Disziplinierung der Niedriglöhner und Erwerbslosen

Mehr als 16 Millionen Menschen in Deutschland sind von Armut bedroht

14,5 Millionen Menschen lebten schon mal von Hartz IV

von Laurenz Nurk, Dortmund

hartz_iv_arbeitsamt_studium_abitur_schule_kindergarten_kritisches_netzwerk_berufsaussichten_lebensplanung_armut_kinderarmut_altersarmut_zukunftsperspektive_erwerbsl.jpgOb die Zahlen stimmen oder nicht, ist egal – sie werden auf jeden Fall ihre Wirkung haben. In den vergangenen Wochen geisterten Zahlen durch die Medienlandschaft, bei der jede Zahl für sich schon ein Skandal ist.

Das Bundessozialministerium gab bekannt, dass mindestens 14,5 Millionen Menschen in Deutschland seit der Einführung im Jahr 2005 zumindest einmal Hartz-IV-Leistungen bezogen haben. Ein Fünftel der Bevölkerung in Deutschland – und damit rund 16,1 Millionen Menschen – war einer Statistik zufolge im vergangenen Jahr von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Dieser Anteil ist seit 2008 nahezu unverändert, teilte das Statistische Bundesamt mit.

Im vergangenen Jahr waren rund 13,4 Millionen Menschen in Deutschland von Armut durch Geldprobleme bedroht, das entsprach 16,7 Prozent der Bevölkerung.

14,5 Millionen Menschen in Deutschland haben seit der Einführung im Jahr 2005 zumindest einmal Hartz-IV-Leistungen bezogen. Diese hohe Zahl zeigt auf, dass Hartz-IV ein Massenphänomen ist.

Rund zehn Millionen der Betroffenen zählten als erwerbsfähig. 4,4 Millionen waren Kinder unter 15 Jahren.

Aktuell beziehen 5,9 Millionen Menschen Hartz-IV. 4,3 Millionen von ihnen sind erwerbsfähig, 1,6 Millionen nicht.

Dabei handelt es sich auch um eine ganze Generation von Minderjährigen, die sich in einem Disziplinierungsprozess befinden oder befunden haben, dem sie völlig hilflos ausgesetzt waren.

Für die 15- bis 24-Jährigen waren die Regeln schon im Jahr 2007 derart verschärft worden, dass ein Sachbearbeiter vom Jobcenter sie nicht nur in jedwede Ausbildung, sondern auch in jeden Ein-Euro-Job, jedes unbezahlte Praktikum und jede Leihfirma verpflichten kann. Leistet z.B. ein Schulabgänger dem nicht Folge, darf das Jobcenter ihm drei Monate lang den kompletten Regelsatz sperren. Wenn er nicht verhungern will, muss der Jugendliche dann um Essensgutscheine betteln.

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Aleppo – apropos Scham

Das Versagen“, so lautete der Leitkommentar der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zur Niederlage der „Rebellen“ in Aleppo am 17. Dezember.

Dass wir alle etwas sehen im 21. Jahrhundert“, erklärte die deutsche Bundeskanzlerin auf dem zurückliegenden Gipfel der „Europäischen Union“, „was zum Schämen ist, wo das Herz bricht, was zeigt, dass wir politisch nicht so handeln konnten, wie wir gerne handeln würden.“ (ebendort)

Ja! kann man dazu nur sagen! Ja! Es ist eine Schande, was dort in Aleppo, was heute noch in Syrien geschieht, was weiterhin dort zu geschehen droht. Aber worin besteht das Versagen? Und wer sind „wir“, die sich schämen müssten, weil sie nicht so handeln konnten wie sie wollten?

Ist es die, wie die ‚FAZ‘ weiter schreibt, „internationale Staatengemeinsaft, seit 1945 verkörpert durch die Vereinten Nationen und den Sicherheitsrat“, die sich „als nicht handlungsfähig erwiesen, also versagt hat – zumindest aus der Sicht derer, die für Syrien eine politische Lösung angestrebt hatten, und im UN-Sicherheitsrat nicht wie Russland eine Blockade durch Vetos praktizierten“, während „die ‚Sieger‘ aber auf eine militärische Lösung setzen, bei der die Zivilbevölkerung nicht verschont wird und den UN-Sicherheitsrat zur Farce degradieren.“? (ebendort,)

► Die Russen also wieder einmal?

Dazu passt, dass die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in einer Erklärung verlangten, „die Verantwortlichen für die Verstöße gegen das Völkerrecht, bei denen es sich ‚zum Teil möglicherweise um Kriegsverbrechen handelt‘ zur Rechenschaft zu ziehen.“ Die EU ziehe dazu alle verfügbaren Optionen in Betracht.

Zwar konnte man sich auf keine konkrete Option einigen, kam aber überein, Russland stattdessen „wegen der Übergriffe in der Ostukraine“ für ein weiteres halbes Jahr mit Sanktionen zu überziehen – ersatzweise sozusagen.

Bei all dem stellt sich die Frage: Wie schamlos kann man sich schämen? Auf diese Frage kann man nichts anderes als die blanken Tatsachen anführen:

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Die neoliberale Invasion

von Jens Wernicke (NDS) im Gespräch mit Sebastian Müller (le Bohémien)

indirekte_demokratie_demokratieversagen_staatsterror_meinungsfreiheit_pressefreiheit_kritisches_netzwerk_vasallenstaat_herrschaft_macht_souveraenitawt_democracy_ttip_ceta_volkeswille.pngWieso ist der Neoliberalismus seit fast 50 Jahren so wirkmächtig? Eine mögliche Antwort auf diese Frage hat Edward L. Bernays bereits vor fast einem Jahrhundert formuliert:

Die bewusste und zielgerichtete Manipulation der Verhaltensweisen und Einstellungen der Massen ist ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften. Organisationen, die im Verborgenen arbeiten, lenken die gesellschaftlichen Abläufe. Sie sind die eigentlichen Regierungen in unserem Land. Wir werden von Personen regiert, deren Namen wir noch nie gehört haben. Sie beeinflussen unsere Meinungen, unseren Geschmack, unsere Gedanken. Doch das ist nicht überraschend, dieser Zustand ist nur eine logische Folge der Struktur unserer Demokratie.

Lässt sich mit dieser Sicht aus der Perspektive der PR die Wirkweise des Neoliberalismus und seines Netzwerkes erklären? Welche Ziele hat der Neoliberalismus, wer unterstützt ihn und wie wurde die politische Landschaft geprägt?

Zu diesen Fragen sprach Jens Wernicke mit Sebastian Müller, Herausgeber des Mehrautorenblogs le Bohémien, der die neoliberale Invasion seit Langem kritisch begleitet und analytisch seziert.

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Jens Wernicke: Herr Müller, gerade erschien Ihr Buch „Der Anbruch des Neoliberalismus. Westdeutschlands wirtschaftspolitischer Wandel in den 1970er-Jahren“, mit dem Sie die Ursprünge einer inzwischen hegemonialen Gesellschaftsideologie beleuchten. Warum dieses Buch? Was ist Ihre Intention?

sebastian_mueller_der_anbruch_des_neoliberalismus_wirtschaftsliberalismus_kritisches_netzwerk_new_deal_neomarxismus_reagan_thatcher_keynesianismus_kapitalismus.jpgSebastian Müller: Die Idee zu diesem Buch entstand damals im Rahmen meiner Magisterarbeit. Dort setzte ich mich mit der Geschichte des Neoliberalismus, die mich seit den Agenda-Reformen durch Rot-Grün ohnehin schon immer interessierte, intensiv auseinander. Meine Motivation war es, zu verstehen, wie und warum es passieren konnte, dass eine sozialdemokratische Partei sich derart selbst verrät. Mich interessierten die Ursprünge des Ganzen.

Da ich mich insbesondere auf die Entwicklungen in der BRD der 1970er Jahre fokussierte, fiel mir auf, wie vergleichsweise wenig hierzulande die sogenannte neoliberale „Konterrevolution“, gemessen am angelsächsischen Raum, beleuchtet ist. Das ist aber relevant, um etwa die dogmatische Wirtschaftspolitik Deutschlands, gerade in Hinblick auf die Eurokrise, begreifen zu können.

Jens Wernicke: Was genau ist denn „der Neoliberalismus“? Stimmen Sie David Harvey zu, der etwa meint, es handele sich um eine Ideologie, die primär der Privilegien- und Profitsicherung der Reichen weltweit diene – und die alle andere als unwissend weltweit Opfer fordere? Sozusagen also um die ideologisch-moralische Blaupause zur Entfesselung eines ungehinderten Kapitalismus, dem Demokratie und Menschenrechte endlich immer weniger im Wege stehen?

Sebastian Müller: Die Frage, was Neoliberalismus ist, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Das hat mehrere Gründe. Erstens die Genese des Begriffs zu einem allgemeinen Kampfwort, zweitens die Heterogenität des Neoliberalismus selbst. Und drittens, dass auch er sich mit der Zeit „marktradikalisiert“ hat.

Der Politologe Jürgen Nordmann hat einmal treffend darauf hingewiesen, dass unklar ist, „ob es sich beim Neoliberalismus um Ideologie, einen Denkstil, eine Theorie, eine wirtschaftswissenschaftliche Schule, einen Regierungsstil oder um eine Gesellschaftsphilosophie handelt“ – wahrscheinlich alles in einem, so sein Schluss. Und er hat recht, denn heute ist der Neoliberalismus ein Projekt der radikalen Umwälzung der menschlichen Ordnung unter rein ökonomischen Kriterien, das sich zwangsläufig auf staatliche Maßnahmen stützen muss.

Dass das Phänomen „Neoliberalismus“ so schwer zu greifen ist, merkt man allein schon daran, dass die meisten heute schon gar nicht mehr wissen, dass sie selbst neoliberal denken. Viele Facetten des Neoliberalismus wirken auch für das ganz normale Bürgertum, selbst für Linke, attraktiv. Stichwort „Selbstverwirklichung“, Überwindung von Grenzen, Staatsskepsis, „alternative Lebensentwürfe“. Wobei das Letztere meist nur eine konsumistische Selbsttäuschung ist.

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Kacem El Ghazzali: "Islamophobie" - der Blasphemievorwurf der westlichen Linken

von Kacem El Ghazzali

kacem_el_ghazzali_atheismus_saekularisierung_saekularitaet_islam_islamismus_islamkritik_koran_dissident_schweiz_marokko_morocco_atheism_kritisches_netzwerk_qasem_el-ghazali.jpgEs ist völlig klar, dass der Islam Aufklärung benötigt. Doch die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, diesen Aufklärungsprozess in Gang zu setzen. Was also tun? Zuvorderst ist es wichtig, dass man sich auf einige Basisbanalitäten verständigt. Zum Beispiel darauf, dass nicht "islamophob" ist, wer den konservativen Alltagsislam im Allgemeinen und den Islamismus im Besonderen kritisiert.

