Abdel-Samad zum Türkei-Referendum: Die Kinder der "Ja"-Sager

Der Politologe und Islamkritiker Hamed Abdel-Samad warnt vor einer Beschönigung der Ergebnisse beim türkischen Referendum. Zugleich kritisiert er eine Politik, die Muslime als Kollektiv betrachtet. Ein Kommentar.

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Die Kinder der "Ja"-Sager

von Hamed Abdel-Samad

Kluge Köpfe versuchen seit Tagen die Zahlen der "Ja-Sager" beim türkischen Referendum zu relativieren, um die hier lebenden Türken in Schutz zu nehmen. Sie erinnern uns daran, dass die Hälfte der Türken nicht wahlberechtigt ist, und dass nur die Hälfte der Wahlberechtigten tatsächlich wählen gegangen sind. So gesehen hätten nur 14 bis 17 Prozent der hier lebenden Türken für Recep Tayyip Erdoğan gestimmt. Jetzt sollen wir uns freuen, dass fast 85 Prozent der hier lebenden Türken eigentlich Erdoğan-Gegner sind?

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Solche komischen manipulativen Rechnungen versuchen das Ausmaß des Problems zu relativieren. Was sie aber außer Acht lassen ist, dass die Zahl von 63 Prozent tatsächlich repräsentativ ist, wenn man frühere Studien heranzieht, die zeigen, wie hier lebende Muslime über Identität, Islam, Scharia und Grundgesetz denken. Sie lassen außer Acht, dass viele Ja-Sager auch Kinder haben, die noch nicht wählen dürfen, aber das gleiche Gedankengut automatisch von den Eltern übernehmen.

Will man das Ausmaß der Katastrophe tatsächlich messen, sollte man in den Schulen eine Umfrage machen, wie beliebt Erdoğan, Pierre Vogel oder sogar der IS sind. Das ist die Zukunft dieses Landes, und das macht mir Sorgen.

Selbstverständlich gibt es viele Muslime und auch viele Türken, die mit Erdoğan und sogar mit dem Islam nichts zu tun haben. Und selbstverständlich dürfen wir diese Individuen für das Wahlverhalten oder die Taten Anderer nicht bestrafen. Aber wir müssen endlich erkennen, dass die muslimische Masse auch in Deutschland islamistisch orientiert ist. Sie will vom Wohlstand in Deutschland profitieren aber will nicht Teil dieses Landes werden. Sie träumt vom Kalifat und von der Übermacht der muslimischen Umma. Und wenn ihr der IS zu brutal ist, dann träumt sie von einem Kalifen, der eine Krawatte trägt. Das ist die bittere Realität. Die schweigende Minderheit oder von mir aus Mehrheit, ist da irrelevant.

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Die geniale Idee der Unternehmen zur Kostensenkung: On-Site-Werkverträge

von Laurenz Nurk, Dortmund

ausbeutung_ausnutzung_leiharbeit_zeitarbeit_sklaverei_lohnsklave_equal_pay_treatment_armut_mindestlohn_hartz_4_iv_altersarmut_menschenwuerde_kritisches_netzwerk.jpg Im Bereich der Werkverträge haben sich die Unternehmen etwas Neues ausgedacht – die On-Site-Werkverträge. Diese Werkverträge sind dadurch gekennzeichnet, dass die Werkvertragsleistungen auf dem Betriebsgelände des Auftraggebers durchgeführt werden, insbesondere dann, wenn bei Auftragsspitzen die Erhöhung der Flexibilität gefragt ist und dem Unternehmen dann enorme Kosteneinsparungen bringen.

Die Daten einer repräsentativen Befragung des "Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung" (IAB >> www.iab.de/) zeigen auf, dass rund 26.000 Betriebe, allein im vierten Quartal 2015 mit etwa 212.000 betroffenen Beschäftigten diese Arbeitsverhältnisse nutzten und diese Entwicklung keine Randerscheinung auf dem Arbeitsmarkt ist.

Die Unterscheidung von Werkverträgen und Leiharbeit ist in der Praxis nicht selten kompliziert und es gibt kaum wissenschaftliche Erkenntnisse zur betrieblichen Nutzung von Werkverträgen, insbesondere von sogenannten On-Site-Werkverträgen. Dieses Wissen ist aber sehr wichtig, weil On-Site-Werkverträge am ehesten in Konkurrenz zur Nutzung von Leiharbeit oder der Beschäftigung eigener Mitarbeiter stehen.

Der größte Anteil dieser Werkverträge findet sich im Bereich Ernährung, Textil, Bekleidung, Möbel. Großbetriebe nutzen sie häufiger als die kleinen. Die im Rahmen von On-Site-Werkverträgen ausgeführten Arbeiten sind breit gefächert. Sie reichen von einfachen Arbeiten wie Reinigung und Grünanlagenpflege bis hin zu hochqualifizierten Tätigkeiten wie spezialisierten Bau- und Montagetätigkeiten oder Projektentwicklung.

Grundsätzlich werden im Rahmen von Werkverträgen die zu erbringenden Arbeiten vom Werkvertragsnehmer selbstständig organisiert und durchgeführt. Die dabei eingesetzten Beschäftigten unterliegen nicht dem Weisungsrecht des Auftraggebers, sondern des Werkvertragsbetriebs, bei dem sie angestellt sind. Dieser ist auch für alle personalrechtlichen und personalwirtschaftlichen Belange dieser Beschäftigten verantwortlich, Solo-Selbstständige agieren entsprechend eigenverantwortlich.

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Wer Emmanuel Macron gewählt hat, hat Marine Le Pen gewählt

Stellen Sie sich vor, Sie hätten nun die Wahl zw. Frauke Petry und Christian Lindner

von Jens Berger / NDS

In einer ungewöhnlichen Aktion riefen in der letzten Woche die Hollywood-Größen Oliver Stone, Danny Glover und Mark Ruffalo die französischen Wähler auf, ihre Stimme Jean-Luc Mélenchon zu geben – Frankreich solle eine Tragödie á la USA erspart bleiben, bei der man am Ende nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera hat. Die gut gemeinte Warnung wurde diesseits des Atlantiks jedoch nicht vernommen. Mit dem Ergebnis der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen ist das wahrscheinlichste und gleichzeitig auch schlimmste aller zu denkenden Szenarien eingetroffen. Der neoliberale Medienliebling Emmanuel Macron und die rechtsextreme Marine Le Pen konnten die meisten Wählerstimmen auf sich vereinen und treten nun in zwei Wochen in der entscheidenden zweiten Runde gegeneinander an. Pest und Cholera reloaded. Nun haben die Franzosen eine Wahl, die keine ist. Und damit fängt die eigentliche Tragödie erst an.

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Fangen wir mit den Gewinnern der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen an: Da ist zuerst Emmanuel Macron zu nennen. Nicht weil er so gut abgeschnitten hat – sein Ergebnis lag ja im Prognosebereich. Sondern weil seine Gegnerin in der zweiten Runde, Marine Le Pen, entgegen der Befürchtungen ebenfalls keine überraschenden Gewinne vermelden konnte und fast alle ausgeschiedenen Konkurrenten ihren Wählern bereits empfohlen haben, in der zweiten Runde für Macron zu stimmen. Es müsste also schon mit dem Teufel zugehen, wenn Macron diese Steilvorlage noch vergeben sollte.

steffen_ruediger_seibert_twitter_emmanuel_macron_bundespresseamt_regsprecher_regierungssprecher_kritisches_netzwerk_medienhuren_luegenpresse_sophia_fake_news_merkel.jpgDie zweiten Gewinner sind die Demoskopen. Selten waren die Umfrageergebnisse so präzise. Da haben die Franzosen ihre internationalen Kollegen, die sich teilweise nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben, noch einmal gerettet.

Der dritte Gewinner ist Berlin. Macron war der Wunschkandidat[1] von Merkel, Schäuble, Oppermann und Gabriel und auch die deutschen Medien haben unmissverständlich für ihn getrommelt. Die "Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik" (DGAP) analysierte jüngst, Macrons Positionen „deckten sich in wichtigen Aspekten mit denen der Bundesregierung“ und er stelle zudem „ambitionierte Reformprogramme“ in Aussicht, deren Verwirklichung „für gemeinsame Initiativen im Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion eine Grundvoraussetzung“ sei. Auf Deutsch: Endlich hat sich auch in Frankreich ein Kandidat gefunden, der Deutschlands Wünschen ohne Gewissensbisse folgt. Nun wird der „Freund der Wirtschaft und Europas“ (O-Ton Tagesschau) die deutschen Wünsche als treuer Statthalter in Paris exekutieren. Arme Franzosen. Aber war dies wirklich unvermeidbar?

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„Die PKK ist viel mehr, sie ist überall“ - die Rolle der PKK in den kurdischen Regionen.

Ein Gespräch mit 2 Aktivisten aus Gever (Yüksekova), Newroz-Delegation 4/2017

von Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V.

Eine Newroz-Delegation von Civaka Azad hat am 22.März 2017 zwei Aktivisten in der kurdischen Stadt Gever (türkisch Yüksekova) getroffen. Wir sprachen mit ihnen über die Auswirkungen der letztjährigen Ausgangssperren, über die anhaltende Repression des türkischen Staates und über die Rolle der PKK in den kurdischen Regionen.

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Delegation: Hallo Ali [1], hallo Güven [1]. Wir sind froh, euch hier in Gever zu treffen. Im letzten Jahr war die Stadt über zwei Monate hinweg massivster militärischer Angriffe ausgesetzt, die Menschen konnten ihre Häuser nicht verlassen. Wir wissen, dass hier aktuell immer noch nächtliche Ausgangssperren gelten. Auch gestern, an Newroz, gab es Schwierigkeiten. Könnt ihr uns erzählen, wie der Tag gestern verlief?

Ali: Wir haben uns an dem Platz versammelt, an dem Newroz gefeiert werden sollte. Vielleicht muss man etwas vorab wissen: Hier in Gever, in der Region, haben fast 99% der Menschen Sympathien für Öcalan, für die PKK. Daher begannen kurz nach Beginn des Festes einige Leute Slogans zu singen und zu rufen, zum Beispiel “Biji Serok Apo” [2]. Die Polizei wollte diese Leute festnehmen, aber die anderen Menschen haben das verhindert. Dann kam die Polizei mit Pfefferballs und Tränengas. Sie haben Personen angegriffen und auch ungefähr zehn Leute verhaftet. Einer davon kommt aus meinem Dorf. Er ist jetzt in Haft.

rojava_kurdistan_kurden_kurds_autonomie_selbstbestimmung_demokratie_syria_syrien_tuerkei_irak_iraq_voelkerrecht_abdullah_oecalan_kritisches_netzwerk_souveraenitaet.png Normalerweise feiern wir Newroz mitten in der Stadt, im Zentrum. Aber dieses Mal gaben sie uns nur die Erlaubnis, Newroz an einem abgelegenen Platz weit außerhalb zu feiern. Darum waren nicht so viele Menschen da, viele konnten gar nicht zu diesem Platz gelangen. Und zudem haben die Leute nach den Ausgangssperren auch Angst, verhaftet zu werden.

Delegation: Und wie ist die Situation mit der Zwangsverwaltung?

Ali: Vor der Zwangsverwaltung hat man die Polizei kaum gesehen; aber nun sind sie auf jeder Straße, an jeder Ecke stehen sie. Der aktuelle Zwangsverwalter ist auch der Gouverneur der Region. Die Leute wenden sich nicht an ihn, aber sie haben die Probleme auch nicht mit ihm, als Person. Die Leute hier, in Kurdistan, haben Probleme mit der Regierung, mit dem System.

Güven: Es ist nur eine Person. Es könnte auch jemand anderes sein, aber das System wäre dasselbe. Es ist eine Art Strategie, hat System: Sie nutzen jede Form der Machtausübung für sich. Wir müssen dieses System zerstören.

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Die neue Verfolgungsbetreuung der Skandal-Agentur

von Laurenz Nurk, Dortmund

detlef_scheele_bundesagentur_fuer_arbeit_nuernberg_spd_fuersorgliche_belagerung_sanktionen_arbeitslose_kontaktdichte_jobcenter_sozialabbau_arbeitslosengeld_hartz_iv_arbeitsa.jpgZum 1. April 2017 ist SPD-Mitglied Detlef Scheele neuer Vorstandsvorsitzender der "Bundesagentur für Arbeit" (BA) geworden. Er hat in seinen öffentlichen Verlautbarungen von vorn herein seine Hardliner-Positionen klargestellt und ganz neue Wortschöpfungen kreiert. So spricht er davon, dass er eine „fürsorgliche Belagerung“ befürwortet und meint, dass der Fallmanager den „Arbeitslosen und seine Familie öfter sehen solle“ und mehr „Aufmerksamkeit widmen“ möchte, denn die „Vermittlungszahlen sind deutlich anstiegen, wenn die Kontaktdichte sich erhöht“.

Auch spricht sich Scheele gegen eine „Rückabwicklung“ der sogenannten Arbeitsmarktreformen aus. Er macht damit deutlich, wie die Leistungsgewährung aussehen wird, nämlich so, dass er den Druck auf die Menschen ohne bezahlte Arbeit erhöhen wird und sie, wo eben möglich, aus dem Leistungsbezug herausdrängt.

Diese Ausrichtung des Vorsitzenden passt gut zu einer öffentlichen Arbeitsverwaltung, die die Öffentlichkeit scheut, vor allem dann, wenn es um ihre zahlreichen Skandale in den letzten 15 Jahren geht. Die meisten Menschen kennen die Arbeitsverwaltung lediglich aus dem Fernsehen, wenn immer am Monatsanfang von der "Bundesagentur für Arbeit" in Nürnberg die neusten offiziellen Arbeitslosenzahlen bekannt gegeben und kommentiert werden. Ähnliche Rituale finden auch auf der örtlichen Ebene bei den Agenturen für Arbeit statt.

Die wenigsten Menschen kennen die Agentur für Arbeit aber nicht als immensen Info-Pool, wo es Zahlen über Zahlen gibt und gesammelt wird, was das Zeug hält. Da fallen Daten auf der Einnahmeseite beispielsweise von den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung (AV) an, aus denen man detaillierte Informationen über Beschäftigungs- und Unternehmensstrukturen, Erwerbseinkommen und Arbeitszeiten bekommen kann. Auf der Ausgabenseite erhält man Informationen über die Qualifikation, Geschlecht, Alter, Gesundheit und Umfeld der Leistungsempfänger.

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"Das ist kein Terrorismus, sondern Journalismus, der aufklärt"

Redebeitrag von Graswurzelrevolution-Redakteur Bernd Drücke

gehalten auf der #FreeDeniz-Demo am 10. März in Münster

deniz_yuecel_free_meinungsfreiheit_pressefreiheit_informationsfreiheit_kritisches_netzwerk_otkoekue_tuerkei_tuerkey_recep_tayyip_erdogan_taksim_ist_ueberall_staatsterror_diktatur_hpd.jpgAus Solidarität mit Deniz Yücel (vgl. GWR 417, S. 2) und den anderen in der Türkei inhaftierten Journalistinnen und Journalisten fanden in den letzten Wochen #FreeDeniz-Autokorsos u.a. in Berlin, Wien, Zürich und Frankfurt/M. statt. In Münster initiierte Graswurzelrevolution-Redakteur Bernd Drücke den bundesweit ersten #FreeDeniz-Fahrradkorso. 400 Menschen hörten am 10. März 2017 ab 15:30 Uhr bei der Auftaktkundgebung am Rathaus der Livemusik von Simon und Mei und den RednerInnen zu.

Nach einem Grußwort von Bürgermeisterin Beate Vilhjalmsson, sprachen Bernd Drücke, Wilhelm Achelpöhler, Ulrike Löw, Frank Biermann (dju) und Minoas Andriotis (odak Kulturzentrum e.V.). Um 16:45 Uhr machten sich dann über 300 gut gelaunte RadlerInnen lautstark klingelnd auf den Weg und sorgten dafür, dass u.a. der Ludgerikreisel autofrei und komplett von Fahrrädern besetzt war.

Der Autoverkehr kam zum Erliegen und die Luft in Münster wurde kurzfristig besser, bevor der Fahrradkorso um 17:20 Uhr zur Abschlusskundgebung am Türkischen Generalkonsulat eintraf. Dort gab es vom Lautsprecherwagen den extra3-Erdowie-Erdowo-Erdowahn-Song und weitere Redebeiträge, u.a. von Detlef Lorber (VVN-BdA) und Michael Ramminger (Rojava-Gruppe/ITP).

Die Berichterstattung in den Medien (1) war erfreulich, auch wenn der WDR und die "Westfälischen Nachrichten" zwar den "Monatszeitungsredakteur" zitierten, den Namen der Monatszeitschrift aber konsequent verheimlichten. Wir dokumentieren in dieser GWR die Redebeiträge von Bernd Drücke, Ulrike Löw und Wilhelm Achelpöhler. (GWR-Red.)

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Die 10 Gebote der Rationalität

von Michael Schmidt-Salomon (gbs)  

Am 22. April 2017 kommt es in mehr als 400 Städten weltweit (auch in Deutschland!) zu Demonstrationen für eine stärkere Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Entstanden ist die sogenannte „Science March“-Bewegung in den USA nach Donald Trumps Sieg bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen. Der Grund dafür liegt auf der Hand, denn sucht man nach dem hervorstechendsten Merkmal „Trumpscher Regierungskunst“, so ist es die Missachtung sämtlicher Standards der rationalen Argumentation. Die unzähligen Widersprüche in Trumps Aussagen, seine Vorliebe für „postfaktische Argumente“, sein Beharren auf „alternativen Fakten“, seine Verrisse von juristischen Beweisführungen und naturwissenschaftlichen Belegen – all dies sind keine zufälligen Erscheinungen, in ihnen offenbart sich vielmehr eine gefährliche Aushöhlung des Wahrheitsbegriffs, die für autoritäre Herrschaft typisch ist, denn: „Auf hohlen Köpfen ist gut trommeln“, wie Karlheinz Deschner einmal treffend formulierte.

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Letzteres haben Trumps Amtskollegen in Russland und in der Türkei längst erkannt. So unterschiedlich die Ziele von Trump, Putin und Erdoğan auch immer sein mögen, ihre Macht gründet auf demselben Herrschaftskonzept, nämlich der Aufwertung religiöser und nationaler (identitärer) Werte bei gleichzeitiger Abwertung all jener wissenschaftlichen Erkenntnisse, die in Konflikt mit diesen Werten stehen. So ist es beispielsweise kein Wunder, dass nicht nur in der Türkei, sondern auch in Russland und in den USA die Bildungsministerien von Kreationisten geführt werden, die alles daran setzen, die Evolutionstheorie aus den schulischen Lehrplänen zu verbannen.

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CIA-Direktor Pompeo erklärt WikiLeaks zum rechtlosen „Feind“

von Eric London / wsws.org

michael_mike_richard_pompeo_cia_director_of_the_central_intelligence_agency_wichita_wikileaks_julian_assenge_edward_snowden_betrayal_of_state_secrets_whistleblowing_whistleblower.jpgDie CIA sieht in WikiLeaks einen „nichtstaatlichen feindlichen Geheimdienst“. Dies erklärte CIA-Direktor Michael Pompeo am 13. April in einer Rede vor Beratern in Washington. Demzufolge sollten Nachrichtenagenturen, die über staatliche Verbrechen berichten, als „Feinde“ der Vereinigten Staaten gelten.

Wie Pompeos Ausführungen zeigen, fühlt sich der Geheimdienst nicht mehr an den ersten Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten gebunden, der die Meinungsfreiheit garantiert. Je tiefer die Trump-Regierung in Krieg, Polizeistaat und Ausbeutung verstrickt ist, desto weniger kann sie zulassen, dass sich Widerstand dagegen regt.

An den WikiLeaks-Gründer gerichtet, erklärte Pompeo: „Auf Julian Assange findet der erste Verfassungszusatz keine Anwendung.Assange hatte am 11. April WikiLeaks in einem Gastbeitrag für die Washington Post verteidigt und damit Pompeos Tirade ausgelöst. In den USA drohen dem Whistleblower die strafrechtliche Verfolgung und sogar Ermordung. Assange hält sich deshalb immer noch in der ecuadorianischen Botschaft in London auf, wo er seit 2012 Zuflucht sucht.

Pompeo sagte in seiner Rede: „Wir haben erkannt, dass wir nicht länger zulassen können, dass Assange und seine Kollegen die Meinungsfreiheit gegen uns ausnutzen. Wenn wir zulassen, dass sie Geheimnisverrat nutzen, um uns zu vernichten, dann wird der Sinn unsrer großartigen Verfassung ins Gegenteil verkehrt. Das muss aufhören.

