Wortlos glücklich.

von Maria Wölflingseder / Streifzüge 72/2018

So sehr das kollektive Schweigen über leidvolle soziale Verhältnisse abzulehnen ist, so sehr wäre Funkstille in anderer Hinsicht dringend vonnöten.

Der im Broadway-Musical „Annie Get Your Gun“ beschworenen Verlockung scheint heute die ganze Welt zu erliegen: „There’s no business like showbusiness“. Nach über 70 Jahren hat sich der Wunsch nach öffentlicher Bewunderung für jedermann und jedefrau digital und global realisiert. Ob das die Erfüllung bringt?

Alles und jedes zerrt das Ich heute in die mediale Öffentlichkeit. Ich poste, also bin ich. Je präsenter desto Ich. Ohne likes and followers bist du niemand. Lieber dislikes und mopping als gar keine Nachrede. Mit Fotos, Videos, GPS-Koordinaten werden in Permanenz Standort, Aktivitäten und Erlebnisse dokumentiert und vom globalen Publikum kommentiert. The show must go on – everywhere.

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Ich unverbesserlich Deviante halte mich lieber an Jean Greniers Empfehlung: „Eine Leidenschaft will wohl verborgen, behütet sein, und in diesem Augenblick lernte ich das Geheimnis zu lieben, das jedes Ding schön erscheinen lässt –, ohne dieses Geheimnis ist kein Glück möglich… Man muss der indiskreten und riskanten Neugier zuvorkommen, indem man ihnen [der Concierge und dem Hotelangestellten] sogar vertrauliche Mitteilungen macht; je mehr man ein geheimnisvolles Leben führen will, desto ehrlicher und tiefer werden die Vertraulichkeiten sein müssen. Selbstverständlich sollen diese Mitteilungen aber auch völlig belanglos sein.

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Atypische und prekäre Arbeitsbedingungen auf der EU-Agenda

Aussicht auf sozialen Fortschritt?

von Nikolai Soukup und Alice Wagner / A&W blog

Vor dem Hintergrund der sogenannten „europäischen Säule sozialer Rechte“ rückt die EU-Kommission die Arbeitsbedingungen atypisch Beschäftigter, insbesondere von ArbeitnehmerInnen mit neuen Beschäftigungsformen, auf die EU-Agenda. Der aktuell verhandelte Vorschlag für eine Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen in der EU soll zu mehr Transparenz und gestärkten Rechten beitragen. Sind die Vorschläge ein Schritt in die richtige Richtung?

► Soziale Prinzipien & Ziele, aber welche Maßnahmen zu ihrer Erreichung?

Ich möchte ein Europa mit einem sozialen ‚Triple-A“, formulierte Jean-Claude Juncker im Oktober 2014 als designierter EU-Kommissionspräsident vor dem Europäischen Parlament. Zwar ist die Europäische Union bereits gemäß ihren Verträgen verpflichtet, sich auf soziale Ziele wie sozialen Fortschritt, die Förderung sozialer Gerechtigkeit und sozialen Schutzes (Art. 3 EUV) u. die Verbesserung der Lebens- u. Arbeitsbedingungen (Art. 151 AEUV) auszurichten. Dennoch erscheint die Juncker-Kommission bei verschiedenen Gelegenheiten bestrebt, ihre Bereitschaft zu betonen, der sozialen Dimension der EU stärkeres Gewicht einzuräumen. Als übergeordnete Initiative in diesem Zusammenhang gilt die „europäische Säule sozialer Rechte“.

Der von Kommission, Rat und EU-Parlament im November 2017 proklamierte Katalog an Grundsätzen ist allgemein formuliert und rechtlich unverbindlich – und einzelne Bestandteile zielen auf arbeitgeberorientierte Flexibilität anstelle sozialer Rechte ab. Dennoch enthält die „soziale Säule“ mehrere soziale Grundsätze, an denen das Handeln von EU-Institutionen und Mitgliedstaaten politisch gemessen werden kann.

Doch kann es gelingen, die Widersprüche zwischen deklarierten sozialen Zielen und Prinzipien auf der einen Seite und einer großteils einseitig-neoliberalen wirtschaftspolitischen Ausrichtung und der Unterordnung der sozialen Dimension auf der anderen Seite zumindest ansatzweise aufzulösen? Gesamthaft gesehen hängt dies davon ab, ob ein grundlegender Kurswechsel in Richtung eines sozialen Europas gelingt.

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Außenminister Heiko Maas mag Diktatur

Rechtsbelehrung für den Juristen im Außenamt

von Ulrich Gellermann

heiko_maas_aussenminister_kriegstreiber_kriegsrethorik_internetzensur_netzwerkdurchsetzungsgesetz_netzdg_kritisches_netzwerk_meinungsfreiheit_ueberwachung_sozialdemokrat_spd.pngDem deutschen Außenminister Heiko Maas, der so vollmundig den Raketen-Terror-Angriff auf Syrien zu einem “angemessenen und notwendigen Signal" erklären mochte, fiel zur jüngsten Inhaftierung eines deutsch-türkischen Staatsbürgers in der Türkei durch die Erdoğan-Polizei einfach nichts ein. Kein gespitzter Mund war zu sehen, kein Einwand war aus dem Auswärtigen Amt zu hören. Nur bestätigen mochte das Außenministerium die Verhaftung von Adil Demirci aus Köln, der seine krebskranke Mutter in die Türkei begleitet hatte. Die „Reporter ohne Grenzen“ waren in der Lage, gegen den Willkürakt des Diktators aus Beyoğlu zu protestieren und fordert die Freilassung des inhaftierten Adil Demirci sowie seiner beiden Kollegen.

Heiko, der Volljurist, schwieg und schweigt eisern, denn bald sind Wahlen in der Türkei. Da will Mass offenkundig nicht störend im Weg stehen. Am 24. Juni will sich Recep Tayyip Erdoğan mal wieder zum totalen Präsidenten der Türkei wählen lassen - in einer Türkei mit Gefängnissen voller Oppositioneller und einer verängstigten Medienlandschaft. Schon jetzt weiß man, dass Teile dieses Wahlkampfes der türkischen Diktatur erneut in Deutschland stattfinden werden: Pöbelnde Erdoğan-Minister werden in deutschen Hallen wieder auf ihre Wähler einbrüllen und damit deutsche Gesetze verletzen.

Macht nichts, signalisiert Heiko, der Sozialdemokrat und gelernte Messdiener aus Saarlouis durch sein Schweigen. Und zeigt sich so nicht nur als Helfer der Diktatur, sondern gibt auch noch der AfD frisches Futter für ihre Agitation. Das wird die SPD-Umfrage-Prozente weiter zu Gunsten der AfD drücken. Dabei gibt es im deutschen Recht ein juristisches Instrumentarium, das Auftritte ausländischer Diktatur-Vertreter verbietet. Man müsste es nur anwenden. Bereits der Artikel 9 des Grundgesetzes sagt im Absatz 2 deutlich: 'Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten'.

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Lauschen wie noch nie: Österreich beschließt Überwachungspaket

von Alexander Fanta

Die rechte Regierung in Wien gibt der Polizei umfassende neue Möglichkeiten. Der Bundestrojaner erlaubt das Infiltrieren von Handys, anonyme SIM-Karten werden verboten und die Behörden erhalten Zugriff auf alle Videokameras im öffentlichen Raum. Sogar das Briefgeheimnis wird aufgedampft. Die Opposition und Bürgerrechtler warnen vor großangelegten Lauschaktionen.

Österreich macht den Weg frei zu neuen Überwachungsmaßnahmen. Das Parlament beschloss heute in Wien mit rechter Regierungsmehrheit das sogenannete Sicherheitspaket. Vehemente Proteste der Opposition blieben wirkungslos. Das Bündel an Maßnahmen räumt der Polizei umfassende neue Möglichkeiten ein: Der Bundestrojaner infiltriert Smartphones und Computer, Behörden bekommen Zugriff auf Videoüberwachung, anonyme SIM-Karten werden verboten und selbst das Briefgeheimnis wird abgeschwächt. Die Beamten können lauschen wie noch nie.

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In Wien regiert seit Dezember eine Koalition aus der konservativen ÖVP und der Rechtsaußen-Partei FPÖ. Auf Druck des als Hardliner bekannten Innenministers Herbert Kickl wurde das Sicherheitspaket im Eilverfahren binnen drei Monaten durch das Parlament gebracht. Und das, obwohl Kickl das beinahe gleiche Paket an Maßnahmen der Vorgängerregierung nicht einmal ein Jahr zuvor abgelehnt und als „DDR 4.0“ bezeichnet hatte. Seit seinem Amtsantritt arbeitet der Innenminister konsequent am Ausbau der Polizeibefugnisse und der Aufweichung von Kontrollmöglichkeiten, die ebenfalls heute beschlossen wurde. Wesentliche Teile des Überwachungspakets treten bereits in wenigen Wochen – mit Juni 2018 – in Kraft.

Die Affäre um den österreichischen Verfassungsschutz sorgt sogar in deutschen Regierungskreisen für Besorgnis. Auf Anordnung Kickls wurde der Leiter des "Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung" (BVT), Peter Gridling, im März wegen angeblicher, schon länger zurückliegender Verfehlungen vom Dienst suspendiert. Der rechte Innenminister nützt die Affäre zur Neubesetzung der Führungsebene des Nachrichtendienstes. Dem gesamten Beamtenapparat der Polizei sendet die FPÖ damit eine klare Nachricht: Gehorcht uns, oder ihr seid die Nächsten.

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Hartz-IV: Eine Bilanz der Sanktionen gegen Arbeitslose

Zunahme psychischer Erkrankungen

von Michele Hell

Ein Kernstück der Hartz-Gesetze sind die berüchtigten „Sanktionen“, mit denen Langzeitarbeitslose unter Androhung von Leistungskürzungen gezwungen werden, ihre Arbeitskraft zu Hungerlöhnen zu verkaufen. Dank dieser Politik hat Deutschland den größten Niedriglohnsektor Europas, in dem mittlerweile jeder vierte abhängig Beschäftigte arbeitet.

hartz_4_iv_jobcenter_langzeitarbeitslose_arge_armut_altersarmut_armutsbericht_arbeitslosigkeit_kritisches_netzwerk_paritaetischer_wohlfahrtsverband_soziale_ausgrenzung_h4.gifDass die Hartz-IV-Sätze, die Arbeitslose erhalten, nicht einmal das Existenzminimum sichern, ist immer wieder von zahlreichen Arbeitslosen- u. Wohlfahrtsorganisationen kritisiert worden. Der Regelbedarf für einen Alleinstehenden beträgt aktuell 416 Euro im Monat. Für eine sogenannte Bedarfsgemeinschaft zahlen die Jobcenter durchschnittlich 954 Euro aus.

Derzeit gibt es offiziell rund sechs Millionen Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen, das auch als Hartz IV bezeichnet wird. Viele von ihnen arbeiten, aber ihr Einkommen reicht nicht, um den Lebensunterhalt eigenständig zu bestreiten. Sie müssen daher aufstockende Leistungen beziehen, um sich und ihre Familien zu ernähren.

Im Zeitraum von 2007 bis 2017 wurden über 9 Millionen Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher verhängt, wie aus dem Bericht ,,Sanktionen“ der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht, der im Februar 2018 erschienen ist. Bei rund 70 Prozent (6,69 Millionen) handelte es sich um sogenannte ,,kleine Sanktionen“, die aufgrund angeblicher ,,Meldeversäumnisse“ erfolgten. Sie führen jeweils zu einer Kürzung von 10 Prozent des Regelbedarfs. Die Zahl der Meldeversäumnisse muss aber mit Vorsicht betrachtet werden. Nicht selten werden wahrgenommene Termine nicht in den Akten dokumentiert und es kommt deshalb zu einer Sanktion.

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Zum Syrien-Angriff von USA, Großbritannien und Frankreich

von Clemens Ronnefeldt / Gastautor des isw München e. V.

Alle drei Staaten, die in der Nacht des 14. April 2018 Ziele in Syrien bombardierten, haben eine koloniale Vergangenheit in der Region, deren Auswirkungen bis in die Gegenwart reichen. Im Sykes-Picot-Abkommen von 1916 teilten Frankreich und Großbritannien den vorderen Orient unter sich auf, der Libanon wurde von Frankreich als eigener Staat mit knapper christlicher Mehrheit erst geschaffen und von Großsyrien (arab.: ash-Shām) abgespalten.

Entgegen dem Versprechen an die arabischen Verbündeten auf unabhängige arabische Staaten nach Beendigung des 1. Weltkrieges sowohl in den französischen wie auch in den britischen Einflusssphären-Gebieten, waren weder Frankreich noch Großbritannien bereit, diese arabischen Staaten entstehen zu lassen, ihre Interessen wurden schlicht ignoriert. 1949 führte die CIA ihren ersten Putsch überhaupt in Syrien durch.

Diese Geschichte der letzten Hundert Jahre stellt die Hintergrundfolie dar, auf der die Angriffe vom 14. April 2018 von vielen Menschen in Syrien gesehen werden. Manche arabischen Kommentare stellten eine Assoziation zum Suezkrieg 1956 her, als Großbritannien und Frankreich gemeinsam mit Israel – ebenfalls ein Dreierbündnis – einen Angriff auf Ägypten starteten, aus dem Gamal Abdel Nasser trotz Niederlage gestärkt hervorging. Ähnlich könnte es nun auch Bashar al-Assad ergehen. Für Großbritannien und Frankreich bedeutete das Jahr 1956 das Ende ihrer Vorherrschaft in der Region, die beiden neuen starken Staaten hießen fortan USA und Sowjetunion.

Es zeichnet sich ab, dass sowohl der US-amerikanische wie auch der europäische Einfluss in Syrien zukünftig eine geringere Rolle als in der Vergangenheit spielen werden – beim Wiederaufbau des Landes werden Russland und Iran tonangebend sein.

► Zur Vorgeschichte des Angriffs

Hätte Russland auf Bitten der syrischen Regierung 2015 nicht in den Syrienkrieg eingegriffen – Baschar al-Assad wäre heute nicht mehr im Amt. Im Gegensatz zu den US-Truppen, die sich ohne irgendwelche vertraglichen Grundlage in Syrien aufhalten, haben die Regierungen von Russland und Syrien einen Truppenstationierungsvertrag abgeschlossen.

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"Sandsackstellung": Aktuelle Trends in deutschen Kinderzimmern

Süßer die Handschellen nie klicken ...

von Leonie Felix

Auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken für vier- bis zehnjährige Kinder stieß man in der vergangenen Vorweihnachtszeit auf ein ganz besonderes Angebot der Spielzeugfirma PLAYMOBIL. Eine "Polizei-Kommandozentrale mit Gefängnis" soll der Einbildungskraft unserer Jugend auf die Sprünge helfen, die ihre Phantasie sonst meist an so widerständigen Figuren wie Pirat*innen, Hexen, Indianer*innen, und - soweit es um Gewalt von oben geht - allenfalls an sehr historischen Ritter-Figuren austobt. Nun sollen die Kleinen Gegenwart spielen und dabei auf der rechtschaffenen Seite stehen.

Ich will vorwegschicken, dass die völlige Abschaffung von Gefängnissen meines Erachtens wohl erst in einer fortgeschrittenen Phase des erstrebenswerten Aufbaus einer anarchistischen Gesellschaft vollzogen werden kann. Einstweilen sind Knäste ein Faktum, so wie z.B. Alkoholkater oder Kopfläuse auch. Aber daraus macht man doch auch keine PLAYMOBIL-Baukästen!

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Aber hier: Action ist garantiert: "Großeinsatz für die Polizei! Ein Ganove muss gefasst werden. Von der Kommandozentrale aus wird die Operation gesteuert. Der Chef weiß, wo sich jedes Auto und jeder Hubschrauber befindet. Und genau zur richtigen Zeit schlagen die Beamten zu. Einen Ganoven haben sie gefangen - doch sein Komplize konnte entkommen. Rasch werden dem Dieb die Fingerabdrücke abgenommen und ein Foto geknipst. Und dann geht's hinter Gitter." [zit. nach myToys.de]

Kinder sollen also nicht nur lernen, dass das "Zuschlagen" zum Zwecke der Freiheitsberaubung ganz okay ist, wenn es von "Beamten" ausgeführt wird (natürlich gegenüber "Ganoven") - nein, auch dass es einen "Chef" gibt, der als einziger den Überblick hat. Und Überblick wird groß geschrieben in diesem Bausatz, der gleich mit zwei panoptischen Überwachungstürmen aufwartet - von den ‚erkennungsdienstlichen' Hilfsmitteln mal ganz zu schweigen.

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ALG-II-Sanktionen sind zugleich Strafe und Legitimation

Durch ALG-II-Sanktionen werden weiterhin tausende Menschen in Existenznot geraten

von Laurenz Nurk

Zuletzt lehnte Anfang Oktober 2015 der Bundestag mit der Mehrheit der Regierungskoalition die Abschaffung von Sanktionen bei dem HARTZ -IV-Bezug ab. Auch die Gewerkschaften konnten sich bisher nicht dazu durchringen, sich eindeutig gegen die Sanktionspraxis zu positionieren. Das ändert aber nichts daran, dass die Sanktionen weiterhin verfassungsrechtlich und ethisch äußerst umstritten bleiben.

Trotz aktueller Diskussion, in der Vorschläge von der vollständigen Abschaffung der Sanktionen in HARTZ-IV, über die Herausnahme von einzelnen Personengruppen bis hin zu gedämpften Sanktionierungen, werden Jobcenter auch weiterhin Sanktionen verhängen, wenn die Erwerbslosen gegen ihre Pflichten verstoßen.

Das geschah im vergangenen Jahr rund 953.000 mal. Das waren fast 14.000 Strafen mehr als im Vorjahr, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) kürzlich mitteilte. Demnach waren ständig rund 3,1 Prozent der 4,3 Millionen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, also knapp 140.000 Menschen, sanktioniert. Tatsächlich mussten 2017 bundesweit rund 420.000 Menschen teils mehrfach jeweils drei Monate mit gekürzter Grundsicherung leben. Das betraf etwa jeden 10. Leistungsberechtigten zwischen 15 und 65 Jahren.

Es wird aber ein Scheingefecht mit der Abschaffung der Sanktionen im Rahmen der HARTZ- Gesetzgebung geführt. Ohne HARTZ-IV gibt es keine Sanktionen und ohne Sanktionen gibt es kein HARTZ-IV, denn Sanktion ist immer Strafe und Legitimation zugleich. Einmal wird bestraft und zum anderen den Menschen gezeigt, dass der Staat dazu das Recht hat, dass er das tun darf. Ohne Sanktionen würde das HARTZ-IV-System seine Effektivität und Abschreckung als Mittel zur Lohnsenkung verlieren.

Fallen Sanktionen weg, fallen auch die Strafen und die Legitimität von HARTZ-IV weg.

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Die Eliten und wir. Eliten vereinnahmen.

Sie nehmen für sich in Anspruch, im Namen der Masse sprechen zu dürfen.

von Peter Frey / Peds Ansichten

Was wir in uns selbst am stärksten ablehnen, sehen wir am deutlichsten in anderen Menschen. Es ist ein Blick in den Spiegel; den unseres Selbst. Eliten zum Beispiel, als gesellschaftliche Gruppe an der Spitze von machtbasierten Gesellschaften haben „weiter unten“ einen äußerst negativ wahrgenommenen Beigeschmack. Nur ist Elitendenken nicht auf „die da oben“ beschränkt. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen und es hat eine solide Basis.

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Zu Beginn ist mir die Herausstellung eines Unterschiedes wichtig, dem zwischen Elitendenken und systemischem Denken.

Das große Ganze zu betrachten, ist keinesfalls elitäres Gehabe. Es ist der sehr notwendige Blick von außen auf komplexe Strukturen und Prozesse. Durch Abstraktion werden mittels Betrachtung aus unterschiedlichen Perspektiven verschiedene Modelle erstellt und damit Teilaspekte von Systemen beschrieben. Ein Beispiel dafür ist die Beschreibung von Gesellschaften aus der Sicht von Klassen. Systemisches Denken hilft auf allen Ebenen, gute Entscheidungen zu treffen. So wie es uns auch die Kompliziertheit dieser Welt vor Augen führt.

Das systemische Denken beinhaltet den Blick auf die Vergangenheit des Systems. Es versucht, so weit wie möglich umfassend zu sein. Systemisches Denken ist Denken über den Tellerrand hinaus und hilft so, auch empathisch geprägte Entscheidungen zu fällen. Denn es schließt auch menschliche Schicksale außerhalb des Alltagshorizonts in seine Betrachtungen ein.