Im Gegenteil: Kritik ist die Voraussetzung jeglicher Aufklärung im Islam.

Die Geschichte lehrt uns, dass die europäische Aufklärung nicht von heute auf morgen vonstatten ging. Es war nicht so, dass Europa eines schönen Tages aufgewacht ist und sich plötzlich anschickte, eine säkulare und pluralistische Gesellschaft zu formen. Um die neue Welt zu errichten, durchschritt Europa einen dialektischen Prozess der Aufklärung, der gekennzeichnet war von harten geschichtlichen Auseinandersetzungen.

Ein ähnlicher Prozess, wenn auch noch auf bescheidenerem Niveau, ist hier und da durchaus auch in der islamischen Welt zu beobachten. Unglücklicherweise sieht sich dieser Prozess jedoch hartnäckigstem Widerstand ausgesetzt. Nicht nur seitens fundamentalistischer Muslime, sondern auch seitens westlicher Intellektuellen, regressiver Linken und politische Rechten.

Es ist jedenfalls schon erstaunlich, dass ausgerechnet jene Liberalen aus dem Westen, die für sich das Erbe der Aufklärung in Anspruch nehmen, nicht selten davon sprechen, dass Islamisten und Djihadisten den Islam missbrauchen würden. Was macht sie so sicher, dass sie bar jeder Evidenz und Erfahrung unentwegt behaupten, die Fundamentalisten seien nicht islamisch und hätten nichts mit dem Islam zu tun? Missbrauchte etwa auch der Prophet Mohammed den Islam, als er, wie es im Koran und den Hadithen nachzulesen ist, religiöse Kriege gegen Nichtgläubige und Juden geführt oder Apostaten zum Abschuss freigegeben hatte?

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Weihnachtsgeld: Informationen und Tipps für Beschäftigte

von Laurenz Nurk, Dortmund

Ein Anspruch auf Weihnachtsgeld ist nicht gesetzlich geregelt. Er kann sich nur aus Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Arbeitsvertrag, betrieblicher Übung oder dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben.

Zum Jahresende tauchen hierzu häufig Fragen auf: Zum Beispiel ob ein Anspruch auf Weihnachtsgeld überhaupt besteht? Ob die Kürzung oder Streichung des Weihnachtsgeldes zulässig ist, wenn es in der Vergangenheit gezahlt wurde? Und ob die Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohns Auswirkungen auf das Weihnachtsgeld hat?

weihnachtsgeld_weihnachtsgratifikation_gratifikation_tarifvertrag_betriebliche_uebung_kritisches_netzwerk_tarifvertrag_treuepraemie_arbeitslohn_jahresgrundgehalt_lohnabrechnung_geld.jpg

Nachfolgend werden einige Grundsätze zum Weihnachtsgeld erläutert.

► Grundsätze zum Weihnachtsgeld

Der Tarifvertrag zählt.

Das in Tarifverträgen festgeschriebene Weihnachtsgeld darf nicht vom Arbeitgeber gekürzt werden. Zahlt der Arbeitgeber einem tarifgebundenen Beschäftigten weniger als tarifvertraglich vorgeschrieben, so verstößt er gegen den Tarifvertrag. Beschäftigte sollten hier über den Betriebsrat/Personalrat oder die Gewerkschaft den Sachverhalt klären. Erfolgt keine Zahlung, kann das Weihnachtsgeld gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich eingefordert und schließlich vor dem Arbeitsgericht geklagt werden. Auch ein gekündigter Tarifvertrag zum Weihnachtsgeld entbindet nicht von der Zahlung, sofern er nachwirkt.

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Journalist und Publizist Eckart Spoo gestorben

Der unbequeme Fragesteller wird bleiben

Der Journalist und Publizist Eckart Spoo ist am Donnerstag, dem 15. Dezember, in Berlin gestorben, vier Tage vor seinem 80. Geburtstag. Als Kind erlebte er Krieg und Faschismus in seiner Geburtsstadt Mönchengladbach und im Fluchtort Harz; dies hat sein ganzes Leben geprägt. Mehr als drei Jahrzehnte schrieb er als Korrespondent der Frankfurter Rundschau Zeitungsgeschichte. Er galt als unbequemer Fragesteller in Pressekonferenzen und deckte manchen Skandal auf. Von 1970 bis 1986 war er Vorsitzender der Deutschen Journalisten-Union (dju).

Pressefreiheit, auch die „innere Pressefreiheit“ in den Redaktionen und die damit erforderliche Abschaffung des Tendenzparagraphen waren Forderungen, die den Journalisten Spoo bis zu seinem Tode umtrieben. Die voranschreitende Monopolisierung der Zeitungsverlage und die damit einhergehende Vereinheitlichung und Verflachung der Zeitungslandschaft prangerte er an.

Spoo sah die Pressefreiheit vom Grundrecht für alle zum Privileg einiger weniger Pressekonzerne verkommen, deren Eigentümer ihre Aufgaben darin sehen, den Kapitalismus und die von ihm geschaffenen gesellschaftlichen Verhältnisse zu rühmen und vor Kritik zu schützen – auch durch Verschweigen von Tatsachen, Verleugnen von Wahrheiten – und aus diesem Missbrauch der Pressefreiheit möglichst viel Profit zu ziehen. Spoo hielt publizistische Monopole für verfassungswidrig.

In der Konsequenz gründete er 1997 zusammen mit weiteren Publizisten eine eigene Zeitschrift: Ossietzky. Die Zweiwochenschrift für Politik, Kultur und Wirtschaft steht in der antimilitaristischen und antifaschistischen Tradition der Weltbühne. Spoos Anspruch als langjähriger Ossietzky-Chefredakteur: jedes Heft voller Widerspruch gegen angstmachende und verdummende Propaganda, gegen Sprachregelungen, gegen das Plattmachen der öffentlichen Meinung durch die Medienkonzerne, gegen das vermeintliche Recht des Stärkeren und gegen die Gewöhnung an den Krieg. Zu diesen Themen veröffentlichte er auch eine Vielzahl aufklärerischer Bücher.

Verlag und Redaktion Ossietzky werden Spoos Vermächtnis fortführen.

Dr. Rolf Gössner
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1. Eckhart Spoo, Journalist, Publizist, außerdem Herausgeber und verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift Ossietzky. Foto: Christopher Dömges / Arbeiterfotografie > Arbeiterfotografie.com. Infos über die Arbeiterfotografie - weiter.

Keine Entschädigung für die Atomindustrie: Beschleunigter Atomausstieg ist angesagt!

von Franz Garnreiter c/o Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts über den Atomausstiegsbeschluss 2011

Beim Bau der AKWs in den 1960er bis 1980er Jahren waren diese auf eine Standzeit von 20 bis 25 Jahren ausgelegt. Man hielt damals die AKWs nach dieser Zeitspanne angesichts der extremen (und radioaktiven) Materialbelastung für abbruchreif. 2002 verhandelte die Schröder-Fischer-Regierung mit der Atomindustrie einen so genannten Atomausstieg. Darin wurde eine Laufzeit der Atomkraftwerke (AKWs) von 32 Jahren festgelegt. Diese Laufzeit von 32 Jahren ist aber etwas ganz anderes als die bis dahin diskutierte Standzeit (also die Zeitspanne zwischen Betriebsbeginn und Betriebsende). 32 Jahre Laufzeit bedeuten 32 Jahre mal 365 Tage mal 24 Stunden Volllastbetrieb, also eine garantierte Stromproduktion in Höhe von 32 Jahren ununterbrochener Dauer-Volllast. Die Produktionspausen durch Wartung, Reparaturen und Unfälle eingerechnet, bedeuten 32 Jahren Laufzeit eine Standzeit von 40 Jahren und mehr.

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Die spätere Merkel-Westerwelle-Regierung hat sich darauf festgelegt, diese beschränkte Laufzeit von AKWs erheblich zu verlängern. Dementsprechend wurde Ende 2010 eine Laufzeitverlängerung der AKWs um im Durchschnitt 12 Jahre beschlossen. Da die pro AKW garantierten Strommengen fast beliebig von einem AKW auf ein anderes übertragen werden dürfen, war damit zu rechnen, dass die letzten AKWs erst tief in den 2040er Jahren abgeschaltet werden. Die Forderung der Atomindustrie nach 60-jähriger Laufzeit wäre in weitem Umfang faktisch erfüllt.

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Donald Trump: Tojanisches Pferd der kommenden Finanz-Militärdiktatur

Von Ernst Wolff / Autor des Buches „Weltmacht IWF- Chronik eines Raubzugs“

Mit Forderungen wie “Dry the swamp!” (“Legt den Sumpf trocken!”) präsentierte sich Donald Trump im US-Wahlkampf als entschlossener Gegner des US-Establishments. Millionen am System zweifelnde Amerikaner glaubten ihm und setzten darauf, dass er als Präsident der korrupten Elite des Landes endlich die Stirn bieten werde.

donald_trump_orange_3_wall_street_45th_president_usa_presidential_election_republikaner_republican_party_republicans_federal_reserve_kritisches_netzwerk_america_first.jpgMittlerweile dürfte den Informierteren unter ihnen klar geworden sein, dass sie nicht nur einem Irrtum aufgesessen, sondern ganz bewusst hinters Licht geführt worden sind: Trump erweist sich seit seiner Wahl als trojanisches Pferd, das den Sumpf nicht etwa trockenlegen, sondern ihm ganz im Gegenteil zu noch größerer Macht verhelfen will.

Und nicht nur das: Wer im Wahlkampf glaubte, mit Hillary Clinton entscheide man sich für die Fortsetzung der US-Kriegspolitik, mit Trump dagegen für ihr Ende, der reibt sich spätestens seit zwei Wochen ungläubig die Augen: Das Kabinett des 45. US-Präsidenten gleicht mit seinen Ex-Generälen und Wirtschaftsbossen eher einer Mischung aus südamerikanischer Militärjunta und der Führungsetage eines Wirtschaftskonzerns als den Kabinetten früherer Präsidenten.

Ein solch offener Betrug am Wähler ist in den USA allerdings nichts Neues, und das hat seinen Grund: Spätestens seit dem Dezember 1913 wird die Richtung der US-Politik nämlich nicht vom Weißen Haus in Washington, sondern von der Wall Street und ihrer wichtigsten Organisation, der US-Zentralbank Federal Reserve, vorgegeben. Beide haben andere Vorstellungen von der Zukunft des Landes als der arbeitende Bürger.

