dieselgate_fuechtlingspolitik_raute_cancellor_kritisches_netzwerk_russophobie_alternativlos_elektroautos_demokratie.jpg Bestimmt hat sich jeder schon einmal die Frage gestellt, wo der Staat die ganzen Steuereinnahmen hernimmt und noch wichtiger dabei, wo diese Steuergelder alle hinfließen. Nun, möchte man diese Frage beantworten, reicht es nicht, sich den aktuellen Haushaltsplan des Bundesrechnungshofs (BRH) durchzulesen. Da stehen jedes Jahr auf 250 Seiten fast immer identische Aussagen drin. Zahlen, Daten und einige Bestimmungen. Man bekommt einen kleinen Überblick, aber auch nur einen kleinen.

                                                                                                      Wer richtig wissen möchte, was in der Haushaltskasse der BRD so abgeht, der benötigt Vergleichswerte und ein paar Ereignisse aus der Vergangenheit, die diese Werte dadurch noch besser erklären. Wo fängt man aber an, wenn es um diese Vergleichswerte geht, und wie weit zurück sollte man schauen um die Verbindungen und Zusammenhänge erkennen und erklären zu können?

                                                                                                      ► Wir gehen zurück in das Jahr 2005.

                                                                                                      Kanzler Gerhard Schröder stellte die Vertrauensfrage, rasselte damit durch und eine gewisse Angela Merkel trat ins Rampenlicht. Die damalige Parteivorsitzende und Spitzenkandidatin der Unionsparteien CDU/CSU wurde mit knapper Mehrheit auf den Kanzlersessel gewählt. Keine 3 Monate später entschieden sich die Koalitionspartner (CDU/CSU & SPD) für eine Anhebung der Mehrwertsteuer. Die Union forderte 2%, die SPD 1% Erhöhung. Man einigte sich auf einen Kompromiss – 3%! Durch die Anhebung von 16% auf 19% der MwSt. wurden neue Steuergelder in die Kassen gespült. Im Jahr 2005 bedeutete dies eine Einnahme von 108,4 Mrd. Euro. Über den Zeitraum von 12 Jahren wurden diese Einnahmen auf 165,9 Mrd. Euro gesteigert, was bedeutet, das die Regierung unter Merkel von 2005 bis 2017 die Einnahmen durch die MwSt. um satte 53% gestiegen sind.

                                                                                                      Wer erinnert sich noch an 2005 u. die damaligen Reformpläne zur Lohn- und Einkommenssteuer? Steuereinnahmen aus diesem Bereich lagen bei 128,7 Mrd. Euro. Damals wurde u.a. die Pendlerpauschale zusammengestrichen, was zu Folge hatte, das die gesteigerten Einnahmen sich heute auf 238,7 Mrd. Euro belaufen und somit eine Steigerung von 85% innerhalb eines Zeitraums von nur 12 Jahren ergab. Die Steuerquellen sprudelten nur so vor sich hin, was aber anscheinend immer noch nicht ausreichte.

                                                                                                      So entschloss man von Regierungsseite her auch noch die Gewerbesteuer anzuheben. Von 2005 an stieg diese von 32,1 Mrd. Euro auf heute 50 Mrd. Euro an. Eine Steigerung von 64% in diesem Zeitraum. Daraus folgt, das die Regierung unter Merkel dem Bundeshaushalt Steuermehreinnahmen aus den Bereichen Mehrwertsteuer, Lohn- und Einkommenssteuer als auch Gewerbesteuer von insgesamt 185,4 Mrd. Euro einbrachte. Ganze 59% mehr als noch im Jahr 2005 bei Amtsantritt. Die Gesamt steuerlichen Einnahmen stiegen von 452,1 Mrd Euro (2005) auf aktuell 705,8 Mrd. Euro, eine Mehreinnahme von 64%.

                                                                                                        weiterlesen

                                                                                                        Emmanuel Macron und die EU

                                                                                                        Nachlese zu seiner Sorbonne-Rede "Initiative für Europa"

                                                                                                        von Georg Polikeit

                                                                                                        Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron setzt sich gern als „Modernisierer“ in Szene. Aber ebenso gern präsentiert er sich als großer Staatsmann, der in der internationalen Arena die frühere Größe und führende Rolle Frankreichs wieder zur Geltung bringt. Beidem dienten auch seine Vorschläge für die „Neubegründung eines souveränen, vereinten und demokratischen Europa“, die er am 26. September in einer Rede in der Pariser Sorbonne vortrug.

                                                                                                        Es ist eine Spezialität Macrons, seine „Reformen“ in wolkigen Formulierungen als „Neuerungen“ zu verkaufen, während es sich in Wirklichkeit um uralte, bestenfalls leicht aktualisierte extrem wirtschaftsliberale Rezepte handelt, die von Unternehmerverbänden und EU‑Politikern schon seit langem in Umlauf gebracht worden sind.

                                                                                                        Nach innen hat sich Macron gerade als „Reformer“ betätigt, der mit autoritären Präsidialerlassen das französische Arbeitsrecht zugunsten ungebremster Unternehmerfreiheit und zu Ungunsten der lohnabhängig Beschäftigten und Gewerkschaften „modernisiert“ hat. Weitere „Reformen“ dieser Art sind programmiert.

                                                                                                        emmanuel_macron_ensemble_la_france_arbeitsrechtsreform_sozialabbau_sparpolitik_europe_loi_travail_neoliberalismus_neoliberalism_kritisches_netzwerk_en_marche_austeritaetspolitik.jpg

                                                                                                        Macrons europapolitische Vorstellungen gehen natürlich nicht in eine völlig andere Richtung. Dabei spricht Macron immer von „Europa“, wenn er eigentlich die EU meint – ein reichlich verkürzter Blick auf die europäische Realität.

                                                                                                        Macron will angesichts der Krisen- und Stagnationsprobleme der EU der „Europa-Idee“ zu neuem Schwung verhelfen und die EU zu einem globalen Wirtschafts-, Währungs- und politisch-militärischen Machtzentrum in Konkurrenz zu China und den USA ausbauen. Dafür sei die EU derzeit „zu schwach, zu langsam und zu ineffektiv“, findet der französische Staatspräsident. Seine Vorschläge zur „Neubegründung Europas“ sollen angeblich auch das Rezept sein, um dem in vielen EU‑Staaten aufgekommenen „Nationalismus“ entgegenzuwirken.

                                                                                                          weiterlesen

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                                                                                                          von Ran HaCohen

                                                                                                          Mit der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels hat Präsident Trump eine wirklich tiefe historische Einsicht bewiesen. Auch wenn Israel selbst eine andere Stadt als Hauptstadt beansprucht hätte - sei es Tel Aviv, wo 1948 die Unabhängigkeitserklärung Israels stattfand, oder Hebron, wo einst Abraham einen Friedhof kaufte und wo heute einige hundert jüdische Siedler Hunderttausende Palästinenser terrorisieren; oder sogar Vilnius, früher bekannt als "Litauens Jerusalem" für seine wohlhabende jüdische Gemeinde (die Israelis plappern jetzt nach, dass "jedes Volk das Recht hat, seine Hauptstadt selbst zu wählen", warum also nicht?) - der Führer der freien Welt hätte Recht gehabt, Jerusalem als die wahre und echte Hauptstadt der israelischen Apartheid zu bezeichnen.