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Digitale Arbeit – Assistenzsysteme steuern den Arbeiter?

von Marcus Schwarzbach / Gastautor des isw München e.V.

Ein wichtiger Faktor zur Digitalisierung im Betrieb sind Assistenzsysteme. Diese liefern den Beschäftigten Daten, Diagnosen und Arbeitsanweisungen. Eine einfache Form ist etwa das „Pick-by-Light“, also ein „Kommissionieren nach Lichtanweisung“, das in vielen Logistikbereichen zum Standard gehört. Statt einer Liste in Papierform werden dem Kommissionierer die zu sammelnden Waren über eine direkt am Entnahmefach angeordnete Fachanzeige übermittelt. Die Beschäftigten werden deshalb häufig „Picker“ genannt. Selbst der Smartphone-Einsatz in der Arbeitswelt kann als Assistenzsystem bezeichnet werden.

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Dass weit mehr hinter diesem Ansatz steckt, zeigt die StudieEinsatz von digitalen Assistenzsystemen im Betrieb“, vom Bundesarbeitsministerium veröffentlicht. Hieß es anfangs, Arbeit werde erleichtert und die Beschäftigten von langweiliger Routine entlastet, machen die Autoren deutlich: „Der menschliche Vorsprung wird kleiner“. Denn in der Vergangenheit waren „viel Wissen und praktische Erfahrung in den Köpfen von Experten, Fachbüchern oder Aktenschränken abgelegt. Zunehmend wird dieses Wissen in digitaler Form gespeichert und dargeboten“, erläutern Wissenschaftler des Instituts für Innovation und Technik.

In anderen Bereichen seien diese neuen Systeme schwer umsetzbar. Es gebe „vielfältige Sektoren wie die Pflege, in denen Assistenzsysteme zur Unterstützung der Pflegekräfte sehr wünschenswert scheinen, jedoch bis auf wenige Anwendungen noch immer ein Nischendasein führen“, erläutern die Wissenschaftler.

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Deutschland – Neutral zwischen Ost und West.

Unfertige Gedanken zum Mitdenken

Es wird Zeit, sich darauf zu besinnen, dass Neutralität die einzige sinnvolle Lehre aus den beiden Weltkriegen sein kann, deren Austrag sich beide Male auf deutschen Boden konzentriert hat. Neutralität muss heute Dreh- und Angelpunkt aller Überlegungen deutscher Politik sein, damit Deutschland nicht ein drittes Mal zum Schauplatz der Konfliktaustragung zwischen  Ost und West im globalisierten Rahmen wird. Denn in Deutschland läuft – historisch gewachsen – die Scheide zwischen Ost und West.

neutralitaet_neutralismus_neutral_attitude_country_selbstbestimmung_transformation_kritisches_netzwerk_buendnisfreiheit_buendnislosigkeit_buendnisneutralitaet_buendniszwaenge_ehlers.png Deutschland ist nicht Ost, Deutschland ist nicht West; Deutschland ist Mitte zwischen Ost und West. Deutschland hat intensivste Bindungen an Russland u. den ganzen russischen Raum, den ganzen östlichen Raum, und Deutschland hat intensivste Bindungen an den westlichen Raum, insofern der westliche Raum, der angelsächsisch-amerikanische zu großen Teilen auch aus der mitteleuropäischen, nicht zuletzt auch aus der deutschen Entwicklung hervorgegangen ist.

Das alles gilt, wenngleich sich der amerikanische Raum selbstständig gemacht, die europäische Kultur hinter sich gelassen und sich extrem veräußerlicht hat. Auch der russische Raum hat seine europäischen Wurzeln hinter sich gelassen u. sich auf einen eigenen Entwicklungsweg gemacht. Die Gefahr besteht, dass diese beiden polaren Tendenzen wieder einmal aufeinanderprallen, wie eben erst in der jüngsten Geschichte, jetzt noch verstärkt durch das chinesische, das asiatische Element im Osten und – wie es sich in letzter Zeit andeutet – durch das arabische Element auf ‚westlicher‘, genauer, das saudi-arabische auf amerikanischer Seite.

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Merkel macht Macht: Hyäne des Krieges gegen Syrien

von Ulrich Gellermann, Berlin

Erst mal aufatmen, hätte man denken können, als Angela Merkel vorerst eine deutsche Beteiligung an einem Militärschlag der USA gegen Syrien ausgeschlossen hatte. Aber man kennt Merkel und ihre jähen Wendungen für den Machterhalt: Jahre galt sie als Atomkanzlerin. Bis die Umfragen ihr signalisierten, dass es für die nächsten Wahlen besser sei, sich aus diesem schmutzigen Geschäft zurückzuziehen. Und jetzt wieder: Das ZDF-Politbarometer stellte jüngst fest: 78 Prozent der befragten Deutschen wären gegen eine Beteiligung an einem möglichen Militäreinsatz in Syrien. Das hindert die schlaue Frau aber nicht, zum Raketen-Überfall der USA und Frankreichs auf die Syrer zu sagen, der sei "Erforderlich und angemessen".

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Die deutsche Kanzlerin hat das Beuteschema der Hyänen: Wenn die großen Räuber was liegen lassen, tun die sich gütlich an den Fleischfetzen, die übrig bleiben. Und syrisches Fleisch wird es nach dem mörderischen Raketenangriff genug geben: Blutige Fetzen von Frauen, Kindern und Alten. Natürlich auch ein paar Soldaten-Brocken. Doch Soldaten sind meist besser geschützt als Zivilisten. Die Aasfresser werden ein Festmahl halten können. Nur wenige Uniformknöpfe knirschen zwischen ihren Zähnen. Und irgendwie war sie dabei, die deutsche Hyäne: Wenn Syrien aufgeteilt werden sollte, kann sie immer sagen: Ich hielt das Schlachten für erforderlich und angemessen.

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In Deutschlands Großstädten fehlen fast 2 Mio. bezahlb. Wohnungen

Studie vergleicht Einkommen und Mieten in 77 Städten

von Hans-Böckler-Stiftung

In den 77 deutschen Großstädten fehlen gut 1,9 Millionen bezahlbare Wohnungen, darunter etwa 1,4 Millionen günstige Apartments unter 45 Quadratmetern für Einpersonenhaushalte. Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie. Gemessen an den finanziellen Möglichkeiten der lokalen Bevölkerung besteht ein besonders großer Mangel an bezahlbarem Wohnraum einerseits in einwohnerstarken Städten mit vielen Niedrigverdienern (etwa Berlin, Leipzig, Dresden), andererseits in Großstädten mit hohem Mietniveau (z.B. München, Stuttgart, Düsseldorf).

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Konkret fehlen in Berlin mit rund 310.000 bundesweit die meisten bezahlbaren Wohnungen. Es folgen Hamburg mit einer Lücke von 150.000, Köln mit 86.000 und München mit 78.000 Wohnungen. Doch selbst in Großstädten mit relativ kleinen „Versorgungslücken“ wie Moers, Wolfsburg, Koblenz oder Ulm überschreitet der Bedarf an günstigen Wohnungen das Angebot jeweils um mehrere tausend. Schaut man auf die Bundesländer, ist das Defizit im bevölkerungsstärksten Land Nordrhein-Westfalen mit knapp 550.000 Wohnungen am größten, gefolgt von Berlin, Bayern (rund 192.000), Baden-Württemberg (rund 156.000), Niedersachsen (110.000) und Sachsen (105.000).

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Ist das Ich ein Ich oder tut es nur so?

Auch wenn es sich noch so viel einbildet:

Das allmächtige Ich ist ein Trugbild

von Franz Schandl / Streifzüge 72/2018

Das Ich ist nicht einfach gegeben. Das von uns beobachtete Exponat ist kein mündiges Exempel oder dergleichen, auch wenn viele es zum Egoisten oder zum Eigenbrötler bringen und sich einbilden, gerade hier ihr Ich gefunden zu haben. Gefunden wurden allerdings nur Rolle und Maske. Nicht mit Individuen haben wir es zu tun, sondern mit Subjekten, d.h. systemisch zugerichteten Domestiken.

Die Frage, die das bürgerliche Subjekt sich zu stellen hat, ist nicht die Frage nach dem Ich, sondern die nach seiner Positionierung im gesellschaftlichen Getriebe. Also nicht: Wer bin ich?, sondern: Was bin ich?, bzw. umgekehrt: Was machst du? Wir fragen uns wechselseitig nach den Masken und wir erhalten dementsprechende Auskünfte. Die essenzielle Frage Wer bist du? erscheint im alltäglichen Zusammenhang als geradezu unverschämt, als Eingriff in die Intimität. Sie wirkt impertinent. Da wird einem tatsächlich zu nahe getreten.

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Die Genügsamkeit, an das verdinglichte Was zu appellieren und das individuelle Wer einfach auszublenden, ist Konvention. Auftreten meint nicht bloß Präsenz, sondern Präsentation. Begegnungen sind keine profanen Erlebnisse, sondern Szenen mit verteilten Rollen. Dass es um Rollen zu gehen hat, steht dabei außer Zweifel. Es gilt, sich aufgrund von Positionen zu bestimmen und für deren Interessen einzutreten. Sämtliche Leben geraten in den Malstrom [ugs für Sog, Wirbel; H.S.] der Performance.

Das bedeutet nun gar nicht, dass eins auch immer mit seiner Rolle zufrieden wäre. Im Gegenteil, man strebt nach Rollen, die eine höhere Wertigkeit als die aktuelle aufweisen. Das nennt sich Karriere. Gemeinhin soll der Beruf als Berufung angesehen werden. Er ist der Ruf, dem man zu folgen hat. Verlangt wird Identifizierung. Man hat nicht nur eine Aufgabe zu erfüllen und deren Standpunkt einzunehmen, man hat sich subjektiv dazu zu bekennen.

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(Geschlechtsspezifische) Diskriminierungen am Arbeitsmarkt

. . . als Menschenrechtsverletzungen

von Christian Berger / A&W blog

Bekommen etwa Frauen für die gleiche Arbeit nicht das gleiche Entgelt, liegt nicht bloß ein Fall einer Verletzung des österreichischen Gleichbehandlungsgesetzes ( GlBG) vor. Es geht um viel mehr, denn es liegt auch eine Menschenrechtsverletzung vor.

► Diskriminierungen als menschenrechtliches Problem

equality_frauenrechte_diskriminierung_haeusliche_gewalt_gegen_frauen_mobbing_sexuelle_belaestigung_kritisches_netzwerk_istanbulkonvention_gender_pay_gap_lohnungleichheit_lohnunterschied.jpgDiskriminierungen sind Epiphänomene. Sie sind der alltägliche Ausdruck von sozialer Ungleichheit. Der Begriff Diskriminierung leitet sich vom lateinischen Verb „discriminare“ ab, das unterscheiden, trennen, abgrenzen, absondern bedeutet; Unterscheidungen sind jedoch erst dann diskriminierend, wenn sie Personen oder Gruppen in Relation zu anderen Personen oder Gruppen benachteiligen und damit versuchen abzuwerten.

Erfolgt dieser benachteiligende, abwertende Umgang mit Personen o. Gruppen aufgrund eines Persönlichkeitsmerkmals wie des Geschlechts, einer Behinderung oder des ethnischen Backgrounds, die von der Rechtsordnung in besonderer und mehrfacher Weise geschützt sind, liegt außerdem eine Rechtsverletzung vor.

Solche unsachlichen, verpönten Ungleichbehandlungen verstoßen indes nicht nur gegen nationales Recht, sondern vielfach gegen internationalrechtliche Diskriminierungsverbote bzw. Gleichbehandlungsgebote. Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung ist im intern. Recht, vor allem im Völkervertragsrecht, so weit verbreitet und anerkannt, dass sogar argumentiert werden kann (und wird), dass es sich um internationales zwingendes Gewohnheitsrecht handelt. Liegt also ein Fall von individueller Entgeltdiskriminierung vor dem Hintergrund eines ohnehin beachtlichen strukturellen Gender Pay Gap, Wealth Gap und Gender Pensions Gaps vor, haben wir es auch mit einer Menschenrechtsverletzung zu tun. Dies wird von Gerichten und anderen staatlichen Organen, aber auch Medien zu selten thematisiert.

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Regierungsklausur im Zeichen der Kriegsvorbereitung

von Peter Schwarz

groko_spd_cdu_kritisches_netzwerk_postdemokratie_demokratirverlust_staatsfaschismus.png Das gesamte neue Bundeskabinett traf sich am Wochenende im Schloss Meseberg, 70 Kilometer nördlich der Hauptstadt. Die zweitägige Klausur im Gästehaus der Bundesregierung hat inzwischen Tradition. Offiziell dient sie dem „Kennenlernen“ und dem „Teambuilding“, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Vize Olaf Scholz (SPD) nach dem Treffen erklärten. Tatsächlich ging es darum, die militaristische und arbeiterfeindliche Linie, auf die sich CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag geeinigt haben, zu konkretisieren und zu verschärfen.

Das zeigten schon die Gäste und Themen des ersten Tages. Als Gäste waren zuerst DGB-Chef Reiner Hoffmann und Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer, dann NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geladen.

Beim Treffen mit Hoffmann und Kramer ging es darum, die enge Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften, Unternehmerverbänden und Regierung zu vertiefen, die in den vergangenen zwanzig Jahren dafür gesorgt hat, dass Deutschland zu einem der ungleichsten Ländern Europas mit einem riesigen Niedriglohnsektor, wachsender Armut und unhaltbaren Zuständen im öffentlichen Sektor geworden ist.

Dieses korporatistische Bündnis wird nun vor dem Hintergrund heftiger Streiks, erst in der Metall- und Elektroindustrie und nun im öffentlichen Dienst, sowie einer Machtprobe zwischen Regierung und Arbeiterklasse im benachbarten Frankreich erneuert, um den Widerstand gegen Sozialabbau und Militarismus zu lähmen und zu unterdrücken.

Die DGB-Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände hatten von Anfang an eine Neuauflage der Großen Koalition unterstützt, die in der Bevölkerung verhasst ist und in der Bundestagswahl abgewählt wurde.

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Angst vor Russland, warum? Der genauere Blick auf die Putinschelte

Wird der Westen von Russland bedroht? Glaubt man den Kommentaren, die gegenwärtig rund um den `Fall Skripal‘ wieder einmal Konjunktur haben, dann müsste man das annehmen. Man kann allerdings auch die Frage stellen, die sich hinter all dem Getöse erhebt: Woher kommt diese Angst? Wovor fürchten sich die USA – obwohl doch die ‚einzige Weltmacht‘? Wovor fürchtet sich die EU – obwohl doch im Besitz der ‚höchsten zivilisatorischen Werte‘? Wovor fürchten sich all die beflissenen medialen Brandbeschleuniger?

► Russlands Autarkie

Die Antwort ist umwerfend einfach, dabei jedoch, wie es scheint, ebenso schwer zu verstehen wie sie einfach ist: Sie liegt – wenn man sich nicht nur an der Person Wladimir Putins aufhalten will – in Russlands Möglichkeit zur Autarkie.

Die russische Autarkie ist dreifach begründet: Das sind zum einen die natürlichen Ressourcen in der Weite Russlands: Gas, Öl, Erze, Wald, Tiere usw.; es sind zum zweiten die sozio-ökonomischen Ressourcen, die aus der Fähigkeit der russischen Bevölkerung zur Eigenversorgung und den damit verbundenen, ins Land eingewachsenen kulturgeografischen Strukturen folgen. Das ist zum dritten die Vielfalt des Völkerorganismus, aus der dem Land – bei allem unvermeidlichen Zentralismus – starke Kräfte zufließen.

Zu sprechen ist von einem außerordentlichen natürlichen und menschlichen Reichtum, einer strukturell begründeten potentiellen Autarkie, die keine andere Gesellschaft auf der Erde in dieser konzentrierten Art und Weise ihr Eigen nennen kann. Sie gibt Russland die Möglichkeit, wenn es denn sein muss, unabhängig von globaler Fremdversorgung oder – in feindlichen Kategorien gedacht – unabhängig von Sanktionen zu existieren, zumindest wesentlich länger zu überleben als andere Länder es könnten. Dreimal versetzte diese strukturelle Autarkie Russland im Lauf der jüngeren Geschichte bereits in die Lage, westlichen, konkret europäischen Eroberungsversuchen zu trotzen, sie zumindest zu überstehen und gestärkt aus ihnen hervorzugehen: denen Napoleons 1812, denen der Deutschen Wehrmacht 1917, denen Hitlers 1939.

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Heute ist es wieder so: Trotz technischen Nachholbedarfs, trotz Dauer-Transformation seit Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts bis heute schaffte es Russland zum Erstaunen der Welt auch nach 1991 wieder, nicht nur zu überleben, sondern, zwar noch geschwächt, aber doch mit neuer Stärke aus der Krise hervorzugehen.

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Personalabbau im Öffentlichen Dienst: Kaputtsparen gefährdet seine Funktionsfähigkeit

von Laurenz Nurk

Derzeit verhandeln die "Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft" (ver.di), die "Gewerkschaft der Polizei" (GdP), die "Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft" (GEW) sowie "DBB Beamtenbund und Tarifunion" mit den Arbeitgebern von Bund und Kommunen über die Einkommen von 2,3 Millionen Beschäftigten. Sie fordern außerdem den Bund auf, die Regelungen des Tarifvertrags zeit- und wirkungsgleich auf die 344.000 Beamten, Richter und Soldaten sowie 182.000 Versorgungsempfänger zu übertragen.

kaputtsparen_sparpolitik_austeritaet_austeritaetspolitik_oeffentlicher_dienst_personalabbau_stellenabbau_personalnotstand_kritisches_netzwerk_daseinsvorsorge_ueberlastung_personalmangel.pngDie gewerkschaftlichen Kernforderungen sehen eine Entgelterhöhung von 6,0 Prozent, mindestens aber 200 Euro pro Monat bei einer Laufzeit von 12 Monaten vor. Außerdem sollen die Azubi-Vergütungen und die Praktikantenentgelte um 100 Euro pro Monat steigen. Gleichzeitig soll für sie die Übernahmeregelung wieder in Kraft gesetzt werden.

Massiv wird auch öffentlich gemacht, dass trotz gestiegener Ansprüche an den öffentlichen Dienst in den letzten 20 Jahren erheblich Personal abgebaut wurde. Die Bürger erleben hautnah, dass im Vergleich zum Jahr 2000 rund 256.400 Beschäftigte weniger für sie da sind.

Der öffentliche Sektor umfasst mehr als 6,8 Millionen Menschen, davon arbeiten 4,617 Millionen im klassischen öffentlichen Dienst bei Bund, Länder, Kommunen, Sozialversicherung bzw. Bundesagentur der Arbeit.

Mehr als 2,735 Millionen Menschen sind Tarifkräfte und rund 1,702 Millionen Beschäftigte stehen in einem Beamtenverhältnis. Die tatsächliche Zahl der Beamten liegt deutlich höher, aber die mehr als 150.000  Beamten der Postnachfolgeunternehmen werden vom Statistischen Bundesamt (Destatis) seit einigen Jahren nicht mehr in der Personalstatistik erfasst. Die Zahl der Ruhestandsbeamten hat im Jahr 2013 mit 1,132 Mio. einen neuen Höchststand erreicht. 179.500 sind Berufs- und Zeitsoldaten.

Aufgrund der Sparpolitik sind seit dem Jahrhundertwechsel die Beschäftigtenzahlen im öffentlichen Dienst um mehr als 250.000 zurückgegangen und hat verheerende Auswirkungen auf die dort tätigen Menschen. Die konkrete Arbeits- und Lebenssituation der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst stellt sich folgendermaßen dar:

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Staatliche Lügen

Anlässlich des angeblichen erneuten Einsatzes von Giftgas

. . in Syrien erklärt die ARD dem Land den Krieg.

von Peter Frey / Peds Ansichten

phrase_rechts.png phrase_phrasendrescher_hohle_leere_phrasen_dummes_leeres_gerede_geschwaetz_martin_schulz_geschwafel_geschwurbel_kritisches_netzwerk_alternativlos_kritisches_netzwerk_inkompetenz.png In Syrien ist es angeblich zu einem erneuten Einsatz von Giftgas gekommen. Syrien und Russland hatten vor einer solchen Aktion unter falscher Flagge bereits seit Monaten gewarnt. Westliche Staatsführer hingegen hatten derlei regelrecht herbeigeredet und bereits vorsorglich als Kriegsgrund definiert. Das Agieren der Tagesschau in diesem Fall darf wohl gleichermaßen als Kriegserklärung an journalistische Standards, die Wahrheitssuche und Syrien verstanden werden.