► Hinter der US-Politik steht immer die Finanzindustrie

Mit der Gründung der Federal Reserve im Jahre 1913 sicherte sich ein Kartell von US-Banken und ihren ultravermögenden Besitzern die Kontrolle über die US-Währung, den Dollar. Sie verwirklichte damit den Traum des Begründers der Rothschild-Dynastie, Mayer Amschel Rothschild (1744 – 1812), der einmal gesagt hat: „Gib mir die Kontrolle über das Geld einer Nation und es interessiert mich nicht, wer dessen Gesetze macht.

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L'Italia ha scelto: Paolo Gentiloni neuer Regierungschef Italiens

von Marianne Arens / wsws.org

paolo_gentiloni_silveri_presidente_del_consiglio_dei_ministri_della_repubblica_italiana_regierungschef_premierminister_italien_partito_democratico_kritisches_netzwerk_renzi.jpgVier Tage nach dem Rücktritt des italienischen Regierungschefs Matteo Renzi hat Staatspräsident Sergio Mattarella am Sonntag den bisherigen Außenminister Paolo Gentiloni zu seinem Nachfolger ernannt.

Am Montagabend stellte Gentiloni dem Präsidenten den Vorschlag für seine Kabinettsliste vor. Am heutigen Dienstag werden die Namen bekannt gegeben und in den nächsten Tagen muss sich das neue Kabinett in beiden Parlamentskammern einer Vertrauensabstimmung stellen.

Gentiloni (62) gilt als Statthalter Renzis, der beim Verfassungsreferendum vom 4. Dezember eine empfindliche Niederlage erlitten hatte und daraufhin zurückgetreten war. Er ist ein enger Gefolgsmann des bisherigen Ministerpräsidenten und wird deshalb von der Opposition als dessen „Klon“ und „Avatar“ verhöhnt.

Der Spross eines alten italienischen Adelsgeschlechts war als Jugendlicher in linksradikalen Kreisen aktiv gewesen und hatte eine Schule besetzt. Dann schloss er sich der Umweltbewegung an, um schließlich in der christdemokratisch geprägten Partei La Margherita eine politische Karriere in der römischen Lokalpolitik zu beginnen. In der Partito Democratico (PD), in der Margherita 2007 aufging, gilt er als Theoretiker eines „Dritten Wegs“ nach dem Vorbild Tony Blairs.

In seiner ersten Erklärung am Sonntagnachmittag erklärte Gentiloni, seine Regierung werde sowohl ihrer Zusammensetzung wie auch ihrem Programm nach in die Fußstapfen der Regierung Renzi treten. „Nicht aus freien Stücken“, sagte er, „sondern aus Verantwortungsgefühl werden wir uns im Rahmen der scheidenden Regierung und ihrer Mehrheit bewegen.

Gentiloni stützt sich wie sein Vorgänger auf eine Koalition der "Demokratischen Partei" (PD) mit dem rechtskonservativen "Nuovo Centrodestra" (NCD), einer Abspaltung von Silvio Berlusconis Partei Forza Italia. Auch das Personal ist Medienberichten zufolge weitgehend dasselbe.

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Die Burka bringt´s: CDU biedert sich bei der AfD an

von Ulrich Gellermann, Berlin

Auf Rügen haben sie noch nie eine Burka gesehen. Im Allgäu haben sie aber schon davon gehört. In Berlin wird davon geraunt: Man kenne einen, der habe letzte Woche oder so mal eine Burka gesehen, nicht in der Glotze, sondern live, in echt. Aber die 1000 Delegierten des CDU-Parteitages jubelten Angela Merkel zu, als die ein Burka-Verbot forderte: Erlösung, endlich, vom unerträglichen Burka-Terror befreit! Jetzt kann die deutsche Leitkultur ihren Siegeszug antreten.

Eine Kultur, die jüngst von der sächsischen CDU und der bayerischen CSU sogar in einen Aufruf gegossen wurde: Für die „Ausgestaltung der Rolle Deutschlands in Europa und der Welt“. Ist das klar, ihr Ausländer?! Deutsche Rolle überall in der Welt!

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► Wem gehört die deutsche Kultur eigentlich?

Frag mal einen aus den Eliten (früher treffender "Fettaugen auf der Suppe" genannt), was die so über die Kultur der Kleingärtner, Kegelvereinsmeier oder KiK-Käufer denken. Die sind denen so fremd wie illegal eingewanderte Albaner und machen nicht mal so eine gute Straßenmusik. Schon Individual-Reisende fühlen sich dem Pauschalreisenden so fern, dass die nie und nimmer in einer Nation Platz haben. Was geht eigentlich leit-kulturell bei Hartz-Vierern ab? Wie, die haben die Elb-Philharmonie noch nicht von innen gesehen und werden das auch nie? Was soll man denn mit denen reden, wenn man zur Elite gehört?

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Was hat Terrorismus mit globaler sozialer Gerechtigkeit zu tun?

von Conrad Schuhler / Vors. des Instituts für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

Eduardo Galeano hat in seiner Schrift „Die offenen Adern Lateinamerikas“ vor fast 50 Jahren die Frage gestellt, was eigentlich die internationale Arbeitsteilung sei. „Die internationale Arbeitsteilung besteht darin“, gab er zur Antwort, „ dass einige Länder sich im Gewinnen und andere sich im Verlieren spezialisieren.“(Stephan Lessenich stellt es seinem aktuellen Buch „Und neben uns die Sintflut“ voran) Es ist der sogenannte Norden, die westlich-kapitalistische Welt, mittlerweile ergänzt durch Schwellenländer wie China, die sich auf das Gewinnen spezialisieren. Es sind die armen Länder des Südens, die die Spezialisten im Verlieren sind.

Das hat aber in beiden Fällen nichts mit angeborenen Vorzügen oder Nachteilen zu tun. Es hat zu tun mit Macht, mit militärischer Macht, mit Kriegen und mit ökonomischen Unterwerfungsverfahren, mit denen der Norden den Süden unterwirft. Es ist die Bundesregierung, die feststellt, Deutschland profitiert von dem globalen Gefüge, wie es heute besteht, am meisten, und es wird dieses Gefüge dort, wo geboten, mit allen Mitteln, wenn nötig auch mit militärischen aufrechterhalten.

Zum Gegenstück, zum Terrorismus, sagte Jürgen Todenhöfer, nach seinen zehn Tagen beim IS: „Terroristen verstehen ihre Anschläge als berechtigte Antwort auf die aggressiv ausbeuterische Politik der USA, die ihre Länder als amerikanische Tankstellen betrachten.

Darum soll es in den nächsten Minuten gehen:

  • Was ist überhaupt Terrorismus und haben wir es wirklich mit seinem Anschwellen zu tun?
  • Von wo, von welchen Ländern geht der Terrorismus aus?
  • Was sind seine Ursachen und welche Verantwortung für diese hat der Westen zu übernehmen?
  • Wie hängen Terror und das Fehlen globaler sozialer Gerechtigkeit miteinander zusammen?
  • Terror und Islam
  • Wie steht es mit der zweiten Generation der Migranten in Europa? Ein terror-affines Umfeld?
  • Wie hat die Linke den Terror einzuschätzen?
  • Ist der Terror tatsächlich eine berechtigte Antwort auf die aggressive Ausbeutung durch die Allianzen des Westens?

1. Das Anschwellen von Terror und Krieg

Tatsächlich nimmt der Terrorismus global rasch zu. Er wird definiert als „der angedrohte oder tatsächliche Gebrauch von illegaler Gewalt durch nicht-staatliche Akteure, um politische, wirtschaftliche, religiöse oder soziale Ziele durch Furcht, Zwang oder Einschüchterung zu erreichen“, (so die Definition im "Global Terrorism Index", siehe mehrere Jahrgänge als im Anhang zum Download!). Entscheidende Definitionsmerkmale sind: es sind nicht-staatliche Akteure, die illegale Gewalt ausüben. Wird solche Gewalt von staatlichen Stellen ausgeübt, gilt sie nicht als „Terror“, sondern als „Krieg“.

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Ist die Politische Ökonomie der Arbeitsmigration der 1970er noch aktuell?

von Laurenz Nurk, Dortmund

Als die Aktivisten, die Mitte der 1970er Jahre in der „Ausländerarbeit“ Bildungsangebote für die „Gastarbeiterkinder“ machten, das Buch von Marios Nikolinakos zur „Politische Ökonomie der Gastarbeiterfrage“ in die Hände bekamen, waren sie gezwungen ihre Arbeit zu überdenken, sich mehr an den Gewerkschaften auszurichten und in den neu gegründeten Arbeitskreisen zum Erfahrungsaustausch deutscher und ausländischer Gewerkschaftsmitglieder mitzuarbeiten.

marios_nikolinakos_politische_oekonomie_der_gastarbeiterfrage_migration_kapitalismus_arbeitsmigration_gastarbeiter_kritisches_netzwerk_gewerkschaften_zuwanderung_arbeitsmarkt_refugees.jpgDie Gewerkschaften waren damals noch geschockt von dem Streik bei Ford in Köln, bei dem vor allem die türkischen Beschäftigten dem Unternehmen, aber auch der IG Metall mächtig Druck machten und von dem raschen Ansteigen des Organisationsgrades bei den Arbeitsmigranten, der damals schon 27 Prozent betrug.

Eine Neuausrichtung bzw. Rückbesinnung würde auch derzeit den Gewerkschaften gut anstehen, da die Bundeskanzlerin und die Unternehmerverbände im Jahr 2015 für offene Grenzen warben und auch heute noch dabei sind, das Angebot an Arbeitskräften stetig zu vergrößern.

Nach wie vor ist das Verlangen der deutschen Unternehmen nach einem Überangebot an möglichst gut ausgebildeten Arbeitskräften vorhanden. Der alte Grundsatz gilt immer noch, dass, je höher das Arbeitskräfteangebot ist, desto größer wird die Konkurrenz unter den Anbietern der Arbeitskraft, desto niedriger ist der Lohn.

Hier bieten sich derzeit die geflüchteten Menschen an, deren Flucht auch durch die deutsche Politik der letzten Jahre erst mit verursacht wurde.

Da die Unternehmen schon immer die „Nebenkosten“ für die eingewanderten Arbeitskräfte wie Anlernen, Wohnen und Transferleistungen auf die Gesamtgesellschaft abwälzen konnten, sind auch die Lohnkosten für die zugezogenen Flüchtlinge niedriger. Um die Familienangehörigen kümmert sich die öffentliche Infrastruktur mit dem Wohnungs-, Verkehrs- und Bildungssektor, dem Gesundheitswesen und den Bereichen Kommunikation und Erholung.

Aber zurück zu Marios Nikolinakos.