                                                                                                          jared_kushner_donald_trump_benjamin_bibi_netanjahu_netanyahu_corey_yael_senior_advisor_schwiegersohn_ivanka_zionism_zionismus_zionists_israel_kritisches_netzwerk_jerusalem.jpg

                                                                                                          Seit dem Sturz der südafrikanischen Apartheid im Jahr 1994 ist keine Hauptstadt - in der Tat keine andere Stadt auf der Welt - in 60% erstklassige Vollbürger und 40% zweitklassige "Bewohner" aufgeteilt. Genau das aber ist die Essenz des "vereinigten" Jerusalem. Als Israel 1967 die östlichen Teile der Stadt besetzte und annektierte, stellte es mit Bedauern fest, dass sie bewohnt waren - von Palästinensern, inzwischen mehr als 300.000 von ihnen.

                                                                                                          Diese Palästinenser erhielten nicht die israelische Staatsbürgerschaft, sondern wurden lediglich zu geduldeten Bewohnern, als ob sie irgendwie in ihre eigene Stadt eingedrungen wären. Als Nicht-Staatsbürger können sie zwar an Kommunalwahlen teilnehmen, haben aber kein Stimmrecht in der Knesset, unter deren Zuständigkeit ganz Jerusalem fällt. Wenn sie sich zu lange aus Jerusalem fernhalten (raten Sie, wer entscheidet, wie lange), verlieren sie sogar ihren Aufenthaltsstatus und werden ganz und gar aus der Stadt geworfen, wie es bei Tausenden von ihnen der Fall war.

                                                                                                            weiterlesen

                                                                                                            Die Angst der Konzerne vor den aggressiven großen Fonds

                                                                                                            Vertreter der Spitzenfonds machen Druck

                                                                                                            von Laurenz Nurk

                                                                                                            hired_fired_moderne_sklaverei_leiharbeit_leiharbeiter_leiharbeitnehmer_kuendigung_entlassung_zeitarbeit_arbeitnehmerueberlassung_kritisches_netzwerk_equal_pay_treatment.png Für jeden normalen Menschen war es ein riesiger Widerspruch, auch altgedienten Gewerkschaftern trieb es die Zornesröte ins Gesicht, als der Vorstandsvorsitzende von Siemens im November 2017 ankündigte, 6.900 Stellen abzubauen, die Werke in Görlitz und Leipzig zu schließen und das bei einem gleichzeitigen aktuellen Rekordgewinn von 6,2 Milliarden Euro nach Steuern.

                                                                                                            Für dieses scheinbar widersinnige Vorgehen ist der Unternehmenswert, nach dem das Unternehmen gehandelt wird, wichtiger als die Gewinnlage. Wie auch bei anderen großen Unternehmen, kann auch bei Siemens die praktische Unternehmenspolitik nur unter der Fuchtel der riesigen Fonds gemacht werden.

                                                                                                            Lange Zeit war der Einfluss der großen Vermögensverwaltungsfonds den meisten Menschen hierzulande nicht bekannt. Mittlerweile sind die Informationen über das Volumen der Kundengelder bei den Fondsgesellschaften, ihre Geschäftspraktiken, ihr Besitz bzw. Anteile an Banken, Versicherungen, Medienhäusern, Aktien- und Anleiheverwaltungen und Konzernen bekannt geworden. Ihre Einflussmöglichkeiten in Politik und Gesellschaft sind riesengroß u. sie konzentrieren mit einem Geflecht an Firmenbeteiligungen ein schockierendes Ausmaß ökonomischer Macht. Es ist einfach beängstigend, was da abläuft.

                                                                                                            In den 1960/70er Jahren war es noch so, dass die öffentlichen Banken mithilfe der Nationalbanken die Kapitalströme in die strategisch wichtigsten Sektoren der Wirtschaft leiteten. Sie richteten sich an den wirtschaftlichen Erfordernissen der Gesamtwirtschaft aus und unterstanden der Kontrolle durch die Öffentlichkeit.

                                                                                                            Seit den 1980er Jahren werden die Finanzmärkte zunehmend liberalisiert. Die staatlichen Kontroll- und Steuerungsmechanismen sind systematisch zurückgedrängt worden, mit der Folge, dass am Ende dieses Prozesses private Monopole stehen, die mächtiger sind als jede Nationalbank vor 50 Jahren.

                                                                                                              weiterlesen

                                                                                                              Kampf um die Köpfe in der digitalisierten Arbeitswelt

                                                                                                              von Marcus Schwarzbach / Gastautor des isw München e.V.

                                                                                                              Selbstbestimmung, Demokratie oder Freiheit – diese Begriffe werden häufig verwendet, um den Beschäftigten die neue digitale Arbeitswelt zu erklären. Unternehmen initiieren einen Kampf um die Köpfe. „Die Mitarbeiter entkommen der Hierarchie und den peniblen Kontrollmechanismen klassischer Unternehmensstrukturen. Das bringt mehr Selbstbestimmung und Einfluss“, so Professor Dr. Carsten C. Schermuly von der SRH Hochschule Berlin. ( Artikel b. HAUFE: "Holacracy: Die holokratische Organisation")

                                                                                                              Thomas Sattelberger, Ex-Vorstand der Deutschen Telekom verspricht: Der Beschäftigte als „Co-Unternehmer gewinnt neue Freiheiten“ durch die Digitalisierung. Und zum Bericht über die IT-Agile GmbH in Hamburg titelt das Magazin Brand Eins „Die Geschichte eines demokratischen Unternehmens“, um einen Beschäftigten zu zitieren: „Demokratie funktioniert wie Autofahren, da gibt es auch keine festen Regeln, wann du bremst oder Gas gibst. Du entscheidest situativ, und vor allem entscheidest du selbst.

                                                                                                              thomas_sattelberger_fdp_ex_deutsche_telekom_industrie_4_0_das_demokratische_unternehmen_kritisches_netzwerk_frauenquote_digitalisierung_mint_zukunft_schaffen_unternehmensbuerger.jpg

                                                                                                              Ignoriert werden bei diesen Schön-Wetter-Berichten die Tendenzen in den Unternehmen. Denn der Arbeitsdruck nimmt durch die Digitalisierung zu. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer steht sehr häufig unter Zeitdruck, so eine aktuelle Untersuchung des Deutschen Gewerkschaftsbunds mit dem DGB-Index „Gute Arbeit“. Das ist eine Folge der zunehmenden Digitalisierung, die bereits weit fortgeschritten ist. Bei 82 Prozent aller Arbeitnehmer wird die Arbeit durch Digitalisierungsprozesse beeinflusst wird, bei 60 Prozent sogar in hohem oder sehr hohem Maße. Auf die Frage: „Haben Sie den Eindruck, dass Sie in den letzten 12 Monaten mehr Arbeit in der gleichen Zeit als vorher schaffen müssen?antworteten 61% der Befragten mit Ja.