Pompeo ist Leiter einer Organisation, die auf eine einmalige Bilanz an Kriminalität, Gesetzlosigkeit und Mord zurückblickt. Im Verlaufe ihrer 69-jährigen Geschichte hat die CIA-Attentate und Staatsstreiche organisiert, faschistische Todesschwadronen trainiert und bewaffnet und mit Diktatoren zusammengearbeitet. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hat sie ein globales Netz geheimer Folterkammern angelegt, das ein ganz neues Vokabular entstehen ließ. Dazu gehören Begriffe wie zum Beispiel „außerordentliche Überstellungen“, „verschärfte Befragung“ oder „rektale Rehydration“. Die Zahl der Menschen, die von der CIA und ihren Handlangern in all den Jahren getötet wurden, geht in die Millionen.

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KEIN KAPITALISMUS IST AUCH KEINE LÖSUNG


Die Krise der heutigen Ökonomie oder

Was wir von Adam Smith, Karl Marx und John Maynard Keynes lernen können

Eine ausf. Buchvorstellung mit Leseprobe und Video-Mitschnitt eines Vortrages

Ulrike Herrmann (* 13. Januar 1964 in Hamburg) ist eine deutsche Wirtschaftsjournalistin und Publizistin. Nach einer abgeschlossenen Lehre als Bankkauffrau absolvierte Herrmann die Henri-Nannen-Schule. Anschließend studierte sie Geschichte mit Schwerpunkt Wirtschaftsgeschichte und Philosophie an der Freien Universität Berlin. Eine Mitarbeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Körber-Stiftung und die Tätigkeit als Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager schlossen sich an. Seit 2000 ist Herrmann Redakteurin bei der Berliner taz. Dort war sie zunächst Leiterin der Meinungsredaktion und Parlamentskorrespondentin, seit 2006 ist sie Wirtschaftskorrespondentin.

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2010 veröffentlichte Ulrike Hermann das Buch "Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht." Herrmann stellt dar, inwiefern ihrer Auffassung nach die Mittelschicht in Deutschland hinsichtlich ihrer Rolle in der Gesellschaft einem politisch, durch Lobbyisten und Medien geförderten „Selbstbetrug“ unterliegt, bei dem sie sich selbst dünkelhaft als Teil der privilegierten und sozial abgeschotteten Elite im Bündnis mit der „Oberschicht“ betrachtet. Sie sieht sich dabei zugleich als Zahlmeister für die propagandistisch als „Sozialschmarotzer“ diffamierte „Unterschicht“, in die aber ein immer größer werdender Teil der Mittelschicht abzurutschen droht.

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Türkei: Dieses Referendum genießt keine Legitimität.


AKP-Wahnsinn muss gestoppt werden.

Presseerklärung von NAV-DEM

erdogan_terrorist_recep_tayyip_despot_despotismus_autokratie_turkey_tuerkei_menschenrechte_frauenrechte_partisi_akp_todesstrafe_referendum_kalifat_neofaschismus.jpg Heute wurde in der Türkei über die Verfassungsänderung und die Einführung des Präsidialsystems abgestimmt. Die vorläufigen Ergebnisse besagen, dass etwas mehr als 50% der Bevölkerung für ein „Ja“ gestimmt hat.

Von Anfang an war klar, wir haben es hier mit keinen Referendum unter fairen demokratischen Bedingungen zu tun. Die Menschen haben in einem Land, in dem die kurdischen Gebiete vom Krieg geprägt sind ihre Stimmen abgegeben. Seit Mitte letzten Jahres hat sich dieser Krieg auf das gesamte Land ausgeweitet. Seitdem wird die Türkei vom türkischen Staatspräsidenten Erdoğan diktatorisch im Ausnahmezustand regiert. 

Abgeordnete und Funktionäre der HDP sitzen zu tausenden hinter den Gittern, die kurdischen Stadtverwaltungen wurden unter Zwangsverwaltungen gestellt und die gesamte Bevölkerung mit einer noch nie dagewesenen Repressionswelle überzogen. Und trotz alledem haben die Menschen in den überwiegend kurdischen Provinzen der Türkei mit durchschnittlich etwa 70% für ein „Nein“ eine klare Haltung gegen Erdoğan und sein diktatoriales Regime eingenommen.

Besonders im letzten Jahr hat der AKP-Staat unter dem Vorwand der „Terrorismusbekämpfung“ Opposition verschiedenster Couleurs  einzuschüchtern versucht, sei es durch massenhafte Inhaftierung, Entlassungen, Drohungen, wirtschaftliche Sanktionen, Folter und vieles mehr. Es herrscht ein Regime der Angst.  Neben diesen Repressionen gab es eine breit angelegte psychologische Manipulation durch gleichgeschaltete Medien, die 24-Stunden lang die Propaganda der AKP ausgestrahlt haben.

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Wird die Türkei eine Präsidialdiktatur? Schicksalstag: 16. April 2017

von Bernd Drücke

Der 16. April 2017 wird für die Menschen in der Türkei zum Schicksalstag. An diesem Ostersonntag werden die Weichen für die weiteren Entwicklungen der türkischen Gesellschaft gestellt. Werden die 58 Millionen wahlberechtigten, türkischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, darunter 1,4 Millionen Menschen mit türkischem Pass in Deutschland, an diesem Tag mehrheitlich Evet (Ja) oder Hayir (Nein) zu dem vom AKP-Regime geplanten "Präsidialsystem" sagen?

Bei einem "Evet" wäre der türkische Zug Richtung Demokratisierung wohl endgültig entgleist; Erdoğan würde de facto zu einer Art "Sultan", womöglich als Präsident auf Lebenszeit. Anders als die Präsidialsysteme in den USA und Frankreich, kennt das von der AKP geplante "Präsidialsystem" keine demokratische Gewaltenteilung oder parlamentarische Kontrolle. Der türkische Präsident bekäme in diesem autokratischen System auch die Macht u.a. über Gerichte, Polizei, Militär und Parlament. Die Folgen wären katastrophal:

Der seit zwei Jahren wieder brutal entfachte Krieg der zweitgrößten NATO-Armee gegen die kurdischen Arbeiterpartei PKK und die kurdische Bevölkerung im Südosten der Türkei würde weiter intensiviert, die Menschenrechte würden in dieser Autokratie weiter mit Füßen getreten und die Todesstrafe wieder eingeführt. Die Zahl der (momentan 153) inhaftierten Journalistinnen und Journalisten würde womöglich weiter steigen. Die Türkei würde gesellschaftlich einen großen Rückschritt in Richtung Barbarei machen.

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Erdoğan droht den Êzîden im Nordirak mit neuer Militärintervention.

von Peter Schaber für Civaka Azad

Es war Anfang April, als sich der türkische Autokrat Recep Tayyip Erdoğan mit einer Erfolgsmeldung zu Wort meldete: Die Militäroperation im Norden Syriens, die seine Armee im August 2016 unbestreitbar völkerrechtswidrig begonnen hatte, sei zu Ende und man habe alle Ziele erreicht, denn „Daesh“, der Islamische Staat, sei aus al-Bab vertrieben worden. Erdoğans Einschätzung verschwieg, dass das eigentliche Ziel des Einmarsches allerdings keineswegs die Eroberung al-Babs gewesen war.

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Vielmehr bezweckte die AKP-Regierung in Ankara die Schwächung der Föderation Nordsyrien und der Volksverteidigungseinheiten YPG/YPJ, weil sie sich dadurch eine Schwächung der kurdischen Bewegung rund um die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Südosten des eigenen Landes erhoffte. Der Einsatz der türkischen Streitkräfte verfehlte dieses Ziel aber nicht nur, politisch ging die kurdische Selbstverwaltung in Rojava sogar gestärkt aus dem Angriff hervor.

Von Moskau bis Washington, von Teheran bis Damaskus war man sich nicht in vielem einig, aber ein taktisches Übereinkommen traf man doch: Niemand wollte die türkische Besatzungsmacht und ihre dschihadistischen Verbündeten nach Minbic (Manbidsch) oder ar-Raqqa (Rakka) marschieren sehen.

Erdoğan also scheiterte auf ganzer Linie, während sich an die Ideen des PKK-Gründers Abdullah Öcalan anknüpfende Rätestrukturen weiter und weiter ausbreiteten. [Erg. ADMIN H.S.: siehe diverse PdF-Anhänge!] So konnte die „Erfolgsmeldung“ Anfang April nicht ohne Ankündigung neuer Angriffskriege bleiben. Der türkische Präsident drohte den „Terroristen“ von YPG und PKK, ohne genaue Marschziele zu nennen. In einem späteren Interview konkretisierte Erdoğan seine Ziele und nannte Tal Afar, Mossul und den Shengal (Sindschar) als Gebiete, für die die Türkei eine „Verantwortung“ habe.

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"Erlebende" oder "Opfer"? Zur Debatte um die Verharmlosung sexualisierter Gewalt.

von Kerstin Wilhelms-Zywocki

In dieser Ausgabe der Graswurzelrevolution [GWR 418] wird die Debatte um den Vorschlag der feministischen Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal [s. Foto] dokumentiert, Opfer von sexualisierter Gewalt als "Erlebende" sexualisierter Gewalt zu bezeichnen.

Die Gruppe "Störenfriedas" veröffentlicht einen offenen Brief zu diesem Vorschlag und Sanyal erhält die Möglichkeit, diesen offenen Brief zu kommentieren. Es geht mir an dieser Stelle nicht darum, Partei zu beziehen oder den Leser_innen gar die 'richtige' Seite in dieser Kontroverse aufzuzeigen. Vielmehr möchte ich lediglich ausführen, warum es überhaupt wichtig ist, sich über solche Wortverwendungen Gedanken zu machen.

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Es geht um die äußerst schwierige Suche nach einer Sprache mit und über Menschen, die etwas Traumatisches erlebt haben: Wie können insbesondere diejenigen, die eine derartige Erfahrung zum Glück nicht machen mussten, respektvoll und solidarisch mit und über durch sexualisierte Gewalt Traumatisierte sprechen?

► Sprache und Macht

Sprache ist ein mächtiges Instrument. Sprache legt fest, wie wir denken, wie wir unsere gemeinsame Wahrnehmung der Wirklichkeit aushandeln und was wir überhaupt fühlen, wahrnehmen, erinnern, etc. können.

Weil Sprache so machtvoll ist, steht sie auch stets zur Verhandlung: Wörter bekommen eine neue Bedeutung, werden in andere Sprachen übernommen oder es werden neue Begriffe erfunden, wenn die alten Bezeichnungen nicht mehr tragfähig sind. Dass wir z.B. von "Geflüchteten" sprechen statt von "Flüchtlingen", von "Leser_innen" statt von Lesern usw. hat mit diesem Prozess zu tun und ist nicht trivial. Denn insbesondere die Art und Weise, wie wir über andere Menschen sprechen, weist diesen Menschen ihren Ort in unserer Gesellschaft zu, verleiht ihnen Handlungsmacht und entscheidet darüber, ob sie angehört und ernstgenommen werden.

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Das Arbeitsrecht erodiert von innen heraus

Wie das kollektive Arbeitsrecht systematisch aus dem Studium herausgehalten wird

Beispiel Studiengänge BWL und Jura

von Laurenz Nurk, Dortmund

abstimmung_mitbestimmung_aktives_wahlrecht_freie_wahlen_demokratie_kritisches_netzwerk_arbeitnehmerrechte_betriebsrat_aufsichtsrat_arbeitnehmermitbestimmung.jpg Die Mitbestimmung von Beschäftigten in Unternehmen wird nach einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie in Studiengängen der Betriebswirtschaftslehre nur sehr stiefmütterlich behandelt. Die Mitbestimmung von Beschäftigten prägt die Unternehmenskultur und muss für die Entscheidungen im Alltag in Betrieben absoluten Vorrang haben, aber in der Ausbildung angehender Manager kommt sie aber nur am Rande vor. Wenn in der Ausbildung junger Menschen demokratische Prinzipien im Arbeitsleben derart ausgeblendet werden, wird die weitere Einschränkung von Arbeitnehmerrechten in den Betrieben in Zukunft noch einfacher werden.

In den Jura-Studiengängen ist seit einigen Jahren auch zu beobachten, dass die Sichtweise viel stärker in Richtung auf vertragsrechtliches Denken ausgerichtet ist. Man ist der Meinung, dass Arbeitsverträge ganz normale Verträge wie alle anderen auch sind und sie auch genauso behandelt werden müssen. Weiter kann man beobachten, dass eine eigenständige Arbeitsrechtsprofessur kaum noch vertreten ist.

► Betriebswirtschaftslehre (BWL)

Das Studienfach BWL ist unter jungen Menschen derzeit überaus beliebt. Mehr als 300.000 angehende Wirtschaftswissenschaftler haben im Studium einen BWL-Schwerpunkt und werden gerne von den Unternehmen als zukünftige Manager umworben.

Den einzelnen Unternehmen ist bewusst, dass es ohne konstruktives Miteinander zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht mehr funktioniert und dass die Einbeziehung und Mitbestimmung der Beschäftigten auch für den geordneten Ablauf der Produktion eine Voraussetzung ist, zeigt eine Untersuchung von Prof. Dr. Martin Allespach und Birgita Dusse von der "Europäischen Akademie der Arbeit" (AdA) in Frankfurt., dass in den Ausbildungsgängen für Manager die Mitbestimmung meist ein „blinder Fleck“ ist. Die Wissenschaftler haben die Ausbildungsinhalte von mehr als 50 Studiengängen an 25 Hochschulen, darunter die zehn größten Universitäten, analysiert. Dabei haben sie nicht nur nach Lehreinheiten zum Thema Mitbestimmung gesucht, sondern genauer hingeschaut ob Betriebsräte, Betriebsverfassung und kollektives Arbeitsrecht im Studium vorkommen.

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Bilanz der Großen Koalition 2013 – 2017. wirtschaftsinfo 51

von Fred Schmid, Conrad Schuhler, Tobias Weißert - isw München

fred_schmid_conrad_schuhler_tobias_weissert_bilanz_der_grossen_koalition_2013_2017_isw_muenchen_kritisches_netzwerk_wirtschaftsinfo_51_altersarmut_reichtum_franz_garnreiter_mindestlohn.pngDas isw-wirtschaftsinfo betrachtet in dieser Ausgabe nicht nur den Vorjahreszeitraum und gibt einen Ausblick auf das laufende Jahr, sondern zieht auch eine Bilanz der Großen Koalition von 2013 bis 2017.

In 15 Einzelkapiteln – von Armut/Schulden über Einkommensverteilung, Gewinne/Profite, Investitionen, Löhne, … bis zu Vorstandsbezüge und Vermögen/Reichtum – wird die wirtschaftliche und soziale Situation untersucht. Anschaulich aufbereitet mit zahlreichen Grafiken. Einige Schlagzeilen: Deutsche Exportüberschüsse: Munition für einen Handelskrieg / Lohnsteuerzahler und Verbraucher: Goldesel und Melkkuh des Fiskus / Wachsende Armut trotz steigender Beschäftigung / Entzaubertes „Jobwunder“. Normalarbeitsverhältnisse erodieren.

Eine Fülle von Fakten & Argumenten für die Diskussion in Betrieb, Gewerkschaft und Gesellschaft. Mit einem 10-seitigen Extra: „Renten in Deutschland: Die Altersarmut ist sicher“. Und: Conrad Schuhler beschäftigt mit der Frage „Große Koalition – kommt es zum Wechsel“.

► Fred Schmid, Franz Garnreiter

    Sozialprodukt, Wachstum: Flüchtlinge tragen zu höherem Wachstum bei

    Produktivität, Arbeitszeit, Arbeitskosten: Das Produktivitäts-Paradoxon

    Preise: Rückkehr der Inflation?!

    Außenhandel: Deutsche Exportüberschüsse: Munition für einen Handelskrieg

    Einkommensverteilung: Permanente Verteilungsverluste für Arbeitnehmer

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Der Antichrist steht wieder auf. Beklemmende Osterbotschaft aus Berlin

von Wolfgang Blaschka, München

antichrist_widerchrist_endchrist_jesus_christi_kreuzestod_osterbotschaft_ostern_kritisches_netzwerk_christliche_werte_urbi_et_orbi_false_messiah_christian_fascists_anti-christian_sentiment.jpgDie Christen in aller Welt fasten und beten am Karfreitag, stumm die Katholiken, freudig die Protestanten. Die sehen im Gedenken an Christi Kreuzestod die Überwindung des Leides und des Todes, und feiern die finale Erlösung als ihren höchsten Feiertag. Frau Merkel geilt sich derweil am Krieg auf, lobt den Bruch des Völkerrechts mittels Raketenangriffen, feuert Trump an, zuerst Assad zu stürzen noch vor dem IS, und überlässt Christen in Syrien getrost ihrem Schicksal nach eiligst herbei gesehntem "Regimewechsel".

Bereits seit vor-islamischen Zeiten existieren in Syrien christliche Gemeinden. Heute gehören etwa zehn Prozent der Bevölkerung mehreren christlichen Religionsgemeinschaften an. Neben Alawiten, Drusen, Jesiden und Kurden diverser ideologischer und religiöser Bekenntnisse bilden sie zusammen jene Minderheiten, welche die präsidentielle Regierung Baschar al-Assads als Garanten eines säkularen Staatswesens betrachten und mehrheitlich politisch mittragen, trotz aller Differenzen und Probleme, die sie mit dem autoritären Präsidenten und dessen Baath-Partei haben und austragen mögen.

Würde diese Regierung stürzen, käme nicht eine demokratische nach, sondern die Terrorherrschaft diverser islamistischer Kräfte, die sich teilweise zwar selbst nicht grün sind, in Einem jedoch völlig einig: den Ungläubigen soll die Unterwerfung unter ihr System, ihre Glaubensauslegung, ihre Rechtsordnung, die Scharia abgepresst werden, notfalls mit brutaler Gewalt und Todesdrohung. Ein Kalifat der terroristischen Sorte soll entstehen: Wer dem Propheten nicht freiwillig und reumütig huldigt, dem ist das sichere Ende vorausgesagt oder die panische Flucht vor Zwangskonversion gewiss oder aber Versklavung, Steinigung, Köpfung und was der selbsterfüllenden Prophezeiungen mehr sind.

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Immer mehr Suizidversuche von Flüchtlingen

von Carola Kleinert / wsws.org

Die brutale Abschiebepolitik des Bundes und der Länder treibt immer mehr Flüchtlinge in den Selbstmord. Mitte März dieses Jahres berichtete der WDR, dass nach offiziellen Zahlen 433 Flüchtlinge in den Jahren 2014 bis 2016 versuchten, sich das Leben zu nehmen. Neunzehn Menschen kamen zu Tode. In Wahrheit sind die Zahlen um ein Vielfaches höher. Zum einen erheben nur wenige Bundesländer überhaupt eine Statistik über Suizide und Suizidversuche. Zum anderen beruhen die vorliegenden Daten meist nur auf Einzelfallerkenntnissen oder einer Auswertung der Polizeistatistik.

Allein in Bayern haben im letzten Jahr 162 Flüchtlinge einen Suizidversuch unternommen, so die Süddeutsche Zeitung Anfang April. Laut der asylpolitischen Sprecherin der Grünen, Christine Kamm, ist dies mehr als eine Verdreifachung gegenüber den Vorjahren. Darunter befanden sich 43 Menschen aus Afghanistan.

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Seit vergangenem Dezember hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière Sammelabschiebungen in das kriegsverwüstete Afghanistan durchgesetzt. Seitdem machen sich Verzweiflung und Angst unter den Zehntausenden in Deutschland lebenden Afghanen breit, die in der Vergangenheit wegen der anhaltenden Kriegssituation in ihrer Heimat zumindest Schutzstatus bekamen.

Die Asylbehörde (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, BAMF) verschickt inzwischen wie am Fließband und unterschiedslos Ablehnungsbescheide, die auch Afghanen treffen, die schon länger in Deutschland leben.

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Stellungnahme zu den jüngsten Giftgasangriffen in Khan Sheichun

Hände weg von Syrien - Bündnis gegen Krieg (Wien, Hamburg, Basel)

Anfangs April 2017 erreichen uns Meldungen über „einen erneuten Giftgasangriff“ in Syrien. Diesmal sei die Stadt Khan Sheichun in der Provinz Idlib angegriffen worden. Wie schon Jahre zuvor in Ghouta könne auch hier nicht eindeutig verifiziert werden, wer für die Angriffe verantwortlich sei.