Die ARD-Tagesschau im Fernsehen anschauen, das tue ich mir schon seit Jahren nicht mehr an. Doch auch, wenn ich deren Online-Präsenz besuche, bereite ich mich gedanklich darauf vor und sensibilisiere mich, dass das Nachrichtenportal einen Auftrag verfolgt, der nicht von seinen Beitragszahlern herrührt und stattdessen dazu dient, eben diese, seine Zuschauer und Leser, zu manipulieren.

Jedes Mal wenn Sie sich, liebe Leser, auf den Konsum dieses Mediums einlassen, lassen Sie sich auch auf einen geistigen Gewaltakt an sich selbst ein, den Sie kaum gewinnen können!

Das bedeutet auch, dass Sie Ihre Energie in ein System stecken, dass Sie mit Paranoia, Angsttriggern u. Kriegspsychose auf allen Ebenen auslaugt. Das betrifft aber keineswegs nur dessen Syrien-Berichterstattung. Mein guter Rat lautet daher, diesem Nachrichtensender das Vertrauen zu entziehen. Zumal, mit ein wenig Abstand und Achtsamkeit, seine bellizistische, wie regierungskonform dienernde Note sehr wohl erkennbar, mehr noch, fühlbar wird. Dazu sind wir allesamt in der Lage. Wir haben nur verlernt, auf solche „Kleinigkeiten“ zu achten.

Die Befeuerung von Paranoia und kriegerischer Stimmung durch ein Nachrichtenmedium lässt sich – außerhalb des Syrien-Themas – zum Beispiel an so etwas erkennen (b1):

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Das sind die fünf „attraktivsten“ Meldungen der Tagesschau, die zuvor natürlich die Themen ordentlich beworben hatte, damit Leser und Zuschauer sich auch ja deren annehmen. Fünf „Top-Beiträge“, die Gewalt als etwas hochstilisieren, was in unserem Land angeblich normal ist. Es ist aber so, dass wir durch diese Art von Berichterstattung konsequent auf Gewalt abgerichtet und in einem Angstmodus gehalten werden. Ja, das ist eine Form bellizistischer Berichterstattung, denn sie treibt zum kleinen Krieg im Inneren der Menschen und zwischen ihnen, zu dem Krieg, der unbedingt erforderlich ist, um Menschen in große Kriege zu führen.

Beschäftigen wir uns aber im Folgenden mit dem jämmerlichen Artikel zu Syrien. Nehmen wir es als eine Art Training, um unsere Fähigkeiten der Mustererkennung zu schärfen. Die Muster sind billig, die Akteure sind bekannt, die Prozesse zigmal geschehen.

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Dreist & boshaft: Goldman Sachs

US-Oligarchen - Sanktionen gegen Russland

von Ulrich Gellermann, Berlin

Ab wann ist man eigentlich Oligarch? Ab 100 Millionen US-Dollar Privatvermögen, ab vielleicht 300 Millionen? Oder doch erst ab 500 Millionen US-Dollar? Diese hübsche Finanz-Schallmauer, verziert mit Gold und Brillanten, hat Steve Mnuchin, Finanzminister im Kabinett Trump, schon vor einiger Zeit durchbrochen. Und wie der gewöhnliche Oligarch so ist, mag er niemanden neben sich dulden. Der Pool des Konkurrenten könnte ja mit mehr Champagner gefüllt sein als der eigene und auch dessen Drittfrau sähe vielleicht besser aus.

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Um diesem schweren Konkurrenz-Schicksal zuvorzukommen, durfte ausgerechnet der US-Finanzminister jüngst die neuen Sanktionen gegen Russland verkünden: "Dreiste und boshafte Aktivitäten" behauptet Trumps Finanzmann und will "Moskau für die Gesamtheit seiner Aktivitäten bestrafen, einschließlich der Annexion der Krim, der Unterstützung des syrischen Regimes und den Versuchen, die westliche Demokratie zu untergraben." Und deshalb stünden jetzt sieben russische Oligarchen aus dem Umkreis von Präsident Wladimir Putin im Fokus der US-Sanktionen.

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Trotz Lohnanhebung erhalten viele Leiharbeiter nur Niedriglöhne

von Markus Krüsemann / miese-jobs.de  

Wie in den Entgeltvereinbarungen für die Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ) vorgesehen, steigen heute die Löhne in allen Entgeltgruppen um 2,8 bzw. vier Prozent. Ein Großteil der Leiharbeitsbeschäftigten bleibt trotzdem im Niedriglohnsektor stecken. Dabei hätte es auch ganz anders kommen können, wenn die Gewerkschaften mit ihrer Forderung nach „Equal Pay“ ernst gemacht hätten.

armut_pockets_out_pleite_schulden_schuldenfalle_verschuldung_kritisches_netzwerk_insolvenz_privatinsolvenz_erwerbsarmut_arbeitsarmut_working_poor_zahlungsunfaehigke05x.pngSeit Januar 2012 gibt es in der Leiharbeitsbranche für Ost- und Westdeutschland tarifvertraglich festgelegte Lohnuntergrenzen (siehe 20.12.2011). Seitdem handeln die Arbeitgeberverbände iGZ und BAP mit der DGB-Tarifgemeinschaft Leiharbeit in schöner Regelmäßigkeit Lohnanhebungen aus, die dank Mindestlohnverordnung auch zu für die gesamte Branche verbindlichen Mindestlöhnen erhoben werden. Das klingt gut, hat aber leider einen entscheidenden Makel: In den untersten Entgeltgruppen bewegen sich die Lohnanhebungen bis heute weit unterhalb der Niedriglohnschwelle.

Auch mit der heute in Kraft tretenden nächsten Stufe der Ende 2016 ausgehandelten Abfolge von Entgeltsteigerungen ändert sich daran nichts. Für Beschäftigte in den westdeutschen Bundesländern steigt das Mindestentgelt (Entgeltgruppe 1) um 2,8 Prozent von 9,23 auf 9,49 Euro. In den ostdeutschen Bundesländern werden mit 9,27 Euro ab heute 4 Prozent mehr Lohn fällig. In der nächsthöheren Entgeltgruppe werden im Westen 10,13 Euro, im Osten 9,37 Euro erreicht.

Was zunächst auffällt: leiharbeit_niedriglohn_tarifvertrag_leiharbeiter_niedriglohnsektor_arbeitsarmut_erwerbsarmut_kritisches_netzwerk_neoliberalismus_armuts_ausbeutung_prekarisierung_prekaritaet_working_poor.pngDie Lohnangleichung zwischen Ost und West ist erneut ausgeblieben. Die unterschiedlichen Steigerungsraten lassen zwar einen Annäherungsprozess erkennen, der aber wird sich noch einige Jahre hinziehen.

Nach den derzeit gültigen Vereinbarungen wird die Entgeltgleichheit in allen neun Entgeltgruppen frühestens zum 1. April 2021 erreicht sein. Nicht auszuschließen ist, dass zukünftige Tarifvereinbarungen dieses Ziel noch einmal aufweichen.

► Weiterhin Billiglöhne nach Tarif

Ausgeblieben ist auch wieder mal der Sprung über die Niedriglohnschwelle. Laut der letzten Verdienststrukturerhebung des Statistischen Bundesamtes lag sie schon im Jahr 2014 bei 10,00 Euro pro Stunde (brutto). Schon damals hatten nach Angaben der Bundesregierung 39,5 Prozent aller Leiharbeitsbeschäftigten zu Niedriglöhnen gearbeitet, was angesichts der in der Entgeltgruppe 1 miserablen Bezahlung (2014: 8,50 € West; 7,86 € Ost) kaum verwundern dürfte. Das "Institut Arbeit und Qualifikation" (IAQ) weist auf Basis einer anderen Berechnungsgrundlage für 2015 eine Niedriglohnschwelle von 10,22 Euro aus. Von solchen Verdiensten sind Leiharbeitsbeschäftigte nicht nur in der den Branchenmindestlohn setzenden untersten, sondern auch in der nächsthöheren Entgeltstufe immer noch weit entfernt.

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Ungarn vor der Wahl: Grenzschutzkapitän Orbán vor dritter Amtszeit?

von Markus Salzmann

Aktuellen Meinungsumfragen zufolge wird die rechte Fidesz-Partei die Wahl am kommenden Sonntag erneut für sich entscheiden. Ministerpräsident Viktor Orbán könnte dann seine dritte Amtszeit in Folge antreten. Zweitstärkste Kraft wird vermutlich die neofaschistische Partei Jobbik.

Orbán ist seit 2010 im Amt, zuvor hatte er die Regierung bereits von 1998 bis 2002 geführt. Bei der letzten Wahl vor vier Jahren lag Orbáns Partei Fidesz mit knapp 45 Prozent klar vorn, gefolgt von den Sozialdemokraten (MSZP) mit 26 und Jobbik mit 20 Prozent.

In seiner achtjährigen Amtszeit hat Orbán eine extrem rechte Politik verfolgt und ein autoritäres Regime aufgebaut. Wichtige Posten im Staatsapparat sind mit politischen Vertrauten besetzt, eine unabhängige Justiz existiert faktisch nicht mehr. Mehrmals wurde die Verfassung zugunsten der Regierung verändert. Unmittelbar nach seinem Wahlsieg 2010 schaffte Orbán die Pressefreiheit weitgehend ab und machte kritische Medien mundtot.

Doch trotz einem auf die Regierungspartei zugeschnittenen Wahlsystem herrscht Unruhe in Regierungskreisen.

Ende Februar erlitt Fidesz in einer ihrer Hochburgen, der 50.000-Einwohne-Gemeinde Hódmezövásárhely, eine spektakuläre Wahlniederlage. Der unabhängige Kandidat Péter Márki-Zay gewann dort die Bürgermeisterwahl mit 57 Prozent der Stimmen, der Kandidat von Fidesz erhielt nur 41 Prozent. Aus Hódmezövásárhely stammt Orbáns rechte Hand, der Leiter der Staatskanzlei János Lázár, der dort jahrelang Bürgermeister war. Bisher hatte Fidesz dort Wahlen regelmäßig mit 60 Prozent der Stimmen gewonnen.

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Entwicklung der Reallöhne im Jahr 2017: eine magere Bilanz

von Markus Krüsemann / miese-jobs.de  

Der im vierten Quartal 2017 schwächelnde Nominallohnanstieg hat die Lohnentwicklung für das Jahr 2017 zum Schluss noch einmal nach unten gezogen. Im Verein mit einer gegenüber den Vorjahren deutlich erhöhten Inflationsrate blieb den Lohnabhängigen am Ende nur ein Mini-Reallohnplus von 0,8 Prozent.

Die abhängig Beschäftigten durften ein wenig am Glas nippen, den großen Schluck aus der Pulle haben andere genommen, so könnte man die Lohnentwicklung für das Jahr 2017 beschreiben. Wie das Statistische Bundesamt (DESTATIS) am 23. März 2018 meldete, sind die um Preissteigerungen bereinigten Löhne der vollzeit-, teilzeit- und geringfügig beschäftigten ArbeitnehmerInnen im Produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich im Jahr 2017 um magere 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.

Damit haben die Löhne zwar im vierten Jahr in Folge inflationsbedingte Wertverluste mehr als ausgeglichen, doch reichen die im Vergleich zum Vorjahr sogar etwas höheren nominalen Verdienstanhebungen nicht mehr aus, um die Erwerbstätigen über ein ordentliches Reallohnplus vom kräftigen Wirtschaftswachstum (Wachstum des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts 2017: +2,2 %) wenigstens einigermaßen angemessen profitieren zu lassen.

Entwicklung der Real- und der Nominallöhne 2008 bis 2017 (in Prozent)

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Vor allem die bescheidene Nominallohnentwicklung im vierten Quartal 2017 hat die Jahresbilanz heruntergezogen. Mit einem Plus von 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal wurde die schwächste Steigerung seit anderthalb Jahren eingefahren. Bei einer gleichzeitigen Preissteigerungsrate von 1,8 Prozent blieb am Ende ein reales Plus von gerade mal 0,5 Prozent übrig. Eine geringere Reallohnsteigerung gab es zuletzt im vierten Quartal 2013, dem Jahr der Reallohnverluste.

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Auf dem Weg in die Nachkriegszeit im Nahen und Mittleren Osten

von Thierry Meyssan

Entgegen dem Anschein der transatlantischen Propaganda widersprechend interpretiert Thierry Meyssan die internationalen Beziehungen in langfristiger Hinsicht. Für ihn gab es in den letzten sieben Jahre keinen Bürgerkrieg in Syrien, sondern einen siebzehnjährigen Regionalkrieg im gesamten Nahen Osten. Aus diesem gewaltigen Konflikt, aus dem Russland als Sieger gegen die NATO hervorging, entsteht allmählich ein neues Gleichgewicht der Welt.

Jeder Krieg endet mit Gewinnern und Verlierern. Die siebzehn Jahre, die wir gerade im erweiterten Nahen Osten erlebt haben, können hierin keine Ausnahme sein. Doch während Saddam Hussein und Muamnar al-Gaddafi beseitigt wurden und Syrien im Begriff ist zu gewinnen, gibt es keinen anderen Verlierer als das arabische Volk.

Wir können höchstens so tun, als ob das Problem nur in Syrien läge. Und in Syrien, dass es nur Ghouta ist. Und dass in Ghouta die Armee des Islam verloren hat. Diese Episode reichte nicht aus, um die Feindseligkeiten zu beenden, die die Region verwüstet, ganze Städte zerstört und Hunderttausende von Menschen getötet haben.

Das Gerede von der Ansteckung von „Bürgerkriegen“ [1] erlaubt es dennoch 130 Staaten und internationalen Organisationen, die am Gipfeltreffen der „Freunde Syriens“ teilgenommen haben, erhobenen Hauptes ihre Verantwortung zu leugnen und ihren Kopf hochzuhalten. Und so wie sie niemals ihre Verantwortung akzeptieren, setzten sie ihren Machtmissbrauch auf anderen Operationsfeldern fort. Mit anderen Worten: ihr Krieg wird in der Region bald beendet sein, aber er wird sich doch anderenorts fortsetzen.

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Heftige Massenproteste: Eisenbahner und Flugpersonal legen Frankreich lahm

von Korrespondenten der WSWS

Der Streik von Eisenbahnern und Air-France-Personal hat Frankreich am Dienstag weitgehend lahmgelegt. Auch Pariser Müllwerker, Beschäftigte der Elektrizitätswerke und Studenten befanden sich im Ausstand. Laut der staatlichen Eisenbahngesellschaft SNCF beteiligten sich über ein Drittel der 150.000 Beschäftigten am Streik. Bei dem für den Zugverkehr unverzichtbaren Personal lag die Beteiligung mit knapp 50 Prozent wesentlich höher. 77 Prozent der Lokführer und 69 Prozent der Kontrolleure befanden sich im Ausstand. Als Folge fielen sieben von acht Fernzügen, vier von fünf Regionalzügen und zwei von drei Nahverkehrszügen aus.

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Für den heutigen Mittwoch erwartet die SNCF ähnlich hohe Zugausfälle. In den kommenden drei Monaten wollen die Eisenbahner ihren Arbeitskampf fortsetzen, indem sie abwechselnd zwei Tage streiken und drei Tage arbeiten. Air France musste wegen des Streiks rund ein Drittel der Fern- und Mittelstreckenflüge streichen. Bei den Inlandsflügen fielen nur etwa halb so viele aus. Hier sind für den 10. und 11. April weitere Streiks geplant.

Während bei Air France eine Lohnforderung im Vordergrund steht, befinden sich die Eisenbahner in einem Machtkampf mit der Regierung von Präsident Emmanuel Macron. Dieser will die Eisenbahn privatisieren, Bahnstrecken stilllegen, Arbeitsplätze abbauen und das Statut, das die Eisenbahner vor Kündigung schützt und ihnen eine Rente garantiert, die sich nach dem letzten Einkommen bemisst, abschaffen.

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Arbeitslose werden weiterhin zu oft in die Leiharbeit gedrückt

von Markus Krüsemann / miese-jobs.de

leiharbeit_niedriglohn_tarifvertrag_leiharbeiter_niedriglohnsektor_arbeitsarmut_erwerbsarmut_kritisches_netzwerk_neoliberalismus_armuts_ausbeutung_prekarisierung_prekaritaet_working_poor.png Nach auch interner Kritik wollte die Bundesagentur für Arbeit ihre Vermittlungspraxis nachhaltiger gestalten. Geschehen ist wenig, die BA ist ein Umschlagplatz für prekäre Jobs geblieben. Und so wurde auch 2017 fast jede/r dritte Arbeitslose in vergleichsweise schlecht bezahlte und oft nur kurz dauernde Leiharbeitsjobs vermittelt.

Rückblick ins Jahr 2013: An der Vermittlungspraxis der Bundesagentur für Arbeit (BA) wird Kritik laut. Sie biete den Arbeitslosen viel zu häufig nur Jobs in der Leiharbeit an. Die Agenturen machten sich die steigende Zahl von Jobofferten aus der Überlassungsbranche dadurch zunutze, dass sie ihre Vermittlungserfolge überdurchschnittlich stark auf die Vermittlung in Leiharbeit begründeten, lautete ein bei taz.de vom 03.01.2013 zu lesender Vorwurf. Statt auf die Qualität der neuen Jobs zu achten, sei die BA in erster Linie um hohe Vermittlungsquoten bemüht.

Die Klage hatte Gewicht, denn sie kam aus den eigenen Reihen. Vielleicht auch deshalb sah sich der damalige Chef der Arbeitsagentur, Frank-Jürgen Weise, veranlasst, in die Offensive zu gehen. Gegenüber WELT ONLINE räumte er ein, dass es bei der Zusammenarbeit mit der Leiharbeitsbranche „Fehlentwicklungen“ gebe. Und er kündigte an, die Messung des Vermittlungserfolgs abzuändern und dabei den Aspekt der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen.

In der Folge war eine Mindestdauer des Beschäftigungsverhältnisses von sechs Monaten Voraussetzung dafür, dass die Vermittlung als erfolgreich im Sinne einer nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt bewertet werden konnte. Wie dehnbar doch der Begriff der Nachhaltigkeit sein kann.

Wie sich erwartungsgemäß in den Folgejahren zeigte, hatten Jobangebote aus der Verleihbranche für die ArbeitsvermittlerInnen in den Agenturen und Jobcentern dadurch nicht an Attraktivität verloren. In schöner Regelmäßigkeit gestellte parlamentarische Anfragen der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/GRÜNE ergaben, dass auch in den Jahren 2014 bis 2016 etwa ein Drittel der betreuten Arbeitslosen auf vergleichsweise schlecht bezahlte und oft nur kurz dauernde Leiharbeitsjobs abgeschoben wurden (siehe Artikel vom 10.06.2016 und 26.05.2017).

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Vergabepraxis der Jobcenter: BRH kritisiert Zuweisungen in Maßnahmen

von O-Ton Arbeitsmarkt

Stecken Mitarbeiter in den Jobcentern Arbeitslose absichtlich in unnötige Maßnahmen? Der Bundesrechnungshof (BRH) hatte die unwirtschaftliche Vergabepraxis der Jobcenter zuletzt kritisiert. Dennoch wäre es verkürzt, die Schuldigen an den Schreibtischen der Arbeitsvermittlung zu suchen.

steuergelder_verschwendung_steuerverschwendung_bundesrechnungshof_brh_scheller_finanzkontrolle_kritisches_netzwerk_pruefungsbericht_pruefungsergebnis_rentabilitaet.jpg Laut dem Bundesrechnungshof entstehen jährlich bis zu 190 Millionen Euro Schaden durch unnötige und unpassende Zuweisungen von Hartz-IV-Empfängern in arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Dies berichtete am 25. März 2018 „DER TAGESSPIEGEL“ im ArtikelLangzeitarbeitslose: Hauptsache raus aus der Statistik“.

► Fehlanreize in den Jobcentern?

Doch wie kommt es zu diesen „unnötigen“ und „unpassenden“ Zuweisungen? Im Tagesspiegel-Artikel wird ein Bezug zwischen der mangelhaften Vergabe- und Zuweisungspraxis der Jobcenter mit finanziellen Fehlanreizen für die Mitarbeiter der Jobcenter hergestellt: Jobcenter würden zu viele Plätze für Maßnahmen bei einem Weiterbildungsträger einkaufen, weil die Bedarfe von den Beschäftigten im Jobcenter falsch ermittelt werden. Zusätzlich würde eine hohe Teilnehmerzahl in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen die Arbeitslosenzahl künstlich senken (O-Ton berichtete).