                                                                                                                weiterlesen

                                                                                                                PALESTINIANS, GET OUT! Palästinenser verschwindet!

                                                                                                                von Eric S. Margolis

                                                                                                                Die USA haben jahrzehntelang die Fiktion aufrecht erhalten, ein unparteiischer Vermittler zwischen Israel und den Palästinensern zu sein. In dieser Woche hat Präsident Donald Trump diese müde, alte Ente endgültig in den Müll geworfen, indem er zugestimmt hat, die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika von ihrem derzeitigen Hauptsitz in Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen.

                                                                                                                Es liegt eine enorme Symbolik in diesem Schritt, der auf allgemeine Verurteilung stieß. Das bedeutet, dass die USA jede Chance auf eine Zweistaatenlösung aufgeben, die der ursprüngliche UN-Plan für Palästina war. Von nun an werden die Palästinenser in einem jüdischen Einheitsstaat als machtlose, unruhige Unterklasse leben. Washington verstößt gegen das Völkerrecht, die Osloer Abkommen von 1993 und zahlreiche UN-Resolutionen.

                                                                                                                jerusalem_capital_of_palestine_donald_trump_american_theocracy_raj_zionism_zionismus_elefant_im_porzellanladen_kritisches_netzwerk_intifada_intefadah_israel_antizionismus_palaestina.gif

                                                                                                                Die Entscheidung von Kreuzritter Trump deutet nachdrücklich darauf hin, dass es keinen palästinensischen Staat, keine palästinensische Hauptstadt in Ost-Jerusalem und keine politische Hoffnung für die 5,5 Millionen palästinensischen Flüchtlinge der Region geben wird, die unter prekären Bedingungen in Israel, im besetzten Westjordanland, im Gazastreifen, in Syrien und im Libanon leben.

                                                                                                                Amerikas Präsident ist ein berüchtigter Moslem-Hasser, der versucht hat, Menschen aus der islamischen Welt von den Vereinigten Staaten von Amerika fernzuhalten. Trump weiß sehr wenig über den Mittleren Osten - den ich in meinem letzten gleichnamigen Buch "American Raj" nenne, weil er der britischen imperialen Herrschaft über Indien ähnelt.

                                                                                                                Trump ist umgeben von begeisterten Anhängern Großisraels in Washington und New York, zu denen auch seine engsten Familienangehörigen gehören, und so genannten "Beratern" der extremen äußersten Rechten. Erstaunlicherweise wurde seine viel gepriesene Rede im Mai letzten Jahres in Saudi-Arabien an verschiedene arabische Potentaten und Vasallen von einem ultra-zionistischen Rechtsaußen aus Santa Monica, Kalifornien, geschrieben.

                                                                                                                  weiterlesen

                                                                                                                  Munich Security Report 2018: „Münchner Sicherheitskonferenz“ im Rüstungswahn

                                                                                                                  von Fred Schmid c/o Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

                                                                                                                  msc_report_more_european_connected_capable_european_armed_forces_wolfgang_ischinger_mckinsey_frank_mattern_aufruestung_kriegstreiberei_munich_security_report_kritisches_netzwerk.pngAusgerechnet zur Adventszeit, der vorgeblich „staden und friedlichen“, legte die „Münchner Sicherheitskonferenz“ (MSC) zusammen mit McKinsey einen Report mit dem Titel "More European, More Connected, More Capable: Building the European Armed Forces of the Future" [1] vor, gewissermaßen zur Einstimmung in das alljährliche Treffen – diesmal vom 16. - 18. Feb. 2018 im Nobelhotel Bayrischer Hof – von hohen Militärs, Waffenfabrikanten und politischen Kalten Kriegern. Die Studie verheißt keinen Frieden auf Erden, sondern weiteres Wettrüsten und noch frostigeren Kalten Krieg 2.0.

                                                                                                                  In einem begleitenden Beitrag in der FAZ (30.11.17) registriert Mitverfasser der Studie und Vorsitzender der Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, zufrieden „aktuell wieder steigende Verteidigungsbudgets“ in Europa und macht sich Gedanken, wofür die zusätzlichen Gelder „am besten verwendet werden sollten“. Akribisch wird in der MSC-Studie bereits errechnet, dass die Verpflichtung der NATO-Länder, bis zum Jahr 2024 jährlich zwei Prozent ihrer Wirtschaftskraft in die Verteidigungsetats zu stecken, für die europäischen NATO-Länder dann pro Jahr 114 Milliarden Dollar mehr für Wehr und Militär bedeuten würden.

                                                                                                                  Zusätzlich zu den 242 Milliarden Dollar, die bereits jetzt zur Verfügung stehen, also insgesamt dann 356 Milliarden Dollar (HB, 1.12.17). Zum Vergleich: Russland, „die aktive Bedrohung aus dem Osten“ (US-Außenminister Tillerson), gab 2016 nach SIPRI 67 Milliarden für Waffen und Militär aus. Jeder russische Soldat nimmt es offenbar mit mindestens fünf NATO-Kriegern in Europa auf.

                                                                                                                  Nach Berechnungen der Sicherheitskonferenz könnten sich die Europäer von 114 Milliarden Dollar mehr pro Jahr 400 zusätzliche Waffensysteme anschaffen“, schreibt der „SPIEGEL“ (23.11.17). Das wäre jedoch nach Ansicht der MSC nicht sinnvoll, das viele Geld müsse gezielt und schwerpunktmäßig zur Effizienzsteigerung der europäischen Rüstung und Streitkräfte eingesetzt werden. Im MSC-Report werden fünf Schwerpunktbereiche aufgeführt, die auch Ischinger, zusammen mit Ko-Autor Frank Mattern, (Kuratoriums-Vorsitzender der "Hertie School of  Governance") in ihrem FAZ-Beitrag hervorheben:

                                                                                                                    weiterlesen

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                                                                                                                    Beerdigung der Hoffnung auf Frieden im Nahen Osten 

                                                                                                                    von Ulrich Gellermann, Mitautor des Buches "Die Macht um Acht".

                                                                                                                    benjamin_netanjahu_netanyahu_binyamin_netanyahu_donald_trump_jerusalem_likud_apartheidstaat_westjordanland_palaestina_kritisches_netzwerk_zionismus_zionism_ostjerusalem.jpgBlinkende Ringe dürfen amerikanische Mädels vor der Hochzeit erwarten. Klunker, wie sie jetzt Donald Trump der nicht ganz so jungen Braut Benjamin (Bibi) Netanjahu anstecken will, sind eher ungewöhnlich. Eine ganze Stadt soll sich der liebe Benjamin an den Finger stecken dürfen: Jerusalem. Doch auch in den USA gilt, dass Hehlerware illegal ist. Im Fall der USA ist der Händler mit geklautem Zeug allerdings der Bräutigam selbst. Aber Donald, <The homicidal> verfügt leider über eine höchst gefährliche Armee, um sein geplantes Verbrechen zu decken.