Gleichwohl ist die westliche Medienlandschaft (wie seit Beginn der Ereignisse in Syrien) mit Schuldzuweisungen schnell zur Hand: Von „BILD“ bis „SPIEGEL“, von der Tagesschau bis hin zu den Boulevardblättern, die überall umsonst zu haben sind, sind die Meinungen gemacht: Schuld hat einmal mehr Baschar al-Assad, die Syrische Armee, Russland und die „Verbündeten des Regimes“.

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Eigentlich sollte zu erwarten sein, dass sich die MedienkonsumentInnen des Westens nun endlich mal empören; nicht wie ihnen vorgeschrieben wird, gegen Präsident Assad und die Regierung Syriens, sondern gegen diese unsägliche Diffamierung und Hetze gegen einen souveränen Staat und dessen Regierung.

Die EU dirigiert diesen Chor der allgemeinen Hetze gegen Syrien. Zum Beispiel die EU-Aussenbeauftragte, Frederica Mogherini: Sie ließ sinngemäß verlauten: „Schuld sei auf jeden Fall die Regierung von Damaskus, denn jede Regierung habe die Pflicht, ihr Volk zu schützen und dies tue die Regierung Syriens unter Assad nicht“.

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David Koch & Charles Koch, Förderer des Neoliberalismus

Sie fluten Wahlkämpfe, kaufen Politiker und päppeln immer neue „Chicago Boys“ auf

von Laurenz Nurk, Dortmund

Mit ihrem 86 Milliarden Dollar Privatvermögen gehören sie zu den reichsten Menschen auf dieser Welt. Ihnen gehört die zweitgrößte Privatfirma in den USA mit 70.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von zuletzt 115 Milliarden Dollar. Selbst in den USA kennt kaum jemand: Charles de Ganahl Koch und David Hamilton Koch, die aggressiven Strippenzieher, die hinter den Kulissen ihre eigene Demokratie zurechtkaufen.

Sie fluten Wahlkämpfe mit ihren vielen Geldern. Sie setzen überall, wo es möglich ist, ihre Leute durch, damit sich ihre simple Ideologie durchsetzt, die da lautet: möglichst weit weg mit dem Staat, der sowieso nur alles reglementiert, besteuert und verschwendet. Her mit dem freien Markt, auf dem sich der durchsetzt, der stark ist.

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An den Kochs zeigt sich, dass in den USA die politischen Parteien mehr und mehr als Hauptakteure bei der Mobilisierung vor Wahlen abdanken und solche Menschen, wie dieses finanzkräftige Brüderpaar, den Weg für schlagkräftige Lobby-Organisationen freimachen und sie damit die Wahlen von den Kommunen bis in die Bundesebene beeinflussen können.

Mit der unglaublich hohen Konzentration von Kapital wurde in den letzten Jahrzehnten eine immer größere wirtschaftliche und politische Macht in den Händen immer weniger Einzelpersonen übertragen. Wer diese Personen sind, ist nur teilweise bekannt. In Deutschland sind das die z.B. die Familien Claudio Zichy-Thyssen (Thyssen) [Erg. ADMIN H.S.: 1995 kündigten Claudio und Federico Zichy-Thyssen ihren Rückzug aus dem Unternehmen Thyssen AG an und verkauften ihren Anteil (15,38 %) an die Commerzbank AG. Seit dem Ausscheiden der beiden Grafen aus dem Aufsichtsrat der Thyssen AG am 22. März 1997 gibt es keine Beteiligung mehr von Nachkommen des Unternehmensgründers am Unternehmen.], Familie Henkel (Henkel), Familie Quandt (BMW), Familie Albrecht (Aldi) oder Otto Beisheim (Metro).

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Mal eben kurz bombardieren: Der US-Präsident versprüht sein Gift

von Wolfgang Blaschka, München

democracy_demokratie_kriegsverbrechen_voelkerrecht_imperialismus_exzeptionalismus_cia_kritisches_netzwerk_nato_american_exceptionalism_war_crime_crimes_syrien_syria_iraq.gifDonald Trump hat ein feines Näschen: Er riecht sofort den Unterschied zwischen Sarin und Chlorgas. Ersteres ist verboten und wurde auf Anregung Moskaus unter Aufsicht der UN spätestens 2014 vernichtet. Letzteres gibt es in Syrien wie überall auf der Welt zuhauf, weil es nicht verboten ist, da es auch zu zivilen Zwecken genutzt wird. Russlands Regierung hatte bereits kurz nach der tödlichen Kontamination von mindestens 72 Menschen, darunter vielen Kindern, von einem Angriff der syrischen Luftwaffe auf eine Munitionsfabrik am Rande von Chan Schaichun berichtet, die in den Händen von Rebellen betrieben worden war. An welcher Sorte tödlichen Gases die syrischen Zivilisten gestorben sind, ist noch nicht analysiert. Das spielt für die US-Regierung auch keine Rolle.

Hauptsache, die fiese Gleichung "Assad wirft Giftgas" geht irgendwie auf und verfängt assoziativ. Sogleich wird "gegengesprüht" mit 59 Marschflugkörpern des Typs Tomahawk auf den Luftwaffenstützpunkt Shayrat Airbase, der als Ausgangspunkt der Bombardierung vermutet wird.

Damit hat der US-Präsident die Nase wieder voll im Wind der harten Pentagon-Linie, und steht als "starker Mann" da, dem auch Hillary Clinton applaudiert. Noch vor kurzem hatte sein US-Außenminister Rex Tillerson gönnerhaft erklärt, das Schicksal Baschar al-Assads sei nun "Sache des syrischen Volkes".

Dem war freilich nie so, seitdem die USA die dschihadistischen "Rebellen" finanziell und waffentechnisch in den Stand versetzt und ermuntert hatten, die legitime Regierung Assad zu stürzen, nachdem sie durch den Sturz Saddam Husseins im Irak bereits dem "Islamischen Staat" auf die Beine geholfen hatten, welcher sich mit massiver US-verbündeter Unterstützung aus den Golfstaaten nach Syrien ausbreiten konnte. Die kurze Linien-Abweichung war schnellstens wieder korrigiert.

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Dr. Daniele Ganser in Köln: Hinter den Kulissen. Was in Syrien wirklich passiert.

von KN-Red.

Der  Historiker Dr. Daniele Ganser nahm den seit 2011 laufenden Krieg in Syrien zum Anlass, um detailliert die Funktionsweise von Kriegspropaganda zu beleuchten. Anhand diverser Beispiele für sogenannte „Fake News“ erklärte er Mechanismen des politischen Framings. Er zeigte, wie und warum die eigentlichen Gründe für Konflikte, die seiner Meinung nach oft im Zusammenhang mit knappen Energieressourcen stehen, weder von den Verursachern noch von den Medien korrekt benannt werden.

Die Fokussierung auf die rein militärische Terrorismusbekämpfung greife zu kurz, so Ganser, und ziele sogar absichtlich daneben, um die wahren Ursachen der zahlreichen „illegalen Kriege“ der NATO zu verschleiern.

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Der Historiker war am 21. März 2017 in Köln und referierte erfreulich erfrischend und fesselnd, blieb dabei stets bei den nachweisbaren Tatsachen und machte auch deutlich, dass eine effektive Bekämpfung des ernst zu nehmenden Terrorismus durchaus notwendig ist, heute aber aufgrund der aufgeworfenen Probleme nicht stattfindet.

Im Anschluss seiner Präsentation stellte sich Dr. Ganser noch 20 Minuten lang den Fragen des engagierten Publikums. 600 interessierte Bürger verfolgten seinen 90-minütigen Vortrag.

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Berliner Studentenwerk setzt Bundeswehr-Werbung aus

von Iason Stolpe / wsws.org

Auf seiner letzten Sitzung am 9. März hat der Verwaltungsrat des Studentenwerkes Berlin [StuWe] beschlossen, bis auf Weiteres keine Werbung der Bundeswehr an den Berliner Unis mehr zu schalten. Auf der nächsten Sitzung im Juli soll dann endgültig darüber entschieden werden. Zuvor hatten sich zahlreiche Studierendenvertretungen der Humboldt-Universität (HU) und der Freien Universität (FU) Berlin für ein Verbot von Werbung der Bundeswehr und zu militärischen Zwecken in den Einrichtungen der Berliner Universitäten ausgesprochen.

Anlass für die Entscheidung war eine Werbekampagne für den Sanitätsdienst der Bundeswehr, die im vergangenen November und Dezember in der Mensa des Campus Nord der HU geschaltet worden war. Der Campus liegt direkt an der Universitätsklinik Charité, weshalb die dortige Mensa von vielen Medizinstudenten besucht wird.

Ein Großteil der Studierendenschaft des betroffenen Campus hatte sich gegen die gezeigte Werbung gestellt. Daraufhin hatte die Hochschulgruppe der "International Youth and Students for Social Equality" (IYSSE) an der HU im Studierendenparlament (StuPa) einen Antrag gegen Bundeswehr-Werbung an den Berliner Unis eingebracht, der schließlich im November mit großer Mehrheit verabschiedet wurde.

Der Verwaltungsrat ist das oberste Entscheidungsorgan des StuWe, das in Berlin nicht nur Mensen und Studierendenwohnheime, sondern auch das BAföG und viele Beratungseinrichtungen für die Studierendenschaft betreibt. Halbjährig zusammenkommend, besteht er aus vierzehn Mitgliedern: zur einen Hälfte aus studentischen Vertretern der Berliner Hochschulen und zur anderen aus Offiziellen seitens des Berliner Senats, der Hochschulleitungen und des StuWe.

Wie Teilnehmer der Sitzung gegenüber der WSWS berichteten, stellten die studentischen Vertreter einen Antrag, in dem sie erfragten, welche Einnahmen das StuWe durch die gezeigte Bundeswehrwerbung erzielt habe. Außerdem zitierten sie den Beschluss des StuPa der HU, in dem es heißt: „Das Studierendenparlament lehnt jede Form der Werbung für die Bundeswehr an unserer Hochschule ab und fordert das Studentenwerk Berlin und die Universitätsleitung auf, keine Werbemaßnahmen der Bundeswehr auf dem Campus der HU zuzulassen.

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Die Finanzkrake BlackRock – da spielt die Musik

von Laurenz Nurk, Dortmund

heike_buchter_black_rock_eine_heimliche_weltmacht_greift_nach_unserem_geld_kritisches_netzwerk_finanzkrake_krake_fondsgesellschaft_schattenbank_larry_fink_vermoegensverwalter.jpgLange Zeit war der Einfluss der großen Vermögensverwaltungsfonds den meisten Menschen hierzulande nicht bekannt. Mittlerweile sind die Informationen über das Volumen der Kundengelder bei den Fondsgesellschaften, ihre Geschäftspraktiken, ihren Besitz bzw. Anteil an Banken, Versicherungen, Medienhäusern, Aktien- und Anleiheverwaltungen und Konzernen bekannt geworden.

Ihre Einflussmöglichkeiten in Politik und Gesellschaft sind dementsprechend riesengroß und sie konzentrieren sich mit einem Geflecht an Firmenbeteiligungen in ein schockierendes Ausmaß ökonomischer Macht. Es ist einfach beängstigend, was da abläuft.

Seit den 1980er Jahren werden die Finanzmärkte zunehmend liberalisiert. Die staatlichen Kontroll- und Steuerungsmechanismen sind systematisch zurückgedrängt worden, mit der Folge, dass am Ende dieses Prozesses private Monopole stehen, die mächtiger sind als jede Nationalbank vor 50 Jahren.

In den 1960er und 70er Jahren war es noch so, dass die öffentlichen Banken mit Hilfe der Nationalbanken die Kapitalströme in die strategisch wichtigsten Sektoren der Wirtschaft leiteten. Sie richteten sich an den Erfordernissen der Gesamtwirtschaft aus und unterstanden der Kontrolle durch die Öffentlichkeit.

Die neu entstandenen Monopole hingegen orientieren sich ausschließlich am Profit. Unter Umgehung der Kartellgesetze machen sie ihre Milliardengeschäfte, ohne irgendwelchen Kontrollen zu unterliegen. Scheinbar unbegrenzt sprudelt das Kapital in die Fondsgesellschaften von vermögenden Individuen, Familien, Stiftungen, aber auch von sogenannten institutionellen Investoren wie Pensionsfonds, Versicherungen sowie die großen Staatsfonds erdölexportierender Länder.

Die Fondsgesellschaften betreiben einerseits Indexfonds, deren Firmenbeteiligung genau einen Börsenindex widerspiegeln, wie bei uns den DAX. Sie beschäftigen sich andererseits auch mit strategischen Investment, um in gewissen Branchen eine marktbeherrschende  Position zu erhalten. So ein strategisches Investment ist z.B. die Übernahme des Chemiekonzerns Monsanto durch den deutschen Riesen Bayer AG. Für 59 Milliarden Dollar Kaufpreis soll der größte Agrarchemiekonzern der Welt entstehen.

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Make Amazon Pay! Wir sind keine Maschinen.

Ein Aktionsvorschlag zur Diskussion gestellt

von Freund*innen der Selbstbestimmung

amazon_nein_danke_monopolstellung_alexa_sklavenarbeit_ausbeutung_kritisches_netzwerk_eco_app_rotraut_susanne_berner_packer_picker_jeffrey_jeff_preston_bezos_menschenverachtung_boykott.gif Wir haben einen praktischen Vorschlag zur Unterstützung der streikenden Amazon-Belegschaft gegen die algorithmische Fremdbestimmung ihrer Arbeit. Längst geht es den kämpfenden Mitarbeiter*innen nicht mehr allein um die Durchsetzung eines Einzelhandelstarifs, statt der Anlehnung der Bezahlung an niedrigere Logistik-Löhne. Längst stehen bei dem seit nunmehr vier Jahren andauernden Arbeitskampf die Arbeitsbedingungen selbst im Fokus der Auseinandersetzung: Amazons lernende Lagersoftware schreibt Tempo und Ablauf aller Arbeitsschritte bis ins kleinste Detail vorsogar in der Verwaltung.

Bei Amazon ist die vollständige Enteignung des Arbeitsprozesses unter Einsatz modernster Technologie Programm. Sie gibt einen Vorgeschmack auf maschinell optimierte menschliche Arbeit in der anstehenden „vierten industriellen Revolution“ die weit mehr umfasst als die sogenannte Industrie 4.0.

► Unser Aktionsvorschlag: offen-offensiv  

Zeitgleich zum Streik rund um den vorweihnachtlichen Black-Friday am 24. November 2017, Amazons zentralem Schnäppchen-Tag, blockieren wir einen Amazon-Standort. Hier bietet sich z.B. das Innenstadt-Verteilzentrum im Berliner Kudamm-Karree an. Amazon garantiert Berliner*innen eine Zustellung der dort lagernden Produkte innerhalb von zwei Stunden (für Prime-Kunden sogar innerhalb einer Stunde). Eine in den engen Seitenstraßen angreifbare Garantie!

Begleitet von weiteren analogen und digitalen Widerständen lässt sich vielleicht die fortwährende Ignoranz von Amazon Chef Jeff Bezos gegenüber seinen Mitarbeiter*innen und anderen Kritiker*innen aufbrechen. In der gesamten Woche vom 20. bis 26. November rund um den Black Friday gibt es immer wieder „Schnäppchen Deals“ und damit täglich ein spürbar erhöhtes Aufkommen an Bestellungen und Auslieferungen – das sollte unsere Aktionswoche sein! Und so könnte sie aussehen:

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Deutsche Klimapolitik

Verantwortungslosigkeit und totales Versagen

von Franz Garnreiter / Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

Vor zwei Wochen veröffentlichte das Umweltbundesamt (UBA) den vorläufigen Bericht über die Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen in Deutschland bis 2016. Während die Bundesregierung penetrantes Selbstlob als angebliche Klimaschutz-Vorkämpferin betreibt, verzeichnet das UBA (dem Umweltministerium zugeordnet) sogar einen Anstieg des Klimagasausstoßes: von 902 im Vorjahr auf 906 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente in 2016 (CO2-Äquivalente: Methan und die weiteren Treibhausgase werden hinsichtlich ihrer Wirkung wie Kohlendioxidmengen bewertet und mit diesem Haupt-Klimagas addiert).

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Vor allem der Verkehr trägt zu diesem verheerenden Ergebnis bei: plus 5,4 Mio. Tonnen gegenüber 2015, sogar 2 Mio. Tonnen mehr als 1990: „So lange wir den Verkehrssektor in Deutschland umweltschädlich mit 28,6 Mrd. Euro pro Jahr subventionieren, wird sich an dieser Entwicklung nichts ändern“, kommentiert die UBA-Präsidentin Maria Krautzberger.

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Russischer „Informationskrieg“ angebl. schuld an sozialer Unzufriedenheit

Anhörung im US-Senatsausschuss

von Joseph Kishore / wsws.org

Am Donnerstag fand eine Anhörung des Geheimdienstausschusses des amerikanischen Senats statt, bei dem es um Moskaus angebliche Einflussnahme auf die Präsidentschaftswahl ging. Die Hysterie gegen Russland, die die amerikanischen Medien und große Teile des politischen Establishments schon das ganze letzte Jahr über geschürt hatten, erreichte dabei ein neues Ausmaß.

Seit Trumps Amtseinführung vor über zwei Monaten erheben vor allem die Demokraten den haltlosen Vorwurf, Russland habe die amerikanischen Wahlen „gehackt“. Der Vorwurf dient zwei miteinander verbundenen Zwecken. Einerseits versuchen die Demokraten, den massiven Widerstand gegen die Trump-Regierung einzudämmen, ihn auf ihre eigenen Mühlen zu lenken und zu verhindern, dass er sich zu einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse entwickelt. Andererseits wollen sie die Außenpolitik der Trump-Regierung „korrigieren“ und sie auf die Kampagne gegen Russland ausrichten. Dieses Ziel unterstützen auch die CIA und bestimmende Teile des Militärs.

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Es sind solche Erwägungen, die die offizielle Debatte in Washington nach wie vor dominieren. Am Freitag nannte Verteidigungsminister James Mattis Russland einen „strategischen Konkurrenten“ der USA. Er verurteilte das russische Vorgehen auf der Krim und in Osteuropa und drohte mit Vergeltung für Russlands angebliche Verletzung der INF-Verträge über die nukleare Mittelstreckenwaffen. Diese Äußerungen sind nur das jüngste Anzeichen, dass die Trump-Regierung im Prinzip bereit ist, sich der Forderung nach einer härteren Haltung gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu fügen.

Der Geheimdienstausschuss konzentrierte sich bei seiner Anhörung jedoch auf einen anderen Aspekt der anti-russischen Kampagne. Die versammelten Reaktionäre vertraten in ihren Aussagen die Meinung, die politische und soziale Unzufriedenheit in den USA gehe größtenteils auf das heimtückische Vorgehen Russlands zurück. Und die Demokratischen und Republikanischen Ränge wiederholten diese Behauptungen kritiklos.

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Krankenhaus statt Fabrik

Krankenhäuser sollen Einrichtungen der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge sein

von Laurenz Nurk und Bündnis Krankenhaus statt Fabrik

Seit dreizehn Jahren gilt für deutsche Krankenhäuser das Abrechnungssystem der Fallpauschalen (engl. "Diagnosis Related Groups", DRGs). Schon bei Einführung dieses Systems warnten viele Kenner des Gesundheitswesens vor dramatischen Fehlentwicklungen in den Krankenhäusern. Zehn Jahre später wissen wir: Die Warnungen waren berechtigt. In den Krankenhäusern herrschen Personalnot, Über-, Unter- und Fehlversorgung. Bei den Entscheidungen über Behandlungen und Dauer des Krankenhausaufenthaltes wird nicht allein nach medizinischen Kriterien entschieden, sondern immer deutlicher danach, was sich gewinnbringend abrechnen lässt. Immer mehr Krankenhäuser werden privatisiert.

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Das Bündnis »Krankenhaus statt Fabrik« besteht derzeit aus den ver.di-Landesfachbereichen 03 Baden-Württemberg, Berlin-Brandenburg und Nordrhein- Westfalen, dem "Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte" (vdää), attac, der "Soltauer Initiative", der "Gesellschaft für Psychotraumatologie" (DeGPT), "Traumatherapie und Gewaltforschung" (GPTG), sowie einigen Persönlichkeiten aus der Politik, wie Harald Weinberg, Sprecher für Krankenhauspolitik und Gesundheitsökonomie der Fraktion DIE LINKE im Bundestag. Ins Leben gerufen wurde das Bündnis mit einer Tagung im Mai 2015.

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Unser Ziel: Krankenhäuser sollen vor allem Einrichtungen der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge sein, keine Wirtschaftsunternehmen. Krankenhausplanung und -finanzierung sind öffentliche Aufgaben, die politischer Planung und Steuerung bedürfen.