Seine Ausführungen waren damals auch für viele Gewerkschafter neu und wurden eifrig diskutiert. Er stellte nicht die Frage, ob die Beschäftigung der Migranten einen Gewinn oder eine Belastung für die deutschen Wirtschaft bedeutet, sondern er fragte nach den Gründen für den Import der Arbeitskräfte. Er prognostizierte 4 Phasen der Zuwanderung von Arbeitskräften und sollte Recht behalten:

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Die Linke: Mit Spitzenduo auf Regierungskurs

von Johanes Stern / wsws.org

Die Linkspartei wird mit ihren beiden Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch als Spitzenkandidaten in den Bundestagswahlkampf 2017 ziehen. Dies habe der Parteivorstand mit nur einer Gegenstimme beschlossen, verkündeten die beiden Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger in einem gemeinsamen Pressestatement am Sonntag.

Zuvor hatte es Spannungen zwischen den unterschiedlichen Parteiströmungen über die Frage der Kandidatur gegeben. Kipping und Riexinger hatten wiederholt selbst ihren Führungsanspruch angemeldet, mussten sich nun aber den beiden Fraktionsvorsitzenden beugen. Immerhin werde man ein vierköpfiges „Spitzenteam“ mit Wagenknecht und Bartsch bilden, betonten sie. Die Leitung des Wahlkampfs übernehme Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn.

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Unter Bedingungen einer scharfen politischen und wirtschaftlichen Krise in Europa und wachsender Instabilität auch in Deutschland rückt die Partei damit weiter nach rechts. Mit dem Spitzenduo Sahra Wagenknecht / Dietmar Bartsch bereitet sich Die Linke auf eine mögliche Regierungsbeteiligung im Bund vor und versucht gleichzeitig, mit einer Mischung aus sozialer Demagogie und Wirtschaftsnationalismus einen oppositionellen Schein zu wahren.

Wagenknecht, das Aushängeschild der Partei und langjährige Mitglied der stalinistischen Kommunistischen Plattform, vertritt seit langem politische und theoretische Positionen, die jenen der AfD ähneln. Im vergangenen Jahr ist sie mehrfach mit flüchtlingsfeindlichen Parolen aufgefallen, für die sie vom AfD-Vize Alexander Gauland Beifall erhielt.

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Was Obama aus Afrika gemacht hat

von Emran Feroz / NDS

Zum Ende von Barack Obamas Amtszeit müssen viele verschiedene Bilanzen erstellt werden. Wie gewohnt, gibt es dabei meist keinen Fokus auf Afrika. Dabei hat der erste afroamerikanische US-Präsident die Eskalation auf dem afrikanischen Kontinent vorangetrieben wie kein anderer. Aus dem Schatten heraus hat der US-Imperialismus Afrika wieder voll im Griff.

Der Schattenkrieg des Weißen Hauses umfasst mittlerweile fast fünfzig afrikanische Staaten. Geografisch betrachtet erfasst dieses Kriegsgebiet, welches offiziell keines ist, die Größe der Vereinigten Staaten, Europas, Chinas und Indiens. Laut der US-Regierung befindet man sich in Afrika nicht im Krieg.

Ein Teil dieser Kriege wird zum Beispiel von US-amerikanischen Drohnen geführt. Abseits jeglicher Öffentlichkeit wurde der Drohnen-Krieg auf Afrika vor wenigen Wochen massiv ausgeweitet. In Tunesien wurden sowohl unbemannte Flugzeuge als auch amerikanisches Militärpersonal verlegt. Vorläufiges Ziel: Spionagemissionen in Libyen, jenem Land, welches seit der NATO-Intervention im Jahr 2001 als „failed state“ schlechthin gilt und mittlerweile von zahlreichen extremistischen Gruppierungen, unter anderem auch vom IS, heimgesucht wird. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass Libyen seit letztem August abermals vom US-Militär bombardiert wird. In der Region um die Küstenstadt Sirte fanden in den letzten vier Monaten über 400 Luftangriffe statt.  (The Intercept / New York Times).

Das Pentagon lässt offen, ob in naher Zukunft auch bewaffnete Drohnen in Libyen zum Einsatz kommen. Der Drohnen-Standort Tunesien ist hierbei lediglich als eine weitere strategische Erweiterung des Pentagons auf dem afrikanischen Kontinent zu betrachten. Weitere Drohnen-Basen lassen sich im Niger und in Dschibuti finden. Eine Basis in Äthiopien wurde Anfang 2016 geschlossen. (BBC).

Washingtons Rhetorik ist in diesem Kontext ein weiteres Mal bezeichnend. So heißt es etwa seitens der US-Regierung, Tunesien könne als „junge Demokratie“ eine wichtige Rolle im „Krieg gegen den Terror“ in der Region spielen. De facto ist allerdings die geografische Lage des Landes von Bedeutung. Alle anderen Drohnen-Basen in Afrika liegen für Operationen in Libyen zu weit entfernt. (Washington Post).

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Deutschland heizt das Wettrüsten in Europa an

von Fred Schmid c/o Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

bundesadler_bundeswehr_aufruestung_militarisierung_militaerausgaben_militarismus_abschreckung_kriegspropaganda_russophobie_nato_kritisches_netzwerk_wehrpflicht_weissbuch_russland.png75 Jahre nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion ist sie wieder da –  die „Gefahr aus dem Osten“. Die „Russen kommen“, trommeln Medien und politische Kalte Krieger. Man hört förmlich die Kosaken-Pferde wiehern. Vorerst reiten sie ihre Attacken noch im Cybernetz. Aber wie aggressiv „der Russe“ ist, zeigt sich schon daran, dass er seit der Wende seine Grenzen immer näher an NATO-Area herangerückt hat. Deshalb wird es  höchste Zeit, dass die „Regierungen Europas“ … „ihr Versprechen an die NATO umsetzen, künftig zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für das Militär auszugeben und damit in der NATO mehr Gewicht zu bekommen“, meint der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger (HB, 24.11.16). Europa müsse „sicherheitspolitisch erwachsen werden“.

Die deutsche Bundesregierung nimmt sich das zu Herzen und startet ein Aufwuchs-Beschleunigungsprogramm bei neuen Waffensystemen. Das Haushaltsjahr 2017 leitet  eine rüstungspolitische und militärische Wende zu einem waffenstarrenden Europa ein, in dem die Kriegsgefahr dramatisch zunehmen dürfte.

► 2% vom BIP für die Wehr-Macht = ein Rüstungsetat von über 70 Milliarden Euro.

Im Bundeswehr-Weißbuch, das die Bundesregierung im Juli 2016 beschloss (siehe im Anhang!), ist auffällig häufig von „äußerer und innerer Sicherheit“ die Rede, die „nicht  mehr trennscharf voneinander abzugrenzen“ seien. Im jetzt verabschiedeten Bundeshaushalt 2017 wachsen die „Sicherheits“-Etats Verteidigung um acht Prozent und Innere Sicherheit um 15 Prozentbei einer Steigerungsrate des Gesamt-Etats um 3,8 Prozent. Für den inneren Gewaltapparat werden insgesamt neun Milliarden Euro locker gemacht, für die Kriegsmaschinerie 37 Milliarden Euro. Es handelt sich bei den Militärausgaben um die größte prozentuale und absolute Erhöhung  seit der Wiedervereinigung: + 2,7 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahrzehnt wurde der Rüstungsetat insgesamt „nur“ um sechs Milliarden Euro erhöht – von 28,3 Mrd. Euro (2007) auf  34,3 Milliarden (2016), im Jahresdurchschnitt also um 0,6 Mrd. Euro.

Der Einzelplan 14 „Verteidigung“ ist mit großem Abstand der zweithöchste Posten im Bundeshaushalt 2017, größer als die Etats Bildungs-/Forschung und Gesundheit zusammen. Der Etat Arbeit und Soziales steht zwar mit 137,6 Milliarden Euro einsam an der Spitze, „zieht man allerdings die Bundeszuschüsse zur Rente ab, dann schrumpft dieser Posten auf 39,2 Milliarden Euro zusammen“, stellt Gesine Lötzsch (Linke) die Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag fest. Die Sozialausgaben sind damit kaum größer als die für Militär und Waffen.

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Personalreport Öffentlicher Dienst 2016

Weniger Beschäftigte – mehr Unsicherheit

von Laurenz Nurk

Mit dem jährlich erscheinenden Personalreport bietet der DGB einen Überblick über lang- und kurzfristige Personalentwicklungen im öffentlichen Dienst.

4,65 Millionen Menschen arbeiten im öffentlichen Dienst, das sind zwei Millionen weniger als noch 1991. Gleichzeitig haben geringfügige Beschäftigungen, Befristungen und Teilzeit zugenommen. Für die Beschäftigten heißt das: Unsicherheit und Arbeitsverdichtung nehmen zu. Das muss sich ändern, auch um die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu erhalten.

Wie hat sich die Beschäftigung im öffentlichen Dienst in den letzten Jahren entwickelt, wie ist die aktuelle Situation? Das untersucht der DGB einmal im Jahr auf der Grundlage von Zahlen des Statistischen Bundesamts. Jetzt ist der Personalreport 2016 erschienen.

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Ein Ergebnis: Flexibilisierte und atypische Beschäftigungsformen sind im öffentlichen Dienst weiterverbreitet als bislang angenommen, Arbeitsverdichtung und Unsicherheit der Beschäftigten nehmen zu.

Parallel dazu hat sich durch den Anstieg des Frauenanteils, das steigende Durchschnittsalter und die Zunahme von Teilzeitbeschäftigung und Zeitverträgen auch die Beschäftigungsstruktur erheblich verändert. Hinzu kommt, dass gut 7 Prozent der Arbeitnehmer/-innen geringfügig beschäftigt sind.

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Terror. Wo er herrührt. Wozu er missbraucht wird. Wie er zu überwinden ist.

von Rolf Gössner, Conrad Schuhler / isw-spezial 29

rolf_goessner_conrad_schuhler_terror_wo_er_herruehrt_kritisches_netzwerk_angstpolitik_sicherheitspolitik_terrorismus_schnoeggersburg_islam_kriegspolitik_sozialstaat_29_isw-spezial.jpg Die Frage des Terrors wird von zwei Autoren und von zwei Seiten angegangen. Rolf Gössner arbeitet in seinem Beitrag „Angst- statt Sicherheitspolitik“ heraus, dass die politischen Eliten dabei sind, eine staatliche Aufrüstung nach innen und außen zu betreiben, für die sie im „Terrorismus“ die passenden Feindbilder und Sündenböcke finden.

Seit 9/11, dem Angriff auf die Twin Towers in New York, sind dies „islamistische Extremisten“ und der „internationale Terrorismus“, was in der Medienöffentlichkeit schlicht mit dem „Islam“, mit Muslimen und Migration gleichgesetzt wird. Das Horrorbild dient als Legitimation für weitere Grundrechtseingriffe und Rüstungsmaßnahmen.

Für diese staatliche Aufrüstung zahlt unsere Gesellschaft einen hohen Preis: die westlichen Werte, die angeblich geschützt werden sollen – Demokratie, Rechtsstaat, Bürgerrechte, Freiheit, Offenheit, Rechtssicherheit – werden eben durch die „Schutzmaßnahmen“ aufs Schwerste beschädigt.