                                                                                                                    Mit der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels geht das Projekt des „jüdischen Staat“ Israel in eine Art Endrunde, die wahrscheinlich mit dem Tod ziemlich vieler Teilnehmer enden wird. Denn darum geht es: Der Staat Israel definiert sich als jüdischer Staat und wer ihm die Stadt Jerusalem als Hauptstadt zuspricht, ignoriert schlicht jene 3,7 Millionen Palästinenser, die im israelisch besetzten Westjordanland und dem Gaza-Streifen leben. Und auch über die mehr als 20 Prozent arabischer Israelis geht Trumps Vorschlag ebenso brutal und einfach hinweg.

                                                                                                                    Wo bleiben nur all die deutschen Medien und Institutionen, die sonst immer lautstark „Völkerrecht“ rufen, wenn ihre eigenen Interessen berührt sind? Windelweich lässt sich Frau Merkel vernehmen: „Die Bundesregierung unterstützt diese Haltung nicht“. Nein, die Bundesregierung wird nur den vermehrten Flüchtlingsstrom aus dieser Gegend alimentieren, wenn noch mehr Palästinenser der mörderischen Unterdrückung durch israelische Polizei und Soldateska entfliehen. Nein, die Bundesmarine wird nur den Auslandseinsatz vor der libanesischen Küste verlängern, in dem sie als Partner der israelischen Marine gegen die Hisbollah agiert. Die Unterstützung des Apartheidstaates Israel geht munter weiter und im Auswärtigen Amt wird man sich schon nach einem Grundstück für die deutsche Botschaft in Jerusalem umschauen.

                                                                                                                      weiterlesen

                                                                                                                      Russland, EU, NATO – ist Frieden möglich?

                                                                                                                      ++++Leicht überarbeiteter Vortrag vom bundesweiten und internationalen Friedensratschlag unter dem Motto „Nicht Aufrüstung, sondern Abrüstung“ in Kassel vom 2./3. 12. 2017++++

                                                                                                                      Zum großen Friedensratschlag in Kassel versammelten sich mehr als 500 Menschen aus allen Teilen Deutschlands und verschiedenen politischen Strömungen. Dazu ausländische Gäste. In mehr als zwei Dutzend Workshops wurde der Frage mit Sachvorträgen und Debatten nachgegangen, wie den aktuellen Krisen- und kriegstreiberischen Tendenzen, die heute das politische Weltklima bestimmen, entgegengewirkt werden kann.

                                                                                                                      Besonderes Interesse fand aus gegebenem Anlass der Workshop, in dem es um die Beziehungen von EU und NATO zu Russland und Russlands Antworten auf deren aggressive westliche Politik gegenüber Russland ging. Wir dokumentieren hier diesen Vortrag im Wortlaut.

                                                                                                                      _____________________________________

                                                                                                                      Liebe Freundinnen, Freunde, ich freue mich hier heute wieder mit Euch zusammen sein zu dürfen in dem Versuch, unter dem Aufruf des Ratschlags: „Nicht Aufrüstung, sondern Abrüstung“ der gegenwärtigen Kriegstreiberei etwas entgegen zu setzen.

                                                                                                                      Das Thema dieses Workshops lautet: „Russland – und das Verhältnis zu EU und NATO“. Ich möchte noch hinzusetzen: „Ist Frieden möglich?

                                                                                                                      Ihr erwartet von mir jetzt vermutlich Zahlen und Daten zur gegenwärtigen Lage, die den allgemeinen Aufruf untermauern – ich möchte aber etwas anders beginnen. Die Zahlen können nachher folgen.

                                                                                                                      ► Russlands Schwäche …

                                                                                                                      Vor einem Jahr haben wir hier darüber gesprochen, welche Gefahr in der Beschwörung des Feindbildes Russland liegt.  Ich habe mich in diesem Vortrag vom letzten Jahr darum bemüht, Russland als Entwicklungsland neuen Typs erkennbar zu machen, vor dem Angst zu haben, es keinen Grund gibt.

                                                                                                                      Russlands offene Entwicklung als Vielvölkerorganismus enthält im Gegenteil Entwicklungskeime, Elemente von Alternativen, die nicht nur für Russland selbst, sondern auch über Russland hinaus über das leidige Entweder-Oder von Sozialismus oder Kapitalismus hinausführen können. Diese Elemente können sich aber nur entwickeln, wenn Russland nicht durch Druck und Feindschaft von außen auf einen isolationistischen und nationalistischen Weg gezwungen wird.

                                                                                                                      Ich habe mich des Weiteren bemüht, die Politik Russlands, insonderheit die seines gegenwärtigen Präsidenten Wladimir Putin, als Politik der Stabilisierung im Inneren, der Kriseneindämmung im Äußeren erkennbar zu machen. Insbesondere auch deutlich zu machen, dass diese Politik nicht aus einer Stärke heraus, nicht als imperiale Aggression erfolgt, sondern dass sie als Ergebnis des Zusammenbruchs der Sowjetunion, aus einer aktuellen Schwäche des Landes heraus geschieht.

                                                                                                                      Die Politik der Stabilisierung im Inneren und der Kriseneindämmung im Äußeren, ist – man könnte so sagen – Selbstschutz. Und als Selbstschutz zugleich Schutz der globalen Ordnung, die wir heute haben.

                                                                                                                        weiterlesen

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                                                                                                                        Von Elisabeth Zimmermann

                                                                                                                        Die Zahl der überschuldeten Menschen in Deutschland ist zum vierten Mal in Folge angestiegen. Sie nahm in diesem Jahr um 65.000 auf 6,9 Millionen Menschen zu. Jeder zehnte Erwachsene hat damit dauerhaft höhere Gesamtausgaben als Einnahmen. Das geht aus dem jährlich erscheinenden „Schuldneratlas Deutschland“ der Wirtschaftsauskunftei Creditreform hervor, der am 9. November veröffentlicht wurde.

                                                                                                                        Hauptursache der Überschuldung sind Arbeitslosigkeit und zeitlich befristete, unsichere und schlecht bezahlte Arbeitsplätze. Dazu kommen schwere und langfristige Erkrankungen, Unfälle, Tod eines Partners, Trennung und Suchtprobleme.

                                                                                                                        armut_burnout_psychische_probleme_sorgen_schulden_schuldenfalle_verschuldung_depression_kritisches_netzwerk_privatinsolvenz_erwerbsarmut_working_poor_sozialdarwinismus_hartz_iv.jpg

                                                                                                                        Besonders stark stieg die Überschuldung bei Solo-Selbständigen. Dazu gehören LKW-Fahrer, die formal selbständig sind, aber oft nur für eine Firma fahren, die dadurch Sozialversicherungsbeiträge spart. Auch Selbständige, deren Geschäftsmodell nicht aufgeht und die nicht in der Lage sind, die vollen Sozialversicherungsbeiträge und den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie zu zahlen, gehören in diese Kategorie.

                                                                                                                        Überdurchschnittlich stark hat auch die Alters-Überschuldung zugenommen. Vier von fünf Menschen, die in diesem Jahr erstmals überschuldet waren, sind älter als 50 Jahre. Bei den über 70-Jährigen stieg die Zahl der Überschuldeten um 12 Prozent.