Das Personal sei dazu angehalten, die Plätze in eingekauften Maßnahmen möglichst vollständig zu besetzen. Der Tagesspiegel schreibt weiter, dass die Mitarbeiter diese Vorgabe ohne Rücksicht auf die individuellen Förderbedarfe der Arbeitslosen umsetzen, damit sie von ihren Vorgesetzten positive Beurteilungen erfahren. Führungskräfte der Jobcenter würden sogar Prämien für die Zielerreichung erhalten.

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Sarkozy´s Hand in der französischen Keksdose?

von Eric S. Margolis

Es war erfrischend zu sehen, wie der ehemalige französische Präsident Nicholas Sarkozy in einem französischen Gefängnis verhört wurde. Zumal er bald der Verschwörung zur Ermordung meines alten Freundes, Oberst Muammar al-Gaddafi von Libyen, beschuldigt werden könnte.

Gegen Sarkozy und seinen ehemaligen Stabschef Claude Guéant wird wegen der geheimen Annahme von mindestens fünfzig Millionen Euro von Gaddafi für seinen Wahlkampf 2007 ermittelt. Eine solche Zahlung verstieß gegen die in Frankreich zulässige Höchstgrenze für politische Spenden, ganz zu schweigen von einem Verbot der ausländischen Finanzierung von Kandidaten und der Nichtmeldung der Zahlungen. Gegen Sarko wird auch wegen geheimer Zahlungen aus den Golfstaaten ermittelt.

Französische politische Kandidaten müssen oft durch die Kanalisation waten, um ihre Kampagnen zu finanzieren, weil die Ausgabengrenzen relativ niedrig angesetzt wurden, um zu verhindern, dass großes Geld die Wahlen kauft, wie in den Vereinigten Staaten von Amerika.

Diese Vorwürfe gegen Gaddafi und Guéant haben sich seit Jahren nur mit verhaltener Resonanz durchgesetzt. Sarkozy geriet auch in Teufels Küche, nachdem ihm vorgeworfen wurde, große Geldsummen von einer senilen Erbin der französischen Kosmetikfirma L'Oréal abgezogen zu haben. [Liliane Bettencourt; H.S.]

Doch vor drei Jahren sagte ein französisch-libanesischer Geschäftsmann [Ziad Takieddine; H.S.] der französischen Internet-Zeitung MEDIAPART [siehe Webseite], er habe Guéant mehrere Koffer mit 5 Millionen Euro (6,2 Millionen US-Dollar) übergeben. Der ehemalige Stabschef behauptete später, daß Geld sei die Bezahlung eines Gemäldes, das er an die zwielichtigen Libanesen verkauft hatte. Natürlich war es das!:-)

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Größtes Osterwunder seit der Auferstehung Christi

Julia Skripals Genesung verstärkt Zweifel an Nervengiftanschlag durch Russland

von Chris Marsden

Wer dem weltweiten Propagandafeldzug gegen Russland Glauben geschenkt hatte, erlebte letzten Donnerstag das größte Osterwunder seit der Auferstehung Christi. Seit Wochen käuen die Medien die Anschuldigungen der britischen Regierung wieder, der Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter Julia seien am 4. März mit einem militärischen Kampfstoff namens Nowitschok vergiftet worden.

Das Nervengift sei so tödlich, dass die beiden wohl nie wieder oder nur mit schweren geistigen und körperlichen Schäden aus dem Koma erwachen würden. Letzten Mittwoch gab es sogar Schlagzeilen, dass die lebenserhaltenden Systeme möglicherweise abgeschaltet werden müssten. Doch am Donnerstag meldete der Krankenhausbetreiber Salisbury NHS Foundation Trust [Link], die 33-jährige Julia befinde sich nicht mehr in einem kritischen Zustand, sei bei Bewusstsein und spreche.

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Julias Genesung lässt die offizielle Darstellung vollends unglaubwürdig erscheinen. Doch man darf sicher sein, dass sie auch diesmal nicht widerrufen, sondern bedarfsgerecht umgeschustert wird. Schließlich will sich die britische Regierung durch nichts daran hindern lassen, im Bündnis mit den USA Wirtschaftssanktionen und die Ausweisung von Diplomaten voranzutreiben, um längst geplante militärische Aggressionen an den Grenzen zu Russland und im Nahen Osten in die Tat umzusetzen.

Die Anschuldigungen gegen Russland wimmeln von Ungereimtheiten, Widersprüchen und offenen Lügen. Vor allem gibt es keine plausible politische Erklärung, weshalb Russland die Skripals hätte angreifen sollen. Es gibt bislang keinerlei Hinweise auf den Täter, geschweige denn Beweise für die Schuld Russlands oder seiner Regierung unter Wladimir Putin. Die britische Regierung stützt sich einzig auf die (aus geheimen „Erkenntnissen“ der Chemiewaffenfabrik Porton Down abgeleitete) Behauptung, dass es sich um ein Nervengift des Typs Nowitschok handle, das in der ehemaligen Sowjetunion entwickelt wurde und dessen Verwendung so kompliziert sei, dass zwingend ein „staatlicher Akteur“ beteiligt gewesen sein müsse.

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Opel verlangt Gehaltskürzungen. Ab 2020 soll Opel Gewinne einfahren.

von Dietmar Henning

Am Mittwoch [28.4.] berichtete die Wirtschaftswoche, der Opel-Konzern wolle die im April fällige Lohnerhöhung von 4,3 Prozent nicht auszahlen. Die Erhöhung ist Teil der Vereinbarung, mit der die IG Metall Anfang Februar den Streik in der Metall- und Elektroindustrie abgewürgt hatte. Das Geld steht den rund 19.000 Opel-Beschäftigten in Deutschland erstmals mit der Lohnzahlung Ende April zu. Die tarifvertraglich für März vereinbarte Einmalzahlung von 100 Euro soll überwiesen worden sein.

Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Wolfgang Schäfer-Klug bestätigte die Forderung des Vorstands, wies sie aber zunächst zurück. Man zahle nicht zwei Mal für einen bereits ausgehandelten Vertrag, behauptete er. Die Opel-Beschäftigten hätten bereits in vorangegangenen Tarifrunden Abstriche hingenommen.

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In der Tat, Ende Januar berichtete ein älterer Arbeiter der WSWS: „Wir sind es ja hier bei Opel gewohnt, dass man uns am Ende immer was abzieht. Das müssen mittlerweile schon mindestens 20 Prozent sein, die wir weniger kriegen als normal. Denn jedes Mal müssen wir was abgeben, nach jeder Tarifeinigung sind es mindestens ein oder anderthalb Prozent, worauf wir verzichten müssen. Das summiert sich in all den Jahren.

Daher ist dies ein leicht durchschaubares Spiel. Wie in der Vergangenheit werden die IG Metall und ihre Betriebsräte bei Opel auch in Zukunft die Arbeiter zur Kasse bitten. Seitdem der französische Konzern Peugeot-Citroën (Groupe PSA) im letzten Jahr Opel von General Motors gekauft hat, handeln IG Metall und Gesamtbetriebsrat einen Angriff nach dem anderen aus.

Der Sanierungsplan „Pace“, den sie gemeinsam mit dem Vorstand entwickelt haben, ist Teil eines massiven Umstrukturierungsplans der neuen Konzernmutter PSA. Erst vor einem Monat hatte Schäfer-Klug erklärt, der IGM-Betriebsrat habe Einsparungen von 270 Millionen Euro zugestimmt. Dies kann nicht nur durch Lohnsenkungen und eine Erhöhung der Arbeitshetze („Produktivität“) gelingen.

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Ecuadors Regierung sperrt Assange den Internetzugang

von Timm B. Schützhofer / amerika21.de

Quito. Die Regierung von Ecuador hat dem Mitbegründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange, jede Möglichkeit gesperrt, aus Ecuadors Botschaft heraus zu kommunizieren. Dort hält sich der australische Whistleblower seit 2012 auf. Auslöser der Sperrung des Internetzugangs war die Kritik Assanges an der Ausweisung russischer Diplomaten im Zusammenhang mit dem Anschlag auf den Doppelagenten Sergej Skripal: Auch wenn es nachvollziehbar sei, dass Theresa May den russischen Staat verdächtige, gebe es bis dato lediglich Indizienbeweise, so der Whistleblower.

Damit verstoße Assange gegen die Ende 2017 getroffene Vereinbarung mit Ecuador, der zufolge er keine Nachrichten senden darf, die als Einmischung in die Beziehungen zu anderen Staaten verstanden werden könnten. Sein Verhalten stelle ein Risiko für die guten Beziehungen Ecuadors zu Großbritannien, den anderen Staaten der Europäischen Union und weiteren Nationen dar, so die Erklärung der Kommunikationsbehörde des Landes.

Ecuadors Präsident Lenín Moreno hatte Assange vor kurzem als "Stein im Schuh" u. als geerbtes Problem bezeichnet, aber gleichzeitig seinen Asylstatus bestätigt, so lange er bedroht sei. Zugleich hielt sich Ecuador weitere Maßnahmen gegen Assange offen, so er weiter gegen die Vereinbarungen verstoße. Ende 2017 war der Versuch des ecuadorianischen Außenministeriums gescheitert, die Situation Assanges dadurch zu lösen, ihm die ecuadorianische Staatsbürgerschaft anzuerkennen u. Diplomatenstatus zu verleihen. Großbritannien kündigte an, den Wikileaks-Gründer trotzdem festnehmen zu wollen.

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Fall Sergej und Julja Skripal: Russland hat 27 Fragen

Wo bleiben die Antworten?

von Helmut Schnug, Illerich

Russland hat Großbritannien am 30. März aufgefordert, 27 Fragen zum Fall des in Salisbury vergifteten Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter Julja zu klären. Durchaus kritische und absolut berechtigte Fragen, die in sogenannten Leitmedien pseudochristlicher (Werte-)Prägung, allesamt dem transatlantischen russophoben Angriffsbündnis NATO willfährig, entweder völlig ignoriert oder höchstens ansatzweise zitiert werden. Warum? Cui bono?

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EMBASSY OF THE RUSSIAN FEDERATION

6/7 Kensington Palace Gardens, London, W8 4QP

www.rusemb.org.uk

PRESS RELEASES AND NEWS

30.03.2018

+++Embassy Press Officer on unanswered questions regarding the Salisbury poisoning+++

Question: At yesterday's briefing, the Official Representative of the Russian Ministry of Foreign Affairs said that the Embassy had asked quite a few questions that remain unanswered. What are those questions?

Answer: Indeed, we are witnessing a blatant violation by the UK of its international obligations under the 1963 Vienna Convention on Consular Relations and the 1968 bilateral Consular Convention. We have not received a response to our multiple questions and requests made through diplomatic notes. Failure by Britain to engage in normal diplomatic exchange with the Embassy on this matter is regrettable.

The questions to which we are awaiting answers are as follows:

1) What is Mr and Ms Skripal's exact diagnosis and condition?
Was ist die genaue Diagnose und der Zustand von Herrn und Frau Skripal?
Quel est le diagnostic et l'état exact de M. et Mme Skripal?

2) What treatment are they receiving?
Wie werden sie behandelt?
Quel est le traitement qu'ils reçoivent?

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Der Giftanschlag von Salisbury – Hintergründe ohne Tatsachen

von Kai Ehlers, Hamburg

kriegspropaganda_feindbilder_mobilmachung_nato_krieg_russland_china_iran_kritisches_netzwerk_kriegshetze_eskalation_aufruestung_friedensbewegung_ostermaersche_auslandseinsaetze.jpg Die einzige zum Giftanschlag von Salisbury bekannte Tatsache ist – dass es bisher keine Tatsachen gibt. Keine Fakten, wer, wie, wann das Gift nach Salisbury transportiert hat und wie es eingesetzt wurde. Selbst die Opfer wurden bisher nicht befragt. Stattdessen eine „lange Liste bösartiger Aktivitäten Russlands“ seitens der britischen Regierung die beweisen soll, dass Russland „höchst wahrscheinlich … verantwortlich ist für diesen rücksichtslosen und verabscheuungswürdigen Akt.

► Es geht offenbar gar nicht um die Fakten. Worum also dann?

Aufgezählt werden von Politikern u. Medien unisono, kritiklos den Londoner Vorgaben folgend, die „Vergehen“, die Russland sich in den letzten Jahren habe zuschulden kommen lassen, so allen voran in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Das beginnt bei der „Annexion der Krim“ [siehe Video weiter unten, H.S.], führt über die „Invasion russischer Soldaten in die Ostukraine“, den „Abschuss des Passagierflugzeuges MH 17“, die „Ermordung des Oppositionspolitikers Boris Nemzow in unmittelbarerer Nähe des Kremls“, „Russlands rücksichtsloses Vorgehen in Syrien“ bis in die „Dopingfälle russischer Athleten.

Dazu kommen noch diverse angebliche Cyber-Attacken Russlands.

Mit diesen Aufzählungen wird das erste Motiv deutlich, um das es in dieser „Affäre“ geht: So wenig Fakten für den „Fall“ Salisbury vorgelegt werden, so wenig geht es bei der Aufzählung der russischen „Vergehen“ um Fakten. Vielmehr geht es hier um die gezielte Anwendung des alten römischen Prinzips ‚audacter calumniare, semper aliquid haeret‘, (dt. ‚verleumde nur dreist, irgendetwas bleibt immer hängen‘) - anders gesagt, eine politische Rufmordkampagne gegen Russland, bei dem das ganze Instrumentarium der ideologischen Kriegführung bis hin zur konzertierten Ausweisung russischer Diplomaten ausgefahren wird.

Die nächste Fragen sind natürlich: Wofür? Warum jetzt? Wem nützt es?

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Irratio capitalis. Über die Idiotie des bürgerlichen Systems

von Emmerich Nyikos / Streifzüge 67/2016

Aber die vollends aufgeklärte Erde strahlt im Zeichen triumphalen Unheils.

(Horkheimer / Adorno, Dialektik der Aufklärung, 1944)

1. Was eigentlich ist ratio, ein Konzept, das seit geraumer Zeit von allen Seiten angeschwärzt wird – wobei sich die Post-Modernen besonders hervortun –, angeschwärzt, genauer gesagt, seit den Bemühungen des kritischen Duos – post-modern avant la lettre –, das sich „Adorno und Horkheimer“ nennt?

Offensichtlich hat ratio mit dem Denken zu tun, das der Praxis vorausgeht und ihr eine Richtung verleiht: damit, dass man überprüft, ob die Methoden, die man anzuwenden gedenkt, auch tatsächlich mit dem, was man anstrebt, korrespondieren. Vernünftig ist in diesem Sinne, was sich als zweckgerichtet, als zielführend, mithin als verhältnismäßig erweist.

2. So gesehen ist es nicht unangebracht, das Tun der Bourgeoisie als rational einzustufen: Denn die Methoden, die das Kapital appliziert, um Profite zu machen, sind diesem Projekt stets angemessen.

Abwässer werden ungeklärt in Seen, ins Meer, in die Flüsse geleitet? Abgase ungefiltert in die Luft? Giftiger Müll wird wie gewöhnlicher Abfall entsorgt? Was könnte rationaler vom Standpunkt des Kapitalsubjekts sein? Denn alle Maßnahmen, die dazu dienen, den Profit nicht zu schmälern, sind der raison d’être (Daseinszweck) des Kapitals adäquat.

Geplante Obsoleszenz, dergestalt, dass ein Gerät nach vorgegebener Zeit durch einen eingebauten Defekt unbrauchbar wird? Mode? Rascher Wechsel von einem Modell hin zum nächsten? Alles rational, da es den Absatz und damit auch die Profite erhöht.

Anstelle von Nahrungsmitteln baut man Pflanzen zur Gewinnung von Treibstoffen an oder nutzt, tout court, Nahrungsmittel als Treibstoff? Warum denn auch nicht, wo dies doch gewiss lukrativ ist?

Man destabilisiert ganze Weltregionen und stürzt sie ins Chaos? Das ist durchaus vernünftig, steigert es doch in letzter Instanz den Absatz von Waffen und damit den Profit der respektiven Konzerne.

 Vernünftig ist, was die „Rendite“ erhöht – und genau darum und um nichts anderes geht es, sei es in diesem oder in jenem Bereich, sei es hier oder dort, sei es gestern, sei es heute oder auch morgen.

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Die Wahrheit über die SCL Group und US-Tochtergesellschaft Cambridge Analytica

Psychologische Operationen des britischen und amerikanischen „Staates im Staat“

von Julie Hyland

Der Skandal um die Beziehungen von Facebook zu Cambridge Analytica (CA), dem Datenanalyse-Unternehmen, das mit dem ehemaligen Vorsitzenden von Trumps Wahlkampfteam Steve Bannon in Verbindung gebracht wird, beherrscht die Medien in den USA und Großbritannien.

Die ernsten datenschutzrechtlichen Bedenken in Bezug auf das Abschöpfen von persönlichen Daten von etwa 50 Millionen Facebook-Usern wurden von dem britischen Fernsehkanal Channel 4 News aufgebracht. Ein verdecktes Ermittlungsteam filmte den Geschäftsführer von Cambridge Analytica, Alexander Nix, wie er sich mit unsauberen Operationen brüstet, um Politiker zu gewinnen und Wahlen zu beeinflussen.

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Die Enthüllungen werden dazu benutzt, hysterische Behauptungen über eine „russische Einmischung“ zu verbreiten. Doch eine genauere Untersuchung zeigt, dass die eigentliche Gefahr für demokratische Rechte von Operationen zur subtilen Einflussnahmen ausgeht, für die Elemente des britischen und US-amerikanischen Staates im Staat verantwortlich sind.

Die Muttergesellschaft von Cambridge Analytica ist die in Großbritannien beheimatete Firma SCL. Sie war früher unter dem Namen "Strategic Communication Laboratories" bekannt, und ist eine private Firma für Verhaltensforschung und strategische Kommunikation. Sie wurde 1993 von Nigel Oakes gegründet. Oakes ist der Sohn von Major John Waddington Oakes und ein ehemaliger Freund von Lady Helen Taylor, geborene Windsor. Er war früher Angestellter bei der von Margaret Thatcher bevorzugten Werbeagentur Saatchi & Saatchi, bevor er SCL gründete.

Ähnlich wie Oakes sind die Vorstandsmitglieder von SCL Sprösslinge aus der britischen herrschenden Klasse, von ehemaligen militärischen Führungskräften und Militärausrüstern bis zu Sponsoren der konservativen Partei.

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31 Stunden sind genug: Denn Arbeitszeit ist Lebenszeit

von Bettina Csoka / A&W blog

Durchschnittlich 31 Stunden pro Woche beträgt die bevorzugte Arbeitszeit in der EU laut einer aktuellen Eurofound-Studie. Damit trifft das aktuelle österreichische Frauenvolksbegehren mit seiner Forderung nach einer 30-Stunden-Woche den Puls der Zeit. Im Gegensatz zur österreichischen Bundesregierung mit ihrem Vorhaben einer generell zulässigen 60-Stunden-Woche. Ausgeblendet wird dabei bewusst, dass in Österreich bereits sehr vielfältige Arbeitszeitformen (auch was die Dauer betrifft, möglich sind). ( Tabelle HÖCHST-ARBEITSZEIT, PDF)

Kommen dann noch verlängerte zumutbare Wegzeiten zwischen Wohn- und Arbeitsort dazu, können faktisch daraus schon über 70 Stunden werden, an die Erwerbstätige arbeitsbedingt gebunden sind. Für Familien- und Privatleben bleibt da nur mehr wenig Zeit und Energie. Das Wirtschaftsministerium – das neuerdings mit Wirtschaftsstandort und Digitalisierung betitelt ist – weiß Rat: Wer trotz realer überlanger Arbeitszeiten mit FreundInnen in Kontakt bleiben will, kann das ja digital machen. (⇒ Artikel auf WIENER ZEITUNG.at)

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Am längsten wollen die BulgarInnen mit 38 Stunden, am kürzesten die NiederländerInnen mit 26 Stunden arbeiten. Genau im EU-Schnitt rangiert Österreich, etwas darunter z. B. Deutschland und Schweden. Die Unterschiede in den Zeitwünschen zwischen Frauen und Männern sind in Österreich besonders hoch: Während Männer in Österreich im Schnitt eine 35-Stunden-Woche wollen, ist die bevorzugte Arbeitszeit der Frauen Österreichs mit 27 Stunden um acht Stünden kürzer. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Deutschland. Deutlich weniger weichen die Wunscharbeitszeiten etwa in Schweden voneinander ab. Die Ursachen für diese Unterschiedlichkeit hängen mit vielen Faktoren, insbesondere am Arbeitsmarkt, und von der zwischen Männern und Frauen unterschiedlich organisierten und verteilten Haus- und Versorgungsarbeit zusammen.