Die deutsche Krankenhauslandschaft wurde in den letzten 20 Jahren zu einem Sektor des Gesundheitsmarktes umgebaut. Die Abschaffung des Selbstkostendeckungsprinzips und die Einführung des Fallpauschalensystems (DRG) ab 2003/04 haben die Krankenhausfinanzierung tiefgreifend verändert. Krankenhäuser werden nicht mehr nach ihrem Bedarf finanziert, sondern durch marktförmige Steuerung auf der Basis eines Festpreissystems. Dafür wurde die kostendeckende Finanzierung über Jahrzehnte ideologisch und politisch delegitimiert. Neoliberale Politik hatte eine simple Antwort auf die medizinisch / pflegerischen und politischen Probleme, die das System der Selbstkostendeckung in seiner konkreten Ausgestaltung hatte: »Mehr ökonomischer Wettbewerb, mehr Markt!« Versprochen wurde in diesem Zusammenhang auch eine Senkung der Krankenhausausgaben.

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Open Society Foundation: Wie George Soros die Welt steuert

von Christian Jakob  

george_soros_billionaire_puppet_master_quantum_strippenzieher_seilschaften_manipulator_funds_hedgefonds_forbes_magazine_kritisches_netzwerk_open_society_foundation_string-puller.jpgGeorge Soros, geboren als György Schwartz im ungarischen Budapest, gilt als einer der reichsten Investoren der Welt. Schon im noch recht jungem Alter von 38 Jahren übernahm Soros mit seinem damaligen Geschäftspartner Jim Rogers einen Investment-Fond (Hedgefonds) in Curaçao. Ebenso seine weiteren gegründeten oder übernommenen Fonds wurden in Offshore-Finanzzentren mit Firmensitzen auf den Niederländischen Antillen oder den Jungferninseln angesiedelt und entzogen sich somit der US-amerikanischen Finanzaufsicht.

Durch Spekulationsgeschäfte auf Aktienkäufe verdiente er 1988 über zwei Millionen US-Dollar mit der französischen Großbank Société Générale, worauf hin er 2006 vor dem höchsten Gericht in Frankreich wegen Insiderwissen erfolgreich verklagt wurde. Solche Geschäftsmodelle sind das grundsätzliche Sinnbild Soros und spiegeln die Art und Weise wieder, wie er zu seinem Vermögen kam. Dieses wird heute auf ca. 25 Mrd. US-Dollar geschätzt. Er wird im Forbes Magazine auf Platz 23 der reichsten Menschen der Welt geführt.

In der Zeit zwischen 1990 und der Verurteilung in Frankreich begann Soros mit Spekulationen auf Landeswährungen, in dem er unter anderem gegen das britische Pfund wettete und tauschte geliehene britische Pfund gegen Deutsche Mark und französische Francs ein. Diese Vorgehensweise wiederholte er wenig später, indem er nachfolgend gegen die D-Mark wettete und deutsche Staatsanleihen gegen französische eintauschte. Durch die aufkommende Immobilien- und Finanzkrise in den USA zog sich Soros aus diversen Märkten zurück und investierte im Gegensatz zu vielen anderen Spekulanten in seine eigenen Fonds. Zwischen 2008 und 2009 zählte Soros durch seine Strategie mit einem Einkommen von 1,1 Mrd. US-Dollar zum erfolgreichsten und bestbezahltem Fondsmanager weltweit.

Neben seiner Tätigkeit als Fondsmanager und Spekulant wuchs auch sein Engagement in NGO´s (Non Government Organizations), sogenannte Nicht-Regierungs-Organisationen, die er in Form von Stiftungen in diversen Ländern gründete und etablierte. Ebenso trat die Soros Foundation, die später in die Dachorganisation des Open Society Institute (OSI) integriert wurde, immer häufiger als Spender hervor und unterstütze diverse Wahlkämpfe, Gruppierungen und Oppositionelle in vielen Ländern und Regionen. Unter anderem erfolgten indirekte Spenden an den Gegenkandidat von George W. Bush in Höhe von 23,5 Mio US-Dollar, die über die MoveOn.org Gruppe weitergeleitet und Al Gore somit unterstützt wurde.

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Erdoğans Ermächtigungsgesetz: Der Weg zum Kalifat

von Memet Kilic

Am 16. April wird über die Verfassungsänderung in der Türkei abgestimmt. In Deutschland lebende Türken dürfen ihre Stimme bereits seit dem 27. März bis 9. April abgeben.

Takiyye (Arabisch تقية = Tarnung) ist ein arabischer Begriff aus dem Koran, der dem Gläubigen erlaubt seinen Glauben zu verheimlichen, wenn er wegen seines Glaubens verfolgt wird. Islamisten instrumentalisieren und missbrauchen auch diese Institution, um die Menschen zu täuschen, die nicht so denken und agieren wie sie. Takiyye ist eine islamistisch pervertierte "Tugend" geworden.

In diesem Sinne wird propagiert, dass die von Recep Tayyip Erdoğan anvisierte Verfassungsänderung ein normales Präsidialsystem errichtet, wie in Frankreich oder den USA. Das Werkzeug Messer ist auch nicht per se gut oder schlecht. Es kommt drauf an, in wessen Händen es sich befindet. In der Hand eines Wirtes oder in der Hand eines Islamisten, der sich zum Islamischen Staat bekennt.

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Als es darum ging die Verlängerung des Notstandes zu rechtfertigen, entlarvten sich die türkischen Islamisten selbst. Sie verglichen ihre Maßnahmen mit dem Notstandsausruf in Frankreich. Wir haben gemeinsam erlebt, dass der Notstand in Frankreich in eine Rechts- und Staatskultur eingebettet war. [Anm. ADMIN H.S. . . und dennoch zur Durchsetzung staatlicher Interessen mißbraucht wird!"] Hingegen der Notstand in der Türkei ein Freibrief für Massenverhaftungen, Massenentlassungen im Staatsapparat und die radikale Bekämpfung und Stummschaltung freier Medien.

Als Erdoğan zum ersten Mal die türkische Verfassung per Referendum am 12. September 2010 umbaute, um die Justiz auf seine Linie zu bringen, hat er die Vortäuschung der Stärkung der Rechte von Frauen, Kindern, Rentnern und Behinderten als Tarnung benutzt. Bei seinem jetzigen Projekt fokussiert er sich auf die Erweiterung seiner Kompetenzen. Er baut seine Macht so aus, dass er bis 2034 an der Macht bleiben kann.

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Angriffskriege aus Bayern: Legal? Illegal? Scheissegal!

von Ulrich Gellermann, Berlin

Auf der provinziellen Webseite des Landes Berlin wird für den weltweiten Krieg geworben. Nicht ganz so direkt. Eher verdeckt: Dem erschrockenen Nutzer der Site wird dort ein schönes Kriegsangebot gemacht: Er kann sogar 88,40 bis 120.00 Euro am täglichen Krieg verdienen, inklusive eines 24-stündigen Bereitschaftsdienstes. Das liegt zwar weit unter dem Mindestlohn, aber immerhin wird man, folgt man dem Angebot der Firma Optronic, als fiktiver Russe an einem ordentlichen NATO-Krieg teilnehmen dürfen:

Gesucht werden Statisten für Rollenspiele bei Trainingseinsätzen der U.S. Army. Durch die Statisten wird die Zivilbevölkerung in Krisengebieten dargestellt. Dadurch wird ein realitätsnahes Übungsszenario für die Soldaten und somit eine optimale Vorbereitung für deren Auslandsmissionen erreicht.

Und über allem steht: „Russisch - Rollenspieler/innen für NATO Übungen gesucht“.

Halten wir bitte fest: An keiner Stelle wurden die NATO-Grenzen von den Russen überschritten, doch die Kriegsveranstalter wollen unbedingt im Ausland missionieren.

Wer am Krieg teilnehmen will, muss sich allerdings zum Truppenübungsplatz Hohenfels nordwestlich von Regensburg begeben. Das Kriegsübungsgelände wurde 1937 von den Nazis eröffnet. Das war das ruhmreiche Jahr, in der die extrem tapferen deutschen Flieger des Flugzeuggeschwaders „Legion Condor“ aus sicherer Höhe die baskische Stadt Guernica dem Erdboden gleich machten.

Aber den Deutschen, diesen Loosern, kann man einen Gewinnerkrieg nicht anvertrauen: Das wußten unsere „Freunde“ schon im Juni 1951 und hatten deshalb „eindringlich für ihre im süddeutschen Raum stationierten Truppen der 7. US Army von der Bundesrepublik Deutschland die Abtretung eines Truppenübungsplatzes gefordert.“ Schon damals war das Feindbild klar: Der Koreakrieg hatte begonnen und nach der unwiderstehlichen NATO-Logik musste der auf der falschen Seite stehende Russe unbedingt von der bayerischen Oberpfalz aus geschlagen werden.

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Protestkundgebungen in Russland

von Vadim Damier, Moskau

Am 26. März nahmen Tausende Menschen an den Protestkundgebungen in Dutzenden Städten Russlands teil, darunter auch viele Jugendliche, die sich zum ersten Mal irgendwelcher politischen Aktion anschlossen. Die Demonstrationen folgten dem Aufruf des Oppositionspolitikers Alexei Anatoljewitsch Nawalnyi, ihre Stimme gegen die Korruption in den höchsten Regierungsebenen des Landes zu erheben, da – wie er sagte – "die Armut und der Verfall, die uns umgeben, gibt es genau wegen der Korruption". Mehrere regierungskritische Kommentatoren sprechen schon in den sozialen Medien über eine angebliche Wiedergeburt des Protests in Russland. Die Fernsehen-Propaganda funktioniert nicht mehr, nationalistische Begeisterung nach der Krim-Angliederung ist vorbei... Solche oder ähnliche Stimmen ertönen in diesen Tagen. Aber stimmt das?

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Gewiss, die Leute in Russland haben genügend Gründe für eine Unzufriedenheit mit der sozioökonomischen Politik des Regimes der herrschenden plutokratischen Oligarchie. Laut den Angaben der Experten und der Statistik bricht die Kluft zwischen Reich und Arm in Russland alle Weltrekorde, indem 40% der EinwohnerInnen nur zum Essen verdienen und 70% sowieso weniger als der sogenannte Durchschnittslohn. Die reichen Leute genießen unglaublichen Luxus. Die soziale Kluft wächst immer mehr. Allein im letzten Jahr stieg die Zahl der Dollar-Millionäre in Russland um 10% – und das trotz der andauernden Wirtschaftskrise. Oder eben deswegen? "Crisis is business as usual".

Die Behörden beklagen Geldknappheit im Staatsbudget. Man plant unter diesem Vorwand die Ausgaben für Gesundheitswesen und Bildung sowie verschiedenen Sozialleistungen weiter zu kürzen, die Verbrauchsteuern und das Rentenalter zu erhöhen usw.. Kennzeichnend ist, dass alle Vorschläge, die Reiche mehr zu besteuern oder eine gestaffelte Einkommenssteuer einzuführen, abgelehnt wurden: und zwar, unter dem patzigen Vorwand, dass solche Maßnahmen angeblich die reicheren Menschen "diskriminieren" würde und zu einem sozialen Unmut führen könnte! 

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Wunder gibt es nicht (2017)

Die verschwundenen Betriebsräte von Mercedes-Benz

ein Film von Dr. Gabriele 'Gaby' Weber, San Telmo / Buenos Aires (ARG) und zeitw. Berlin

Der Fall der während der argentinischen Militärdiktatur verschwundenen Mercedes-Betriebsräte wurde ab 1999 durch meine Recherchen bekannt. Mercedes-Manager hatten 1977 ihre kämpferischen Gewerkschafter bei den Militärs als “Agitatoren” denunziert und deren Adressen übergeben. Vierzehn wurden verschleppt und ermordet.

Der Fall ging rund um die Welt und landete vor den Gerichten Argentiniens, Deutschlands und vor dem Obersten US-Gerichtshof. Es mangelt nicht an Beweisen sondern an couragierten Richtern. Längst haben sich die multinationalen Konzerne den nationalen Gerichtsbarkeiten entzogen.

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2002 habe ich einen Dokumentarfilm gedreht und in den Folgejahren aktualisiert. Nun, nachdem die Justiz die Akten geschlossen hat, ein weiterer Film – mit dem selben Titel. Er lässt nicht nur die Opfer zu Wort kommen, sondern berichtet über diese globale Kampagne. Und er erzäht, mit welchen Mitteln sich das Unternehmen Straflosigkeit erpresst hat. Der Fall hat Justizgeschichte geschrieben; er wurde juristisch an allen Fronten verloren, aber politisch gewonnen.

Dieser Film ist die endgültige Fassung meiner Mercedes-Benz-Recherchen, ich würde mich freuen, wenn Ihr ihn anguckt und in euren Netzwerken weiterempfehlt. Er erklärt, warum diese Mercedes-Kampagne zwar juristisch verloren wurde (wir sind ja beim US Supreme Court gelandet) aber politisch gewonnen wurde. Ich erwähne darin auch, dass der WDR meine Arbeit plagiiert hat, um Daimler in einem weniger schlechten Licht darstehen zu lassen.

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Wenn Konzerne klagen können

Internationale Wirtschaftsabkommen und Schiedsgerichte

hebeln demokratische Rechte u. fortschrittliche Politik aus

von Laurenz Nurk

In den vergangenen Jahren haben die Klagen von sogenannten Investoren gegen Staaten vor Investitionsschiedsgerichten sprunghaft zugenommen. Geklagt haben vor allem Rohstoffkonzerne, die Schadensersatz für entgangene Gewinnerwartungen oder die Rücknahme von Lizenzen verlangen. Da wird keine Rücksicht auf nationale Rechtsprechung oder politische Entscheidungen von demokratisch gewählten Regierungen genommen, selbst, wenn die sich für den Schutz von Menschenrechten und der Umwelt aussprechen.

Bis zu Beginn der 1990er Jahre hatte kaum jemand etwas von Schiedsverfahren gehört. Ursprünglich waren sie ein Instrument zur Schlichtung zwischen Staaten. Erst gegen Ende der Kolonialzeit wurden sie auch in der Wirtschaft populär. Aus Schlichtungsklauseln wurden Standards in Verträgen und Konzessionen zwischen Unternehmen und den ehemaligen Kolonien. Daraus hat sich dann ein ganzes System an Prinzipien und Doktrinen entwickelt.

Damals ging es immer noch um kommerzielle Schiedsverfahren, die auf normalen Verträgen beruhten und keine Investor-Staat-Schiedsverfahren, die durch völkerrechtliche Abkommen geregelt werden. Im Jahr 1987 änderte sich dies. Damals zog ein englischer Investor vor die ICSID (Internationales Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten), das der Weltbankgruppe angehört. Seine Garnelenfarm war im Bürgerkrieg für eine tamilische Basis gehalten und vollkommen zerstört worden. Der Investor wollte sein Geld zurück und berief sich auf das Investitionsabkommen zwischen dem Vereinten Königreich und Sri Lanka.

Seit dieser Zeit ist die Zahl der Klagen von Konzernen gegen Staaten auf über 600 Fälle angestiegen. Die Anwälte verdienen mittlerweile tausende Euro pro Stunde, die Kanzleien scheffeln bis zu 30 Millionen Euro pro Klage. Entschieden werden die Fälle von anderen Anwälten, die sich vielleicht Richter nennen, aber keine sind.

Anstelle den Menschen vor Ort Unterstützung oder zumindest Schutz und politischen Protestraum zu gewähren, wird auf dem internationalen Parkett immer heftiger die Ausweitung dieser Konzernklagerechte diskutiert.

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Der Schulz-Effekt und der Quandt-Effekt

Wahlen sind dem Stockholm-Syndrom unangenehm ähnlich

von Ulrich Gellermann, Berlin

martin_schulz_luftnummer_hoffnungstraeger_kanzlerkandidat_bundestagswahl_hartz_iv_wuerselen_ceta_ttip_kritisches_netzwerk_spd_sozialdemokraten_sozialdemokratie_agenda_2010.pngDie Wahlen an der Saar sollten die Probe auf den Schulz-Effekt sein. Was das Auftauchen von Martin Schulz aus den dunklen Tiefen der Eurokratie bewirkt hat, ist eine höhere Wahlbeteiligung als bei den letzten Landtagswahlen.

Ähnlich wie bei sportlichen Ereignissen ist es auch bei Wahlen so, dass der neue Stürmer-Star den Besuch im Stadion anregt. Aber ansonsten hat Schulz für die SPD im Saarland einen Erfolg in den Umfragen bewegt. Träumereien von einer rot-roten Koalition, die vom Saarland aus die Bundeseben erreichen könnte, sind vorläufig begraben. Nicht Umfragen bewegen die Politik, nur politische Bewegungen ändern politische Verhältnisse. Wahlen sind nicht wesentlich mehr als der Test für den politische Reifegrad der wählenden Bevölkerung. Aber eben auch nicht weniger.

Manchmal muss man dem Bayerischen Rundfunk dankbar sein. In Vorbereitung der Saarland-Wahlen verwies er den Schulz-Effekt ins Reich der religiösen Legende: „Ähnlich wie wir unsere Zeitrechnung einteilen in vor und nach Christi Geburt, kann man Umfragewerte zurzeit einteilen in vor und nach Martin Schulz. Bevor der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments im Januar designierter SPD-Chef und Kanzlerkandidat wurde, standen die Sozialdemokraten im Saarland bei 26 Prozent. Die jüngste Umfrage von Infratest dimap sieht sie bei 34 Prozent.

Der Effekt, so sagen Martin Schulz und Frau Nahles übereinstimmend, läge nicht im Kippen, sondern im Nachjustieren der Agenda 2010. Es geht dabei also auf keinen Fall um mehr Arbeitsplätze, sondern um mehr Almosen. Der „Effekt“, sagt Wikipedia, sei mit „Wirkung“ zu übersetzen. Was er bisher bewirkt – darin einem Vollrausch durchaus ähnlich – ist eine Aufhellung der Stimmung für die SPD.

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Japan: Die Rückkehr des japanischen Militarismus

von Peter Symonds / wsws.org

Die regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) Japans nutzt die extrem angespannte Situation auf der koreanischen Halbinsel, um die japanische Armee auf „Präventivschläge“ vorzubereiten. Zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs fasst die Regierung unter Premierminister Shinzō Abe die Beschaffung von Angriffswaffen ins Auge. Mit der Aufrüstung durch Marschflugkörper soll die Wiederaufrüstung Japans stark vorangetrieben werden, und die Kriegsgefahr würde steigen.

Aus Anlass der nordkoreanischen Raketentests regte Verteidigungsministerin Tomomi Inada am 9. März an, dass Japan sich Kapazitäten für „Präventivangriffe“ verschaffen sollte. „Ich schließe keine Methode aus und wir prüfen verschiedene Möglichkeiten, die mit dem Völkerrecht und der Verfassung unseres Landes vereinbar sind“, erklärte sie.

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Hiroshi Imazi, Vorsitzender des LDP-Ausschusses für Verteidigungspolitik, wurde deutlicher: „Es ist an der Zeit, dass wir entsprechende Kapazitäten gewinnen. Ich weiß nicht, ob mit ballistischen Raketen, Marschflugkörpern oder sogar dem F-35 (Kampfflugzeug), aber ohne Abschreckung wird uns Nordkorea für schwach halten.“ Der Ausschuss plant, noch in der laufenden Parlamentssaison einen entsprechenden Vorschlag einzubringen, der in den nächsten Fünfjahresplan für die Verteidigung einfließen soll.

Ungeachtet Inadas´ Vorbehalt wäre der Kauf von Offensivwaffen ein klarer Verstoß gegen Artikel 9 der japanischen Nachkriegsverfassung, in der „das japanische Volk für alle Zeiten auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation und auf die Androhung oder Ausübung von Gewalt als Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten“ verzichtet. Weiter heißt es darin, dass „keine Land-, See- und Luftstreitkräfte oder sonstige Kriegsmittel“ unterhalten werden. Mit dem jetzigen Vorstoß ginge die japanische Armee außerdem des Feigenblatts verlustig, das sie seit Jahrzehnten als reine Verteidigungsstreitmacht ausweist.

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Deutsche Exportüberschüsse: Munition für einen Handelskrieg

von Fred Schmid c/o Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

Das Timing war nicht günstig. Wenige Tage vor der Amtseinführung des US-Präsidenten Donald Trump veröffentlichte das Statistische Bundesamt (destatis) die deutschen Außenhandelszahlen für 2016 (9.2.17): Rekord! Rekord! – noch nie hat die deutsche Wirtschaft so viele Waren exportiert wie im vergangenen Jahr – für 1.207,5 Milliarden Euro. Rekord auch beim Exportüberschuss (253 Milliarden Euro), Weltmeister im Kapitalexport (266 Milliarden Euro) (destatis, 9.2.17).