                                                                                                                        Immer häufiger kommt es vor, dass armen Rentnern der Strom abgestellt wird oder dass sie in die Schuldenfalle stürzen, weil sie ihre Rechnungen, die Kosten für eine neue Brille oder die Zuzahlungen für teure Medikamente nicht mehr bezahlen können.

                                                                                                                          weiterlesen

                                                                                                                          Der afghanische Krieg ist keine Pattsituation.

                                                                                                                          Es ist eine Niederlage.

                                                                                                                          von William J. Astore

                                                                                                                          Pattsituation: Das ist das Wort der Wahl, das von US-Generälen verwendet wird, um den Afghanistan-Krieg zu beschreiben. Was genau ist eine Pattsituation? Ich habe schon früh Schach gespielt, mich in den Bobby-Fischer-Wahn der frühen 1970er Jahre verstrickt, und ich spiele immer noch gelegentlich. Im Schach ist eine Pattsituation eine besondere Konstellation der Figuren, und eine oft frustrierende. Kurz gesagt, "Patt ist eine Situation im Schachspiel, in der der Spieler, der an der Reihe ist, nicht im Schach ist, aber keinen erlaubten Zug hat".

                                                                                                                          schachbrett_schachspiel_schach_schachmatt_chessboard_geostrategie_geopolitik_strategie_afghanistankrieg_imperialismus_imperialism_militarismus_kritisches_netzwerk_new_world_order.jpg

                                                                                                                          Zum Beispiel kann ich entscheidend gewinnen, wenn nur noch der König meines Gegners auf dem Brett ist. Aber wenn ich den (ungedeckten) König meines Gegners sorglos in eine solche Position bringe, dass ihn sein einziger Zug in Gefahr (oder "Schach") bringt, ist die Position blockiert. Mein entscheidender Materialvorteil macht keinen Unterschied: Das Spiel ist vorbei, es ist unentschieden. In Wirklichkeit ist es ein Sieg für ihn und ein Verlust für mich, wenn man meinen materiellen Vorteil bedenkt.

                                                                                                                          Ist der Afghanistan-Krieg "festgefahren"? Nicht nach Ansicht des US-Militärs, da es glaubt, dass die "Pattsituation" rückgängig gemacht werden kann, dass die USA immer noch "gewinnen" können. In der Tat hat Präsident Trump bereits in der vergangenen Woche zu Protokoll gegeben, dass seine Regierung in Afghanistan gewinnt. Hier gibt's keine Pattsituation.

                                                                                                                            weiterlesen

                                                                                                                            Bürgerversicherung - Sozial- oder Neid-Projekt

                                                                                                                            von Egon W. Kreutzer

                                                                                                                            Wenn der Focus titelt: "SPD fordert das Ende der PKV!", dann klingt das zwar nach der Eröffnung einer neuen Front in der sozialistischen Neid-Debatte. Doch weil der Focus irgendwie selbst als parteiisch angesehen werden muss, kann die Frage, was die SPD mit ihrem Projekt Bürgerversicherung tatsächlich erreichen will, so einfach nicht beantwortet werden.

                                                                                                                            familienversicherung_mitversicherung_buergerversicherung_kassenpatienten_gesetzliche_private_krankenversicherung_familienangehoerige_kritisches_netzwerk_rundumpaket_fuersorge.pngDas deutsche Gesundheitssystem trägt jährlich rund 350 Milliarden Euro zum BIP bei. Das wird vermutlich auch so bleiben, oder eher noch mehr werden, weil das deutsche Gesundheitssystem sich in einer von marktwirtschaftlichen Einflüssen weitgehend freigehaltenen Schutzzone bewegt, die dem Großteil der Anbieter ein auskömmliches Überleben garantiert, obwohl mit allerlei Deckelungen, Leistungsbeschränkungen und Zuzahlungsregelungen versucht wird, die Selbstbedienungsmentalität innerhalb des Systems zu beschränken.

                                                                                                                            Knapp 11 Milliarden dieser 350 Milliarden Gesundheitskosten entfallen auf die Privatversicherten. Die Diskussion dreht sich also um gerade einmal 3 Prozent vom Kuchen auf der Ausgabenseite.

                                                                                                                            Wie es auf der Einnahmeseite aussieht bleibt der Fantasie der SPD vorbehalten, denn wie es sich auswirken würde, wenn tatsächlich sämtliche Einwohner Pflichtmitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) würden und auch weiterhin Familienmitglieder mitversichert sind, wenn sämtl. Einkünfte, auch aus Kapitalvermögen, Vermietung-, Verpachtung, etc. zur Beitragsbemessung herangezogen würden und wie hoch die Beitragsbemessungsgrenze (BBG) dann liegen würde, das ist alles noch weitgehend im Dunkeln, abgesehen davon, dass man glaubt, den Beitragssatz deutlich senken zu können.

                                                                                                                            Das wäre dann eine Fortsetzung der Agenda 2010 zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft durch Senkung der Lohnnebenkosten. Für manche ein löbliches Unterfangen, für manche jedoch auch ein äußerst fragwürdiger Ansatz, der als Umverteilung von der Mitte nach unten und von da wieder nach oben angesehen werden kann.

                                                                                                                              weiterlesen

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                                                                                                                              von Laurenz Nurk

                                                                                                                              Menschen, die armutsgefährdet sind, leiden spürbar häufiger unter gravierenden Mängeln in ihrem Alltag als die Gesamtbevölkerung. Sie können beispielsweise seltener ausreichend heizen, haben öfter Feuchtigkeit in der Wohnung oder müssen auf ein Auto verzichten. Zu diesem Ergebnis kommt das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung (HBS), das neue Armutsdaten aus der EU-SILC-Erhebung des Europäischen Statistikamts Eurostat ausgewertet hat.

                                                                                                                              Als arm oder armutsgefährdet gelten nach gängiger wissenschaftlicher Definition Haushalte, deren Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Einkommens aller Haushalte beträgt. In Deutschland lag die Armutsschwelle für eine alleinstehende Person nach EU-SILC im Einkommensjahr 2015 bei einem verfügbaren Einkommen von maximal 1064 Euro im Monat. Nach den neuen Eurostat-Zahlen sind 16,5 Prozent aller Menschen in der Bundesrepublik armutsgefährdet. Besonders hoch ist die Quote unter Arbeitslosen (knapp 71 Prozent sind arm) und Alleinerziehenden (32,5 Prozent)

                                                                                                                              schimmelflecken_schimmelbildung_stockflecken_schimmelpilze_feuchte_waende_kalte_waende_feuchtigkeit_armut_kritisches_netzwerk_heizen_heizkosten_heizung_heizkoerper_mold.jpg

                                                                                                                              Auch wenn diese relative Armutsgrenze im reichen Deutschland höher liegt als in Süd- oder Osteuropa, wissen wir aus vielen Untersuchungen dass arme Menschen oft große Schwierigkeiten haben, am normalen gesellschaftlichen Leben teilzunehmen“, erklärt WSI-Sozialexperte Dr. Eric Seils. „Die EU-SILC-Zahlen machen noch plastischer, dass damit nicht selten auch erhebliche Mängel im Alltag verbunden sind.“ Das zeigt ein Blick auf verschiedene Belastungen und „Mangellagen“, die im Rahmen der EU SILC-Befragung für das Jahr 2016 erhoben werden.