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Putins Wahlsieg – Signal für ein Russland nach Putin?

Russland wurde gewählt. Was zu erwarten war, ist eingetreten: eine überwältigende Mehrheit für Wladimir Putin. In Zahlen: 76,69 % für Putin, 11,77 % für seinen sozialistischen Herausforderer Pawel Grudinin, 5,65 % für den ewigen Provokateur Wladimir Schirinowski; die restlichen Kandidaten und Kandidatinnen fielen weit unter die 5% Marke. „Korruptionsjäger“ Alexei Nawalny scheiterte mit seinem Boykottaufruf.  

kai_ehlers_ukraine_sibirien_mongolei_hamburg_perestroika_glasnost_russland_china_kritisches_netzwerk_ylttanbik_wolgabolgaren_jurte_eurasien_attil_krimkilte_datscha.jpgDie Botschaft der Wahl ist unüberhörbar: Stabilität, Sicherheit, keine Revolution, nicht einen Weg zurück, keine Abenteuer voran, alles wie gehabt. Ruhe ist der erste Wunsch des nachsowjetischen Menschen. Wär‘s nicht nachweislich ein russisches – es könnte ein deutsches Wahlergebnis sein.

Und doch, wer glaubt, dass alles so weitergehen werde wie bisher, irrt sich. Der Sieger selbst versprach Veränderungen für den Fall seiner erneuten Präsidentschaft: Entbürokratisierung, Wachstum der Wirtschaft, Reformen im Sozialen. Und er versprach diese Veränderungen nicht nur; mit rigider Umbesetzung von Ämtern traf er schon im Vorfeld der Wahl Vorsorge dafür, das Notwendige auch durchsetzen zu können, was er jetzt vornehmen muss, denn das ist klar: das Votum des Wahlsieges bekam er zwar für die von ihm verfolgte Politik der Stabilität, aber ewige, zudem noch autoritäre Stabilität muss letztlich enden – in Stagnation.

Die drohende Stagnation ist wohl die größte Herausforderung für den in seinem Amt bestätigten Präsidenten, außenpolitisch wie auch innenpolitisch.

Außenpolitisch sind weitere Erfolge wie die Eingliederung der Krim, die Teilbefriedung Syriens, das Bündnis mit China zurzeit kaum vorstellbar. Die Welt hat sich im Status quo festgefahren. Russlands, konkret Putins Rolle darin ist die des Krisenmanagers. In dieser Frage kommt zurzeit niemand an ihm vorbei, aber Entwicklungsperspektiven sind darin kaum erkennbar, außer der von Putin in seiner kürzlich gehaltenen Rede an die Nation deutlich demonstrierten Bereitschaft Russland gegen jedwede zukünftige Angriffe zu verteidigen.

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Abrüsten? Nö, doch nicht.

von Matthias Höhn

matthias_hoehn_die_linke_verteidigungsausschuss_auslandseinsaetze_bundeswehr_nato_bundeswehreinsatz_ruestungsexporte_ruestungsindustrie_waffenexporte_waffenhandel_abruestung.jpgIm Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik setzen CDU/ CSU und SPD ihren in den vergangenen Jahren geübten Kurs nahtlos fort. Noch im Wahlkampf kündigten die Sozialdemokraten an, Deutschland zum »Vorreiter der Abrüstung« machen und sich den Festlegungen der NATO, weitere Milliarden in die Ausrüstung zu stecken, widersetzen zu wollen. Und dann gab es da noch das Versprechen, dass die in Deutschland gelagerten Atomwaffen der Vereinigten Staaten endlich aus Deutschland abgezogen werden sollen.

Pustekuchen. Das ideologische Fundament der kommenden kleinen Großen Koalition lautet: Deutschland muss mehr internationale Verantwortung übernehmen. Gemeint ist damit meistens militärische. Mit ihren beiden zentralen Wahlversprechen ist die Sozialdemokratie in den Koalitionsverhandlungen krachend, vielleicht auch willfährig gescheitert: Weder wird das Zwei-Prozent- Aufrüstungsziel der NATO in Frage gestellt, noch werden die US-Atomwaffen – die im Zweifel von deutschen Tornados an ihr Ziel gebracht werden – aus Deutschland abgezogen.

Auch die vielfach angekündigte strengere Exportpolitik für deutsche Waffen rückt mit der Koalition in weite Ferne. Eine dringend notwendige veränderte Politik gegenüber dem NATO-»Partner« Türkei oder Diktaturen wie Saudi-Arabien wird zwar immer wieder angekündigt, aber inhaltlich nicht untersetzt. Weder werden Lehren aus dem völkerrechtswidrigen Einmarsch der Türkei in Afrin gezogen, noch werden Rüstungsexporte an die Länder untersagt, die im Jemen-Krieg für unermessliches Leid sorgen – schließlich besitzt die Rüstungsindustrie »Vertrauensschutz« und darf erst einmal weiter liefern. Dabei ist es überfällig, endlich den Schutz von Menschen über den der deutschen Rüstungsfirmen zu stellen.

Entspannung und eine neue Ostpolitik mit Russland ist nicht in Sicht: Die vorhandenen Sanktionen bleiben bestehen. Stattdessen schickt Ursula von der Leyen 12.000 deutsche Soldaten zu NATO-Manövern an die russische Grenze, die sich unter geschichtsvergessenen Titeln wie »flammender Donner« oder »Eiserner Wolf« abspielen. Der Wille zu weiterer Konfrontation ist gegeben, notwendige Signale für Frieden und Entspannung bleiben hingegen aus.

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Steuerwettlauf nach unten: Neue Runde im globalen Steuerdumping

von Fred Schmid / isw München e.V.

Die Regie war perfekt. Beim Dinner mit 15 europäischen Konzernlenkern beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos (23.-26.01.2018) platzierte Trump die größten Lobpreiser seiner Steuerreform zu seiner Linken bzw. Rechten. So begann bei der Vorstellungsrunde im Uhrzeigersinn SIEMENS-Chef Joe Kaeser das Fleißaufgaben-Aufsagen: „Wir investieren viel in den USA“, sagte er zu Trump. „Glückwünsche zu Ihrer Steuerreform. Wir haben deshalb beschlossen, die nächste Generation von Gasturbinen in den USA zu entwickeln“. Der Präsident reagierte entzückt: „Das ist groß. Das ist ein großes Ding. Fantastisch!

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Nicht so „great“ empfinden das die Beschäftigten der SIEMENS-Kraftwerksparte, die wenige Wochen davor aus den Zeitungen erfahren mussten, dass ihr oberster Chef 6900 Arbeitsplätze streichen und das Turbinenwerk Görlitz und andere Standorte schließen will. ( >> Artikel hier, hier und hier). Der euphorischen Stimmung beim Dinner for Trump tat das keinen Abbruch; weitere Danksagungen anderer Konzernfürsten. Bill McDermott, Chef des Dax-Konzerns SAP beendete die Lobpreisungsrunde: „Herr Präsident, danke für die Steuerreform, wir sind sehr erfreut über die Steuerreform. Wir beschäftigen 15000 Menschen in den USA“, „wir planen zwei Milliarden Dollar Investitionen“. Danke, Herr Präsident.

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Der Arbeitskräftemissbrauch durch Leiharbeit hat System

von Markus Krüsemann / miese-jobs.de

Das Beschäftigungswachstum in der Leiharbeit hält unvermindert an und erreicht Rekordhöhen. Das ist weder Zufall, noch Zeichen für eine bloß stellenweise missbräuchliche Nutzung der Arbeitnehmerüberlassung. Mindestens drei Anhaltspunkte sprechen für den systematischen Missbrauch von Beschäftigten durch Leiharbeit.

leiharbeit_niedriglohn_tarifvertrag_leiharbeiter_niedriglohnsektor_arbeitsarmut_erwerbsarmut_kritisches_netzwerk_neoliberalismus_armuts_ausbeutung_prekarisierung_prekaritaet_working_poor.pngMit der Leiharbeit verhält es sich wie mit der Büchse der Pandora. Ist der Deckel erst einmal vom Gefäß, gibt es kein Halten mehr. Das Übel heißt in diesem Falle Prekarisierung der Arbeit u. Lohndumping mit ausbeuterischen Billigjobs. In Form der Arbeitnehmerüberlassung ergießt es sich seit nunmehr 15 Jahren mehr und mehr über den Arbeitsmarkt.

Es sickert im Verarbeitenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich in die Lücken, die durch den Abbau von Normalarbeitsverhältnissen gerissen wurden, und es behindert in Zeiten guter Konjunktur ihr eigentlich zu erwartendes neuerliches Entstehen.

Wie haltlos das Übel der Verleiherei sich ausbreitet, das belegen halbjährlich Zahlen aus der Bundesagentur für Arbeit (BA). Nach den kürzlich mit Verspätung vorgelegten Angaben der BA für die erste Jahreshälfte 2017 stieg die Zahl der Leiharbeitsbeschäftigten bis Ende Juni 2017 auf mehr als 1,04 Millionen. Mit einem Plus von 3,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat ist zugleich ein neuer Höchststand erreicht. Noch nie waren in Deutschland so viele Menschen als LeiharbeiterInnen tätig.

Beschäftigte in der Leiharbeit Juni 2004 bis Juni 2017  

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Wie lässt sich dieser unvermindert anhaltende Boom erklären in Zeiten einer schon länger andauernden stabilen Phase des Wachstums von Wirtschaft und (allgemeiner) Beschäftigung? Angeblich geht ein Boom bei der Arbeitnehmerüberlassung einem generellen Wirtschaftswachstum, ihr Schrumpfen einem Abschwung voraus, weshalb Leiharbeit gerne als Frühindikator für eine kommende konjunkturelle Entwicklung bezeichnet wird. Dementsprechend müsste in der derzeitigen konjunkturellen Hochphase längst eine verhaltene Entwicklung eingesetzt haben, weil Arbeitgeber die Mehrarbeit ja jetzt risikolos durch Schaffung regulärer Stellen auffangen könnten, während sie zu Beginn der Aufschwungphase aus Vorsicht noch darauf verzichtet hatten und stattdessen zunächst (und vorübergehend) Leihkräfte bevorzugten.

Wie die Zahlen nicht nur der letzen Monate zeigen, kann irgendwas an dieser lieblichen Theorie nicht stimmen. Wie sonst ist es zu erklären, dass die enormen Wachstumsraten bei der Leiharbeitsbeschäftigung über Jahre hinweg deutlich über den bereits sehr ordentlichen Steigerungsraten bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung liegen?

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Neoliberale Globalisierung: Deutschlands Exportüberschüsse treiben zum Handelskrieg

von Conrad Schuhler / Leiter der Redaktion des isw München e.V.

► Deutschland: Drehscheibe und Hauptprofiteur der neoliberalen Globalisierung

Deutschland ist unter den großen Nationen in herausragendem Maß „globalisiert“. Fast zwei Fünftel der produzierten Waren gehen ins Ausland, über ein Drittel aller in Produktion und Konsum abgesetzten Waren kommen aus dem Ausland. Export und Import zusammen beliefen sich 2017 auf 2.313.4 Billionen Euro. Die addierten Außenhandelsumsätze liegen zwar bei den Spitzenreitern – China und USA – noch höher (beide bei rund 3 Billionen Euro – Zahlen von 2016).

Doch bei der entscheidenden Größe, dem Außenhandelsüberschuss, liegt Deutschland weit vorne. Der Überschuss ist deshalb entscheidend, weil sich die Defizitländer in seiner Höhe beim Exportmeister verschulden müssen und weil dieser in der Höhe seines positiven Saldos seine Gesamtproduktion per Nachfrage aus dem Ausland absetzt. Das heißt, nicht nur hängt Deutschland von den globalen Handelsströmen ab – sein Wachstum basiert auf der Nachfrage des Auslands. Rund 8 % des gesamten Bruttosozialprodukts (die Differenz zwischen Export- und Importquote) fänden ohne diese Auslandsnachfrage gar keinen Abnehmer.

Deutschlands Außenhandel 2017

Exporte 1.279.1 Milliarden Euro plus 6,2 %
Importe 1.034.3 Milliarden Euro plus 8,3 %
Exportüberschuss 245.6 Milliarden Euro  
Exportquote 38.7 % (des BIP)  
Importquote 30.8 % (des BIP)  
Überschussquote 7.9 % (des BIP)

 

Entwicklung des Außenhandels in Mrd. €

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Die Grafik belegt die wachsende Orientierung der deutschen Wirtschaft auf den globalen Handel. Während das deutsche BIP von 2010 auf 2016 um 10,2 % zunahm, wuchs der Außenhandel im selben Zeitraum um 24 %, der Außenhandelssaldo um 62 % | destatis, Statistisches Jahrbuch 2017, S. 421. (PDF)

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Olaf Scholz (SPD) ernennt Goldman-Sachs-Mann Kukies zum Staatssekretär

Von Ernst Wolff / Autor der Bücher „Weltmacht IWF“ und neu: „Finanztsunami

Ein klares Signal an die Finanzelite

Wenige Tage nach seiner eigenen Ernennung zum Bundesminister der Finanzen hat Olaf Scholz (SPD) den Deutschlandchef der US-Großbank Goldman Sachs, Jörg Kukies, zu einem seiner Staatssekretäre ernannt. Kukies soll sich vor allem um die Europapolitik und die Finanzmarktregulierung kümmern. Das Bundeskabinett muss der Berufung des 50-Jährigen noch zustimmen.

Olaf_Scholz_SPD_Buergerschaftswahl_Hamburg_HH_Buergermeister_Senat_Hansestadt_Brechmittel_Drogendealer_Schanzenviertel_Sozialdemokratie_Kongress_Christlicher_Fuehrungskraefte.jpg      goldman_sachs_posse_polizeiaufgebot_banksters_investmentbank_hegdefonds_finanzgesindel_finanzmafia_finanztsunami_kritisches_netzwerk_olaf_scholz_too_big_to_fail_joerg_kukies_bankenrettung.jpg

Scholz’ Personalentscheidung dürfte kein Zufall sein. Die neue Große Koalition in Berlin sieht schweren Zeiten entgegen, denn die politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Zeichen stehen auf Sturm. Während sich der Westen systematisch auf die Ausweitung eines Krieges im Nahen Osten und eine mögliche Konfrontation mit Russland und China vorbereitet, kommt die globale Wirtschaft trotz aller anderslautenden Meldungen auch zehn Jahre nach der letzten großen Krise nicht wieder in Schwung.

► An den Finanzmärkten brodelt es

Besonders kritisch ist die Entwicklung an den Finanzmärkten: Sie werden seit einem Jahrzehnt nur durch künstliche Manipulation am Leben erhalten. Die dazu erforderlichen  Maßnahmen – Gelddrucken und Zinssenkungen durch die Zentralbanken – zeigen aber immer stärkere und gefährlichere Nebenwirkungen (unter anderem Blasenbildung und Geldentwertung).

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Zuhälter, Huren und Johns des militärisch-industriellen Imperiums

von Philip A. Farruggio

Wir haben uns als Nation, als Kultur so schnell zurückentwickelt, dass selbst die 60er, 70er und 80er Jahre wie die guten alten Zeiten aussehen ... und das waren sie nicht. Dieses militärisch-industrielle Imperium wird von den Zuhältern geführt. Sie drängen ihre Huren, das politische System und die Mainstream-Medien in die Straßen unserer großen Nation, wo sie die Johns, die Mehrheit unserer Bevölkerung, anmachen.

Die größte Lüge, mit der sie die Johns betrügen, ist, dass wir eine Demokratie sind und dass ihre Stimme zählt. Was sie ntürlich den Johns nicht mitteilen, ist das nur das Zwei-Parteien-/Ein-Parteien-System zählt. Die zweitgrößte Lüge ist, dass wir in einem "System des freien Marktes" leben, in dem jeder John mit harter Arbeit und Fleiß an die Spitze der ökonomischen Leiter aufsteigen kann. Dann fährt die Lüge fort, indem sie sagt, dass die Menschen das Recht haben, so viel wie möglich zu verdienen, und dass "die Reichen alle Steuern zahlen und eine Pause verdienen". Sagen Sie das den Millionen von Johns jeden Tag an der Zapfsäule, indem Sie sie bitten, sich anzusehen, wieviel von jeder Gallone Benzin auf Steuern entfällt.

Sie surfen im Fernsehen und sehen, was die so genannten "News Channels" abdecken. Die demokratisch ausgerichteten Kanäle (CNN und MSNBC, um nur einige zu nennen), reiten voll auf diesem Russiagate herum, bereit, die Flammen eines neuen Kalten Krieges zu entfachen. Stunden um Stunden davon.

Und lassen Sie mich Sie fragen: War das, was von wem auch immer während der Kampagne 2016 durchgesickert wurde, tatsächlich die WAHRHEIT? Wenn ja, dann ist es doch egal, wer es ausgeplaudert hat! Wenn Sie zu den rechtsgerichteten republikanischen Kanälen gehen, verteidigen diese fortwährend diesen "Reality Star President" und seine rechtsextreme "Denkfabrik"- regressive Politik und Pläne, die "weniger als 1 % von uns" kontinuierlich zu unterstützen. Natürlich werden die Huren der Medien, wie auch die gewählten Huren, die Trommel für mehr Militärausgaben und mehr "'Big Stick"-Mentalität weltweit schlagen ... welche bereits unsere Städte in den Ruin treibt und unseren moralischen Kompass zerstört!

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Zuhause werden wir bald keine Ruhe mehr finden

Unsere Zeit braucht eine unmissverständliche Sprache

von Franz Witsch, HH

Liebe FreundeInnen des politischen Engagements,

ich möchte den politisch interessierten BürgerInnen einen Artikel mit dem Titel "Der Fall Skripal: Westliche Regierungen machen sich kollektiv lächerlich" ans Herz legen. Dieser von Paul Schreyer auf TELEPOLIS veröffentlichte Kommentar zeigt, von welchen mittlerweile „kranken“ Politikern die Welt regiert wird.  

wahrheit_politiker_verlogenheit_unwahrheit_luege_propaganda_manipulation_truth_tatsache_wahrhaftigkeit_authentizitaet_massenmedien_leitmedien_kritisches_netzwerk_luegengebaeude.png"Die Aufregung um den Mordanschlag auf den Doppelagenten Sergej Skripal nimmt zunehmend absurde Züge an - Ein Kommentar

Am Donnerstag kulminierte die öffentliche Empörung über den bislang völlig ungeklärten Vorfall in einer gemeinsamen Stellungnahme der Regierungen Großbritanniens, der USA, Frankreichs und Deutschlands. Man sei "entsetzt" von diesem "Übergriff gegen die Souveränität des Vereinigten Königreichs", der einen "Völkerrechtsbruch" darstelle und "unser aller Sicherheit" bedrohe." (TELEPOLIS) Hier bitte zunächst weiterlesen.

Der Text kommentiert den Fall Skripal, namentlich „die Aufregung um den Mordanschlag auf den Doppelagenten Sergej Skripal“. Der Fall nehme „zunehmend absurde Züge an.“ Anstatt Beweise vorzulegen, die die Schuld der russischen Regierung tatsächlich belegen würden, würden „sich die westlichen Regierungen – man möchte schon sagen, ‚wie gewohnt’– auf die psychologische Wirkung einer PR-Kampagne“ verlassen. Das geht so in der Art: irgendetwas wird im „blöden“ Bürger schon hängen bleiben.

Die Anti-Russland-Hysterie“, heißt es weiter, habe „sich zu einer waschechten Paranoia ausgewachsen, gegen die zunehmend selbst absurdeste Verschwörungstheorien harmlos erscheinen.“ Und sogenannte Qualitätsmedien wie DIE ZEIT und FAZ haben nichts anderes zu tun, als die Politik in ihrer „Wahnwelt“ zu bestätigen.

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Auswirkungen des digitalen Wandels auf die Arbeit

"Wenn Maschinen sich vernetzen, muss der Mensch aufpassen, nicht außen vor zu bleiben."

von Redaktion »Arbeit&Wirtschaft«, Wien

Die Soziologin Kerstin Jürgens spricht im Interview über die Auswirkungen des digitalen Wandels auf die Arbeit. Sie zeigt, wie wir Arbeit auch in Zukunft so regeln können, dass Menschen ihr Leben absichern können und warum der Mensch aufpassen muss, dass er zwischen selbstlernenden Systemen nicht auf der Strecke bleibt.

Cornelia Breuß: Sie sagen, die Zukunft der Arbeit ist ungewiss, weil wir die genauen Effekte des digitalen Wandels nicht exakt abschätzen können. Welche Effekte können das möglicherweise sein?