Statt dieser Aufrüstungs- und Kriegspolitik fordert der Autor eine wirklich effiziente Ursachenbekämpfung des Terrors. Es geht um die Schaffung einer friedlichen Welt und einer gerechten Weltwirtschaftsordnung. Um die Herstellung sozialer Gerechtigkeit, sozialer Sicherheit, fairer Integration, um humane Flüchtlingspolitik und konsequente Umwelt- und Friedenspolitik. Den Terror zu überwinden, verlangt mithin einen grundlegenden gesellschaftlichen Kurswechsel, der nicht anders durchzusetzen sein wird als im Kampf gegen diejenigen, die aus der aktuellen Situation von Ungerechtigkeit und Ungleichheit ihren hohen Profit ziehen.

Conrad Schuhler nimmt diese Verantwortlichen ins Visier in seinem Beitrag „Der Terror und die Verantwortung des Westens“. Die Quellen des Terrorismus – Kriege und soziales Elend – sind Ergebnis der vom Westen betriebenen Globalisierung, in die mittlerweile „Schwellenländer“ wie China einbezogen sind. In Europa findet der Terror in der zweiten Generation der Migranten, die in ihren neuen Ländern diskriminiert, arm und ohne Perspektive sind, Zuspruch.

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Italien: Matteo Renzi tritt nach Scheitern von Referendum zurück

von Alex Lantier und Mark Wells / wsws.org

matteo_renzi_referendum_no_partito_democratico_italien_italia_italicum_la_costituzione_verfassungsreform_kritisches_netzwerk_bankenkrise_massenarbeitslosigkeit.jpgDer italienische Ministerpräsident Matteo Renzi hat im Lauf der vergangenen Nacht seinen Rücktritt bekannt gegeben. Davor hatten die Wähler seiner Verfassungsreform im Referendum vom Sonntag, 4. Dezember, eine klare Absage erteilt. Die Reform sollte die Stellung des Ministerpräsidenten im Machtgefüge der Republik deutlich stärken.

Die Beteiligung an dem Referendum lag mit 68 Prozent höher als erwartet. 59 Prozent der Wähler sprachen sich gegen die Verfassungsreform aus und 41 Prozent dafür.

Eine halbe Stunde nach Mitternacht trat Renzi im nationalen Fernsehen vor die Bevölkerung und gestand seine tiefe Niederlage ein. „Ich trage die volle Verantwortung“ für das Scheitern des Referendums, sagte er in einer kurzen Ansprache, und fügte hinzu, noch heute werde er sich in den Quirinalspalast, den Amtssitz des Präsidenten, begeben, um dem Präsidenten der Republik, Sergio Mattarella, seinen Rücktritt anzubieten.

Die Abstimmung ist ein Ausdruck tiefer Opposition gegen die Regierung Matteo Renzis und der Demokratischen Partei (Partito Democratico - PD), wie auch gegen die Sparpolitik der Europäischen Union (EU), die seit dem Wall Street -Crash von 2008 gegen die italienische Bevölkerung durchgesetzt wird.

Die angestrebten Verfassungsänderungen waren eindeutig reaktionär. Eine Zustimmung zum Referendum hätte den Senat in eine ungewählte Institution verwandelt, die nicht mehr die Möglichkeit hat, den Ministerpräsidenten zu stürzen. Die Abgeordnetenkammer hätte allein den Ministerpräsidenten gewählt, der ohne effektive parlamentarische Opposition als autoritäre Instanz mit weitgehenden Vollmachten hätte regieren können.

Die Banken und die EU hatten das Referendum als letzte Chance gesehen, die italienische Bankenkrise im Rahmen der EU und des Euro zu lösen. Die italienischen Banken sind mit gigantischen faulen Krediten in Höhe von 360 Milliarden Euro belastet. Die italienische Wirtschaft und Industrie stecken in einer tiefen Krise und sind von Austeritätspolitik und Massenarbeitslosigkeit gezeichnet. Der so genannte „Bail-in“ der Banken, den die EU-Regeln vorschreiben, hatte zu heftigen Diskussionen geführt, weil damit die Verluste auch auf Kleinsparer abgewälzt werden, die ihr Geld in italienische Bankanleihen investiert haben. Ein Sieg im Referendum hätte den Weg für Renzi frei gemacht, die Arbeiterklasse rücksichtslos anzugreifen.

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Der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung

von Franz Garnreiter c/o Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

In der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 wurde beschlossen, den Klimawandel auf unter 2°C zu begrenzen und alle Anstrengungen darauf zu richten, nicht mehr als 1,5°C Erwärmung zu verursachen. Basis dafür sind die Klimaschutzzusagen der beteiligten Regierungen, die zusammen allerdings die Erwärmung erst bei etwa 3 °C stoppen. Es fehlt also noch sehr viel.

Die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks machte sich nach der Rückkehr aus Paris daran, in einem durchaus aufwendigen Prozess mit Bürgerbeteiligung, Diskussionen mit Interessengruppierungen und mit Wissenschaftlern die Klimaschutz-Absichtserklärung der EU für die Pariser Konferenz in ein nationales Programm zu konkretisieren – erst mal konzentriert auf das Zwischenziel 2030. Bis zu diesem Jahr sollen die Treibhausgas-Emissionen um 55 % gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 reduziert werden. Angesichts des ganz unzureichenden Standes heute (erst 27 % Reduzierung seit 1990) ist das ein anspruchsvolles Ziel, das eingriffsintensive Maßnahmen fordert.

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Zu Beginn im Frühjahr 2016 war der erste Entwurf wohl ein ganz brauchbares Papier. Dann kam die Abstimmung mit den anderen Ministerien, als erstes mit dem Wirtschaftsminister. Gabriel kassierte den ersten Entwurf – für seinen Geschmack enthielt er viel zu scharfe Anforderungen an Industrie und Energiewirtschaft. Ähnlich zerrupften andere beteiligte Ministerien (v.a. Verkehr und Landwirtschaft) diesen Plan. Die Bewertungen seitens der Regierungskollegen lauteten „Horrorkatalog“, „überhastete Vorschläge“, „grundsätzliche Vorbehalte“, „große Gefahr für Wirtschaft und Wohlstand“, „untragbar“. Erfolgreich bekämpft, also aus dem vorgelegten Papier raus gestrichen, wurden von den Klimaschutzgegnern alle Konkretisierungen:

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Kuba, Fidel Castro, Sozialismus

Hasta la victoria siempre!

von William Blum

In den meisten Kommentaren, die ich in den Massenmedien in Zusammenhang mit Fidel Castros Tod gelesen habe, steht dass er ein „Diktator” war – das war auch in nahezu jeder Überschrift zu finden. Seit der Revolution im Jahr 1959 haben die amerikanischen Massenmedien routinemäßig über Kuba als Diktatur berichtet. Aber was tut Kuba eigentlich oder was nicht, um eine Diktatur zu sein?

► Keine „freie Presse”?

Abgesehen von der Frage, wie frei die Medien des Westens sind (darüber habe ich in den vorhergehenden Artikeln geschrieben), falls das als Standard gelten soll, was würde passieren, wenn Kuba ankündigt, dass ab sofort jeder im Land jede Art von Medien betreiben könnte? Wie lange würde es dauern, bis CIA-Geld – geheimes und uneingeschränktes CIA-Geld, das alle Arten von Fronten in Kuba finanziert – alle Medien, die es wert wären, besitzen oder betreiben würde?

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► Sind es „freie Wahlen”, an denen es Kuba mangelt?

Sie halten dort regelmäßig Wahlen auf kommunaler, regionaler und landesweiter Ebene ab. Sie haben keine direkte Wahl des Präsidenten, aber eine solche haben auch Deutschland oder das Vereinigte Königreich und viele andere Länder nicht. Der kubanische Präsident wird vom Parlament gewählt, der landesweiten Versammlung der Volksmacht. Geld spielt bei Wahlen praktisch keine Rolle, auch politische Parteien spielen keine, die kommunistische Partei eingeschlossen, nachdem alle Kandidaten als Einzelpersonen laufen.

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Modernisierungsverlierer? Globalisierungsverlierer?

Die Politik verhöhnt ihre Opfer

von Jens Berger / NDS

think_global_globalisierung_globalisierungsverlierer_abgehaengte_ausbeutung_kapitalismus_massenmarkt_kritisches_netzwerk_freihandel_standort_deutschland_neoliberalismus.jpgAngela Merkel hat ihr Herz fürs Volk entdeckt. Die CDU müsse nun endlich auf Menschen zugehen, die „sich als Modernisierungsverlierer“ sehen und bei „Populisten von rechts und links ihre Zuflucht suchen“, so die Kanzlerin. Dabei tritt die Uckermärkerin zielsicher in Fußstapfen, die Andere hinterlassen haben. Seit dem Brexit ist es für die westlichen Eliten beispielsweise ausgemachte Sache, dass es vor allem „Globalisierungsverlierer“ sind, die nicht mehr die Vertreter der klassischen Politik wählen. Es ist schon zum verrückt werden. Da verfolgen die westlichen Eliten jahrzehntelang eine Politik der Ausgrenzung und Verarmung, die sich gegen weite Teile ihrer eigenen Bevölkerung richtet und nun verhöhnen sie ihre Opfer auch noch dadurch, dass sie sie zu „Verlierern“ erklären; was übrigens faktisch noch nicht einmal zutreffend ist.

► Was ist eigentlich ein Globalisierungsverlierer?

Die Globalisierung ist ja keine neue Entwicklung. Schon bei den Römerinnen waren blonde Echthaarperücken aus dem fernen Germanien der Renner und da bei uns kein Pfeffer wächst, bezogen unsere Vorfahren das Gewürz schon seit Ewigkeiten aus dem fernen Indien. Mit der Weiterentwicklung des Handels wurden später auch Fertigprodukte gehandelt, die theoretisch im Herkunfts- wie im Empfängerland hergestellt werden können.

Die Erkenntnisse der frühen volkswirtschaftlichen Außenhandelstheorien von Adam Smith und David Ricardo griffen streng genommen nur auf, was längst Usus war. Absolute und komparative Kostenvorteile führen dazu, dass beispielsweise Kohle in Frankreich und Kleidung in Irland produziert und in das jeweils andere Land exportiert wurden. Französische Weber und irische Kohlekumpel waren so gesehen die ersten Globalisierungsverlierer. Durch den technischen Fortschritt sollten sie nicht die einzigen bleiben. Heute werden Sie in Deutschland kaum noch Gerber und Köhler finden und auch Kleidung oder Schuhe werden hierzulande nicht mehr für den Massenmarkt produziert. Eine vollkommen normale Entwicklung, die vom Begriff „Globalisierung“ nur mythisch überhöht wird.