                                                                                                                                weiterlesen

                                                                                                                                Marga Ferré: Was passiert in Katalonien?

                                                                                                                                von Marga Ferré / member of the transform! europe Managing Board

                                                                                                                                Am 1. Oktober erschrak ganz Europa über die verstörenden Fotos, die das brutale Durchgreifen der Polizei gegen Menschen dokumentieren, die friedlich von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen wollten. In diesem Artikel möchte ich die Gründe und möglichen Konsequenzen dessen analysieren, was wir in Katalonien und Spanien derzeit erleben.

                                                                                                                                ► Ein kurzer historischer Abriss

                                                                                                                                Eine Analyse des heutigen Spaniens muss bei der Tatsache ansetzen, dass das Land fast 40 Jahre lang eine Diktatur war – eine kleine Ewigkeit also. Spanien ist ein Ausnahmefall, da die spanische Diktatur nicht wie in anderen Ländern mit faschistischer Vergangenheit in einer Revolution geendet hatte (wie in Portugal), es auch nicht zu einem Bruch mit der Vergangenheit gekommen war, auf den hin die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen worden waren (wie in Argentinien), oder ein symbolischer Bruch stattgefunden hatte (wie in Südafrika). Franco starb in Spanien und in seinem Bett. Es wurde keine deutliche Trennlinie zwischen dem Faschismus und der neugewonnenen Demokratie gezogen. Es gab wohl eine Veränderung, aber keinen tatsächlicher Bruch.

                                                                                                                                katalonien_18_estelades_estelada_blava_vermella_adeu_espanya_espana_dictadura_seperation_independencia_autonomia_llibertat_catalunya_carles_puigdemont_catalonia_kritisches_.jpg

                                                                                                                                Der Franquismus war ein diktatorisches Regime, das von einer Art Faschismus a la española geprägt war, mit einer ideologischen Basis als, die als „Nationalkatholizismus“ bezeichnet werden kann und wovon eine Säule in der Einheit des Heimatlands unter göttlicher Vorsehung bestand. Heute wirkt das vielleicht lächerlich, das Regime hatte es jedoch 40 Jahre lang wiederholt: „Spanien ist eine Schicksalseinheit im Universellen“. In diesem messianischen und psychotischen Konzept verbietet der Staat nicht nur abweichendes Gedankengut, sondern leugnet auch die Existenz dreier anderer Nationen in Spanien: Galicien, das Baskenland und Katalonien, deren Sprachen verboten und deren historische Rechte mit Füßen getreten wurden.

                                                                                                                                Auf den Tod des Diktators 1975 folgt schließlich eine Phase der demokratischen Wiederherstellung, die Transición (Übergang) genannt wird: Eine Zeit der demokratischen Reformen, die auf einem Pakt zwischen allen politischen Akteur_innen der Zeit (einschließlich der kommunistischen Partei) beruht und eine „Vereinbarung“ zur Folge hat, die wiederum zur Verfassung von 1978 führt. Diese Transición ist drei Jahrzehnte lang der Stolz der Nation, bis die Anti-Austeritätsbewegung 2011 das Regime von 1978 als korrupt, ineffizient und ungerecht in Frage stellt.

                                                                                                                                  weiterlesen

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                                                                                                                                  Von Ernst Wolff / Autor der Bücher „Weltmacht IWF“ und neu: „Finanztsunami“  

                                                                                                                                  Zehn Jahre nach dem Beinahe-Zusammenbruch des globalen Finanzsystems gleicht die Wirtschafts- und Finanzwelt erneut einem Spielcasino. Der Grund: Die zur Rettung des Systems erzeugten und zu immer niedrigeren Zinssätzen vergebenen Geldmengen sind zum überwiegenden Teil nicht in die Realwirtschaft, sondern in den Finanzsektor geflossen.

                                                                                                                                  bitcoin_bitcoins_kryptogeld_kryptowaehrung_parallelwaehrung_kritisches_netzwerk_waehrungssystem_alternatives_zahlungsmittel_bits_bytes_ersatzgeld_zahlungsmittel_zahlungsverkehr.png Da das Geld von den Zentralbanken nicht verschenkt, sondern verliehen wird, haben wir es gegenwärtig mit der weltweit höchsten Verschuldung aller Zeiten zu tun. Und weil der größte Teil des Geldes in die Spekulation wandert, erleben Aktien-, Anleihen- und Immobilienmärkte zurzeit einen Kursrekord nach dem anderen.   

                                                                                                                                  ► Der Run auf die Krypto-Währungen

                                                                                                                                  Die dadurch entstandene Stimmung an den Börsen führt einerseits dazu, dass immer neues Geld geliehen und eingesetzt wird, um am vermeintlichen Goldrausch teilzuhaben. Andererseits wird fieberhaft nach neuen Möglichkeiten gesucht, um vor dem Ende des Rausches noch weitere Gewinnmöglichkeiten zu schaffen.

                                                                                                                                  Besonders erfolgreich sind dabei Geschäftsmodelle, die Investoren dazu bringen, die Kurse durch gegenseitiges Überbieten auf immer neue Rekordstände zu treiben. Ein extremes Beispiel hierfür bieten die Krypto-Währungen, allen voran Bitcoin.

                                                                                                                                  Bis vor einiger Zeit lehnten die Banken die Krypto-Währungen noch rundheraus ab. Sie fürchteten, die zugrunde liegende Blockchain-Technologie (die direkte Übermittlung eines geldwerten Datensatzes vom Absender zum Empfänger ohne den Weg über die Banken) könnte das Bankwesen überflüssig machen. Inzwischen aber haben die Banken ihre Strategie geändert und versuchen, am Bitcoin-Rausch mitzuverdienen. Selbst die Chicagoer Börse wird in das Geschäft einsteigen und zum Jahresende Bitcoin-basierte Derivate anbieten.

                                                                                                                                  Das zeigt aber nur, dass der Spekulationswahn inzwischen keine Grenzen mehr kennt. Bei Bitcoin und anderen Krypto-Währungen handelt es sich nämlich keinesfalls um Währungen [1] (also Gewährleistungen für einen Wert), sondern um künstlich erschaffene Spekulationsobjekte, die an keinen realen Wert (also einen mit Hilfe von menschlicher Arbeit erzeugten Gebrauchsgegenstand wie zum Beispiel eine Edelmetall-Münze) gebunden sind.

                                                                                                                                    weiterlesen

                                                                                                                                    Die Zahl verschuldeter Menschen steigt, die der Privatinsolvenzverfahren sinkt.

                                                                                                                                    Wie das?  