Kerstin Jürgens: Der technologische Fortschritt bringt uns in rasantem Tempo immer neue Innovationen ins Haus. Unsere digitalen Endgeräte werden immer leistungsstärker und „schlauer“. Es werden Systeme entwickelt, die nicht mehr von uns genährt werden müssen, sondern selbstständig lernen. Maschinen kommunizieren untereinander. Dies alles führt dazu, dass bisherige Arbeitsabläufe neu strukturiert werden können – und dass sich die Frage stellt, welche Aufgabe noch für den Menschen übrigbleibt.

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Cornelia Breuß: Was heißt das für unsere Arbeitsplätze?

Kerstin Jürgens: Sicher bleiben viele Berufe erhalten, aber in manchen Bereichen kann es zu einer deutlichen Rationalisierung kommen, durch die viele ihren Arbeitsplatz verlieren können. Aber gerade weil die technologischen Innovationen noch gar nicht alle umfassend eingesetzt werden, lassen sich auch die Effekte auf den Arbeitsmarkt schlecht ermessen. Bislang schaut man sich an, zu welchem Anteil jemand computerbasiert arbeitet. Damit aber ist nur ein Teil des Wandels in den Blick genommen.

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Stiller Abschied der SPD und ver.di von der Bürgerversicherung

von Laurenz Nurk

Die Bürgerversicherung sollte eigentlich mit dazu beitragen, das Chaos in der Krankenversicherung zu ordnen und die Gesundheitspolitik etwas gerechter zu machen. Sie sollte die allgemeine Krankenversicherungspflicht in der gesetzlichen solidarischen Krankenversicherung sein und allen Bürgern den gleichen Leistungsanspruch unabhängig von ihrem Einkommen bieten. Zur Finanzierung würden alle Einkommen und auch alle Einkommensarten für die Versicherung herangezogen und die Beitragsbemessungsgrenzen wegfallen. Dadurch könnten die Gewerkschaften auch die Verteilungsdebatte neu ankurbeln, doch der DGB ziert sich derzeit, die Beitragsbemessungsgrenze abzuschaffen, er zieht nicht einmal eine Anhebung der Grenze in Erwägung.

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H.S.: Die nachfolgende Grafik zeigt den Verlauf des effektiven Beitragssatzes in der gesetzlichen Sozialversicherung Deutschland im Jahr 2016. Über den Beitragsbemessungsgrenzen liegende Einkommensteile sind nicht mehr beitragspflichtig - der Beitrag in Euro bleibt dann unabhängig von der Einkommenshöhe konstant. Durch die Art der Berechnung des effektiven Beitragssatzes in Prozent (Beitrag geteilt durch Bruttoeinkommen) ist dessen Verlauf fallend (degressiver Tarif).

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Nicht nur der DGB, auch die SPD und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di rücken von der früher favorisierten Bürgerversicherung ab und lassen damit diese Idee klammheimlich sterben. In den nächsten Jahren bleibt es beim Nebeneinander der Privaten Krankenversicherungen (PKV) und der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), weil es derzeit keine sozialpolitische Kräfte gibt, die Alternativen beim Krankenversicherungsschutz aufzeigen.

► Private Krankenversicherungen (PKV)

Das Geschäftsmodell der PKV ist recht einfach: die Versicherer gehen von der Summe aus, die ihre Versicherten pro Jahr im Schnitt als Leistung in Anspruch nehmen. Naturgemäß ist diese Summe vor allem vom Alter des Versicherten abhängig und jüngere Versicherte nehmen nun einmal relativ selten Leistungen der Krankenversicherung in Anspruch, ältere Menschen entsprechend öfter. Besonders der Zeitraum um die letzten vier Monate vor dem Tod machen einen Großteil der insgesamt anfallenden Leistungen aus der Krankenversicherung aus. Da es in der PKV, anders als im gesetzlichen Krankenversicherungssystem keine Umlage gibt, muss rechnerisch jeder Versicherte sich selbst finanziell versichern.

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Horst Seehofer als Innenminister: Präventive Ermittlungen „quasi gegen jeden“

von Marie Bröckling

Unter Seehofer wurde in Bayern ein Gesetz zur Aufrüstung der Polizei auf den Weg gebracht, das ihr nie da gewesene Kompetenzen für präventive Ermittlung gibt. Plant der neue Innenminister bald Menschen in der gesamten Bundesrepublik durch die Polizei überwachen zu lassen?

Über die zu erwartende massive Ausweitung der Kompetenzen der Polizei unter dem neuen Bundesinnenminister Horst Seehofer berichtet das Politikmagazin „Monitor“ des ARD. Der CSU-Politiker befürwortet die präventive Überwachung der Telekommunikation und Online-Aktivitäten von Personen, ohne Hinweise auf konkrete Straftaten. Entsprechende Gesetzentwürfe zur Aufrüstung der Polizei hatte er in Bayern auf den Weg gebracht.

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Seehofer hat sich noch nicht ausdrücklich dazu geäußert, ob bayerische Verhältnisse auf Bundesebene zu erwarten sind. Der Gesetzentwurf der CSU zur Reform des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) in Bayern ermöglicht, dass die Polizei „quasi gegen jeden ermitteln“ kann. Ohne einen Hinweis auf eine konkrete Straftat dürfte die Polizei nach dem Gesetzentwurf auf Daten auf informationstechnische Systeme zugreifen, in bestimmten Fällen dürfte sie auch Daten löschen oder verändern.

Der PAG-Gutachter Hartmut Wächtler sagt gegenüber Monitor, dass damit die „größte und umfassendste Kontrollkompetenz geschaffen worden ist für eine Polizei in Deutschland seit 1945“. Eine Sprecherin des Bundesinnenministerium sagte auf Anfrage von netzpolitik.org dazu nur, dass man Ländergesetze grundsätzlich nicht kommentiere. ( PAG-Neuordnungsgesetz, Drucksache 17/20425, 101 Seiten, PDF)

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Studie: Beschäftigte im Handwerk liegen beim Verdienst deutlich zurück

Mangelnde Tarifbindung ein wichtiger Grund

von Hans-Böckler-Stiftung

Im Handwerk verdienen Beschäftigte im Schnitt deutlich weniger als in anderen Branchen. Der Abstand beim Stundenlohn beträgt durchschnittlich knapp 3,50 Euro brutto. Das liegt unter anderem an den Qualifikationsstrukturen – und an fehlender Tarifbindung. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie.

Sprichwörtlich heißt es, das Handwerk habe goldenen Boden. Wer dort als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer tätig ist, dürfte das allerdings anders sehen: Laut einer Studie von Dr. Katarzyna Haverkamp und Kaja Fredriksen liegen die Löhne im Handwerk etwa ein Fünftel unter dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt. Die Mitarbeiterinnen des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen haben für die Hans-Böckler-Stiftung die Lohnstrukturen in dieser Branche analysiert. Für das Verdienstgefälle zu den übrigen Wirtschaftszweigen machen sie vor allem den geringen Anteil Hochqualifizierter, die vielen Kleinbetriebe und die vergleichsweise schwach ausgeprägte Tarifbindung verantwortlich.

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Die Arbeitgeber klagen über Fachkräftemangel im Handwerk. Die Studie zeigt aber, dass insbesondere die Fachkräfte im Vergleich zu anderen Branchen wenig verdienen, auch weil die Tarifbindung im Handwerk besonders niedrig ist“, sagt Dr. Stefan Lücking, der die Untersuchung in der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung begleitet hat. „Eine stärkere Tarifbindung wäre das beste Rezept, um das Handwerk für Fachkräfte attraktiv zu machen.

Für ihre Untersuchung haben Haverkamp und Fredriksen mehrere umfangreiche Datensätze des Statistischen Bundesamts und des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) ausgewertet. Wegen unterschiedlicher Abgrenzungen der Stichproben sind die Einzelergebnisse zum Teil nur begrenzt vergleichbar. Dass das Handwerk beim Lohnniveau deutlich zurückliegt, gilt allerdings unabhängig von der Methode und dem Zeitpunkt der Erhebung.

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Inszenierter Anschlag gegen Sergei Skripal? Großbritannien weist 23 russische Diplomaten aus

von Chris Marsden

Am Mittwoch gab Premierministerin Theresa May im Unterhaus weitgehende Maßnahmen gegen Russland bekannt. Sie erklärte das Putin-Regime für schuldig, den ehemaligen Doppelagenten Sergei Skripal und seine Tochter Julia in Salisbury vergiftet zu haben. Russland hatte zuvor eine 24-Stunden-Frist verstreichen lassen, die die May-Regierung dem Land für eine Erklärung gesetzt hatte.

May empörte sich über „den Sarkasmus, die Verachtung und den Trotz“ der Moskauer Regierung. Sie behauptete, die Verwendung des Nervengases der Nowitschok-Klasse auf britischem Boden komme einer „rechtswidrigen Gewaltanwendung“ durch Russland gleich. Der russische Staat habe sich des versuchten Mordes an Skripal und seiner Tochter Julia schuldig gemacht. May behauptete, der russische Präsident Wladimir Putin habe sich bewusst für dieses Vorgehen entschieden. Der russische Staat betreibe ein Chemiewaffenprogramm und verletze damit internationales Recht.

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Großbritannien reagierte darauf mit der Ausweisung von 23 russischen Diplomaten, die laut May angeblich als „verdeckte Geheimdienstler“ arbeiten. Sie müssen innerhalb einer Woche das Land verlassen. Außerdem gab May folgende weitere Maßnahmen bekannt:

Die Suspendierung hochrangiger bilateraler Kontakte zwischen dem Vereinigten Königreich und Russland.

Die Verabschiedung neuer Gesetze und anderer, nicht näher definierter Maßnahmen zum Schutz gegen „feindliche staatliche Aktivitäten“.

Eine verstärkte Kontrolle privater Personen- u. Fracht-Flüge, um die Einreise von feindlichen Personen nach Großbritannien zu verhindern.

Das Einfrieren russischen Staatsvermögens, das dazu dienen könnte, Leben o. Eigentum britischer Bürger oder Einwohner zu bedrohen.

Ein Boykott der Fußballweltmeisterschaft in Russland durch Minister und die königliche Familie, sowie die Rücknahme der Einladung an den russischen Außenminister Sergei Lawrow zu einem Besuch in Großbritannien.

Russland verurteilte die Ausweisung der Diplomaten als “unakzeptabel, ungerechtfertigt und kurzsichtig” und kündigte an, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

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Giftanschlag auf Sergei Skripal und die antirussische Kriegshysterie

Was steckt hinter den britischen und amerikanischen Ultimaten gegen Russland?

von Alex Lantier

theresa_mary_may_brexit_europaeische_european_union_united_kingdom_grossbritannien_england_salisbury_kritisches_netzwerk_russenfeindlichkeit_russophobia_russophobie_propaganda.jpgNur zehn Tage nach der mysteriösen Vergiftung des ehemaligen russischen Geheimagenten und britischen Spions Sergei Skripal und seiner Tochter Julia im britischen Salisbury hat die herrschende Klasse in Großbritannien eine antirussische Kampagne losgetreten und Moskau für den Anschlag verantwortlich gemacht. Mit Unterstützung führender Kreise in den USA und Europa versucht die britische Regierung den Fall auszunutzen, um eine Anklage gegen Russland zu konstruieren.

Am Montag setzte Premierministerin Theresa May Russland ein Ultimatum, das in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch auslief, ohne dass Moskau den Forderungen Großbritanniens nachkam. Daraufhin kündigte May gestern Sanktionen an. Sie werde 23 russische Diplomaten ausweisen und Teile des russischen Staatsvermögens einfrieren lassen. Auch sollen einige Regierungsvertreter und Mitglieder des Königshauses nicht zur Fußballweltmeisterschaft reisen, die im Sommer in Russland stattfinden wird.

May hatte vor dem Ultimatum erklärt, wenn Moskau keine „glaubwürdige Antwort“ liefert, müsse sie daraus schließen, dass der „russische Staat rechtswidrig Gewalt gegen Großbritannien angewandt hat“. Während der Debatte im Parlament wurde May gedrängt, Artikel 4 des NATO-Vertrags anzuwenden. In diesem Falle wäre das Bündnis zu einer Krisensitzung gezwungen, um festzustellen, ob die „Unversehrtheit des Gebietes, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit“ eines NATO-Mitgliedstaats bedroht ist.

Bei diesen Fragen geht es um Krieg oder Frieden. Führende NATO-Vertreter versuchen offensichtlich, einen Vorwand für einen Krieg gegen Russland, eine der beiden größten Atommächte, zu konstruieren. Medienberichten zufolge wurde in herrschenden Kreisen in London auch über die Anwendung von Artikel 5 des NATO-Vertrags diskutiert. Der Bündnisfall verpflichtet alle NATO-Parteien, „im Falle eines bewaffneten Angriffs“ gegen ein Mitglied, „Beistand“ zu leisten, „indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten“.

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Was die Entlassung des US-Außenministers Rex Tillerson bedeutet

von Dr. Paul Craig Roberts

Senator Charles "Chuck" Schumer (Demokratische Partei, NY) sagt, dass Rex Tillersons Entlassung darauf hinweist, dass die Trump-Administration zerfällt. Ich verstehe, warum Senator Schumer das so sieht, vor allem nach all den anderen Entlassungen und Rücktritten.

Ich sehe das anders. Die Entlassung des Außenministers Tillerson, die Ernennung des CIA-Direktors Mike Pompeo zum Außenminister und die Beförderung von Gina Haspel, die die geheimen CIA-Foltergefängnisse in Thailand beaufsichtigt hat ( Artikel in der New York Times), deuten darauf hin, dass der Militär-/Sicherheitskomplex seine Vereinnahmung des Trump-Regimes abgeschlossen hat. Von einer Normalisierung der Beziehungen zu Russland wird nicht mehr die Rede sein.

Die Kombination aus der Israel-Lobby, den Neokonservativen und dem Militär-/Sicherheitskomplex hat sich als zu mächtig erwiesen, um Frieden zwischen den beiden Atommächten herzustellen. Wenn man sich die Administration Trumps ansieht, sind die drei oben genannten Kräfte die Verantwortlichen.

Israel ist nach wie vor entschlossen, das US-Militär einzusetzen, um Syrien und den Iran zu destabilisieren, um die Hisbollah zu isolieren und die Unterstützung und Versorgung der Miliz abzuschneiden. Die Neokonservativen unterstützen sowohl das Interesse Israels als auch ihren eigenen Wunsch nach Washingtons Hegemonie über die Welt. Der Militär-/Sicherheitskomplex beabsichtigt, die "Bedrohung Russland" als Rechtfertigung seines Budgets und seiner Macht beizubehalten.

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Solidarität mit dem Antimilitaristen Thomas H.

Wann darf auf einer Messe gegen die Bundeswehr demonstriert werden?

von Thomas Mickan

Seit über zwei Jahren kämpft Thomas H. sich nun schon durch den Dschungel der Gerichte (vgl. GWR 411). Weil er bei einer Messe fünf Minuten sein Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit gegen die massive Werbung der Bundeswehr im öffentlichen Raum wahrnahm, will ihn die Staatsanwaltschaft bestrafen. Nun liegt das Verfahren beim Bundesverfassungsgericht mit einer hoffentlich guten Entscheidung, um die Bundeswehr in ihrem Nachwuchshunger in die Schranken zu weisen und das Recht auf freie Meinung und Versammlung zu stärken.

In Stuttgart, so der Vorwurf der dortigen Staatsanwaltschaft, habe der Aktivist Thomas H. bei den Protesten gegen einen Bundeswehr-Rekrutierungsstand auf der Ausbildungsmesse "Nacht der Unternehmen" in der Liederhalle am 17. November 2015 Unrecht begangen. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Hausfriedensbruch.

► Runde 1 - Beim Amtsgericht bleiben alle Fragen offen

In einem ersten, fast alle Fragen offen lassenden Verfahren wurde der Aktivist vom Amtsgericht Stuttgart am 26. Juli 2016 zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt. Die unzureichende Wahrheitsfindung (die einzige Zeugin konnte sich beispielsweise nicht mehr daran erinnern, wo Thomas H. bei nur 5 - 6 weiteren Aktivist_innen gestanden hatte) und eine ungenügende Würdigung des "Fraport-Urteils", das in solchen Fällen in Betracht gezogen werden muss, führten dazu, dass Thomas H. Berufung beim Landgericht einlegte.

► Runde 2 - Landgericht weist Berufung zurück

Das Landgericht wies jedoch die Berufung als offensichtlich unbegründet zurück, und stützte sich dabei auf die Begründung des Amtsgerichtes. Dabei wies es Thomas H. zusätzlich als Bundeswehrgegner aus, obwohl seine beim Amtsgericht verlesene Erklärung nicht mit in die Akten aufgenommen wurde, die einzig diesen Schluss zugelassen hätten. Ebenso wurde sich an die Auslegung des Fraport-Urteils des Amtsgerichtes angeschlossen, dass keine Grundrechtebindung der Tema AG vorsah. Als private AG hatte diese die Messe ausgerichtet. Damit wird von vornherein ausgeschlossen, dass ein möglicher Hausfriedensbruch mit dem (auch nach dem Fraport-Urteil) höher zu wertenden Recht auf Versammlung abgewogen werden muss.

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Bei der „Rente mit 63“ hat Dortmund fast die rote Laterne bekommen

 – eine Auswirkung der vielen prekär Beschäftigten in der Stadt

von Laurenz Nurk

Die „abschlagsfreie Rente mit 63“ ist grundsätzlich eine gute Sache. Doch haben seit der Einführung 2014 nur wenige ältere Arbeitnehmer davon profitieren können. Die Rentenversicherung Westfalen (DRV Westfalen) veröffentlichte nun die Zahl der Rentenversicherten in ihrem Zuständigkeitsbereich, die vorzeitig ohne Abschläge in Rente gingen. Während in Minden-Lübbecke mit 42,7 Prozent der Rentenantragssteller diese Rentenart in Anspruch nehmen konnten, waren es in Dortmund nur 24 Prozent, nur in Bottrop ist die Zahl noch geringer.

Hier wird deutlich, dass in Dortmund immer weniger Menschen eine lückenlose Erwerbsbiografie aufweisen können, denn als Voraussetzung für den früheren Renteneintritt sind 45 Beitragsjahre der Rentenversicherten.

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► „Rente für besonders langjährig Versicherte“ – „Rente mit 63“

Einen Anspruch auf die „Rente für besonders langjährig Versicherte“- „Rente mit 63“ hat derjenige, der 45 Jahre Pflichtbeiträge aus Erwerbstätigkeit, Pflege von Angehörigen oder Kindererziehung geleistet hat. Dazu zählen auch Kinderberücksichtigungszeiten, Entgeltersatzzeiten wie Krankengeld oder Übergangsgeld, auch freiwillige Beiträge mit, ebenso Wehr- und Ersatzdienstzeiten, auch Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld und Zeiten aus Minijobs. Nicht berücksichtigt werden Pflichtbeiträge, die wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II oder Arbeitslosenhilfe gezahlt wurden und Zeiten aus einem Versorgungsausgleich, sowie aus einem Rentensplitting unter Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern.

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Wohnen ist Menschenrecht für alle!

von Bündnis „AufRecht bestehen“

+++Bundesweites Bündnis fordert, die Wohnsituation  von  Arbeitslosengeld-II- und  Sozialhilfeberechtigten deutlich zu verbessern+++

Hartz IV und andere Sozialleistungen sollen das Minimum an Geld gewährleisten, das ein Mensch in Deutschland zum menschenwürdigen Leben braucht. Das sogenannte soziokulturelle Existenzminimum ist kein Almosen, sondern rechtlich garantiert: durch das Grundgesetz, aber auch durch internationale Verträge wie die UN-Konventionen. Grundsicherungsleistungen wie Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe teilen sich auf in den Regelbedarf (aktuell 416 € für Alleinstehende), Kosten der Unterkunft und eventuelle Mehrbedarfszuschläge.

► Wohnen ist Menschenrecht

Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen, …“ (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 25).

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Eine Wohnung ist mehr als ein Dach über dem Kopf. Eine Wohnung, in der man sich zuhause fühlt und vor deren Verlust man keine Angst haben muss, ist Menschenrecht und anerkannte Grundvoraussetzung für das psychische Wohl, die Teilhabe an der Gesellschaft und auch die Voraussetzung dafür, einen Beruf auszuüben. Arbeitslosengeld-II- und Sozialhilfeberechtigte bilden da keine Ausnahme, außer dass hier die Angst vor bzw. die Gefahr der Wohnungslosigkeit viel größer ist.