Deutscher Überschuss dürfte Trumps Kritik befeuern“, sorgte sich die FAZ einen Tag nach Veröffentlichung der Zahlen (10.2.17). „US-Präsident Donald Trump könnte das neue Argumente für Strafzölle liefern“, befürchtete die SZ (10.2.17). „Die Rekordüberschüsse werden den Konflikt mit den USA weiter anheizen“, twitterte DIW-Präsident Marcel Fratzscher (zit. nach SZ, 10.2.17). Es riecht nach Pulverdampf und Handelskrieg.

Deutschland wird schon seit Jahren als Hauptstörenfried auf den Weltmärkten gebrandmarkt und ermahnt, mehr für die Entwicklung des Binnenmarktes zu tun. Doch diesmal ist es ernster, da Trump es offenbar nicht bei verbaler Kritik belassen will, sondern an konkrete Gegen- und Abwehrmaßnahmen denkt. Umso mehr, als der deutsche Export-Junkie gar nicht an Entzug denkt, sondern die Dosis der Export- Droge noch steigert, wie die Januarzahlen zeigen: Exporte plus 11,8% im Vergleich zum Januar 2016 (destatis, 10.3.17).

► Gründe für die Exportabhängigkeit Deutschlands

Deutschland weist von allen großen Industrieländern die größte Exportabhängigkeit auf: Der Anteil der Exporte am BIP betrug 2016 38,5%. Nicht die Höhe des Exports ist das Übel, sondern der Überschuss. Die Importe machen nämlich nur 30,5% des BIP aus; d.h. wir schaffen einen erheblichen Teil der produzierten Waren ins Ausland, ohne dafür eine adäquate Gegenleistung zu erhalten. Deutschland produziert weit mehr, als es selbst konsumiert.

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Bundesjustizminister Heiko Maas plant #Internetzensur

von Justus Leicht / wsws.org

Unter dem Vorwand, „Fake News“ und „Hate Speech“ im Internet zu bekämpfen, plant Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) einen massiven Angriff auf die Meinungsfreiheit. Er hat einen Freibrief für Zensur und Denunziation vorgelegt.

Am 14. März stellte Maas den Entwurf zu einem sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) vor, das kommerziellen sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter weitgehende Lösch- und Überwachungspflichten auferlegt. Wird der Entwurf Gesetz, müssen sie auf Beschwerden sofort reagieren und „offensichtlich rechtswidrige Inhalte“ binnen 24 Stunden sperren. Andere rechtswidrige Inhalte müssen innerhalb von sieben Tagen gelöscht werden.

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Was „rechtswidrig“ ist, entscheiden die Konzerne selbst, die zu diesem Zweck eine Kontaktstelle einrichten müssen, die ihren Sitz in Deutschland hat. Das Gesetz macht sie damit „zu Ermittler, Richter und Henker über die Meinungsfreiheit“, wie die Plattform Netzpolitik.org schreibt. Kommen sie ihrer Löschungspflicht nicht nach, drohen ihnen drakonische Bußgelder bis zu 50 Millionen Euro, die nach dem Ermessen des zuständigen Bundesamtes für Justiz auch schon bei einem einmaligen – vorsätzlichen oder fahrlässigen – Verstoß verhängt werden können. [siehe Gesetzentwurf des BMJV als PDF_Symbol.gif im Anhang!]

Das Gesetz soll für soziale Netzwerke mit mindestens 2 Millionen in Deutschland registrierten Nutzern gelten. Die Definition ist allerdings so weit gefasst, dass darunter neben Anbietern wie Facebook, Twitter und Youtube auch weitere Dienste wie Whatsapp und Skype und selbst größere Email-Anbieter und Filehoster fallen können.

Der Anbieter muss nicht nur die Inhalte entfernen, sondern auch alle Kopien, und von sich aus ein erneutes Hochladen verhindern. Gleichzeitig müssen die Inhalte jedoch „zu Beweiszwecken“ gespeichert werden. Eine zeitliche Begrenzung hierfür sieht der Gesetzentwurf nicht vor.

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Nebelkerze „AKP-Auftrittsverbot“ in Deutschland

von Kerem Schamberger c/o Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

Ist uns eigentlich bewusst, dass die tagelange Debatte um ein Auftrittsverbot für AKP-Politiker in Deutschland von der Bundesregierung als Nebelkerze benutzt wird? Um gezielt von der eigenen deutschen Mitverantwortung beim Aufbau einer Diktatur in Ankara abzulenken. Schön hauen „wir“ auf „die Türken“ ein, die nichts von Demokratie verstehen, Frauenrechte missachten, Oppositionelle einsperren und alles was ihnen nicht passt mit dem Terror-Bannstrahl belegen. Die eigene Rolle wird dabei von der Bundesregierung geflissentlich aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt.

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Deshalb sei hier noch einmal an vier Punkte erinnert:

1.

Während in den Medien von einem tiefgreifenden Zerwürfnis des deutsch-türkischen Verhältnisses die Rede ist, läuft die Zusammenarbeit hinter den Kulissen geschmiert wie immer. So hat das Bundesinnenministerium den Forderungen der türkischen Regierung, stärker gegen die "Arbeiterpartei Kurdistans" (Partiya Karkerên Kurdistanê / PKK) vorzugehen, umgehend entsprochen.

Mit einem Erlass vom 2. März wurde die Anzahl der Gruppierungen, deren Fahnen und Symbole auf der Grundlage des seit 1993 bestehenden PKK-Verbots nicht öffentlich gezeigt werden, erheblich ausgeweitet. Jetzt fallen auch sämtliche, angeblich PKK-nahe Frauen- und Jugendorganisationen darunter, wie etwa der "Verband der Studierenden aus Kurdistan" (Yekitiya Xwendekarên Kurdistan / YXK). [siehe Erlass-Rundschreiben des BMI als PDF_Symbol.gif im Anhang!]

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Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG): Ist das überhaupt eine Gewerkschaft?

von Laurenz Nurk, Dortmund

Wenn es irgendwo im Land darum geht, eine Diskussion über innere Sicherheit, Einwanderung, Datenspeicherung, Demonstrationsrecht, Straftäter, Gewalt und Kriminalität so richtig anzuheizen, dann ist sofort die "Deutsche Polizeigewerkschaft" (DPolG) zur Stelle, um Öl ins Feuer zu gießen. Da werden Pressemitteilungen gerne von den Medien aufgegriffen und Rainer Wendt, dem Vorsitzenden sofort mit Kameras und Mikrofonen eine Bühne geboten, auf der er seine rechten Sprüche ablassen kann. Ebenfalls gern gesehen und für die rechte Stimmung zuständig sind er und seine Kumpanen in Talk-Shows im Fernsehen oft zu sehen.

Auch gab Rainer Wendt bereits mehrfach der Jungen Freiheit Interviews, dem Sprachrohr der neuen Rechten.

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Es lohnt sich, einen näheren Blick auf die DPolG zu werfen.

Die DPolG ist die kleinere der beiden Polizeigewerkschaften und im Deutschen Beamtenbund (DBB) organisiert. Ihre Mitgliederzahl beträgt ca. 94.000. Sie wird leicht mit der "Gewerkschaft der Polizei" (GdP) verwechselt, die dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) angeschlossen ist und rund 175.000 Mitglieder hat.

Die DPolG ist so wie die Polizei selbst, hierarchisch strukturiert, mit einer Bundes- und Landesleitung und den Kreisverbänden. Reiner Wendt ist seit 2007 der Bundesvorsitzende.

Die folgenden Beispiele werfen einen Blick auf die Positionen der DPolG, die meistens von ihrem Vorsitzenden öffentlich und lautstark vertreten werden:

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Joachim Gauck geht, Jürgen Bartsch kommt

Linkspartei in der Koalitions-Warteschleife

von Ulrich Gellermann, Berlin

Man sitzt in der Nähe des Berliner Info-Radios, denkt an nichts Böses und hört die Abschiedskränze rauschen, die dem abdankenden Bundespräsidenten Gauck hinterhergeworfen werden. Und dann, plötzlich, die Stimme von Dietmar Bartsch, dem Vorsitzenden der LINKEN-Fraktion im Bundestag zum scheidenden Gauck: „Er hat dem Amt Würde zurückgegeben, das muß man sagen.

Häh? Der Mann, von dem die Formel der neuen deutschen Verantwortung stammt? Der Mann, der Auslandseinsätze keinesfalls ausschließen wollte, sondern mahnte, “[. . ]den Einsatz militärischer Mittel als letztes Mittel nicht von vornherein zu verwerfen". Der vor der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg den zynischen Satz abließ: "Dass es wieder deutsche Gefallene gibt, ist für unsere glücksüchtige Gesellschaft schwer zu ertragen." Dieser Front-Pastor soll dem Amt die „Würde zurückgegeben“ haben?

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War es nicht der falsche Pastor, der, als er noch der Behörde vorstand, die seinen Namen trug, pünktlich für Stasi-Denunziationen sorgte, wenn Wahlen anstanden? Der vom Rassisten Thilo Sarrazin behauptete, der habe „Mut bewiesen“ und ein „bestehendes Problem offen angesprochen“. Der nach der Bankenkrise den Deutschen mitteilte, die „Antikapitalismusdebatte ist unsäglich albern".

Der sich in einem Interview mit dem Deutschlandfunk selbst die Krone aufsetzte: „Vielleicht machen sich nicht alle Menschen bewusst, dass die höchste Repräsentanz einer Republik, einer Demokratie doch mindestens so viel Ehrerbietung verdient, wie es ein gekröntes Haupt verdient." Und der dem schmutzigen Afghanistankrieg seinen Segen erteilte: "Ich finde den Einsatz nicht gut, aber erträglich und gerechtfertigt."

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Europa verteidigen? Ja, aber gegen wen und wofür?

► Föderalistisches Pro gegen nationalistisches Contra

In letzter Zeit ist viel davon die Rede, Europa verteidigen zu müssen. Allen voran schlägt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ein „Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten“ vor. In ihrem Schlepptau folgt die Verteidigungsministerin Ursula v.d. Leyen mit Aufrüstungsphantasien für die Bundeswehr. Der Kommissionspräsident der Europäischen Union, Jean-Claude Juncker, fordert die Mitglieder der Union zur Diskussion einer „Effektivisierung“ der Gemeinschaft durch deren „Differenzierung“ auf, lässt dabei allerdings ebenfalls seine Präferenz für ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten durchblicken.

Die Reihe derer, die in diesen Kanon einstimmen, ließe sich mühelos bis in die europäischen Stammtische fortsetzen. Selbst EU-Skeptiker, die eher eine fortschreitende Zentralisierung beklagen, lassen sich von diesen Tönen mitreißen.

Und ja, es gibt viel zu verteidigen. Es gibt sogar etwas zu gewinnen, nämlich ein demokratischeres Europa, eine gerechtere Zukunft, eine Wiederbelebung europäischen Geistes. Die Frage ist allein: Von welchem Europa ist die Rede, von welcher Bedrohung und wie soll diese gerechtere Zukunft aussehen? Und was, schließlich, ist der europäische Geist? Darüber besteht ganz offensichtlich kein Konsens.  

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Für die einen reicht Europa schlicht vom Nordkap bis Gibraltar, einschließlich Britanniens und Russlands bis zum Ural. Die anderen verstehen darunter die Europäische Union in den Grenzen ihrer Osterweiterung mit Optionen auf weitere Ausdehnung auf Kosten Russlands. Dies gilt vor allem für die nach dem Zerfall der Sowjetunion hinzugekommenen Mitglieder der EU. Sie „warnen“, wie die Polen, vor einem „Kerneuropa“. Der Austritt Britanniens aus der Gemeinschaft dagegen stellt die EU als verbindlichen politischen Vertreter Europas offen in Frage. Andere wie die Griechen, denken über ihren möglichen Austritt nach.

Aus dem ganzen Wirrwarr taucht am Ende die Frage nach der Rolle Mitteleuropas aus der Vergessenheit der Geschichte wieder auf. Aber auch hier steht die Frage: Was wäre heute Mitteleuropa? Etwa Italien, Deutschland, Frankreich? Oder Deutschland, Polen und Frankreich? Oder Österreich, Deutschland und die Schweiz, also der deutschsprachige Teil Europas? Oder schließlich einfach nur Deutschland als unerklärte Hegemonialmacht, wie man aus Auftritten deutscher Politiker in letzter Zeit schließen könnte?

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Paritätischer Wohlfahrtsverband: Armut in Deutschland auf neuem Höchststand

von Elisabeth Zimmermann / wsws.org

Anfang März stellte der Paritätische Wohlfahrtsverband in Berlin seinen neuen Armutsbericht vor. Die Armut in Deutschland hat nach dieser Studie im Jahr 2015 mit 15,7 Prozent einen neuen Höchststand erreicht. 12,9 Millionen Menschen sind von Armut betroffen.

Die Zahlen, die der Paritätische Wohlfahrtsverband zusammen mit neun weiteren Verbänden präsentierte, zeigen einen drastischen Anstieg der Armutsquote in mehreren Regionen. Gleichzeitig macht der Bericht deutlich, dass die Geschwindigkeit, in der die Armut wächst, rapide zunimmt.

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Am stärksten stieg die Armut in Berlin von 20 auf 22,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, am höchsten ist sie mit 24,8 Prozent in Bremen, wo fast jeder Vierte arm ist. Insgesamt ist der Anteil der Bevölkerung, der von Armut betroffen ist, in elf von sechszehn Bundesländern im Vergleich zum Vorjahr angestiegen. In allen ostdeutschen Bundesländern liegt die Armutsquote knapp unter oder über 20 Prozent.

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Die Wahrheit über uns und unsere Gesellschaft!

von Serdar Somuncu

So lange es uns gut geht, in unserem Kokon, so lange wir zu essen und zu trinken haben und überall dort hinreisen können wohin wir reisen wollen, ist alles gut. Aber wenn jemand kommt und uns irgend etwas wegnimmt, und sei es nur ein bisschen Luft zum atmen, dann kriegen wir Angst. Dann fühlen wir uns bedroht. Von unsichtbaren Mächten. Dann beginnt ein Verteilungskampf, gegen Geister.

Denn niemand kommt hier hin und bedroht uns. Wir bedrohen die Menschen die hier hin kommen. Wir zerstören ihre Heimatländer. Wir bringen sie in ihren Heimatländern um, ohne das wir uns die Finger schmutzig machen. Wir beuten sie aus, für unseren Reichtum. Wir lassen sie arbeiten für Hungerlöhne. Und wir wollen nicht das sie hier hin kommen, dass sie das gleiche Leben führen dürfen, das wir hier auch führen. Ein Leben in Frieden, in Freiheit, in Wohlstand.

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Wir sind maßlos, arrogant, degoutant. Wir blicken auf andere herab. Wir machen uns kein Bild von ihren Existenzen. Wir sehen darin Zahlen und Statistiken, Verhandlungsmasse, über Obergrenzen und strengere Gesetze an den Grenzen. Aber hat sich einer von euch mal vorgestellt, was es bedeuten würde, wenn ihr jetzt, in diesem Moment, diesen Saal verlassen müsstet, weil Bomben auf ihn geworfen werden? Und in der selben Nacht noch, ohne Koffer zu packen, euren kleinen Arsch in ein Schlauchboot zwängen müsstet, zusammen mit eurer Familie, in Dunkelheit, bei Wind und Wetter über ein Meer schippern müsstet.

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Hamed Abdel-Samad: "Erdogan will aus dem Faschismus eine Staatsdoktrin machen"


Im Streit um türkische Wahlkampfauftritte in Deutschland hat Recep Tayyip Erdoğan Deutschland Nazi-Methoden vorgeworfen. Hamed Abdel-Samad, Politologe und Islamkritiker, fordert von der Poltik eine härtere Gangart gegen den türkischen Präsidenten und islamistische Machtansprüche. Ein Kommentar.

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"Erdoğan will aus dem Faschismus eine Staatsdoktrin machen"

von Hamed Abdel-Samad

Ich erinnere mich schmunzelnd an die Aussagen von naiven Islam-Experten und Politikern als sie in Erdoğan und seiner AKP eine Chance für die Versöhnung von Islam und Demokratie sahen. Sie hätten wissen müssen, dass Islamisten keinen zwei Herren dienen dürfen, und dass sie die Demokratie nur als Mittel verstehen, um an die Macht zu kommen, um dann die Demokratie abzuschaffen.  

Die Türkei lebt seit dem gescheiterten Putschversuch im letzten Sommer im Ausnahmezustand. Alle, die gegen Erdoğan sind oder ihm gegenüber kritisch stehen, werden aus ihren Jobs in Bildung, Justiz und Medien gejagt. Sie werden geschlagen, eingeschüchtert oder ohne Prozesse ins Gefängnis gesteckt. Das ist Faschismus. Nun will der Sultan aus dem Ausnahmezustand einen Dauerzustand und aus dem Faschismus ein Staatsdoktrin machen. Wenn aber westliche Staaten nicht zulassen, dass er in ihren Ländern Propaganda für ein Unterdrückungssystem macht, dann sind sie, nicht er, die Faschisten, die Demokratie nicht achten. Verrückte Welt!

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Traurig ist, dass die meisten Türken, die hier in Freiheit aufgewachsen sind, diesem paranoiden Chauvinisten zujubeln und seine autokratische Politik aktiv unterstützen. Und nicht sie, sondern wir, sollten aufpassen, was wir sagen, sonst verletzen wir ihre Gefühle und gefährden den inneren Frieden. Am Ende heißt es 99,9% der hier lebenden Muslime sind friedlich. Aber Frieden heißt nicht die Abwesenheit von Gewalt, sondern von der Geisteshaltung und den Rahmenbedingungen, die Gewalt erzeugen. Und genau diese Haltung und Rahmenbedingung unterstützt nun die Mehrheit der Türken in Deutschland.

Der innere Frieden wurde aber längst gefährdet als im Namen der Toleranz, die intoleranten türkischen Nationalisten und Islamisten, von der Türkei aus gelenkt, hier Erdoğan-Politik machen durften.

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Entzaubertes „Jobwunder“: SPD-Kanzlerkandidat plant nur kosmetische Korrektur

von Fred Schmid c/o Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

Arm_trotz_Arbeit_Altersarmut_Hartz_IV_Mindestlohn_bedingungsloses_Grundeinkommen_Leiharbeit_Zeitarbeit_Grundsicherung_Lohndumping_Ausbeutung_Lohnsklave.jpgEin „Jobwunder“ habe sie bewirkt, Schröders „Agenda 2010“, die er von 2003 bis 2005 mit der rot-grünen Mehrheit durch den Bundestag jagte. In der Tat gibt es heute mehr Erwerbstätige als im Jahr 2000 und weit weniger Arbeitslose als zur Jahrhundertwende.

Doch bereits 2013 warnte der damalige Präsident des Statistischen Bundesamts, Roderich Egeler, vor Euphorie: „Das so genannte deutsche ´Jobwunder ` relativiert sich jedoch, wenn man nicht nur die Personen betrachtet, sondern die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden und damit das Arbeitsvolumen“ (destatis, 26.11.13).

So stieg die Zahl der Erwerbstätigen von 2000 bis 2016 um 8,9% (die Arbeitnehmer um 9,1%). Nimmt man dagegen die geleisteten Arbeitsstunden, verblasst das Wunder etwas: Plus + 2,3% bei den Erwerbstätigen und plus 4,0% bei den Arbeitnehmern. Das Arbeitsvolumen bei den Arbeitnehmern ist im Zeitraum der 16 Jahre doch sehr bescheiden gewachsen: um 0,25 Prozent pro Jahr. Und dieser Effekt dürfte weniger aus den Arbeitsmarktreformen resultieren, denn auf den gigantischen Exportboom; desweiteren hatten die seit 2010 wieder gestiegenen Reallöhne eine Steigerung der Kaufkraft und damit Ausweitung des Binnenmarktes zur Folge.