                                                                                                                                    von Laurenz Nurk, Dortmund

                                                                                                                                    insolvenz_schulden_verschuldung_ueberschuldung_zahlungsunfaehigkeit_verbraucherinsolvenzen_insolvenzberatung_insolvenzrecht_insolvenzverfahren_kritisches_netzwerk_insolvent_armut_pleite.jpgDie Unternehmensgruppe Creditreform gibt jährlich den Schuldenatlas heraus. Aktuell ist die Überschuldung von Privatpersonen in Deutschland seit 2014 zum vierten Mal in Folge angestiegen. Zum Stichtag 1. 10. 2017 wurde für die gesamte Bundesrepublik eine Überschuldungsquote von 10,04 Prozent gemessen. Damit sind über 6,9 Millionen Bürger über 18 Jahre überschuldet und weisen nachhaltige Zahlungsstörungen auf. Dies sind rund 65.000 Personen mehr, als noch im letzten Jahr, eine Steigerung von 0,9 Prozent. Die Überschuldungsquote ist leicht gesunken, weil die Bevölkerung 2016 nochmals spürbar zugenommen hat.

                                                                                                                                    Was auf den ersten Blick irritiert, ist die Zahl der Verbraucherinsolvenzen im Jahr 2016. Mit 77.238 Fällen ist sie um 3,6 Prozent niedriger als im Jahr 2015. Einen Anstieg der Verbraucherinsolvenzen hatte es zuletzt im Jahr 2010 gegeben, damals hatten 7,6 Prozent mehr Privatpersonen das Insolvenzverfahren beantragt als im Jahr 2009. Die Zeiten der jährlichen Steigerungen von 36 Prozent, wie vor zehn Jahren, sind mittlerweile Geschichte.

                                                                                                                                    Im ersten Halbjahr dieses Jahres haben 45.145 Privatpersonen Insolvenz angemeldet – 13,2 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Das ist der inzwischen siebte Rückgang in Folge. Wie passt dies mit der Rekordzahl von 7 Millionen Menschen über 18 Jahre, die überschuldet sind, zusammen?

                                                                                                                                    ► Prekär Beschäftigte und Rentner zunehmend von Überschuldung betroffen

                                                                                                                                    armut_pockets_out_pleite_schulden_schuldenfalle_verschuldung_kritisches_netzwerk_insolvenz_privatinsolvenz_erwerbsarmut_arbeitsarmut_working_poor_zahlungsunfaehigke05x.png

                                                                                                                                    Die steigende Anzahl von überschuldeten Menschen spiegelt die gesellschaftliche Situation wider. Während Wohlstand und Reichtum mehr und mehr zunehmen, wird ein wachsender Teil der Bevölkerung von der positiven gesamtwirtschaftlichen Situation vollkommen abgekoppelt. Dies sind vor allem Menschen mit atypischer Beschäftigung, die sich durch niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen und keine oder nur geringe soziale Absicherung auszeichnet. Zu den Verlierern zählen zunehmend auch ältere Menschen, die von ihrer Rente nicht mehr leben können.

                                                                                                                                      weiterlesen

                                                                                                                                      SPD kurz vor der GroKo: Noch einmal schnell links blinken

                                                                                                                                      Ulrich Gellermann, Mitautor des Buches "Die Macht um Acht"

                                                                                                                                      spd_rueckrat_wortbruch_waehlerverachtung_waehlerverarschung_waehlerwille_wahlbetrug_martin_schulz_luegenpartei_groko_grosse_koalition_sozialdarwinismus_sozialdemokraten_sozialdemokratie.jpgDer Chef der Rest-SPD, Martin Schulz, hat tatsächlich jüngst den Siemens-Konzern als „asozial“ bezeichnet. Nur weil der mal wieder ein paar tausend Arbeiter und Angestellte rauswirft. Asozial? Also gegen die Gesellschaft gerichtet? Aber Siemens kommt doch aus der vielfach beschworenen Mitte der Gesellschaft. Hat sich doch der Konzern bis zum zeitweiligen Ende der staatlich subventionierten Atomkraftwerke an deren Bau dumm und und dämlich verdient. Ist nicht der allseits beliebte Joschka Fischer als Lobbyist für Siemens tätig? Und kommt der Siemens Hauptaktionär BlackRock nicht aus dem Land der FREUNDE, der allgemein wertgeschätzten USA? Sozialer als Siemens geht also kaum.

                                                                                                                                      Martin Schulz, der ganz, ganz lange im selben Gesellschafts-Boot wie Siemens saß und die Illusion verbreitete, seine SPD dürfe mitsteuern, sollte doch mehr Verständnis für die Schwierigkeiten des gewöhnlichen Kapitalismus aufbringen. Siemens im Geschäftsjahr 2016/17 seinen Umsatz um vier Prozent auf 83 Milliarden Euro steigern. Der operative Gewinn betrug fast 10 Milliarden Euro im abgelaufenen Geschäftsjahr. Aber aus den guten Zahlen könnten auch wieder schlechte werden. Da entlässt man lieber vorsorglich. Mit dieser "Vorsorge" ist man immer gut gefahren.

                                                                                                                                      Sicher hat Carl Friedrich von Siemens schon 1931 in einer Rede bei General Electric vorsorglich gewarnt, dass nur die NSDAP die `bolschewistische Gefahr´ erfolgreich bekämpfen könne. So viel Sorge zahlte sich aus: Man war an der Ausrüstung der Wehrmacht bestens beteiligt, vom Feldtelefon bis zum Autopiloten. Siemens lieferte für den Nazi-Krieg so viel man nur konnte. Klar, dass bei dieser Umsatzsteigerung auch Zwangsarbeiter gebraucht wurden. Schließlich verlegte man die Produktion von Telekommunikations-Ausrüstungen für die Wehrmacht direkt in das KZ Ravensbrück.

                                                                                                                                      Diese militärische Perspektive hat Siemens bis heute im Auge: Mit einer 15 Millionen Investition war Siemens Financial Services (SFS) an der Produktion von Streubomben beteiligt. Und die Siemens Government Technologies in den USA versorgt Verteidigungs-, Geheimdienst- und Zivilbehörden in den Vereinigten Staaten mit allem was das armierte Herz des Imperialismus so braucht. Nach der 7,6 Milliarden Dollar-Übernahme der US-Firma Dresser-Rand ist Siemens auch zum Direktlieferanten des Pentagon aufgestiegen.

                                                                                                                                        weiterlesen

                                                                                                                                        Bundesbank-Vorstand Thiele outet seine 4-fache Inkompetenz!

                                                                                                                                        von LOGOS

                                                                                                                                        carl-ludwig-thiele-deutsche-bundesbank-bitcoin-kritisches-netzwerk-fdp-spekulationsobjekt-vorstandsmitglied-bargeld-papiergeld-zahlungsmittel-zahlungsverkehr-bundesbankvorstand.jpgBundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele (von 2002 - 2010 stellv. Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion) hat gemeinsam mit Bundesbank-Analyst Martin Diehl die absurde These aufgestellt, dass Bitcoin kein Geld sei, sondern ein Spekulationsobjekt. Geld definiert Thiele als etwas, das die folgenden drei Funktionen erfüllt: Es kann als Zahlungsmittel, als Wertaufbewahrungsmittel und als Recheneinheit genutzt werden. „Bitcoin erfüllt bislang keine der drei Geldfunktionen im ökonomisch relevanten Maße, weil es nicht über eine Nische hinausreicht und extrem wertinstabil ist“, schlussfolgern Thiele und Diehl. (hier und hier).