Die Jobcenter und Sozialämter übernehmen die Miete nur bis zu einer bestimmten Obergrenze. Wenn die Miete darüber liegt, zum Beispiel nach einer Mieterhöhung, werden die betroffenen Mieter*innen aufgefordert, die Wohnkosten zu senken, in der Regel durch einen Umzug. In vielen Städten besteht allerdings ein großer Mangel an preiswertem Wohnraum, die Mietpreisbremse ist gescheitert. Der vielerorts angespannte Wohnungsmarkt führt dazu, dass man schon sehr großes Glück haben muss, innerhalb der von den Kommunen vorgegebenen Obergrenzen eine Wohnung neu anmieten zu können.

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Ungleichverteilung: 45 Superreiche besitzen so viel wie die ärmere Hälfte der Deutschen

„Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen“

von Fred Schmid / isw München e.V.

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Danach besaßen 2014 die reichsten 45 Deutschen so viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung: Ein Geld-Hochadel von weniger als fünfzig Familien hatte also mit 214 Milliarden Gesamtvermögen Euro ebenso viel wie über 20 Millionen Haushalte (in Deutschland leben 82,5 Millionen Menschen in 41 Millionen Haushalten)[1]

Wie das isw hat auch das DIW die so genannten Reichsten-Listen (z.B. manager maganzin, forbes) bei den Berechnungen hinzugezogen – „valide (wissenschaftlich zuverlässige – F.S) Schätzungen“ nennt sie Stefan Bach, der Leiter der DIW-Studie – wodurch das wirkliche Gesamtvermögen, vor allem aber die Konzentration an der Reichtumsspitze deutlich höher ausfiel, als bei Berechnungen etwa der Bundesbank und des Statistischen Bundesamts. In der amtl. Statistik werden Superreiche systematisch unterschätzt bzw. kommen gar nicht vor. Einerseits, weil ihre Zahl so klein ist, dass sie in Stichproben nicht ausreichend erfasst werden. Zum anderen, weil die Statistiken auf freiwilligen Befragungen basieren und die Auskunftsbereitschaft mit wachsendem Reichtum nachweislich abnimmt.

Die wesentlichen Ergebnisse der DIW-Forscher: Den reichsten fünf Prozent der Bevölkerung gehörte 2014 51,1% des gesamten Vermögens. Ein Prozent der Bevölkerung (Haushalte) hatte ein Drittel (31,1%) und ein Tausendstel der Haushalte, also 41.000 – sprichwörtlich die „Oberen Zehntausend“ – nannten 17,4 Prozent des Gesamtvermögens ihr Eigen: 1.650 Milliarden Euro. Die unteren 50% der Bevölkerung – über 20 Millionen Haushalte – besitzen dagegen nur 2,3% des Gesamtvermögens: 214 Milliarden Euro.

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Der Bundes-Unrechtsstaat: Diesel-Mafia vor ein Tribunal

von Ulrich Gellermann, Mitautor des Buches "Die Macht um Acht".

Auf den Begriff „Unrechtsstaat" hatte die verblichene DDR ein Abo. Ganze Justiz- und Medien-Apparate wussten haargenau, warum die DDR ein Unrechtsstaat war. Denn die Gesetze in der DDR seien nur „Versatzstücke“ gewesen, die „bei Bedarf beiseite geschoben werden“ konnten, wenn sie „der Staatsführung […] oder sonstigen zur Entscheidung befugten Organen“ nicht passten.

gangster-mafia-unrechtsstaat-dieselmafia-organisierte-kriminalitaet-autolobby-dieselgate-kritisches-netzwerk-abgasaffaere-abgasskandal-organisiertes-verbrechen-betrugsskandal-vw-bmw.pngDa schau her. Vom DDR-Unrechtsstaat reden zumeist nur noch Historiker. Zumal in den Medien längst Russland das Unrechts-Erbe angetreten hat: Die New York Times brandmarkte Russland schon als „Unrechtsstaat“ und auch das Wochenmagazin Stern wusste, „Russland bleibt ein Unrechtsstaat“, weil der nach Recht und Gesetz verurteilte Michail Borissowitsch Chodorkowski nicht mal eben freigesprochen wurde.(⇒ stern-Artikel). - Iwan Pawlow lässt grüßen: Längst ist die Sowjetunion begraben, Russland ist kapitalistisch, aber das unersetzliche Feindbild wird jeden Tag neu übermalt.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) spricht von Millionen Dieselfahrzeugen, die von der deutschen Automobilindustrie in betrügerischer Absicht mit gefälschten Abgaswerten unter die Leute gebracht wurden. Die Leute: brave Deutsche, die immer ordentliche Kreuze auf ihre Wahlzettel gemalt hatten und an den Rechtsstaat glaubten. Der Paragraph 263 des Strafgesetzbuches kennt den Betrug:

"Wer in der Absicht, sich o. einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Aber es wird nix.

"Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den  §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht."

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Influencer in Uniform: Wenn die Exekutive viral geht

von Markus Reuter, Alexander Fanta, Marie Bröckling, Luca Hammer  

In Deutschland sind heute mehr als 100 Polizeien rund um die Uhr auf Twitter aktiv. Eine Datenanalyse von Netzpolitik.org und dem Medienwissenschaftler Luca Hammer nimmt die digitale Behördenarbeit unter die Lupe. In unserer Serie zeigen wir, wie sich die Polizei in dem sozialen Netzwerk eine neue Form der Öffentlichkeit schafft.

In den sozialen Medien erfinden sich die deutschen Polizeien gerade ein Stück weit neu. Wo früher spröder Amtscharme herrschte, twittern die Beamten nun lässige Sprüche, begleiten Demonstrationen mit Social Media Teams in Echtzeit und warnen partywütige Jugendliche vor zu viel Radau. Dürfen die das alles eigentlich? Netzpolitik.org hat rund hundert offizielle Twitterkonten der deutschen Polizeibehörden identifiziert und etwa 163.000 Tweets analysiert. Unser Bericht führt durch die Welt der Polizei-Influencer und zeigt, wie die deutsche Exekutive viral geht. In diesem Text liefern wir eine ausführliche Datenanalyse und Einordnung. In unserer Reihe „So twittert die Polizei“ bieten wir außerdem ein Interview mit einem Experten für digitale Polizeiarbeit, wir schauen nach der rechtlichen Lage und zeigen heikle Fälle und Fehlgriffe in der Social-Media-Arbeit der Polizeien.

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  -- CC-BY-SA 4.0 Stella Schiffczyk / netzpolitik.org

► Warum ausgerechnet Twitter?

Twitter spielt in der Social-Media-Strategie der Polizei eine Schlüsselrolle. Zwar nutzen nur etwa drei Prozent der deutschen Bevölkerung häufig den Kurznachrichtendienst. Dennoch ist die Polizei dort ebenso präsent wie im weit beliebteren Facebook. Twitter ist für die Öffentlichkeit besonders wichtig, denn nirgendwo in einem sozialen Medium findet man eine so hohe Konzentration von Politikern und Journalisten. Mit ihrer starken Präsenz auf Twitter zeigen die Polizeien, dass sie im Internet nicht nur die breite Masse erreichen – sie wollen auch gezielt den öffentlichen Diskurs beeinflussen. Wir haben uns darum in unserer Analyse auf Twitter konzentriert.

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Neuer internationaler Mindestlohnreport des WSI

von Malte Lübker und Thorsten Schulten / WSI REPORT Nr. 39

+++Mindestlöhne: In Westeuropa meist über 9,40 Euro, im EU-Mittel nominal kräftige Zuwächse, Reallohnverlust in Deutschland+++

Die Mindestlöhne in den 22 EU-Staaten, die über eine gesetzliche Lohnuntergrenze verfügen, sind zuletzt im Mittel kräftig angehoben worden – nominal um 4,4 Prozent. 19 Staaten haben ihre Mindestlöhne zum 1. Januar 2018 oder im Laufe des Vorjahres angehoben, lediglich in Deutschland, Griechenland und Luxemburg gab es keine Erhöhung. Die nominalen Erhöhungen waren die zweitstärksten seit 2009. Da die Inflation wieder anzog, legten die Mindestlöhne real weniger kräftig zu – im Mittel um 2,8 Prozent nach 5,1 Prozent 2017.

geldboerse_armutsrente_portmonee_bargeld_pleite_portemonnaie_kritisches_netzwerk_armut_altersarmut_altersvorsorge_verarmung_mindestrente_sozialabbau_kapitalismus_konsumverzicht.jpgIn den meisten EU-Ländern mit Erhöhungen gab es aber auch inflationsbereinigt Zuwächse. Das zeigt der neue Mindestlohnbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Der deutsche Mindestlohn ist mit 8,84 Euro pro Stunde spürbar niedriger als die Lohnuntergrenzen in den westeuropäischen Euro-Staaten, die mindestens 9,47 Euro Stundenlohn vorsehen, in Luxemburg sogar 11,55 Euro.

Nachdem die Austeritätspolitik in zahlreichen EU-Staaten über längere Zeit auch die Mindestlöhne ausbremste, „knüpft die Lohnentwicklung wieder an das Vorkrisenniveau an“, schreiben die WSI-Tarifexperten Prof. Dr. Thorsten Schulten und Malte Lübker. Die höchste Dynamik beobachten die Wissenschaftler in den mittel- und osteuropäischen EU-Ländern, die die Lohnuntergrenzen zuletzt um mindestens fünf Prozent, zum Teil zweistellig erhöhten. In Rumänien wurde die Lohnuntergrenze sogar um 52 Prozent angehoben – allerdings von einem geringen Ausgansniveau aus. In den west- und südeuropäischen Mitgliedsländern reichen die Anhebungen von 1,2 Prozent in Frankreich bis mindestens 4 Prozent in Spanien, Portugal und Großbritannien.

Trotz der Erhöhungen sei in vielen Ländern der Mindestlohn gemessen am mittleren Lohnniveau nach wie vor niedrig, betonen die Forscher. Das gelte gerade auch für Deutschland, wo der Mindestlohn nicht einmal die Hälfte des Medianlohns erreicht und damit deutlich unter der Niedriglohnschwelle liegt. Mindestlöhne spielten eine wichtige und wissenschaftlich breit anerkannte Rolle bei der Stabilisierung des Lohngefüges nach unten, so Schulten und Lübker. „Ohne Unterstützung durch ein starkes Tarifvertragssystem“ könne der Mindestlohn aber „auf sich allein gestellt kaum die Verbreitung von Niedriglohnbeschäftigung eindämmen.“ Daher seien weitere Maßnahmen zur Stärkung der Tarifbindung notwendig.

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EU droht mit Vergeltung für Trumps Handelskriegsmaßnahmen

von Peter Symonds

freiheitsstatue_donald_trump_statue_of_liberty_libertas_eu_european_union_fuck_off_make_america_great_again_first_frederic_auguste_bartholdi_kritisches_netzwerk_protektionismus.jpg Am Freitag [2.3.] drohten führende europäische Politiker mit handelspolitischen Vergeltungsmaßnahmen für die von US-Präsident Trump angekündigten Einfuhrzölle von 25 % auf Stahl und 10 % auf Aluminium. Trump machte daraufhin in einer Reihe von Tweets deutlich, dass er nicht von seiner Entscheidung abrücken wird, auch wenn sie einen Handelskrieg auslösen könnte.

Die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström erklärte in der Financial Times, die EU habe kaum eine andere Wahl, als die amerik. Einfuhrzölle in der Welthandelsorganisation anzufechten und ihrerseits Zölle und andere Vergeltungsmaßnahmen einzuführen. Sie warnte zudem vor einem Handelskrieg: „Wir riskieren einen gefährlichen Dominoeffekt.

Der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, deutete in der deutschen Presse an, dass u.a. Steuern auf amerik. Produkte wie Harley-Davidson-Motorräder, Bourbon Whiskey und Blue Jeans geplant sind, falls die USA die geplanten Zölle auf Stahl und Aluminium tatsächlich umsetzen. Diese Auswahl richtet sich gegen die Heimatstaaten von führenden Politikern der Republikanischen Partei (GOP). Als Seitenhieb gegen Trump und seine Regierung fügte Juncker hinzu: „Das ist alles nicht vernünftig, aber Vernunft ist ja ein Gefühl, das sehr unterschiedlich verteilt ist in der Welt.“ Er erklärte außerdem, die europäischen Vergeltungsmaßnahmen stünden im Einklang mit den Regeln der WTO.

Trumps Ankündigung löste weltweit Kritik und Warnungen aus, auch von Verbündeten der USA, die am stärksten betroffen sein werden, wenn die Zölle nächste Woche eingeführt werden. Die Rhetorik der Trump-Regierung richtete sich zwar gegen Russland und China, aber Russland ist nur der fünftgrößte Lieferant von Stahlimporten in die USA, und China nur der elftgrößte.

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Seppuku der SPD: Nicht wehrlos, einfach nur ehrlos

von Ulrich Gellermann, Mitautor des Buches "Die Macht um Acht".

spd_linkspopulismus_andrea_nahles_sozialverrat_olaf_scholz_vertrauensverlust_enttaeuschung_volkspartei_sozialabbau_sozialdemokraten_nogroko_kritisches_netzwerk_hartz_iv_leiharbeit.jpgSeppuku“ (Harakiri) nannte die japanische Adelskaste, die Samurai, den rituellen Selbstmord. Die Samurai führten das Seppuku hauptsächlich aus vier Gründen aus: Zum einen vermied es Schande, wenn man während einer Schlacht dem Gegner in die Hände fiel und Kriegsgefangener wurde. Des Weiteren konnte es beim Tod des Herren (Daimyō) ausgeführt werden, oder man protestierte mithilfe des Seppuku gegen einen irrenden Vorgesetzten.

Dass die Sozialdemokraten mit ihrer satten Mehrheit für die GroKo Selbstmord begangen haben, steht außer Frage: Nach dieser Entscheidung wird kaum ein Wähler noch ein Stück Brot von der SPD annehmen. Und da der sozialdemokratische Wahlverein nur bestehen bleibt, wenn er sich über eine ausreichende Zahl von Posten legitimiert – Inhalte hatte man schon lange nicht mehr anzubieten – war es das: Die SPD wird verschwinden.

► Ist die SPD einem Gegner in die Hände gefallen?

Keineswegs. Sie hat sich mit der Agenda 2010 dem ehemaligen Gegner selbst ausgeliefert. Genüßlich suhlte sie sich in Vokabeln wie Reform oder Modernisierung, und der dumme Spruch von 'Privat geht vor Staat' galt den Genossen als der Gipfel ökonomischer Weisheit. Der Tod eines Herren war von der SPD auch nicht zu beklagen: Wechselnde Vorsitzende hatten die Partei zwar in die Sümpfe der Korruption geführt, schwammen aber selbst immer oben.

Auf ihre Sesselkissen ließen sie deshalb gern den Spruch 'Mit vollen Hosen ist gut stinken' sticken, und lehnten sich in den bequemen Sitzgelegenheiten ihrer neuen Jobs gern lässig zurück. Ein Protest ist im jüngsten Suizid der SPD auch nicht zu erkennen: Jene, die gegen eine erneute GroKo protestierten, bekamen keine Mehrheit. Gegen wen hätten sie protestieren sollen? Gegen sich selbst?

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Die Bertelsmannisierung der Hochschullandschaft geht weiter

Universität Witten-Herdecke war die erste private Hochschule in Deutschland

Studierende sitzen in der Schuldenfalle

von Laurenz Nurk

Die Universität Witten-Herdecke (UWH) wurde 1983 als erste private Hochschule in Deutschland gegründet. Für die Menschen im Ruhrgebiet wurde diese Universität schnell zu etwas Besonderem. Einmal für die Patienten, die dort in der Uniklinik ganzheitlich und behutsam behandelt und in das Behandlungskonzept aktiv einbezogen wurden, zum anderen auch für die jungen Menschen, die dort das Medizinstudium aufnehmen konnten, auch wenn der Abiturdurchschnitt nicht so gut war. Es kam für die Aufnahme dort eher auf die Persönlichkeit des Einzelnen an und auf seine Motivation, diesen Studiengang zu wählen.

Kaum jemand war bekannt, dass mit den Geldern und der ideellen Unterstützung der Deutschen Bank, der Krupp-, der Zeit- sowie der Bertelsmann-Stiftung in Witten- Herdecke eines der ersten Versuchslabore für den Umbau der Hochschullandschaft errichtet wurde.

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Im politischen Berlin wird in der letzten Zeit intensiv an der Privatisierung von staatlichen Leistungen gearbeitet. Im Gegensatz zu den Autobahnprivatisierungen steht die Privatisierung des Sozial- und Bildungsbereichs nicht im Licht der Öffentlichkeit. Die aktuellen Entwicklungen in Sachen „Kommunalisierung“ oder zur Schaffung von „Bildungsregionen“ zielen mit ihrem Vernetzungsaktionismus darauf ab, bereits vorhandene private Sozial- und Bildungsinstitutionen gleichberechtigt neben die öffentlichen Angebote zu stellen, die es teilweise schon gar nicht mehr gibt, weil öffentliche Angebote zugunsten privater massiv abgebaut worden sind.

Das Ziel solcher zunächst lokalen Aktionen ist wohl, dass die Bevölkerung sich daran gewöhnt, dass die Kostenstellen für die sozialen Bedürfnisse des Gemeinwesens entweder billig ins Ehrenamt abgeschoben oder von privatwirtschaftlichen Aktivitäten aufgefangen und der privaten oder Gebührenfinanzierung und damit der Profitorientierung preisgegeben werden. Diese Bemühungen werden von den großen Stiftungen kräftig unterstützt, die das gleiche Ziel verfolgen und zeigen wollen, dass Privat vor Staat geht. Ganz früh schon, nämlich 1983, wurde in diesem Sinne die erste private Hochschule in Deutschland gegründet.

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EU als eigenständiger militärischer Akteur

Die Beschwörung des Abgrunds, um weiter aufzurüsten

von Walter Listl / isw München e.V.

kriegspropaganda_feindbilder_mobilmachung_nato_krieg_russland_china_iran_kritisches_netzwerk_kriegshetze_eskalation_aufruestung_friedensbewegung_ostermaersche_auslandseinsaetze.jpgVon der sog. Münchner Sicherheitskonferenz gingen vor allem drei Botschaften aus:

Erstens wurde festgestellt, dass sich die weltpolitischen Konflikte bedrohlich zugespitzt hätten, man bewege sich „hin zum Abgrund“ und der Weg zurück sei mit einem Fragezeichen versehen.

Zweitens wurde dies mit einem Plädoyer für eine massive Aufrüstung der Europäischen Union verknüpft, um in den zu erwartenden Großkonflikten militärisch dabei sein zu können.

Und schließlich ging es drittens darum, dass hierfür ganz generell, aber ganz besonders von Deutschland erheblich mehr Mittel in den Militärbereich investiert werden müssten.

Ganz klar wurden die Feinde genannt, die man für eine weitere Aufrüstung braucht: Russland, China, Iran.

► Siko-Chef Wolfgang Ischinger im Interview: Hin zum Abgrund

Vor einem Jahr kann man die Stimmung unter den westlichen Entscheidungsträgern so beschreiben […], wir nähern uns dem Abgrund, wir nähern uns dem Ungewissen – eine bedrückte Stimmung angesichts der neuen Figur in Washington. Ich denke, dass jetzt, ein Jahr später, wir richtigliegen, wenn wir als Motto […] für die Konferenz gewählt haben: „Hin zum Abgrund – und zurück?"

Und weiter: „Wir haben noch nie seit dem Ende der Sowjetunion eine so hohe Gefahr auch einer militärischen Konfrontation zwischen Großmächten gehabt. Das Misstrauen beispielsweise zwischen der Militärführung in Washington und in Moskau ist abgrundtief! Es könnte gar nicht schlimmer sein. Die Kontakte, die es früher zuhauf gab, sind im Wesentlichen eingefroren.

Die Gefahr von Missverständnissen, denken Sie an die Vorgänge in und um Syrien, denken Sie an die Vorgänge in und um Nordkorea, die Gefahr von Fehlkalkulationen, von ungewollten eskalatorischen Manövern ist größer, als ich sie in Erinnerung habe über die letzten 30 Jahre hinweg. […] „Ich denke, die Lage der globalen Sicherheit ist heute instabiler, als sie es jemals seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion war.

Seit einigen Jahren wird unmittelbar vor Beginn der Sicherheitskonferenz der „Munich Security Report 2018“ veröffentlicht. Im deutschsprachigen Text der diesjährigen Ausgabe mit dem Titel „Am Abgrund – und zurück?“ heißt es: „Im letzten Jahr ist die Welt näher – viel zu nah – an die Schwelle von extremen Konflikten gerückt und die internationale Gemeinschaft muss alles tun, um sich von dieser Schwelle wegzubewegen.