Die Arbeitsmarktreformen aber wirkten sich verheerend auf die Qualität der Beschäftigungsverhältnisse aus. Immer mehr Menschen müssen in zerstückelten, atomisierten Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Das Proletariat wurde zunehmend zum Prekariat. Mini-Jobber, Leiharbeiter, Ein-Euro-Jobs wurden zur Massenerscheinung. Teilzeitarbeit hat millionenfach zugenommen. Hartz IV, das „Gebot kältester Zweckmäßigkeit“  der Agenda 2010, zwingt Arbeitssuchende in prekäre Beschäftigungsverhältnisse, nötigt ihnen jede Arbeit als zumutbar auf. Mit der Folge, dass immer mehr Billig-Jobs entstehen und der Niedriglohnsektor sich signifikant ausweitet.  Arbeit wurde „billig wie Dreck“, wie es der Soziologe Horst Afheldt bereits vor 15 Jahren prophezeite.

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► Normalarbeitsverhältnisse erodieren – zunehmend atypische Beschäftigung

Der Anteil der Vollzeitbeschäftigten an den Erwerbstätigen ist 2016 gegenüber dem Jahr 2000 um über acht Prozentpunkte gesunken. Der Anteil der TeilzeitarbeiterInnen ist um 9,2 Prozentpunkte gestiegen. Die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse sind zwar in den letzten Jahren wieder gestiegen: Seit 2005 um fünf Millionen. Ihr Anteil an den Erwerbstätigen betrug im Jahr 2000 69.9% der Beschäftigten, 2016 72,1%. Der Anstieg wurde jedoch überwiegend durch Teilzeit-Stellen bewirkt.

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Polen: Kritik an der EU nach Tusk-Wahl

von Clara Weiss / wsws.org

Führende Vertreter der polnischen Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) und zahlreiche polnische Medien haben mit Entrüstung auf die Wiederwahl von Donald Tusk zum EU-Ratspräsidenten reagiert.

Die PiS-Regierung hatte sich seit Monaten bemüht, die Wiederwahl von Tusk zu verhindern, der von 2003 bis 2014 Vorsitzender der liberalen Oppositionspartei Bürgerplattform (PO) und von 2007 bis 2014 polnischer Regierungschef war. Im vergangenen Jahr hatte sie sogar versucht, Tusk vor Gericht zu bringen. Und einen Tag vor dem Gipfel forderte Premierministerin Beata Szydło in einem offenen Brief die Ablösung von Tusk.

Auf dem EU-Gipfel am vergangenen Donnerstag war Polen dann das einzige Land, das gegen Tusk stimmte. Um eine zweite Amtsperiode von Tusk zu verhindern, stellte die polnische Regierung mit Jacek Saryusz-Wolski sogar einen Gegenkandidaten auf. Trotzdem wurde Tusks Amtszeit als EU-Ratspräsident mit den Stimmen aller anderen 27 EU-Mitglieder bis Ende 2019 verlängert.

Die Ablehnung Donald Tusks durch die PiS-Regierung hat sowohl innen- wie außenpolitische Gründe.

Obwohl Tusk nach seinem Umzug nach Brüssel vom PO-Vorsitz zurücktrat, gilt er weiterhin als informeller Chef der größten Oppositionspartei, die sich in heftigem Konflikt mit der PiS-Regierung befindet. Der Konflikt war vergangenen Dezember mit einer Barrikade und Besetzung des polnischen Sejms (Parlament) eskaliert.

Die PO kritisiert die autoritären Maßnahmen der PiS-Regierung, insbesondere die faktische Entmachtung des Verfassungsgerichts, und wird von der EU darin unterstützt, die Polen sogar Sanktionen angedroht hat.

PiS-Chef Jarosław Kaczyński hat Tusk deshalb vorgeworfen, er verletze „elementare Grundsätze der Europäischen Union“. Er verletze den Grundsatz der Neutralität und gehe „sogar soweit, eine Opposition zu unterstützen, die sich selbst totalitär nennt und die Regierung mit außerparlamentarischen Methoden stürzen will“.

Außenpolitisch orientiert sich die PiS Regierung primär auf die USA, währen die PO für eine enge Zusammenarbeit mit der EU und insbesondere mit Deutschland eintritt. Die polnische Regierung bezeichnete Tusk deshalb als „deutschen Kandidaten“.

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Die Illusion des "Volkskapitalismus"

Autoritärer Neoliberalismus und soziale Proteste in Russland

von Vadim Damier

Manche der liberalen Oppositionellen und RegimekritikerInnen in Russland behaupten gerne, dass der russische Präsident Wladimir Putin das alte sowjetische System wiederherstellt. Man muss kein Anhänger des alten sowjetischen paternalistischen und protektionistischen Staatskapitalismus sein, um zu verstehen, dass diese Meinungen nicht der Realität entsprechen. Das, was in Russland passiert, kann man treffend eher als einen autoritären Neoliberalismus definieren.

Der Sozialabbau im modernen Russland ist nicht neu. Diese Politik wurde durch die Herrschenden praktisch die ganze Zeit seit der Wende 1991 konstant durchgeführt. Und das den Bestimmungen der Verfassung zum Trotz, die die Russische Föderation als einen Sozialstaat definieren. Das Tempo des Abbaus variierte aber im Laufe dieser Jahre.

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► Neoliberale Reformpolitik in Russland

Die neoliberalen Reformen begannen mit der Abschaffung der Preissubventionen am Anfang der 1990er Jahre und mit den massenhaften Privatisierungen in der Wirtschaft. Die unentgeltlichen sozialen Leistungen in der Medizin oder Bildung wurden aber nicht abgeschafft, sondern systematisch durch eine Unterfinanzierung unterminiert.

Gleichzeitig erfolgte eine Liberalisierung dieser Dienstleistungen. Die Entwicklung der privaten und kommerziellen Einrichtungen im Gesundheitswesen, in der Bildung usw. wurde gefördert. Kennzeichnend dabei ist, dass diese Politik vor dem Hintergrund der sehr niedrigen Löhne und Renten stattfand. Doch die politische Instabilität der 1990er Jahre hinderte die Herrschenden daran, den Sozialabbau zu intensivieren.

Dies änderte sich seit dem Beginn der 2000er Jahren, in der Putin-Zeit. Das damalige Ansteigen der Erdölpreise erlaubte es, die ökonomische und damit auch die politische Situation für eine gewisse Zeit weitgehend zu stabilisieren. Das führte aber nicht etwa zu einer Erweiterung der sozialen Leistungen, sondern umgekehrt zu einer Verschärfung der neoliberalen Politik und des Sozialabbaus.

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Die feige Merkel. Das Völkerrecht sperrt Erdoğan aus

Ulrich Gellermann, Berlin

Demnächst wieder Besuch aus der Türkei. Es könnte gut der türkische Finanzminister Mehmet Şimşek sein, der dann ganz privat, vom Balkon des Hotels Adlon aus seine Empörung über die zu geringen Vorbeitrittshilfen der EU in die Luft über den Pariser Platz schreien würde. Zum Beispiel so: „Die 630 Millionen jährlich sind für ein stolzes Land wie die Türkei eine Beleidigung! Das sind Nazi-Methoden, mit denen der große „Reis“ (Führer) an seinem segensreichen Wirken gehindert werden soll. Das wird Folgen haben!“ Noch am selben Tag könnte Frau Merkel auf dem kurzen Dienstweg die EU-Hilfen für die Türkei aussetzen, damit der arme Erdoğan nicht weiter beleidigt wird. Aber genau das wird Frau Merkel nicht tun. Denn sie und ihre Regierungsmannschaft übt sich seit Monaten darin, den Diktator zu beschwichtigen. Im Englischen nennt man das Appeasement. Und in der Geschichte kennt man den Begriff in Zusammenhang mit dem Münchner Abkommen, mit dem Großbritannien und Frankreich den deutschen Führer beschwichtigen wollten.

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Es war eine gespenstische Runde von Sozialarbeitern, die jüngst bei Anne Will zusammensaß: Heiko Maas, Günter Verheugen und Armin Laschet überboten sich im Beschwichtigen: Man dürfe sich von Erdoğan nicht provozieren lassen, meinten die Herren in vornehmster Zurückhaltung. Das Wort "Diktatur" kam ihnen nicht über die Lippen. Einzig  Sevim Dağdelen von der Linkspartei redete Klartext in der Talk-Show: „Ich möchte nicht, dass Deutschland zum Wahlkampfhelfer für Erdoğan wird.“ Und weiter zum neuen Führer: „Diese Ein-Mann-Diktatur hat nichts in der EU zu suchen.

Offenkundig hält die kluge Frau den Präsidenten der Türkei nicht für therapierbar. Anders der deutsche Aussenminister. Bei einem Frühstück mit dem türkischen Aussenminister Mevlüt Çavuşoğlu – der hatte jüngst den Deutschen Nazi-Praktiken vorgeworfen – fand er sanfte Worte: Die „Regeln des Rechts" sollten eingehalten werden und auch noch die „Regeln des Anstandes“. Schließlich mahnte er die "Spielregeln“ an. Der deutsche Außenminister weiß offenkundig nicht wovon er redet. Erdoğan will nicht nur spielen.

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Frankreich: Polizeigewalt in französischen Vorstädten


Neun von zehn BundesbürgerInnen finden, dass die deutsche Polizei einen guten Job macht. [1] Wenn es um Diskussionen geht, wie eine gewaltfreie und herrschaftslose Gesellschaft aussehen soll, scheiden sich spätestens bei der Polizei die Geister. Denn ein Ziel gewaltfreier AnarchistInnen ist die Abschaffung und Auflösung auch dieser Gewaltinstitution. In Frankreich sind über die Hälfte der PolizistInnen Front-National-WählerInnen. Junge Berufsanfänger werden dort gleich nach der Ausbildung zum Einsatz in die Banlieues (Vorstädte) geschickt - und agieren aus Angst so brutal wie die älteren Polizisten aus reiner Routine. (GWR-Red.)

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Polizeigewalt in französischen Vorstädten

... und unterschiedliche Formen der Gegenwehr

von Coastliner

Aulnay-sous-Bois, nordöstlich von Paris, am Nachmittag, 2. Februar 2017. Es war eine Personenkontrolle, wie schwarze Jugendliche in französischen Vorstädten sie regelmäßig über sich ergehen lassen müssen. Racial Profiling [2] ist schon seit den Achtzigern gängige Polizeipraxis in Frankreich. Der Autor dieses Artikels lebt seit 16 Jahren in Frankreich: Ich bin als Weißer im normalen Alltagsleben seither ganze zwei Mal polizeilich kontrolliert worden. Für schwarze oder maghrebinische Jugendliche in den französischen Vorstädten ist das eine Zahl, die oft jeden Tag erreicht wird. Ich kann mir den riesigen Unterschied und die Auswirkungen auf Psyche und Lebensfreude nicht einmal vorstellen.

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► Zurück zum Ablauf der Personenkontrolle:

Théo, kein Vorstrafenregister, begrüßte im Hof eines Kulturzentrums drei Freunde; da kam eine Polizeistreife vorbei. Vier Polizisten stiegen aus. Von irgendwoher erschallte der Ruf "Ouais Pu Pu Pu!" - die übliche Warnung an Drogendealer. Natürlich war den Polizisten das Anlass für eine Personenkontrolle der vier schwarzen Jugendlichen, die sich gerade still verdrücken wollten. Laut Polizeibericht sei der Ruf von einem der vier gekommen, Sirou. Ein Polizist und Sirou standen sich direkt Gesicht gegen Gesicht gegenüber, da drückte der Polizist angeblich mit der Innenhand das Gesicht Sirous zurück. Für Sirou eine Ohrfeige. Jetzt ging Théo dazwischen; typisch für solche Fälle waren die unterschiedlichen Aussagen, die dann folgten.

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Die Bundesregierung gibt Gas bei der Autobahnprivatisierung

Und niemand schreibt darüber

von Jens Berger / NDS

Deutschlands Edelfedern sind in heller Aufregung. Man sorgt sich darum, dass die Checks & Balances der Verfassung nicht mehr funktionieren könnten und die Demokratie im Lande in akuter Gefahr sei. Das stimmt, aber wo bitteschön steht das, werden Sie nun denken. Stimmt, die Rede ist natürlich nicht von Deutschland, sondern von den USA, denen die ungeteilte Aufmerksamkeit der deutschen Leitmedien gilt.

Dass die Demokratie in Deutschland unterminiert wird und die Bundesregierung munter dabei ist, die Checks & Balances des Grundgesetzes auszuhebeln, findet indes gar keine Beachtung. Dabei zieht die Große Koalition in Berlin just in diesem Moment ein Schurkenstück ersten Grades durch: Man schafft die Grundlagen für eine Autobahnprivatisierung über den Umweg der Novellierung des Länderfinanzausgleichs.

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So kann man das Grundgesetz ohne große öffentliche Debatte ändern und Fakten schaffen, ehe die Wähler überhaupt ahnen, was da passiert ist. Und unsere Qualitätszeitungen debattieren indes weiterhin, ob dieser oder jener Trump-Vertraute Verbindungen nach Russland hat. Was braucht es noch, um von einem kollektiven Versagen der Vierten Gewalt zu sprechen?

Grundlagen zum Thema: Jens Berger – Autobahnen vom Lebensversicherer? Das ist Irrsinn mit Methode.

Unseren Qualitätszeitungen zufolge müssen wir uns gar keine Sorgen über eine Autobahnprivatisierung machen. Schließlich hat Sigmar Gabriel bereits im November gesagt, dass es keine Autobahnprivatisierung geben wird und die Gesetzentwürfe sehen ja auch vor, dass die Autobahnen unveräußerlich sind und im Besitz des Bundes bleiben. Also ist alles in bester Ordnung und die Warnungen vor einer Autobahnprivatisierung das üblich hysterische Gegacker linker Spinner? Postfaktisch? Fake News? Mitnichten. Es ist eher so, dass die zuständigen Redakteure der große Zeitungen sich im geistigen Tiefschlaf befinden und verdrängen, was eigentlich eine Privatisierung ist.

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Die große Verwirrung um Donald Trump: Die neoliberale EU darf jubeln, Trumps Wähler haben verloren

von Wolfgang Blaschka, München

buddha_buddhismus_donald_trump_president_republican_party_republicans_kritisches_netzwerk_washington_wall_street_muslims_make_america_great_again_first_establishment.jpgDer Kampf, der zur Zeit auf beiden Seiten des Atlantik zwischen "Links" und Rechts tobt, ist weder reiner Theaterdonner noch purer Streusand in den Augen der Beteiligten und Betroffenen. Er ist sichtbarer Ausdruck einer Auseinandersetzung zwischen den Herrschenden, wie sie ihre neoliberalen Projekte EU und USA weiterführen sollen, um damit der kapitalistischen Globalisierung zum endgültigen Sieg verhelfen und sich dabei optimal zu bedienen. Dabei setzen diverse Kapitalfraktionen in der Tat auf verschiedene Pferde, in der Hoffnung, die Wähler würden jeweils deren ins Rennen geschickten Kampfgäule in den Sattel heben. Zu (er)tragen haben diese vom Wahlvolk gekürten "Sieger" dann in jedem Fall die Menschen, die sie gewählt haben. Die sind nicht nur einfach Zuschauer, sondern unmittelbar Betroffene. Sie haben Wetten abgeschlossen darauf, wer sie den Karren besser, effizienter und kräfteschonender aus dem Dreck ziehen lassen wird. Wie das so ist bei Wettgeschäften: Realer Gewinner ist allemal die Bank.

Nun gibt es zwar prinzipiell zwei Richtungen auf der Rennbahn, aber die eine davon, nämlich zurück, würde automatisch dem anderen, der vorwärts rennt, den Sieg überlassen und zur eigenen Disqualifikation führen. Ein Zurück gibt es also nicht, weder am Rennplatz noch im Lauf der Welt. Daher starten alle in dieselbe Richtung. So sehen es die Regeln der Rennveranstalter vor. Wer letztlich gewinnt, könnte denen eigentlich egal sein, ob das weiße oder das schwarze oder ein braunes Pferd gewinnt. Hauptsache, die Veranstaltung hätte sich finanziell gelohnt.

In der Politik kann eine Wahl aber auch dann erfolgreich sein und sich lohnen, wenn sich nur wenige daran beteiligt haben, Hauptsache sie wird hinterher anerkannt und nicht begründet bezweifelt. Bei aller Schiebung, unzulässiger Wahlkampfhilfe, Parteien- oder Kandidatenfinanzierung, am Ende muss klar sein: Dieser Gaul ist jetzt unser Zugpferd, getragen von seinen Anhängern und Wählern, aber auch denen, die sich die Konkurrenz eher im Ziel gewünscht hätten. Bis zum nächsten Rennen sollte das Publikum das Ergebnis akzeptieren und den gesamten Rennzirkus mittragen, und so die Ausrichtung der nächsten Veranstaltung garantieren. Die Rennleitung kümmert sich derweil um die Dressur des Favoriten und seiner Nachfolger.

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Russland: Entwicklungsland neuen Typs

 

Russland und der Westen stehen heute nicht nur in der politischen, sondern auch in der kulturellen Kontroverse. Die westliche Propaganda betrachtet Russland wie einen unterentwickelten Paria, mit dem auch nur freundschaftlich zu verkehren schon für eine Stigmatisierung und den Verlust eines hohen Amtes ausreicht.

Der folgende Text mag dazu beitragen, die russische ‚Unterentwicklung‘ von einer anderen Seite her zu betrachten. Er ist heute so wahr wie 2005, als er geschrieben wurde – angesichts der neueren Konfrontationen möglicherweise noch wahrer als zur Zeit seiner Entstehung.

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Mit Jefim Berschin [1] steige ich in die Fragen ein, die sich aus der Einsicht ergeben, dass Russland heute – zum wiederholten Male – zum globalen Entwicklungsland geworden ist, und das nicht etwa im Sinne von Rückständigkeit, sondern im Sinne des wirtschaftlichen, sozialen, ethischen und geistigen Umbruchs – ein Entwicklungsland neuen Typs. In Russland bleibt kein Stein auf dem anderen, auch im mentalen Bereich; es gibt keine Prioritären, keine eindeutigen, keine einseitigen Orientierungen nach Westen oder nach Osten, zum ‚Kapitalismus‘ oder (zurück) zum ‚Sozialismus‘, zum Christentum oder zum Islam, überhaupt zur Religion oder zum Atheismus usw. Es wirbelt vielmehr alles durcheinander, auf allen Ebenen und in allen Bereichen. Wechselwirkung der Vielfalt pur!

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Insofern wird Russland erneut – wie schon mehrere Male in der Geschichte – zum  Entwicklungsland in dem Sinne, dass sich im Russischen Raum als Integrationsraum Euro-Asiens die Einflüsse aus allen Ecken der Welt überschneiden und neu gestalten. Das formuliert ja interessanter Weise auch Wladimir Putin. Die Form, die diese Entwicklung unter seiner Ägide zurzeit annimmt, ist höchst unglücklich – eine Wiederauflage des Paternalismus von der Art der Selbstherrschaft, im Wesen aber ist gar keine andere Politik möglich als die der Erneuerung der Integrationskräfte Russlands.

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DGB-Befragung: Beschäftigte leisten über 1,8 Milliarden Überstunden

Nur eine Verknappung des Arbeitsangebots kann als Jobmotor wirken

von Laurenz Nurk

Für jeden dritten Beschäftigten in Deutschland ist es Realität, deutlich länger zu arbeiten als es vereinbart wurde. Fast jeder vierte arbeitet sogar mehr als 45 Stunden in der Woche und etwa jeder sechste Beschäftigte arbeitet sogar mehr als 48 Stunden pro Woche. Die Arbeitnehmer leisteten 2016 mehr als 1,8 Milliarden Überstunden, knapp eine Milliarde davon war unbezahlt. Das geht aus einer repräsentativen Beschäftigtenbefragung des DGB hervor.

Die betroffenen Beschäftigten berichten deutlich häufiger von fehlender Erholung als andere Arbeitnehmer, ihr Arbeiten ohne Ende gefährdet die Gesundheit und erschwert, Beruf und Privatleben unter einen Hut zu kriegen.

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Zwischen den verschiedenen Branchen gibt es große Unterschiede, so geben 59 Prozent der Fahrzeugführer an, überlange Arbeitszeiten zu haben. Den Spitzenwert erreicht die Hotel- und Gaststättenbranche, dort arbeiten 63 Prozent der Vollzeitbeschäftigten länger als vereinbart. Den geringsten Anteil an Überstunden leisten der Studie zufolge die Beschäftigten in der Finanz- und Versicherungsbranche.

Wir brauchen dringend neue Regeln, damit die Beschäftigten ihre Arbeitszeit flexibel und selbstbestimmt gestalten und eine neue Verteilung von Arbeit, die ein Jobwunder auslösen würde. 60 Prozent der Beschäftigten arbeiten mehr als sie laut Arbeitsvertrag müssten. 33 Prozent der Vollzeitbeschäftigten verbringen wöchentlich 45 Stunden und mehr am Arbeitsplatz, 17 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten geben sogar an, über 48 Stunden pro Woche zu arbeiten.