                                                                                                                                        Dies bedarf - um der Wahrheit Willen - zweier fundamentaler Erwiderungen:

                                                                                                                                        1) Geld bzw. Währungen wurden seit jeher als Spekulationsobjekt missbraucht. Legendär ist der Fall, als der US-amerikanische Investor und x-fache Milliardär George Soros gegen das britische Pfund gewettet - sprich „spekuliert“- hat. Selbst die ehemals als Speerspitze des sog. „Qualitätsjournalismus“ geltende FAZ schrieb damals von „Devisenspekulation“, ( FAZ-Artikel)

                                                                                                                                        Mit anderen Worten: Zwischen Geld und Spekulationsobjekt besteht überhaupt kein Widerspruch. Der Umstand, als Spekulationsobjekt miss- bzw. gebracht zu werden, steht dem Sachverhalt, dass es sich gleichzeitig um Geld handelt, in nichts entgegen.

                                                                                                                                        Ergo: Die sich im „kein, sondern“ äußernde „entweder/oder“-Denke ist angesichts des Umstandes, dass schon ein wenig Kenntnis der Historie ein „sowohl/als auch“ belegt, Zeugnis intellektuellen Versagens und Inkompetenz.

                                                                                                                                        2) Geld ist eine soziale Konvention: Geld ist, was als Geld akzeptiert wird!

                                                                                                                                          weiterlesen

                                                                                                                                          Richtungsstreit in SPD: Nein heißt nein, bis die Hündin auch heiß ist.

                                                                                                                                          von Egon W. Kreutzer

                                                                                                                                          Es gibt nur wenige Irrtümer, die aus der Verallgemeinerung der Annahmen frigider Feministinnen heraus ihren Weg ins Gesetz und in die Gerichtsstuben gefunden haben, wie die nun festgeschriebene Regel: Nein heißt nein.

                                                                                                                                          martin_schulz_gerechtigkeit_wackeldackel_neoliberalismus_spd_sozialdemokraten_sozialdemokratie_kanzlerkandidat_bundestagswahl_hartz_iv_wuerselen_ceta_kritisches_netzwerk.pngWer noch eine einigermaßen normale Sozialisation durchleben durfte, der weiß: Wenn "nein" wirklich immer "nein" hieße, wäre die Menschheit gleich nach den Dinosauriern ausgestorben. Das erste Nein gehört zum Flirt und ist keineswegs als endgültiges Nein gemeint, sondern lediglich ein Ansporn zu vermehrter Anstrengung. Der Bewerber soll zeigen, dass er nicht schon aufgibt, wenn sich ein erstes Hindernis in den Weg stellt, sondern sein ernsthaftes Bemühen mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, durchaus mit Steigerungen, durchaus auch mit sanfter Gewalt so lange unter Beweis stellen, bis die Auserwählte sich endlich gestattet, sich hinzugeben.

                                                                                                                                          Wer anderer Auffassung ist, mag sie behalten - aber bitte beachten, dass selbst so überpersonale Strukturen wie die große, große Volkspartei SPD dem Werben der CDU erst einmal ein knallhartes Nein entgegengestellt hat, bevor die CDU überhaupt zu erkennen gab, dass sie die SPD zu begatten begehrt.

                                                                                                                                          Es grummelte im Herzen der SPD als sich die CDU schnell von ihr abwandte und mit den kleinen Gelben und Grünen ins Bettchen hüpfen wollte. Und als das scheiterte, sagte sie ganz schnell noch einmal Nein.

                                                                                                                                          Doch dann wurde sie ganz schnell von vorne und hinten umgarnt: Es sei doch schon einmal so schön gewesen, miteinander - und es würde sicher auch wieder alles sehr schön werden, und ob sie denn nicht doch schon ein kleines bisschen hitzig sei, doch unter Aufbietung aller Kräfte erklärte die SPD erneut ohne auch nur das leiseste Zittern in der Stimme: Nein. Ich habe nein gesagt - und nein heißt nun einmal nein.

                                                                                                                                          Pfeifendeckel!

                                                                                                                                            weiterlesen

                                                                                                                                            Die Schuldfrage und das Vermächtnis: Der Entwurf des neuen Traditionserlasses für die Bundeswehr

                                                                                                                                            von Harry Popow, Schöneiche b. Berlin

                                                                                                                                            Als Traditionserlass werden die „Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr“ bezeichnet. Nach ihrem Verständnis wird Tradition als die Überlieferung von Werten und Normen verstanden, die ein verbindendes Element zwischen den Generationen herstelle. Notwendig sei sie, um eine eigene Identität zu sichern.

                                                                                                                                            1965 wurde vom damaligen Verteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel (CDU) der erste Traditionserlass herausgegeben. Vorangegangen waren Auseinandersetzungen in und auch außerhalb der Bundeswehr, in welcher Form und wozu überhaupt „überlieferungswürdige“ Werte aus der deutschen Geschichte in der Truppe gepflegt und weitergegeben werden sollten. Das betraf vordergründig soldatisches Brauchtum o. Symbole, in stärkerem Maß aber Traditionen, die Orientierung im gesellschaftlichen Umfeld bieten könnten.

                                                                                                                                            Angesichts der Rolle der unmittelbaren Vorläufer der Bundeswehr, Reichswehr und Wehrmacht, die als Institutionen wenig traditionswürdig erschienen, kam die Forderung auf, eine neue bundeswehreigene Tradition zu bilden, die dem Leitbild des Staatsbürgers in Uniform entsprach und dem Verständnis der Partner im westlichen Bündnis vom Schutz von Freiheit und Recht entsprach.

                                                                                                                                            1982 folge der zweite noch heute gültige Traditionserlass. Er wurde vom damaligen SPD-Verteidigungsminister Hans Apel im Jahr 1982 erlassen. Mit ihm wurde der erste Erlass aus dem Jahr 1965 abgelöst. Vorangegangen war in Bonn eine öffentliche Traditionsdebatte über das Thema „Soldat und Gesellschaft“ vom 23. bis 24. April 1981.

                                                                                                                                            2017: Der Entwurf eines "neuen" dritten Traditionserlasses für die Bundeswehr ist am Montag, 20. November 2017, versendet worden. Matthias Gebauer von SPIEGEL ONLINE hatte eine Fassung davon veröffentlicht.

                                                                                                                                            ______________________

                                                                                                                                            ENTWURF: Die Tradition der Bundeswehr. Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege (Stand: 16. November 2017)

                                                                                                                                            1. GRUNDSÄTZE

                                                                                                                                            1.1 Tradition ist der Kern der Erinnerungskultur der Bundeswehr (einschließlich des Bundesministeriums der Verteidigung). Traditionspflege ermöglicht das Bewahren und Weitergeben von Werten und Vorbildern, die sinnstiftend sind. Sie verbindet die Generationen und gibt Orientierung für das Führen und Handeln als geistige Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft. Sie fördert den kameradschaftlichen Zusammenhalt und das Innere Gefüge der Bundeswehr.

                                                                                                                                              weiterlesen