Wann immer die Politik die „Globalisierung“ ins Spiel bringt, geht es meist überhaupt nicht um die Globalisierung, sondern um hausgemachte Entscheidungen, die mit der Globalisierung gar nichts zu tun haben. Nehmen wir den Niedriglohnsektor als Beispiel. Worum es bei „Reformen“ wie der Agenda 2010 ging, hatte Gerhard Schröder ja 2005 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos sehr gut zusammengefasst:

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Kulturrassismus bzw. antimuslimischer Rassismus

Die große Begriffsverwirrung

von Michael Schmidt-Salomon

Der aus dem Iran geflüchteten Vorsitzendenden des „Zentralrats der Ex-Muslime“, Mina Ahadi, ist (mal wieder) von „linker“ Seite vorgeworfen worden, einen „antimuslimischen Rassismus“ zu verbreiten. Dagegen ließe sich einwenden, dass Mina Ahadi in erster Linie nicht gegen Muslime kämpft, sondern für Muslime, denn diese sind ja in besonderer Weise Opfer des politischen Islam.

Man könnte an dieser Stelle auch leicht aufzeigen, dass Mina als Vorsitzende des „Internationalen Komitees gegen die Todesstrafe“ weit mehr Muslimen das Leben gerettet hat als der Bundesvorstand der „Linksjugend“, der sich über Ahadis Islamkritik mokiert. Stattdessen aber soll hier der Fokus auf ein allgemeineres Thema gelenkt werden, nämlich die intellektuell unredliche Verwendung von Begriffen, die jede inhaltliche Substanz verlieren und somit nur noch als „Killerphrasen“ im „empörialistischen Überbietungswettbewerb“ taugen.

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Aus gegebenen Anlass veröffentlichen wir hier das Unterkapitel „Die große Begriffsverwirrung“ aus „Die Grenzen der Toleranz. Warum wir die offene Gesellschaft verteidigen müssen“, das sich mit dem völlig widersprüchlichen Begriff des „Kulturrassismus“ (bzw. des „antimuslimischen Rassismus“) auseinandersetzt.

* * *

Die große Begriffsverwirrung

Die Islamdebatte krankt seit Langem daran, dass die Vertreter unterschiedlicher Positionen alles tun, um die Gegenseite mit moralischen Killerphrasen außer Gefecht zu setzen. Schon seit Jahren tobt auf diesem Gebiet ein empörialistischer Überbietungswettbewerb, in dem es nicht mehr um den rationalen Austausch von Argumenten geht, sondern um die größtmögliche Diffamierung der „Anderen“.

Dies zeigt sich nicht zuletzt in der inflationären Verwendung diskreditierender Begriffe wie „antisemitisch“, „rassistisch“, „faschistisch“ oder „islamophob“. Selbstverständlich ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn Antisemitismus als Antisemitismus, Rassismus als Rassismus oder Faschismus als Faschismus bezeichnet wird. Gefährlich wird es aber, wenn der Bedeutungshorizont dieser Begriffe so weit ausgedehnt wird, dass sie ihre inhaltliche Substanz verlieren und derart entkernt bei jeder passenden wie unpassenden Gelegenheit zur Brandmarkung Andersdenkender verwendet werden können.

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UN-Klimakonferenzen: Von Paris nach Marrakesch

von Franz Garnreiter c/o Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

In Marrakesch in Marokko fand vom 7. bis 18. November 2016 die diesjährige UN-Klimakonferenz statt. Sie war die 22. Folgekonferenz nach dem sogenannten Erdgipfel 1992 in Rio de Janeiro. Diese Konferenzen bemühen sich, den beständigen und gefährlichen Prozess des menschengemachten[1] Klimawandels zu bekämpfen. Die bisherigen Ergebnisse sind aber äußerst unzureichend ausgefallen. Auf der letztjährigen Klimakonferenz in Paris wurden Beschlüsse gefasst, die als endlich gefundener Durchbruch gefeiert wurden.

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Die beiden wichtigsten Vereinbarungen waren:

Eine Verpflichtung, die Klimaerwärmung deutlich unter 2°C zu halten und alle Anstrengungen aufzubieten, um die Erwärmung schon bei 1,5°C zu stoppen. Dazu verpflichtete sich jedes Land in einer selbst aufgestellten To-do-Liste zu Klimaschutzaktionen.

Eine Verpflichtung der Industrieländer, den armen und vom Klimawandel bedrohten Ländern (die Länder in den Tropen und Subtropen werden im Durchschnitt weit mehr unter dem Klimawandel leiden als die reichen Industrieländer, die diesen hauptsächlich verursachen) einen Fonds für Emissionsreduzierungen und zur Anpassung an die Klimafolgen in Höhe von 100 Mrd. Dollar jährlich ab 2020 zur Verfügung zu stellen (ca. 0,2 % des BIP der reichen Länder). Dieses Versprechen wurde erstmalig auf der UN-Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen abgegeben und seither jährlich erneuert.

Das erste Problem an beiden Beschlüssen ist, dass es – bewusst und absichtlich so gewollt – keinerlei Sanktionen oder Strafen gibt, wenn ein Land seine Verpflichtungen nicht erfüllt. Das ist also ein ganz anderes Herangehen als bei den Handelsverträgen, wo Politik gegen die Konzerne mit extrem hohen Strafzahlungen geahndet werden kann. Hier wird an die Moral und die Ehre der Staaten appelliert. Insofern sind es keine Verpflichtungen, sondern unverbindliche Absichtserklärungen.

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Einige Gedanken zum Jahrestag des PKK-Verbots

von Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit

pkk_verbot_civaka_azad_arbeiterpartei_abdullah_oecalan_politische_autonomie_rojava_pyd_ypg_tuerkei_turkey_recep_tayyip_erdogan_sevim_dagdelen_hdp_kriminalisierung.jpg23 Jahre ist es her, seitdem das PKK-Verbot in Deutschland erlassen wurde. Das Verbot wurde 1993 erklärt, also in demselben Jahr, in welchem die PKK erstmals einen einseitigen Waffenstillstand im Konflikt mit der Türkei ausrief und ihr Vorsitzender erklärte, dass die kurdischen Frage in irgendeiner Form wohl auch innerhalb der Grenzen des türkischen Staates zu lösen sei. Ebenfalls im Mai desselben Jahres gingen in der Stadt Bonn rund 100.000 Menschen  auf die Straßen, um ein Ende des schmutzigen Kriegs in Kurdistan und eine friedliche Lösung einzufordern. In solch eine Zeit fällt der Erlass des PKK-Verbots durch den damaligen deutschen Innenminister Manfred Kanther.

Die Folgen des Verbots sind bis in unsere Gegenwart verheerend. Denn die Repressionen und Kriminalisierung durch den deutschen Staat sind für die zweitgrößte Migrantengruppe in Deutschland, den Kurdinnen und Kurden, seitdem zu einem festen Bestandteil ihres Lebens geworden.

Jugendliche werden vom Verfassungsschutz unter Druck gesetzt und/oder als Spitzel angeworben; Diskussionsveranstaltungen an Universitäten oder anderen Räumen des öffentlichen Lebens werden verboten; auf Demonstrationen werden Fahnen, selbst von Vereinen, die nach deutschem Vereinsrecht ordnungsgemäß eingetragen sind, ebenso verboten wie das Rufen bestimmter Parolen; manchmal werden Demonstrationen gar ganz untersagt; Mitgliedern kurdischer Vereine wird die Einbürgerung aufgrund ihres Engagements verweigert, anderen wird der Aufenthaltstitel aberkannt; kurdischen Aktivistinnen und  Aktivisten wird nach §129b StGB der Prozess gemacht, manche von ihnen werden für Jahre hinter Gittern gesteckt…

Die Liste ließe sich vermutlich noch um einiges erweitern.

Das PKK-Verbot war in erster Linie eine außenpolitische Entscheidung der deutschen Bundesregierung. Es hatte damals genauso wenig eine Berechtigung wie heute. Und auch wenn sich in den letzten Jahren im Mittleren Osten so vieles, und mit ihr auch die PKK, gewandelt hat, hält die Bundesregierung stur am Verbot der PKK fest. Doch was sich derzeit wandelt, ist die öffentliche Stimmung. War es in den vergangenen Jahren der Kampf gegen den sog. Islamischen Staat, der die öffentliche Aufmerksamkeit auf die PKK lenkte, so ist es gegenwärtig insbesondere ihre Rolle als oppositionelle Kraft gegen das despotische Regime des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan.

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China treibt VW zur E-Mobilität

von Fred Schmid c/o Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

Eines ist klar: Es gibt kein Entrinnen mehr. Peking packt VW, Daimler & Co. am Schlafittchen und schreibt so Industriegeschichte“, stellt Frank Sieren, einer der führenden China-Spezialisten im Handelsblatt (7.11.16) fest. Der Grund für seine seine Prognose: Ende Oktober stellte das Pekinger Ministerium für Industrie- und Informationstechnologie einen Gesetzentwurf ins Netz, der eine feste Elektroquote bei der Neuzulassung von PKWs vorsieht (vgl. SZ, 19.11.16). Acht Prozent bereits für das Jahr 2018, 12 Prozent 2020, dann jährlich steigend um jeweils zwei Prozentpunkte. Bei der europäischen Autoindustrie herrschte das blanke Entsetzen, als deutlich wurde, die Chinesen machen Ernst mit der E-Mobilität. Vor allem mit dem frühen Einsatz der Elektroquote hatte niemand gerechnet.

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Die chinesischen Pläne zur schrittweisen Umstellung der Autoindustrie vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb dürften den so genannten „Zukunftspakt“, wie er jetzt vom VW-Vorstand – Konzernvorstand Matthias Müller und Markenvorstand Herbert Diess und Betriebsratschef Bernd Osterloh vorgestellt wurde, entscheidend mit voran getrieben haben. Denn für VW geht es um nicht weniger als um den größten Absatzmarkt des Konzens.

Während die USA für den Absatz der Stamm-Marke nur noch eine geringe Rolle spielt, setzt VW in China jedes zweite Auto ab; beim Gesamtkonzern sind es 40 Prozent des Absatzes. Fünfzig Prozent des Gewinns wird in China eingefahren. Da steht für den führenden europäischen Autobauer einiges auf dem Spiel. Denn bislang hat dieser die Entwicklung des Elektroautos schlicht verschnarcht. Unter den drei größeren E-Autoherstellern der Welt ist kein europäischer. Weltmarktführer ist inzwischen ein chinesischer mit dem visionären Namen "Build Your Dreams" (BYD Auto Company Limited) [1]; es folgen Nissan und Tesla Motors (USA).