Wer mehr als 45 Stunden die Woche am Arbeitsplatz verbringt, steht ständig unter Zeitdruck. 70 Prozent der Befragten, die überlang arbeiten, gaben an, sich sehr häufig gehetzt zu fühlen. Wenn dann noch fast eine Milliarde Überstunden unbezahlt sind, richtet die Mehrarbeit die Menschen völlig zugrunde.

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Hintergründe antisemitischer u. rassistischer Anschläge in den USA

von Patrick Martin / wsws.org

Die Machtübernahme von Donald Trump hat den reaktionärsten, rassistischsten und rückständigsten Elementen der amerikanischen Gesellschaft Auftrieb verschafft. In jüngster Zeit sind fast 100 Bombendrohungen gegen jüdische Gemeinden im ganzen Land gerichtet worden. Zwar entpuppten sich bisher alle als falscher Alarm, allerdings haben sie große Angst und Unsicherheit ausgelöst. Zwei jüdische Friedhöfe wurden geschändet; beim jüngsten Vorfall, am Samstagabend in Philadelphia, wurden mehr als 500 Grabsteine umgeworfen oder zerstört. Eine derartige Aktion erfordert zweifellos beträchtliche kriminelle Energie und Entschlossenheit.

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Letztes Wochenende wurde in Kansas City ein Softwareingenieur indischer Herkunft erschossen. Der Täter war ein religiös-fanatischer Armeeveteran und glaubte offenbar, einen Iraner zu töten. Bevor er schoss, rief er an Trumps Wahlkampfrhetorik angelehnt: „Raus aus meinem Land!“ Dieser Vorfall ist nur der ungeheuerlichste in einer ganzen Welle von Gewalttaten und Einschüchterungsversuchen gegen Immigranten und Muslime. Trumps Dekrete gegen Flüchtlinge und Immigranten hatten eine Leitfunktion für die weiteren Taten.

In seiner Rede im Kongress am Dienstagabend heuchelte Trump Sorge angesichts der rassistischen und antisemitischen Angriffe. Doch mit den Krokodilstränen war es schnell vorbei, als er sich dem Hauptthema seines Wahlkampfs zuwandte und Immigranten als Kriminelle, Drogendealer und Bandenmitglieder verunglimpfte. Was der Präsident tatsächlich über die Welle antisemitischer Angriffe denkt, wurde deutlich, als er am Dienstag im Weißen Haus vor einer Gruppe von Justizministern der Bundesstaaten sprach. Auf die Frage nach den Bombendrohungen und Grabschändungen antwortete er: „Manchmal ist es andersrum, damit die Leute, also andere, schlecht aussehen.

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Die Hartz-Reform – eine Erfolgsgeschichte?

Wessen Geschichte und Erfolg für wen?

von Laurenz Nurk

Nach den aktuellen Zahlen des Arbeitsministeriums arbeiten rund 20 Prozent der Beschäftigten in Deutschland für einen Niedriglohn unter zehn Euro in der Stunde. In Ostdeutschland liegt ihr Anteil sogar bei 30 Prozent.

Das sind die Ergebnisse einer seit über 10 Jahren praktizierten Hartz-IV-Politik, mit den vorläufigen Höhepunkten eines massiven Ausbaus des Niedriglohnbereichs, die Schaffung von prekärer, ungesicherter Beschäftigung, einer Ausgrenzung eines großen Teils der Bevölkerung und einem Erstarken von rechten Positionen.

Die fatalen Folgen dieser Politik prägen heute die konkrete Lebens- und Arbeitssituation der beschäftigten und erwerbslosen Menschen.Als der damalige Bundeskanzler auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos im Jahr 2005 erklärte „…Wir müssen und wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt. …. und wir haben bei der Unterstützungszahlung Anreize dafür, Arbeit aufzunehmen, sehr stark in den Vordergrund gestellt …“, war vielen Kritikern dieser Politik nicht klar, welche Auswirkung diese Ansage einmal haben würde.

 Ein hoher Sockel von langzeitarbeitslosen Menschen und der massive Ausbau des Niedriglohnbereichs sowie die prekäre, ungesicherte Beschäftigung haben dazu geführt, dass ein großer Teil der Marginalisierten sich abgehängt und überflüssig fühlt.

Mittlerweile arbeiten rund 20 Prozent der Beschäftigten in Deutschland für einen Niedriglohn unter zehn Euro in der Stunde. In Ostdeutschland liegt ihr Anteil sogar bei 30 Prozent.

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Cannabis als Medizin und das gesellschaftliche Tabu Behinderung


Der Bundestag hat am 19. Januar 2017 einstimmig ein für schwer kranke Menschen wichtiges Gesetz verabschiedet. Schmerzpatient*innen und chronisch kranke Menschen, bei denen keine konventionelle Therapie hilft, erhalten künftig medizinisches Cannabis auf Rezept. GWR-Mitherausgeberin Cécile Lecomte wirft einen kritischen Blick auf die Gesundheitspolitik und das neue Gesetz - aus einer Betroffenen-Perspektive. (GWR-Red.)

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Cannabis als Medizin

... und das gesellschaftliche Tabu Behinderung

von Cécile Lecomte / GWR-Mitherausgeberin

"Warum humpelst du? Hast du dich verletzt?", werde ich häufig gefragt. Meine Behinderung passt nicht so wirklich ins Bild der Kletteraktivistin, die den Klimakillern aufs Dach steigt.

cannabis_medizinisches_cannabisblueten_hanf_marihuana_schmerzmittel_pharmaindustrie_enttabuisierung_tetrahydrocannabinol_kritisches_netzwerk_drogenpolitik_cannabidiol_kiffen.pngViele kennen mich als Polit-Kletter-Aktivistin und können sich kaum vorstellen, dass ich - zumindest im Sinne der Horizontal-Gesellschaft - schwerbehindert bin. Noch verdutzter reagieren Polizeibeamt*innen, wenn ich nach einer erfolgreichen Kletteraktion erstmal nach meinen Arthritis-Gehstützen greife, um den Beamt*innen folgen zu können und später bei einer Ingewahrsamnahme auf die Aushändigung meiner Hanfkekse bestehe.

Auf Fragen reagiere ich oft gereizt, ich habe nicht jeden Tag Lust meine Situation zu erläutern und mich zu rechtfertigen. Nur wenige Menschen können sich vorstellen, was es heißt, mit einer chronischen Krankheit zu leben, dass man nicht von heute auf morgen wieder gesund wird. Und bei Rheuma kommt das Vorurteil, dass es nur alte Menschen treffen würde, hinzu. Mit Rheuma sind aber alle Krankheiten des Bewegungsapparates gemeint. Ich leide an Polyarthritis, das ist eine Autoimmunkrankheit, die sich durch eine chronische Entzündung und Zerstörung der Gelenke manifestiert. Die Krankheit kann sowohl Erwachsene als auch Kinder treffen.

Sie hat mein Leben auf den Kopf gestellt, als ich vor elf Jahren als 24-Jährige erkrankte. Sie ist zermürbend: Dauerschmerz, Fatigue-Syndrom, Bewegungseinschränkung, etc. Dieser Zustand hat psycho-soziale Folgen, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Wenn man früher ein anderes Leben geführt hat, fällt es einem schwer sich auf die neue Situation einzustellen.

Es fällt mir schwer, das Fortschreiten der Krankheit zu akzeptieren, zu akzeptieren, dass ich nicht mehr Felsklettern und Bergsteigen kann wie früher. Ohne die Hilfsmittel, die ich mir zu Hause besorgt habe, fühle ich mich hilflos. Ich fühle mich in einfachen alltäglichen Situationen unwohl: Beim Kochen bei FreundInnen, wo ich ohne spezielles Messer nicht mitschnibbeln kann.

Ausgerechnet Menschen, die es auf Grund einer Behinderung oder schwerer Krankheit im Alltag ohnehin schwer haben, müssen zusätzlich gegen eine Gesellschaft ankämpfen, die für sie bestimmen will, was für sie gut ist oder schlecht.

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Frankreich: Der Front National legt bei den Umfragen zur frz. Präsidentschaftswahl stark zu

von Kumaran Ira und Alex Lantier / wsws.org

Die Kandidatin des neo-faschistischen Front National (FN), Marine Le Pen, kann kaum mehr als neun Wochen vor der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen am 23. April ihren Vorsprung vor ihren wichtigsten Konkurrenten festigen. Laut jüngsten Umfragen wird sie sich mühelos für die Stichwahl qualifizieren, wahrscheinlich entweder gegen Emmanuel Macron von En Marche! oder gegen den rechten Kandidaten der Partei Les Républicains (LR), François Fillon.

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Genau wie Donald Trump sich trotz weit verbreiteter Ablehnung als durchsetzungsfähiger und letztendlich siegreicher Kandidat erwies, könnte Le Pen die Wahlen von 2017 gewinnen, denn die Wut über ihre Kontrahenten, speziell die Regierung der Sozialistischen Partei (Parti socialiste / PS), hat explosive Formen angenommen. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Elabe für den Sender BFM TV von Mittwoch ergab, dass sie in der ersten Runde 27 Prozent der Wählerstimmen bekommen würde. Damit läge sie weit vor Fillon (20 Prozent) und Macron (17 Prozent).

Am Mittwoch [22. Feb.] kündigte François Bayrou, der Präsident der rechten Mouvement Démocrate (MoDem), an, er werde nicht für die Präsidentschaft kandidieren und stattdessen Macron unterstützen. Trotzdem führt Le Pen in den Umfragen weiter. Laut einer Umfrage von Ifop-Fiducial, die nach Bayrous Erklärung durchgeführt wurde, käme Macron nur auf 22 Prozent der Stimmen. Dieselbe Umfrage kam zu dem Ergebnis, dass er die zweite Runde mit 61 Prozent gegenüber 39 Prozent für Le Pen gewinnen würde. Die 39 Prozent für Le Pen sind mehr als das Doppelte der Stimmen, die ihr Vater Jean-Marie Le Pen in den Präsidentschaftswahlen 2002 erreichte. Das war das erste und einzige Mal, dass es der FN in die Stichwahl geschafft hatte.

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Donald Trump und die Rechtsentwicklung in Europa


Vorbemerkung der KN-Redaktion: Um der Sache und eines zielführenden Diskurses Willen dürfen einige Bemerkungen/Schlussfolgerungen des nachfolgenden Artikels nicht unwidersprochen stehen gelassen werden. Das hat rein gar nichts damit zu tun, Donald Trump in irgendeiner Weise beizuspringen oder die Qualitäten des von uns hochgeschätzten Verfassers des Artikels, Conrad Schuhler, in Abrede zu stellen. Jegliche [Miss-]Deutungen in diese Richtung werden entschieden zurückgewiesen. Wir erachten es aber als wichtig, unseren Lesern diesen Artikel mit unseren integrierten Anmerkungen zu präsentieren.

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Donald Trump und die Rechtsentwicklung in Europa

von Conrad Schuhler / Vors. des Instituts für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

Bevor ich auf die einzelnen Fragen eingehe, die Sie zum Zusammenhang der Trump-Präsidentschaft und der weiteren Rechtsentwicklung in Europa gestellt haben, möchte ich zwei generelle Vorbemerkungen zum „Phänomen Trump“ machen:

1. Der Trump-Sieg in den USA ist der Höhepunkt einer längeren Erstarkung der Rechten und Rechtsextremen – es handelt sich um die Folgen der neoliberalen Globalisierung, und solange die anhalten, werden wir es mit weiterer Bedrohung durch Rechts zu tun haben.

Branco Milanović hat in seinem Buch „Die ungleiche Welt. Migration, das eine Prozent und die Zukunft der Mittelschicht.“ den Zusammenhang von globaler Einkommensentwicklung und der Entwicklung der einzelnen Einkommensgruppen untersucht. Seine wesentlichen Ergebnisse:

Das stärkste Einkommenswachstum findet bei zwei Gruppen statt: einmal bei oberen Mittelschichten in Schwellenländern und zum zweiten bei dem global allerreichsten einen Prozent. Den größten relativen Verlust hingegen stellt er bei der unteren Mittelschicht der Industrieländer fest. Die Gründe für diese Folgen der Globalisierung liegen in ihrer neoliberalen Verfassung:

Das Kapital geht dorthin, wo es den meisten Profit bringt – je nachdem werden die Industriestandorte verteilt auf die günstigsten Standorte, dort, wo die Lohn- und sonstigen Produktionskosten am niedrigsten sind, das ist der Witz der sogenannten globalen Wertschöpfungsketten;

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Rekord-Profite und Dividenden-Rekorde der deutschen Konzerne

von Fred Schmid c/o Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

Die Unternehmens- und Vermögenseinkommen stiegen im vergangenen Jahr um 2% auf knapp eine dreiviertel Billion Euro (746 Milliarden). In den drei Jahren Große Koalition (2014 – 2016) machte der Zuwachs zehn Prozent aus. Nach der Jahresprojektion der Bundesregierung sollen sie 2017 noch einmal um 2,0 Prozent steigen.

Alles wird jedoch übertroffen vom Gewinnrausch der großen Konzerne. Ende Dezember 2016 taxierte das Handelsblatt (28.12.16) den Nettogewinn für alle 30 Dax-Konzerne mit 74 Milliarden – „wenn keine weiteren schwerwiegenden Wertberichtigungen hinzukommen“. Das würde einen Gewinnsprung von fast 50 Prozent (49,2%) bedeuten, denn im Vorjahr brachten es die Dax-Konzerne auf 49,6 Milliarden Euro Nettogewinn. Schon in den ersten drei Quartalen zeige sich die starke Leistung, „und das nicht nur bei den Dax-Konzernen, sondern auch bei den 100 umsatzstärksten Konzernen“ (HB, 28.12.16).

Nach Berechnungen der Unternehmensberatung Ernst & Young (EY) legten diese um 24 Prozent auf 89,5 Milliarden Euro zu. Drei der vier gewinnträchtigsten Konzerne sind Autohersteller: Daimler 9,4 Milliarden Euro, Volkswagen trotz des Dieselskandals 8,7 Milliarden, BMW 7,6 Milliarden. Nur die Telekom hat sich mit 8,3 Milliarden Euro Gewinn für die drei Quartale dazwischengeschoben. „2016 war insgesamt ein gutes Jahr für die deutschen Konzerne“, schlussfolgert Mathieu Meyer, Mitglied der Geschäftsführung bei Ernst Young (EY) (zit. nach HB, 28.12.16).

► Schulden wie noch nie

Die Dax-Unternehmen aber türmten zugleich massiv Schulden auf. Die Firmen profitieren, wie der Staat, massiv von der EZB-Politik. Dadurch müssen sie für ihre Schulden immer weniger bezahlen. Der durchschnittliche Kreditzins für Unternehmen mit einer Laufzeit von fünf Jahren betrug im Januar 2008 5,39%; im Oktober 2016 dagegen 2,44% (HB, 14.12.16). „Insgesamt hat sich 2008 der durchschnittliche Zinsaufwand für die Dax-Konzerne von 684 auf 623 Millionen leicht verringert“, schreibt das Handelsblatt (14.12.16). „Im selben Zeitraum erhöhte sich aber die Gesamtverschuldung drastisch um knapp die Hälfte – 45% – auf inzwischen 613 Milliarden Euro“ (das sind nur die Schulden der 24 Industrie- und Dienstleistungsunternehmen, nicht der 6 Finanzkonzerne im Dax). Von 2001 bis 2007 sind die Schulden nur von 319 Milliarden auf 360 Milliarden Euro geklettert, plus 13 Prozent (ebenda).

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Gefährder Erdoğan: Diktatur privat auf Reisen

von Ulrich Gellermann, Berlin

Jüngst in Oberhausen: Der Assistent des Diktators Recep Tayyip Erdoğan, Ministerpräsident Binali Yildirim, sprach vor tausenden in Deutschland lebender Türken. Deutsche Politiker, die sonst gerne die Freiheitsfahne aufziehen, wenn es um Auslandseinsätze der Bundeswehr geht, sahen keine Möglichkeit, den Auftritt des Diktatur-Gehilfen zu verhindern. Denn zum einen sei da doch die vom Grundgesetz garantierte Versammlungsfreiheit, zum anderen sei der Herr Yildirim privat nach Deutschland eingereist. Die „König-Pilsener-Arena“ in Oberhausen sei von den „Union Europäisch-Türkischen Demokraten“ (UETD) angemietet worden. Dieser Erdoğan-Einfluß-Agentur. Also auch privat. Und noch besser: Yildirim hat schon mal angekündigt, dass sein Chef Erdoğan im März auch in Deutschland sprechen werde.

Die Versammlungsfreiheit, sagt das Grundgesetz im Artikel 8, gilt für alle Deutschen, die sich „ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen versammeln“. Hat Erdoğan die deutsche Staatsbürgerschaft? Oder sein Gehilfe Yildirim? Der reiste gleich von seiner Oberhausener Werbeveranstaltung für die Diktatur weiter zur Münchner Sicherheitskonferenz. Am Rande dieser Konferenz brachte Frau Merkel auch den Fall des widerrechtlich inhaftierten WELT-Korrespondenten zur Sprache: "Die Bundeskanzlerin drückte die Erwartung der Bundesregierung aus, dass Deniz Yücel eine faire und rechtsstaatliche Behandlung erfährt“, so teilte es der Regierungssprecher mit. Was mag der Satz bedeuten? Die türkischen Behörden mögen doch diesmal auf eine Behandlung durch Faustschläge ins Gesicht, Tritte in den Unterleib und Androhung von Vergewaltigung verzichten? Ist das dann fair? Deniz Yücel ist deutscher Staatsbürger. Da hätte doch die deutsche Kanzlerin mal solch ein Sätzchen sagen dürfen: „Lassen Sie den Mann sofort frei.

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Der globale Klamottenmarkt

von Laurenz Nurk, Dortmund

Wesensmerkmale des global ausgerichteten Kapitalismus waren immer schon die Aneignung der Gewinne, Auslagerung der Kosten und Ausbeutung Dritter. Mussten die Auslagerungspraktiken früher noch mit direkter Gewalt organisiert werden, so wurden diese Praktiken seit Anfang der 1950 Jahre immer mehr verrechtlicht, was die Möglichkeit mitbrachte, Rechtsmittel zu nutzen, um z.B. Schadensersatz zu fordern. Doch je weiter die Auslagerungen von uns entfernt sind, desto weniger können wir die Folgen unserer Produktions- und Lebensweise wahrnehmen, denn die Folgekosten werden auch von niemandem direkt an uns herangetragen, wir werden nicht mit ihnen direkt konfrontiert und dem entsprechend sind wir auch nicht gezwungen, etwas bei uns zu ändern.

Doch langsam ändert sich dies, wir merken, dass wir uns es nicht mehr leisten können, die Verwerfungen, die von uns aus woanders produziert werden zu ignorieren. Sie kommen zu uns zurück. Wir versuchen nun immer gewalttätiger und machtvoller dieses Zurückkommen zu verhindern, zumindest es zu verringern. Dazu werden Grenzzäune gebaut, diejenigen fürstlich belohnt, die Schlupflöcher für die Konzerne offenhalten und Menschen an der Flucht hindern, damit sie weiterhin für uns die Drecksarbeit verrichten.

Ein Beispiel für diese Entwicklung ist der globale Klamottenmarkt.

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Der Klamottenmarkt war einer der Vorreiter der globalen arbeitsteiligen Produktion, schon recht früh wurden die Zuschneide-, Färbe- und Näharbeiten ins Ausland ausgelagert. Zeitgleich hat sich auch das Kaufverhalten bei uns geändert. Derzeit kauft hier jede Person monatlich fünf neue Bekleidungsstücke in Form von Schuhen, Kleidung und modischen Accessoires. Das sind durchschnittlich rund 60 Bekleidungsstücke im Jahr. Dabei werden nur 40 Prozent dieser Kleidung überhaupt je getragen, der riesige Rest bleibt im Schrank hängen oder landet direkt in der Mülltonne, eben, weil Kleidung so billig ist.

Den Preis dafür zahlen die Arbeiterinnen in den Textilfabriken weit weg im globalen Süden mit unbezahlten Überstunden, Gesundheits- und Sicherheitsgefährdungen, Hungerlöhnen und immer öfter mit ihrem Leben. Die Entrüstung war auch bei uns zwar groß, als das Rana Plaza, ein baufälliges Gebäude der Textilindustrie in Bangladesch, im April 2013 einstürzte. Über 1.130 Menschen, vor allem Arbeiterinnen, hatten ihr Leben dabei verloren und über 2.400 wurden verletzt.