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Die HSH Nordbank AG und der Hedgefonds Cerberus

Ein Lehrstück über Moral und Kompetenz in der deutschen Politik

Von Ernst Wolff / Autor der Bücher „Weltmacht IWF“ und neu: „Finanztsunami“

Am Mittwoch verkündeten der Hamburger Senat und die schleswig-holsteinische Landesregierung, dass die skandalträchtige HSH Nordbank verkauft wird. Der Deal wird den Steuerzahler nicht nur mindestens 13 Mrd. Euro kosten, er wirft auch ein grelles Schlaglicht auf die Moral und die Sachkompetenz der politischen Elite in Deutschland.

Beim Hamburger Senat handelt es sich seit 2015 um eine Koalition aus SPD und Grünen, die schleswig-holsteinische Landesregierung wird seit 2017 von der CDU, den Grünen und der FDP gestellt. Alle vier Parteien waren sich in dieser Woche darin einig, die HSH Nordbank an ein Konsortium angelsächsischer Investoren zu verkaufen.

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Schwergewicht unter den Geschäftspartnern ist mit einem Anteil von knapp über 40 Prozent der US-Hedgefonds "Cerberus Capital Management", der sich nach langjährigen Aktivitäten im Automobil-, Waffen-, Pharma- und Immobilienbereich seit einiger Zeit auf den Bankensektor konzentriert.

CERBERUS wurde 1992 in New York vom Princeton-Absolventen Stephen A. Feinberg gegründet und hat sich den Ruf erworben, sein Geschäft mit besonders harten Methoden zu betreiben. In den USA gilt CERBERUS als „Geier-Hedgefonds“ (englisch vulture fund), dessen öffentlichkeitsscheue Führung vor allem dort ihr Geld macht, wo andere in Schwierigkeiten stecken.

► Absolut hemmungslos

Zunächst engagierte sich CERBERUS im Waffengeschäft, kaufte diverse Rüstungsunternehmen auf und wurde unter dem Namen „Freedom Group“ zum bedeutendsten Handfeuerwaffenhändler der USA. Mit der Übernahme von „DynCorp“ entstand ab 2010 ein „Sicherheits- und Militärunternehmen“, das weltweit Söldnerarmeen unterhält und seine Aufträge hauptsächlich von der US-Regierung bekommt.

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Die Berlinale-Wundertüte: Eldorado in der Schweiz / Arbeit in den Gängen

von Ulrich Gellermann, Mitautor des Buches "Die Macht um Acht".

berlinale_palast_goldener_silberner_baer_golden_bear_theater_am_potsdamer_platz_internationale_filmfestspiele_berlin_kritisches_netzwerk_filmfestival_filmpreise_wettbewerbsfilme.jpg Fast 400 Filme wurden auf der Berlinale gezeigt. So viel gute Filme auf einem Haufen kann es gar nicht geben. Also ist auch Schrott dabei oder mäßiges Zeug, sogar unmäßig dummes Zeug ist zuweilen zu sehen. Also ist und bleibt das größte Kulturereignis in Deutschland ein ganzes Regal voller Wundertüten: Mal sind Sammelbilder drin oder fader Süßkram, selten genug kluge, ergreifende Unterhaltung gar. So reißt man noch `nen Film auf und noch einen und manchmal, wenn die Festival-Regie und das Kritiker-Schicksal ein Einsehen haben, dann erblicken kleinere und größere Wunder das Licht der Leinwand. Zwei wunderbare Filme sollen, müssen für solche Glücksmomente stellvertretend erwähnt werden.

► ELDORADO

Als der nun ältere und respektable Schweizer Filmemacher Markus Imhoof ein kleiner Junge war, nahmen seine Eltern ein italienisches Flüchtlingskind auf: Giovanna. Die alliierten Bomberflotten hatten gegen Ende des Weltkrieges in Norditalien den Kampf gegen den deutschen und italienischen Faschismus aufgenommen und Giovannas Haus getroffen. So begann eine kleine, zarte Liebesgeschichte, die Imhoofs Dokumentarfilm ELDORADO in klugen Bildern nacherzählt und, wenn dann das Heute und die aktuelle Flüchtlingslage erreicht wird, in kräftigen Worten und Filmsequenzen erneut thematisiert: Imhoof ist immer noch verliebt. In die Menschlichkeit, die auch und gerade gebietet, auch denen ein Obdach zu geben, die vor den Wirtschaftskriegen flüchten, die heute gern und intensiv von der Europäischen Union und auch der Schweiz geführt werden.

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Gerade hat Imhoofs Kamera noch Flüchtlinge aus Afrika darüber erzählen lassen, was sie denn mit der Rückführ-Prämie anfangen wollen, die man in der Schweiz für rückkehrende Flüchtige zahlt: Ein paar Kühe wollen sie kaufen, ganz groß ins Milchgeschäft einsteigen. Da berichtet der Kommentar-Ton kalt und nüchtern, dass die europäische Milch derart subventioniert ist, dass sie trotz langer Wege und hoher Löhne die afrikanische Milch immer noch im Preis unterbieten. Das wird nichts mit dem afrikanischen Milchgeschäft. Die Tage der nächsten Flucht der Afrikaner in das Land, das sie für ein Eldorado halten, in dem Kühe wärmende Decken tragen, sind absehbar.

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BFH-Urteil zu Ausfall einer Kapitalforderung

Ausfall einer Kapitalforderung muss vom Finanzamt steuerlich berücksichtigt werden

von Laurenz Nurk

einkommensteuer_einkommensteuererklaerung_finanzamt_bundesfinanzhof_abgeltungsteuer_steuerzahler_steuerabzug_steuerausfaelle_steuerschuldner_kritisches_netzwerk_quellensteuer.jpgAls der vorläufige Gipfel zum Vorteil der Vermögenden in Deutschland ist das jüngste Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) zu bewerten. Das höchste Finanz­gericht hat entschieden, dass der endgültige Ausfall einer Kapital­forderung eines Gläubigers zu einem Verlust führt, der vom Finanzamt steuerlich berücksichtigt werden muss. Konkret bedeutet das: Wer als Gläubiger sein Geld nicht zurückbekommt, muss weniger Einkommensteuer zahlen.

Dieses Urteil wird vor allem die vermögenden Geldverleiher, Spekulanten und die Finanzbranche insgesamt erfreuen. Wenn sie Geld verlieren, haftet der Staat.

Im konkreten Fall hatte ein Ehepaar aus Nordrhein-Westfalen im Jahr 2010 rund 24.000 Euro gegen fünf Prozent Zinsen verliehen. Der Schuldner hatte mehr als 19.000 Euro nicht zurückgezahlt und schlussendlich Insolvenz angemeldet. Das örtliche Finanzamt hatte die 19.000 Euro Einbuße nicht als Verlust anerkannt. Das Ehepaar zog vor Gericht und hatte nun in der letzten Instanz Erfolg.

Mit dem Urteil wurde die Neuorientierung des Bundes­finanz­hofs deutlich, denn bisher fanden sich Gläubiger steuerlich in einer unerfreulichen Lage, wenn ihre Schuldner nicht mehr zahlten: Sie mussten für verliehenes Geld Steuern bezahlen, auch dann, wenn die Schuldner nichts oder nur einen Teil zurück­gezahlt hatten.

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Atomwaffenverbot: Bundesregierungen stehlen sich aus Verantwortung.

Über den Kampf für ein atomwaffenfreies Deutschland und gegen nukleare Aufrüstung

von Claus Schreer

atomwaffenverbot_ban_nuclear_weapons_women_against_military_madness_wamm_ican_atomwaffen_kritisches_netzwerk_nukleare_abschreckung_nuklearwaffen_nukes_kernwaffen.png Es ist ein seit mehr als vierzig Jahren andauernder Skandal: obwohl sich alle Kernwaffenmächte im Atomwaffensperrvertrag feierlich zur nuklearen Abrüstung verpflichtet haben, gibt es seit dieser Zeit keinerlei substanzielle Fortschritte. Die USA und Russland verfügen heute immer noch über 90 % aller Atomwaffen auf der Welt und die USA heizen das atomare Wettrüsten an, die US-Regierung will jährlich 40 Mrd. Dollar in die Aufrüstung ihres Atomwaffen-Arsenals investieren.

Eine gute Nachricht gibt es: Am 7. Juli 2017 haben 122 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen den Aufstand gegen die Atommächte gewagt und einen Vertrag zum Verbot aller Atomwaffen beschlossen. Das Abkommen verbietet neben der Herstellung, dem Besitz und dem Einsatz von Atomwaffen, auch die Drohung mit einem Nuklearschlag und es verbietet die Stationierung von Atomwaffen in anderen Staaten. Der Skandal: Deutschland hat die Atomwaffen-Verbots-Verhandlungen boykottiert.

► Bundesregierungen stehlen sich aus Verantwortung.

Die Heuchelei der Bundesregierung, die mit Lippenbekenntnissen eine Welt ohne Atomwaffen befürwortet aber Verhandlungen zur Abschaffung der Nuklearwaffen ablehnt, ist kaum noch zu überbieten. Gleichzeitig – und das ist der 2. Skandal – zeigt die Bundesregierung keinerlei Bereitschaft, die sog. nukleare Teilhabe an der Atomkriegspolitik der USA zu beenden. Zur Erinnerung: 2010 gab es einen – mit überwältigender Mehrheit aller Parteien – gefassten Beschluss des Bundestages, dass die US-Atomwaffen aus Deutschland abgezogen werden sollen.

Geschehen ist seither nichts. Statt des Abzugs geschieht jetzt genau das Gegenteil. Die in Büchel stationierten Atomwaffen werden durch eine völlig neue Version, die B61-12, ersetzt. Die Neue Bombe ist eine zielgenaue, bunkerbrechende, elektronisch gesteuerte Lenkwaffe mit variabler Sprengkraft und vergrößerter Reichweite. Dahinter steht die Absicht, den Einsatz von Atomwaffen unterhalb der Schwelle eines großen Nuklearkrieges zu ermöglichen. Die ca. 200 in Europa stationierten Atombomben, die bei einer militärischen Auseinandersetzung mit Russland eingesetzt werden sollen, sind wesentlicher Bestandteil der Nuklearkriegsstrategie der USA, einer Strategie, die einen Atomkrieg in Europa ermöglichen soll.

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Aus und Ende: Der Tod ist keine Grenze, denn wäre er eine, dann gäbe es ein Jenseits davon.

von Franz Schandl

Wohin gehen wir nach unserem Tod? Wir gehen nirgendwo hin, aber wir bleiben auch nicht hier. Vor dem Tod ist etwas gewesen, nach dem Tod aber kann nichts mehr sein. Viele Religionen leugnen letztendlich den Tod, nicht selten erklären sie das, was da ihrer Ansicht nach kommen soll, zum eigentlichen Ziel. Anstatt sich hier und jetzt mit dem Leben einzulassen, kanalisieren sie die Sehnsüchte der Menschen durch das Vertrösten auf ein Jenseits.

Erlösung im Tod ist sodann wichtiger als Lösung im Leben. Das Leben wird zu einer Etappe, zur Vorstufe des Todes. Das elementare »Das kann doch nicht alles gewesen sein« wird von einer Frage der Transformation zu einer der Theologie. Eins gibt sich auf, um sich geradewegs in den Projektionen wiederzufinden. Transzendenz jedoch ist eine Hinterlassenschaft im Diesseits. Das Jenseits ist eine Größe des Diesseits. Das Jenseits ist nicht jenseits.

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Religion ist Aufladung des Sinnlichen zum Übersinnlichen. Wirkliches und Unwirkliches werden vergeistlicht und somit der Reflexion als auch der Sinnlichkeit selbst entzogen. Es gibt nichts Übersinnliches, es ist das Sinnliche selbst, das sich über alle seine scheinbaren Grenzen hinwegzusetzen vermag. Jeder Zauber ist sinnlich. Zauber meint geradezu die Entgrenzung des Sinnlichen von einem kruden Realismus. Jene ist das Kind unserer blühenden Phantasie, die unendlich ist, aber zu einem Korsett wird, wenn sie als einschränkender Zwang eines zu fixierenden Glaubens fungiert.

Die meisten Religionen verdrängen den Tod, und zwar nicht nur konjunkturell – wofür es gute Gründe gibt – , sondern strukturell. Sie relativieren ihn, um geradezu die Bedeutung des Lebens, dieses einzigartigen und einzigen Daseins zu mindern. »Was der Glaube im Diesseits der Erde verneint, bejaht er im Himmel des Jenseits; was er hier aufgibt, gewinnt er dort hundertfältig wieder.« (Ludwig Feuerbach) Es gilt daher, den Tod als Tod zu akzeptieren, somit die Bedeutung des Lebens zu erhöhen anstatt zu mindern, es nicht als Stadium zu betrachten, sondern als Universum jedes einzelnen Individuums. So gesehen gewinnt das »Du sollst nicht töten« an fundamentaler Bedeutung. Orte und Zeiten der Liebe und der Freude sind hier zu schaffen, nicht in einen Abort des Todes zu verschieben.

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Merkels Massaker: In Berlin gepflanzt, in Ost-Ghuta geerntet

von Ulrich Gellermann, Mitautor des Buches "Die Macht um Acht".

Angela_Merkel_CDU_Bundesmutti_Raute_Bundeskanzlerin_TTIP_Freihandelsabkommen_cancellor_Handygate_alternativlos_Wachstum_Stasi_Putin_Ukraine_Uckermaerkerin_DDR_FDJ_Eurokrise_CETA.jpg Massaker! schreit es aus dem Kanzleramt. Und im ganze Land dröhnt das Echo. Und wirklich liefert der syrische Krieg erneut brutale Bilder. Tod und Verderben in Ost-Ghuta erzeugen Abscheu und Mitleid zugleich: Dem Sterben will niemand länger zuschauen. Da kommt Merkels Massaker-Schrei gerade Recht. Und wer, glaubt man Merkel und ihren Epigonen, ist Schuld am Krieg um Ost-Ghuta: Das Assad-Regime und „ganz besonders Iran und Russland“. Immer noch benutzt die Merkel in solchen Fällen ihre Kleinmädchen-Stimme, die klingt besonders glaubhaft.

Merkels Stimme war damals nicht zu hören, als im Januar 2012 am idyllischen Ludwigkirchplatz in Berlin-Wilmersdorf rund 50 syrische Oppositionelle auf Einladung des Auswärtigen Amtes zusammentrafen. Das aus deutschen Steuermitteln geförderte Projekt nannte sich "The Day After" und hatte nur ein Ziel: Das syrische Fell zu verteilen. Klar war auch, dass dafür zuvor dringend der syrische Präsident Baschar al-Assad erlegt werden müsse. So forderte auch Merkel einen "politischen Übergang" in Syrien, "an dessen Ende Assad nicht mehr im Amt sein kann". Assad muss weg: Das war aus dem US-Präsidial-Büro zu hören, das skandierten nahezu alle Medien der westlichen Welt. Und ob er nun tot oder lebendig "weg" sein sollte, das hatten die Schreier nie so genau festgelegt.

Baschar al-Assad war nie das, was man zum Beispiel in der Schweiz unter einem Demokraten versteht. Aber dieses Merkmal traf und trifft natürlich auch auf den jeweiligen König Saudi-Arabiens zu. Oder auf diverse Emire im Nahen Osten. Auch kennt so mancher NATO-Verbündeter das Wort Demokratie nur vom Weghören. Hat man im westlichen Chor je die Forderung "Scheich Tamim bin Hamad Al Thani muss weg" gehört? Der Mann ist seit 2013 Staatsoberhaupt des Emirates Katar. Das deutsche Auswärtige Amt nennt diese Diktatur eine "Monarchie mit Beratender Versammlung". Und dumm-stolz verkündet das Amt auf seiner Website: "Die politischen Beziehungen Katars zur Bundesrepublik Deutschland haben sich durch eine stetige hochrangige Besuchsdiplomatie noch intensiviert".

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Bankencrash in Lettland: Gefahr fürs internationale Finanzsystem?

Von Ernst Wolff / Autor der Bücher „Weltmacht IWF“ und neu: „Finanztsunami“

Die lettische Regierung wird am Montag in Riga zu einer Krisensitzung zusammentreten. Der Grund: Mit der ABLV Bank steht die drittgrößte Bank des Landes vor dem Zusammenbruch und muss daher abgewickelt werden.

ablv_bank_lettland_latvijas_aizkraukles_banka_riga_kritisches_netzwerk_bankencrash_korruption_liquiditaet_finanzkriminalitaet.jpgBereits am Samstag hatte die EZB bekanntgegeben, dass die ABLV auf Grund der „signifikanten Verschlechterung ihrer Liquidität“ wahrscheinlich nicht mehr in der Lage sei, Schulden und andere Verpflichtungen zu bedienen. Die Finanzaufsicht in Riga sei deshalb angewiesen worden, die Vermögenswerte der Bank einzufrieren. Damit haben die Kunden der ABLV, die der EZB seit 2014 untersteht, keinen Zugang mehr zu ihrem Geld. Die Filialen der Bank sind geschlossen, ihr Kartensystem ist abgeschaltet.

► Die US-Finanzaufsicht brachte den Stein ins Rollen

Die ABLV war vor kurzem ins Visier der US-Finanzbehörden geraten. die für Finanzkriminalität zuständige Abteilung des US-Finanzministeriums, das "Financial Crimes Enforcement Network" (FinCEN), hatte ihr vorgeworfen, Geldwäsche zu betreiben und ihren Kunden die Umgehung von US-Sanktionen gegen Nordkorea zu ermöglichen. Obwohl die ABLV Bank die Anschuldigungen zurückgewiesen hatte, wurde sie wenige Tage später vom Zugang zum US-Finanzsystem abgeschnitten.

Daraufhin zogen Anleger rund 600 Millionen Euro ab. Die EZB schritt ein und wies die lettische Finanzaufsicht Anfang vergangener Woche an, eine Auszahlungssperre zu verhängen. Die lettische Zentralbank versuchte zu helfen und stützte die ABLV mit fast 300 Millionen Euro. Da trotzdem noch eine Lücke von etwa 180 Millionen Euro klaffte und die ABLV eine bis Freitag gesetzte Frist zur Schließung der Lücke ungenutzt verstreichen ließ, beschloss die EZB am Samstag ihre Abwicklung.

Die lettische Regierung wird keinen einzigen Euro in die Rettung investieren“, kündigte Lettlands Regierungschef Māris Kučinskis an. Nach geltendem EU-Recht muss demnach die Bail-in-Regelung angewendet werden, nach der zunächst Aktionäre, Anleihebesitzer und Anleger mit Einlagen über 100.000 Euro anteilig zur Kasse gebeten werden.

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Amerikas Jugend vs. Waffenlobby: Das menschliche Leben wird billiger

von Robert C. Koehler

Die Schreie des Terrors und des Unglaubens gehen weiter. Teenager legen sich vor das Weiße Haus, um gegen die lauwarme, festgefahrene Waffengesetzgebung der Nation zu protestieren. Eltern trauern um ihre Kinder und starren auf die Wunde, die in die amerikanische Seele gerissen wurde. Sturmgewehre haben mehr Rechte als Schulkinder.

Eine Bewegung brodelt, so scheint es, eine Woche nach der letzten tödlichen Schießerei in einer Schule: siebzehn Menschen wurden an der Marjory Stoneman Douglas High School in Parkland, Florida, getötet, viele weitere wurden verletzt. Ein gestörter Einzelgänger - schon wieder einer - wird verhaftet.

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Es geht nicht nur um Gewalt, sondern wieder einmal um eine wilde, tiefgreifende Verletzung der tiefsten menschlichen Werte: das Leben ist heilig.

Oder nicht?

Wie kann das immer wieder passieren?

Es gibt ein größeres Problem, das in die soziale Ordnung eingebettet ist, als unseren Mangel an wirksamen Waffengesetzen, und ich hoffe, dass die Bewegung, die aus dem Parkland-Massaker hervorgeht, den Sprung über Wut und Anlasspolitik hinaus schafft. Die schwachen Waffengesetze der Nation - die einfache Verfügbarkeit von AR-15 Sturmgewehren - sind in der Tat ein Symptom der allgemeinen Verbilligung des menschlichen Lebens in der amerikanischen Gesellschaft, die sich in der immer größer werdenden Besessenheit der Nation mit Krieg und einem Militärhaushalt der Größe von Godzilla widerspiegelt. Krieg findet immer einen Weg, auf dem er nach Hause kommt.

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