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Präsidentenkür: politisches Leben ist voller Überraschungen

Als würde die Erde rückwärts drehen

von Wolfgang Blaschka, München

frank-walter_steinmeier_hartz_iv_agenda_2010_bundespraesident_spd_sozialabbau_sozialdemokratie_schloss_bellevue_bnd_kritisches_netzwerk_murat_kurnaz_putin_russland_minsk.jpgIst das jetzt noch postdemokratisch oder schon präfaschistisch? Allenthalben regen sich Rückschritt, Rassismus und Repression. Donald Trump ist es geworden, zumindest präfaktisch, solange die Nachzählung der Wählerstimmen in drei Bundesstaaten nichts anderes ergeben sollte. Marine Le Pen (F) steht bereit. Norbert Hofer (A) will's wissen. Und Frank-Walter Steinmeier ist faktisch gesetzt.

Ausgerechnet Steinmeier, die bitterste Beruhigungspille seit es Sedativa gibt, das Schlafmittel für tiefste Bewusstlosigkeit. Längst vergessen hat er wohl selbst schon, dass er entscheidend mitverantwortlich war für Schröders "Agenda 2010": Jene Arbeitsmarkt-Liberalisierung, die der deutschen Exportwirtschaft dazu verhalf, ihre dominierende Stellung in Europa zu zementieren und noch auszubauen, und dafür der deutschen Sozialdemokratie den Boden unter den Füßen wegzog, indem sie den Sozialstaat im Fundament erschütterte.

Nicht zuletzt mit der Hartz-Gesetzgebung, die viele Menschen zur Verzweiflung und in die Armut treibt, weil sie dem Verelendungs-Karussell kaum noch entkommen, wenn sie erst einmal in den Abwärtsstrudel aus Offenbarungszwang, Sanktionen und Zwangs-Jobvermittlung geraten sind. Sie können weder Rücklagen bilden noch den marginalen Arbeitsverhältnissen entfliehen, sofern sie nicht ein Riesenglück haben.

 Doch selbst ein solches nützt wenig, um aus dem Gefängnis herauszukommen, wenn Steinmeier seine Finger im Spiel hat. Davon kann der muslimische Bundesbürger Murat Kurnaz aus Bremen ein Lied singen: Erst hatte er das Pech, der CIA als terrorverdächtig zu gelten und nach Guantanamo verschleppt zu werden. Dann widerfuhr ihm das Glück als unschuldig und "ungefährlich" erkannt worden zu sein. Die USA boten seine Entlassung an und alsbaldige Repatriierung.

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KAPOVAZ und das Märchen vom deutschen Jobwunder

von Laurenz Nurk, Dortmund

Als der DGB Ende September 2016 die Ergebnisse seiner Untersuchung über die Arbeit auf Abruf vorstellte, wunderten sich alle Beteiligten über das Ausmaß, die dieser Beschäftigungsbereich mittlerweile bei uns erreicht hat. Bis zu 1,9 Millionen Menschen arbeiten in solchen Arbeitsverhältnissen. Sie sind zwar festangestellt, aber den Beschäftigten reicht ihr Entgelt nicht aus.

abrufarbeit_zeitarbeit_stress_arbeitsmarktpolitik_arbeit_auf_abruf_flexible_arbeitszeit_kapovaz_niedriglohnsektor_prekarisierung_teilzeitarbeit_kritisches_netzwerk_ausbeutung_lohndumping.pngSie haben einen Arbeitsvertrag mit flexiblen Einsatzzeiten. Der Arbeitgeber sichert den Beschäftigten nur eine Mindeststundenzahl zu. Gleichzeitig müssen sie sich jedoch dafür bereithalten, jederzeit mehr zu arbeiten.

Diese aus den USA übernommene Form der Teilzeitarbeit wird KAPOVAZ (Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit) genannt und wurde bisher vor allem im Einzelhandel angewandt. Die offiziell niedrigeren Arbeitslosenzahlen wurden dadurch erkauft, dass die Arbeitsmarktpolitik einen Graubereich im Niedriglohnsektor offenlässt, in dem Menschen auf Arbeitsplätzen zweiter und dritter Klasse arbeiten. So kann man auf sie auch komplett das betriebswirtschaftliche Risiko abwälzen.

Von einer Gegenwehr hat man bislang erstaunlich wenig gehört.

KAPOVAZ ist eine Sonderform der Teilzeitarbeit, die aber nicht an ein bestimmtes Arbeitszeitmodell geknüpft ist. Am Beispiel dieser Sonderform von Arbeit kann die existenzielle Gefährdung in der Arbeits- und Lebenssituation der Beschäftigten deutlich gemacht werden, die kurzfristige Arbeitseinteilungen oder Abrufarbeit auslösen können.

Gegenüber der klassischen Variante der Teilzeitarbeit wird hier dem Unternehmen mehr Flexibilität verschafft und gegenüber der klassischen Variante der Teilzeitarbeit werden Beschäftigten mehr und mehr an den Rand des Existenzminimums drängt und können sich wegen der Arbeitszeit keinen Zusatzjob suchen.

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Vor dem italienischen Referendum

von Marianne Arens / wsws.org

In einer Woche wird in Italien über die Verfassungsreform von Regierungschef Matteo Renzi abgestimmt. Die Reform sieht vor, das parlamentarische Zweikammersystem abzuschaffen, indem der Senat entmachtet und deutlich verkleinert wird. Die Entscheidungsprozesse im Abgeordnetenhaus sollen einfacher und schneller ablaufen. Hinzu kommt das bereits im vergangenen Jahr verabschiedete neue Wahlrecht „Italicum“, das der stärksten Partei einen massiven Regierungsbonus garantiert und dem Ministerpräsidenten eine wesentlich größere Macht verschafft.

Die Verfassungsreform gilt als Kernstück des Reformprogramms des 41-jährigen Renzi, der im Februar 2014 nach einem internen Putsch in der Demokratischen Partei (PD) die Regierung übernahm und sich bisher nie einer Wahl stellte. Die Ausschaltung des Senats, in dem auch zahlreiche kleinere Parteien vertreten sind, in Verbindung mit dem „Italicum“, das der stärksten Partei automatisch eine absolute Mehrheit der Mandate im Abgeordnetenhaus garantiert, soll Renzi besser in die Lage versetzen, seine neoliberalen Reformen gegen heftige gesellschaftliche Widerstände durchzusetzen.

Die Reform ist offensichtlich ein Schritt in Richtung autoritärer Herrschaft. „Eine so schwerwiegende Reform“, urteilt der britisch-italienische Historiker Paul Ginsborg, „die noch dazu mit dem ‚Italicum‘ einhergeht, verrät die klare Absicht, die politische Macht in Richtung einer Präsidenten-Republik zu verengen, und könnte einen starken Mann an die Macht bringen. Schon dieses Element allein weckt in mir Zweifel an der Reform.

Um dem Referendum Nachdruck zu verleihen, hatte es Renzi mit seinem persönlichen politischen Schicksal verbunden und wiederholt mit seinem Rücktritt gedroht, falls es scheitern sollte. Zwischenzeitlich hat er sich zwar wieder von dieser Drohung distanziert, doch das Referendum hat eine eigene Dynamik entwickelt und sich in eine Abstimmung über Renzis Politik verwandelt.

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Christoph Butterwegge - Bundespräsidentenkandidat mit Vergangenheit

von Beate Iseltwald

rudolf_bahro_die_alternative_zur_kritik_des_real_existierenden_sozialismus_kritisches_netzwerk_dissident_staatssozialismus_ddr_lohnarbeit_staatsmaschine_sed_sozialismuskritik.jpgDie Linkspartei hat Christoph Butterwegge als Bundespräsident aufgestellt. Es mag sein, dass er in Bezug auf soziale Armut vernünftige Positionen vertritt. Seine Vergangenheit ist es jedoch mit Sicherheit nicht, die ihn politisch attraktiv macht.

Zu den kontraproduktivsten linken Organisationen vor 1989 gehörte die DKP. Während andere Linke damit konfrontiert waren, in der Bevölkerung dafür zu argumentieren, dass Sozialismus nicht gleich DDR sei, bestand die Hauptbotschaft der DKP in genau dieser Gleichsetzung. Wenn es die DKP nicht gegeben hätte, die westdeutsche Bourgeoisie hätte einen solch nützlichen Idioten erfinden müssen.

Die größten Antikommunisten, so sagte damals Heinrich Böll, saßen in den Regierungen von Moskau und Ost-Berlin. Die DKP und ihre fellow-traveller haben die Verdrehung und Mystifikation kultiviert, die Kritik an der SED als „Antikommunismus“ zu verbellen. Die DKPler begrüßten dann bspw. die Verurteilung von Rudolf Bahro zu acht Jahren Gefängnis. Es handele sich um einen Akt legitimer Verteidigung des „sozialistischen Gemeinwesens“.

Wer in den 1970er und 1980er Jahren schon politisch aktiv war, kann sich daran erinnern, wie Christoph Butterwegge sich als treuer Bündnispartner der DKP betätigte. Anhänger der DKP verfuhren damals zweigleisig. Manche traten offen als Parteianhänger auf, manche als „wahre Sozialdemokraten“, die ihr Leiden daran ausstellten, dass die SPD sie nicht in ihren Reihen haben wollte. Diese „wahren Sozialdemokraten“ waren dadurch definiert, dass sie sich am Bündnis mit der DKP und an der Affirmation der DDR orientierten. Zum Dauerbündnispartner der DKP an den Unis ab der Mitte der 1970er Jahre gehörte der SHB („Sozialistischer Hochschulbund“) .

Mechthild Jansen und Christoph Butterwegge haben die Position des SHB („Sozialistischer Hochschulbund“) und eines Teils der Stamokap-Jusos wie folge ausgedrückt:

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Digitale Selbstüberwachung.

Self-Tracking im kybernetischen Kapitalismus

simon_schaupp_digitale_selbstueberwachung_im_kybernetischen_kapitalismus_kritisches_netzwerk_graswurzelrevolution_ueberwachung_zeitmanagement_disziplin_self-tracking.jpgSelf-Tracking und das Quantified-Self-Movement sind zu einem schnell wachsenden Trend geworden. Immer mehr Menschen überwachen mittels tragbarer digitaler Geräte minutiös ihren Lebenswandel, von der Arbeit bis zum Schlaf, vom Sport bis zum Sex - und das freiwillig.

Simon Schaupps Studie Digitale Selbstüberwachung geht diesem Trend kritisch auf den Grund. Er stellt dabei die Self-Tracker_innen nicht als obsessive Nerds dar, sondern fragt nach den gesellschaftlichen Ursachen für diese Praxis: Welche politischen und ökonomischen Strukturen machen es notwendig, sich permanent selbst zu überwachen und zu optimieren?