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Martin Schulz – Das Kalkül des Sigmar G

von Christian Jakob  

Heftiges Stühlerücken in der deutschen Regierung. Nach dem Ausscheiden Gaucks aus dem Amt des Bundespräsidenten wurde am 17. Februar 2017 Frank-Walter Steinmeier neu im Amt bestätigt, der wiederum das Amt des Außenministers aufgab, was nun Sigmar Gabriel bekleidet, der vorher Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler war. Dessen Job übernimmt jetzt Brigitte Zypries. Soweit noch mitgekommen?

Als Wähler und deutscher Staatsbürger sollte man sich eigentlich die Frage stellen, ob so was noch überhaupt normal sein kann. Man stelle sich vor, der Bäcker tritt zurück, wird durch den Elektrofachmann ersetzt der von nun an die Brötchen backt. So kümmert sich jetzt der Metzger um den Strom und die nette Frau vom Kiosk ist jetzt für den Aufschnitt und Schlachtung zuständig. Spielen Referenzen eigentlich überhaupt noch eine Rolle? Aber das nur so am Rande.

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Das ein Sigmar Gabriel sich nicht als Herausforderer Merkels zur Bundestagswahl 2017 aufstellen lies, war ein kluger Schachzug von ihm. Die Umfragewerte seiner SPD dümpeln seit Monaten im Niemandsland herum, eine wirkliche alternative Politik gegenüber den Christdemokraten ist für den Wähler ebenso nicht mehr erkennbar. Und dann noch das Risiko trotz eigener Masse wie ein Flummi an der Übermutter Merkel abzuprallen und am Ende in der politischen Belanglosigkeit und Vergessenheit zu landen. Gabriel ist schlau genug sich ein solches Szenario an fünf Fingern ausrechnen zu können und legt gezielt und clever den Rückwärtsgang ein. Irgendeiner wird sich schon finden, der diese Lücke füllt. Und siehe da, Gabriels Rechnung geht tatsächlich auf.

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Der Zug des Jobmotors CARE

. . . . darf nicht ungebremst durch den Gewerkschaftsbahnhof fahren

Gewerkschaften müssen sich dringend um diesen Sektor kümmern!

von Laurenz Nurk, Dortmund

In der öffentlichen Diskussion besteht Einigkeit darüber, dass Beschäftigte im Care-Sektor bessere Arbeitsbedingungen und eine höhere Entlohnung verdient haben.

Mit dem „Care“-Begriff werden die Arbeitsinhalte und die Beziehungsaspekte von Sorgearbeit beschrieben, Care-Arbeit umfasst bezahlte, sowie unbezahlte Arbeit. Diese orientiert sich an den Bedürfnissen anderer Personen. Die Berufe im Care-Sektor sind anspruchsvoll, fordernd und gesellschaftlich unverzichtbar.

Der Unterschied zu anderen Beschäftigungssektoren besteht darin, dass die Care-Arbeit wichtig für die Wirtschaft insgesamt ist, da sie erst die Erwerbstätigkeit vieler Menschen ermöglicht. Weiter unterscheidet sie sich von den meisten Bereichen der Industrie, in denen starke Gewerkschaften großen, einheitlich agierenden Arbeitgeberverbänden gegenüberstehen und Tarifverträge für ganze Branchen aushandeln und dagegen in der Care Arbeit die Landschaft der Arbeitsbeziehungen institutionell und regional zersplittert ist. Dies führt zu unterschiedlichen Arbeitsbedingungen in diesem Sektor.

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Es lohnt sich, einen genauen Blick auf die Struktur der Arbeitsbeziehungen in der Care-Arbeit zu werfen. Als ein Diskussionsbeitrag für die wichtige gewerkschaftspolitische Entwicklung in diesem schnell wachsenden Arbeitsgebiet ist hier die Analyse von Michaela Evans vom "Institut Arbeit und Technik" (IAT) der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen hilfreich. Sie hat die Arbeitsbeziehungen in der Care-Arbeit analysiert, die unterschiedlichen Formen der Arbeitsbeziehungen in Unternehmen und Regionen herausgearbeitet sowie konkrete politische Handlungsempfehlungen für die Zukunft formuliert.

Obwohl Wirtschaft und Gesellschaft zunehmend durch Care-Arbeit geprägt werden, stand diese bislang eher am Rand der Arbeitspolitik. Care-Arbeit zielt auf Lebensqualität, auf die gesundheitliche und pflegerische Versorgung von und durch Menschen. Sie ist eingebettet in die Organisationsform sozialer Dienste in der Sozialwirtschaft.

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Der gefühlte Schulz

Der Neue schafft sofort die Agenda ab

von Ulrich Gellermann, Berlin

martin_schulz_hoffnungstraeger_kanzlerkandidat_kanzlerkandidatur_bundestagswahl_hartz_iv_wuerselen_ceta_ttip_kritisches_netzwerk_spd_sozialdemokraten_sozialdemokratie.jpgGlaubt man den deutschen Medien, dann ist Martin Schulz der Neue, der frische Wind im Berliner Parlamentsbetrieb, der Überraschungskandidat aus der sozialdemokratischen Wundertüte. Und dieser Wunderglaube hat unseren Martin aus dem Europaparlament auf die ersten Umfrageplätze zur Kanzlerkandidatur katapultiert. Denn Martin ist anders, ganz anders als diese Berufspolitiker in Berlin.

Als im Jahr 1999 jede Menge Staaten der Europäischen Union –  an der Seite der USA unter dem Namen der NATO – den Serben mal zeigten, wie man mit Bomben den Frieden zwischen den Völkern sichern kann, da hätte man beinahe den Martin, der seit 1994 im Europaparlament saß, aus Strassburg empört NEIN rufen hören können. Wenn die Lautsprecher nicht so schlecht gewesen wären.

Und als 2001 jede Menge EU-Soldaten, unter ihnen erneut deutsche, in Afghanistan für jene Ordnung sorgten die noch heute so segensreich andauert, da war der Martin schon seit 2000 Vorsitzender der deutschen SPD-Landesgruppe im Europaparlament. Und wenn die Reisespesen bei der EU nicht so schlecht gewesen wären wie sie heute immer noch sind, dann wäre unser heutiger Hoffnungsträger schon damals voller Hoffnung an den Hindukusch geflogen, um sich zwischen die Fronten zu werfen, um den blutigen Krieg zu beenden.

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Das neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)

Antworten auf sieben Kernfragen

von Laurenz Nurk

hired_fired_leiharbeit_leiharbeiter_leiharbeitnehmer_sklaverei_zeitarbeit_niedriglohn_arbeitsrecht_arbeitnehmerueberlassung_kritisches_netzwerk_equal_pay_treatment.png Ab dem 1. April 2017 dürfen Leiharbeiter nur noch maximal 18 Monate in einem Betrieb arbeiten, ab neun Monaten gilt Equal Pay („Gleiche Bezahlung“). So das neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Doch es hagelt Kritik. Leiharbeit könne zum Dauerzustand werden. Damit wäre die Schlecker-Praxis zurück. Hier sind die Antworten der Fachredaktion des Bund Verlags auf 7 Kernfragen.

1. Was ist überhaupt Leiharbeit?

Leiharbeit soll Betrieben die Flexibilität geben, kurzfristig Personal aufzustocken. Eine Verleihfirma stellt dafür den Betrieben Personal – eben sogenannte Leiharbeitnehmer – zur Verfügung. Diese sind bei der Verleihfirma angestellt und schließen ihre Arbeitsverträge auch nur mit diesen ab. Dennoch sind Leiharbeitnehmer in die Arbeitsstrukturen der Betriebe, an die sie ausgeliehen werden, eingegliedert. Hinsichtlich der Arbeitsausführung unterliegen sie deren Weisungen. Dies, obwohl offiziell keine Rechtsverhältnisse zwischen Leiharbeitnehmer und den Betrieben des Einsatzortes bestehen.

Die Leiharbeitnehmer erhalten ihren Lohn von der Verleihfirma. Zwischen Verleiher und Entleiher wird ein Stundensatz für die zu leistende Arbeitszeit des Leiharbeitnehmers vereinbart, der (häufig; immer) deutlich über dem eigentlichen Lohn des Leiharbeitnehmers liegt.

2. Wie lange darf ab 1.4.2017 ein Leiharbeitnehmer maximal in einem Betrieb arbeiten?

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Hybrid Russland? Ein Angebot zur Entdämonisierung eines Feindbildes

Ungeachtet des angekündigten Kuschelkurses zwischen Donald Trump und Wladimir Putin, ungeachtet aller Beteuerungen aus Kreisen der EU wie auch der politischen Etagen Deutschlands, man wolle sich um ein gutes Verhältnis zu Russland bemühen, ungeachtet der von niemandem zur Zeit mehr bestrittenen Tatsache, dass das Schlachten in Syrien durch das Hinzutreten von Russland in einen – zumindest vorläufigen – Waffenstillstand übergegangen ist, also, ungeachtet all dieser Signale, ist das Verhältnis zwischen den Weltmächten doch nach wie vor das bekannte.

Die vor wenigen Tagen abgehaltene „Münchner Sicherheitskonferenz“ brachte es unmissverständlich an den Tag: Dort hat, wie es die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ treffend zusammenfasste, die neue amerikanische Regierung in Person des US-Vize-Präsidenten Mike Pence den Europäern „Bündnistreue in der NATO und eine Kritische Haltung gegenüber der russischen Aggression zugesichert.“ US-Präsident Donald Trump twitterte gar in Abwesenheit, er sei ein „NATO-Fan“.

Nun kann man aus Trumps Twitter-Botschaften nicht auf eine konsistente Politik schließen, aber Auftritte wie die des US-Hardliners John McCain, der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, des scheidenden Bundespräsidenten Joachim Gauck, die nacheinander zur Verteidigung des Westens, Europas, zur höheren Rüstungsanstrengungen Deutschlands aufriefen, lassen keine Zweifel an dem zu erwartenden Kurs.

Die FAZ fasste zusammen: „Und auch bei der Aufzählung der Herausforderungen hielten sich die europäischen Verteidigungsminister weitgehend an den Bedrohungskanon, den die Allianz schon seit zwei Jahren anstimmt und dessen Grundton stets auf Russland abgestimmt bleibt“. Der britische Verteidigungsminister Michael Fallon brachte das Konzert der Warner auf den Punkt, indem er erklärte: „Es geht um Putin, nicht um Trump“.

Beschworen wird also wieder einmal das Feindbild Russland.

Sehen Sie dazu das Video eines Vortrags, den der renomierte Journalist, Russlandforscher und Autor Kai Ehlers am 14.02 im Friedensforum Kassel hielt. Thema:

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Turkmenistan: Willkommen im Amt, Präsident Berdymuchamedow!

Berdymu....was?

von Christian Jakob  

Ja, man sollte es nicht meinen, aber nicht nur in Deutschland wurde ein Amt neu besetzt. Ebenso wurde am vergangenem Sonntag in Turkmenistan ein neues Staatsoberhaupt gewählt – und das direkt vom Volk! Gurbanguly Berdymuchamedow bekleidet das Amt des Staatspräsidenten und Regierungschefs in Personalunion und wurde mit sagenhaften 97,7% der Stimmen wiedergewählt. Solche Zahlen kennt man sonst nur von Parteitagen unserer deutschen Volksparteien, oder eben aus Ländern, wo es mit der Demokratie nicht ganz so genau gehalten wird.

Zugegeben, vielleicht beschleicht den einen oder anderen ein wenig das Gefühl, nicht wirklich etwas über dieses Land zu wissen, geschweige denn wo es überhaupt liegt. Mit einem Blick auf den Globus findet man die ehemalige Teilrepublik der damaligen Sowjetunion am Kaspischen Meer. Der zentralasiatische Binnenstaat mit der Hauptstadt Aşgabat (gesprochen Aschgabat) grenzt an Kasachstan, Usbekistan, Afghanistan und dem Iran und ist flächenmäßig ungefähr so groß wie Deutschland, Österreich und die Schweiz zusammen genommen.

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Während hierzulande die Wahl des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier in aller Munde war, ging diese Information so gut wie komplett in den Medien unter. Dabei hat die Wahl Berdymuchamedows nicht nur eine gewisse Bedeutung, sondern sie ist insbesondere für Deutschland von hoher Wichtigkeit. Die recht junge Republik bezeichnet seine politische Ausrichtung als Präsidialsystem. Der Haken an der Sache ist, das Staatsoberhaupt ist mit weitreichenden, nahezu diktatorischen Vollmachten ausgestattet, was auf Anhieb die sehr hohe Zustimmung erklärt. Zwar sind Neugründungen von Parteien seit einer Verfassungsänderung im Jahr 2008 erlaubt, jedoch schaffte es die bäuerliche Gerechtigkeitspartei als „scheinbare“ Opposition erst 2012 ins Staatsparlament.

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Der Ausnahmezustand in Nordkurdistan – Ein Überblick

von Leyla Güven – Kovorsitz. des Demokratischen Gesellschaftskongresses (DTK)

Die Kurd*innen in der Türkei mussten für die Rechte, die ihnen als Volk zustehen sollten, stets kämpfen. Und auch in der Gegenwart sind sie gezwungen, diesen Kampf weiter fortzuführen. Während die Kurd*innen in Bakûr / Nordkurdistan und der Türkei zu Hunderttausenden aufgrund der Kriegssituation in den Metropolen Zuflucht suchen mussten und auch dort seit Jahrzehnten für ihre politische, soziale, kulturelle und ökonomische Rechte den Kampf fortsetzten, hat der türkische Staat diesen gerechtfertigten Kampf stets mit Unterdrückung, Massakern, einer schwerwiegende Assimilationspolitik und ähnlicher faschistischer Methoden zu unterdrücken versucht.

Ob mit und ohne Ausnahmezustand, die Menschenrechtsverletzungen des türkischen Staates gegen die kurdische Bevölkerung halten weiter an. Seit zwei Jahren erlebt die Türkei, im Besonderen in Nordkurdistan, einen eskalierenden Krieg. Dieser Krieg begann mit der Aufkündigung des zweieinhalb Jahre währenden Dialogs zur Lösung der kurdischen Frage durch den türkischen Staat und seinem „Palast“. Mit dieser Eskalation dieses Krieges hat die kurdische Bevölkerung an verschiedenen Ort verkündet, dass sie sich selbst verwalten und ihre Selbstverwaltungen schützen wolle.

Der türkische Staat hat auf diese Verkündungen eine geradezu barbarische Reaktion an den Tag gelegt, und ihre Vernichtungspolitik gegen die kurdische Bevölkerung mit Hilfe ihrer paramilitärischen Kräfte verstärkt. Es wurden zahlreiche Städte dem Erdboden gleichgemacht und unzählige Menschen massakriert.

 Die Warnungen des PKK-Vorsitzenden Herrn Abdullah Öcalan, dass wenn die kurdische Frage nicht gelöst und die Demokratisierung der Türkei nicht vorangetrieben wird, der Putschmechanismus zu Tage treten werde, ist von den Regierenden der Türkei nicht verstanden worden. Doch am 15. Juli vergangenen Jahres sollten die Warnungen von Herrn Öcalan zur Realität werden. Der Putschversuch vom 15. Juli ist eine direkte Folge der ungelösten kurdischen Frage und des Beharrens der Regierung, den Forderungen der Kurden mit schierer Staatsgewalt zu begegnen.

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Vergewaltigte Nachricht! Minderjährige! Gerüchte! E-Mails! Russen!

von Ulrich Gellermann, Berlin

fake_news_propaganda_east_stratcom_task_force_kritisches_netzwerk_politische_agitation_tatarenmeldung_verhetzung_leitmedien_manipulation_massenmedien_medienguerilla.pngEine E-Mail beherrschte den Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz. Eine E-Mail aus dem Osten. Es erzitterte die versammelte NATO-Generalität. Furchtsam duckten sich die Verteidigungsminister, es klapperten die Zähne der Rüstungsindustrie-Vertreter.

Vor allem aber nahmen die Angst-Verstärker in den Medien sofort den Kampf auf: Die westliche Welt erbebte in ihren Grundfesten. Denn im bedeutenden Land Litauen soll eine E-Mail gesichtet worden sein, gelesen gar und über den SPIEGEL der Weltöffentlichkeit weitergegeben: „Nach SPIEGEL-Informationen streuten Unbekannte vor einigen Tagen durch gezielte E-Mails Gerüchte, dass deutsche Soldaten bei ihrem Einsatz in dem baltischen Land eine Minderjährige vergewaltigt hätten.“ Unbekannte streuten! Gezielt! Und in einer ersten Fassung wusste der SPIEGEL auch wer hinter der E-Mail steckte: "Russland attackiert Bundeswehr mit Fake-News-Kampagne"

Die brutale Information über die brutale Attacke der brutalen Russen schlug in den deutschen Redaktionen ein wie eine Bombe. Da gerade keiner zum Entschärfen da war, wurde der einmal geworfene Sprengsatz einfach weitergeworfen: Der TAGESSCHAU-Staatsfunk wußte aus der russischen Nirwana-Bedrohung eine Schlagzeile zu schnitzen: „Mit Fake News gegen die Bundeswehr“.

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE, das Blatt der Immer-Besser-Verdienenden, beklagte schon die ersten Opfer im Kampf der E-Mails, denn „das deutsche Truppenkontingent (sei) Opfer einer Fake-News-Kampagne geworden.“ Der TAGESSPIEGEL, Zentralorgan des ewigen West-Berliner Rentners, konnte flugs die Kriegsministerin zitieren: Es sei gut „dass wir jetzt die Muster kennen und schnell reagieren können“. Was wird sie tun? E-Mails über der Krim abwerfen? Russische U-Boote in Mails ertränken?

Die einstmals seriöse BADISCHE ZEITUNG zitierte den verteidigungspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Henning Otte, der von einer "perfiden Propagandageschichte" erzählen konnte. Und auch: "Es ist damit zu rechnen, dass Deutschland daher auch in Zukunft zur Zielscheibe von Propagandaangriffen wird“. Ab heute wird zurückge-mailt!

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Jakob Augstein & Nikolaus Blome bei Phoenix

Trump, Trump, Trump...!

von Christian Jakob

Als ob es kein anderes Thema in den letzten Tagen und Wochen geben würde. Mit einer beispiellosen und noch nie da gewesener Penetranz haben sich die deutschen Medien gefühlt auf nur dieses eine Thema eingeschossen. Andere Themen sind nur noch als Rahmenprogramm vorgesehen. Sie gehen schier im Blitzlichtgewitter unter, wenn alles auf Uncle Sam in persona Donald Trump schaut, Da zappe ich virtuell im Internet durch die Mediatheken diverser Sender und bleibe bei der 15-minütigen Diskussionsrunde von Augstein & Blome auf Phoenix hängen. Und natürlich, wie könnte es anders sein, ebenso wie bei Sandra Maischberger, Maybrit Illner, Anne Will und Konsorten dreht sich alles um die immens wichtigen Entscheidungen aus Washington und dem gewählten Multimilliardär. Der Titel der schnellen Rederunde ist in Anlehnung an einen alten Klassiker von Stanley Kubrik gehalten und lautet "Dr. Trump - oder lernen wir die Bombe zu lieben". Was bei Kubrik noch als Satire durchging, wird von den beiden Protagonisten verzweifelt aber dafür mit Inbrunst versucht, dieses Niveau zu halten. Dabei ist dieses Thema alles andere als lustig, sondern bitterer Ernst.

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In bester britischer Kolonialherrschaftsmanier zu Zeiten der indischen Besatzung, wo das Vorankommen und verwalten mit Zuckerbrot und Peitsche formuliert wurde, gab Trump seinem Stellvertreter James N. Mattis (auch als MAD DOG bekannt), seines Zeichens US-Verteidigungsminister, bei seinem Besuch in Brüssel mit auf den Weg, das die NATO zwar immens wichtig für die Außenpolitik der USA sei, die Europäer jedoch bitte mehr dazu beitragen sollten, da sich sonst die amerikanischen Streitkräfte nicht mehr wie gewohnt in diesem Bündnis einsetzen werden. Und in der Tat: betrachtet man es von der rein wirtschaftlichen Seite, haben die USA sogar Recht, denn der Löwenanteil wird durch das Pentagon getragen. Primäre Zusicherung um die hoch geschlagenen Wellen bei den Europäern zu glätten, zur sekundären Rechtfertigung mit dem gehobenen Zeigefinger. Das Frau von der Leyen natürlich direkt mit auf den Zug aufspringt und die Aufrüstung der europäischen NATO, insbesondere der deutschen Bundeswehr befürwortet, war so sicher wie das Amen in der Kirche.

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