Um diese Frage zu beantworten, verfolgt Schaupp die Selbstoptimierung auf der Grundlage von Feedbackschleifen zu ihren historischen Wurzeln in der kybernetischen Steuerungstheorie zurück und skizziert eine Theorie des kybernetischen Kapitalismus. Dabei wird deutlich, dass die Allgegenwart miniaturisierter vernetzter Computer unsere Gesellschaft grundlegend verändert. Nicht nur verschmelzen Kommunikation und Warenproduktion immer mehr zu ein- und demselben Prozess, sondern es bildet sich auch eine neue Form sozialer Kontrolle heraus, die wesentlich auf permanenten (digitalen) Feedbacks gründet.

Das Self-Tracking wird hier als Ausdruck der Entwicklung hin zu einem kybernetischen Kapitalismus analysiert, die verstehen sollte, wer die Funktionsweise von Herrschaft in hoch technisierten Gesellschaften durchschauen will.

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Agenda der Solidarität für eine inklusive Gesellschaft

Beweggründe für meine Bewerbung um das Bundespräsidentenamt

von Prof. Dr. Christoph Butterwegge

christoph_butterwegge_buergergesellschaft_inklusion_sozialmoral_soziale_ungleichheit_neoliberalismus_kritisches_netzwerk_sozialstaat_rechtsentwicklung_umverteilung_solidaritaet_alg_ii.jpgMit meiner Kandidatur möchte ich die Öffentlichkeit für soziale Probleme sensibilisieren, denn obwohl die Gesellschaft immer stärker auseinanderfällt, nimmt das Establishment diesen Polarisierungsprozess nicht oder falsch wahr. Außerdem möchte ich der weiteren Zerstörung des Wohlfahrtsstaates durch neoliberale Reformen entgegentreten – gerade wird die Privatisierung der Autobahnen und damit ein neuerlicher Höhepunkt der Ökonomisierung und Kommerzialisierung aller Lebensbereiche vorbereitet – sowie jenen Teilen der Bevölkerung eine politische Stimme geben, die immer stärker ausgegrenzt werden.

Seit geraumer Zeit zerfällt unsere Gesellschaft stärker in Arm und Reich, weil die soziale Ungleichheit hinsichtlich der Einkommen und Vermögen enorm zugenommen hat. Während das reichste Geschwisterpaar der Bundesrepublik, Stefan Quandt und Susanne Klatten, im Frühsommer 2016 für das Vorjahr eine Rekorddividende in Höhe von 994,7 Millionen Euro nur aus ihren BMW-Aktien bezog, lebten fast zwei Millionen Kinder und Jugendliche in landläufig als „Hartz-IV-Familien“ bezeichneten SGB-II-Bedarfsgemeinschaften und mussten je nach Alter mit 237, 270 bzw. 306 Euro im Monat (plus Miet- und Heizkosten) auskommen. Mehrere hunderttausend alleinerziehende Mütter im Arbeitslosengeld-II-Bezug sind froh, wenn sie am 20. des Monats noch etwas Warmes auf den Tisch bringen.

Trotzdem vernimmt man im Kampf gegen die Armut von den etablierten Parteien und deren Spitzenpolitikern hauptsächlich Lippenbekenntnisse. Obwohl das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes den Bund zur Armutsbekämpfung verpflichtet, hat keine Regierung die Armut bisher als Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt erkannt und ihr konsequent entgegengewirkt. So beschloss die Große Koalition vor Kurzem, den Hartz-IV-Regelbedarf der Kinder unter 6 Jahren im nächsten Jahr nicht zu erhöhen.

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Die aktuellen deutsch-türkischen Beziehungen

„Wir erleben eine neue Stufe der unterwürfigen Politik“

Emran Feroz im Gespräch mit der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen

Besonders für Akademiker, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten ist in diesen Tagen das Leben in der Türkei schwierig. Regelmäßig kommt es zu Festnahmen und anderweitigen Repressalien. Zum gleichen Zeitpunkt herrscht im Südosten des Landes Krieg. Doch gleichzeitig gilt die türkische Regierung als treuer Partner Berlins und der Europäischen Union. Die LINKE-Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen hat ein Buch über die aktuellen deutsch-türkischen Beziehungen geschrieben. Sehr scharf kritisiert sie darin vor allem die Haltung der Bundesregierung gegenüber dem türkischen Präsidenten Erdoğan. Emran Feroz hat mit Dağdelen darüber gesprochen.

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Emran Feroz: Der EU-Flüchtlingsdeal mit der Türkei besteht nun schon seit längerem. Man hört allerdings nicht mehr viel davon, obwohl die Zahlen eine eindeutige Sprache sprechen. Wir wissen nämlich mittlerweile, dass die Zuwanderung von Geflüchteten nach Europa in den letzten Monaten stark abgenommen hat. Wie würden Sie diesen Deal zusammenfassen?

Sevim Dagdelen: Der EU-Türkei-Deal ist ein schmutziger Deal, der von Schutz suchenden Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, getragen wird. Diese Kriege wurden unter anderem auch vom Westen mitverursacht. Es stimmt, dass die Flüchtlingszahlen reduziert worden sind. Das heißt aber nicht, dass es weniger Flüchtlinge gibt. Sie sind immer noch da. Man hat die Flüchtlinge nur dazu gezwungen, die Routen zu ändern. Das Ziel des Deals mit der Türkei war vor allem die Schließung der Balkanroute.

Der Deal missachtet alle völkerrechtlichen Konventionen in Sachen Menschenrechtsschutz. Das hat unter anderem zur Folge, dass die Türkei sehr repressiv gegenüber Schutz suchenden Menschen auftritt. Es kam zum Beispiel immer wieder zu Erschießungen von Flüchtlingen an der türkisch-syrischen Grenze. Währenddessen werden schutzsuchende Menschen innerhalb der Türkei willkürlich inhaftiert. Der Deal hat auch die Folge, dass die deutsche Bundesregierung sich erpressbar gemacht hat, weil sie in der Flüchtlingspolitik alles auf diese Karte setzt.

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Merkels Pakt mit dem Terror. Der Fall Erdoğan: Ein Buch über die deutsche Demokratie

von Ulrich Gellermann, Berlin

Buchtitel: "Der Fall Erdoğan - Wie uns Merkel an einen Autokraten verkauft"

Buchautor: Sevim Dağdelen / Verlag: Westend

Immer noch leisten deutsche Soldaten Dienst auf dem NATO-Luftwaffenstützpunkt Incirlik in der Türkei. Immer noch starten deutsche Tornado-Jets von dort aus zu „Aufklärungsflügen“ in den Himmel über Syrien und den Irak. Aufgeklärt werden die Zielkoordinaten in einem völkerrechtswidrigen Krieg. Von einem Flughafen aus, der im Machtbereich des türkischen Despoten Erdoğan liegt. Eines guten Freundes der deutschen Kanzlerin: Recep Tayyip Erdoğan, der Präsident der Türkei, der an einer Restauration der osmanischen Türkei arbeitet. Der sein Herrschaftsgebiet auf Syrien ausdehnen will. Der auch in den Irak marschiert, dort vermeintlich einen Kampf gegen den Terror führt, und der durch ein konsequentes Wegsehen seiner NATO-Partner gedeckt wird. Über diesen Mann schreibt Sevim Dağdelen, die Frau aus Duisburg mit den kurdischen Wurzeln. Die Bundestagsabgeordnete, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Über den „Fall Erdoğan“, über dessen Gelüste in der Türkei, über dessen Projekte in Deutschland, und über sein NATO-Geflecht.

Ganz zu Beginn ihres Buches zitiert die Autorin ein Bonmot: Es sähe so aus, erzählte ihr ein Freund aus Zypern, als ginge es der deutschen Kanzlerin nicht um einen Beitritt der Türkei zur EU, sondern um einen Beitritt der EU zur Türkei. Es treibt sie um, die Abgeordnete des deutschen Bundestages: Das deutsch-türkische Verhältnis. „Ein Verhältnis,“ ist bei ihr zu lesen, „das von einer zunehmenden Unterwürfigkeit insbesondere der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihres Außenministers Frank-Walter Steinmeier gegenüber einer autokratisch regierten Türkei im Allgemeinen und ihrem Präsidenten Erdoğan im Besonderen geprägt ist.

Und sie zitiert den türkischen Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk zur aktuellen Türkei: „Die Gedankenfreiheit existiert nicht mehr. Wir bewegen uns mit großer Geschwindigkeit von einem Rechtsstaat zu einem Terrorregime.“ Und während Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und Norbert Röttgen (CDU) in den Medien sonst gern und schnell zur Verteidigung der Menschenrechte aufrufen, ist es um die Türkei seltsam still. Es ist eine Grabesstille, in der leise ein türkischer Trauermarsch erklingt, und deren verwehte Glocken von einer Beerdigung deutscher Demokratie künden.

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Der Fluch des Reichtums: Warlords, Konzerne, Schmuggler und die Plünderung Afrikas.

Jens Wernicke (NDS) mit Tom Burgis, Buchautor u. Auslandsreporter für die Financial Times

tom_burgis_der_fluch_des_reichtums_warlords_konzerne_schmuggler_pluenderung_afrikas_michael_schiffmann_kritisches_netzwerk_afrika_kapitalismus_freibeuter_korruption_rohstoffvorkommen.jpgIn mancher Hinsicht ist Afrika der wohl reichste Kontinent der Welt: Ein Drittel der weltweiten Rohstoffvorkommen liegt hier unter der Erdoberfläche. Für die Mehrheit der Bevölkerung bedeutet dieser Reichtum allerdings weit mehr Fluch als Segen. Denn ein kriminelles Netzwerk aus zwielichtigen Händlern, internationalen Großkonzernen und kapitalistischen Freibeutern hat sich den Zugang zu den Ressourcen gesichert und greift die Gewinne systematisch ab.

Eine Art Neokolonialismus hat sich entwickelt, der dafür sorgt, dass sich vor Ort kaum etwas zum Besseren entwickeln kann, dass die Eliten korrupt sind und bleiben und die allgemeine Bevölkerung wie seit Jahrhunderten bereits konsequent unterdrückt und in Elend gehalten wird. Zur Situation vor Ort sprach Jens Wernicke mit Auslandsreporter Tom Burgis, dessen aktuelles Buch das Zusammenspiel von Warlords, Konzernen, Schmugglern und der Plünderung Afrikas thematisiert.

Jens Wernicke: Herr Burgis, gerade erschien Ihr neues Buch „Der Fluch des Reichtums“. Was dürfen wir uns unter diesem „Fluch“ vorstellen? Werben Sie um Empathie mit den elendigen Reichen, die ja oft an Liebeskummer, Depressionen und anderem laborieren?

Tom Burgis: Ich stelle zwar nicht in Frage, dass Depressionen und andere Beschwerden zwischen Arm und Reich nicht unterscheiden, will mit meinem Buch jedoch nicht für Mitleid mit den Reichen werben.

Tatsächlich ist der Fluch etwas, was Nationen widerfährt. Nehmen Sie zum Beispiel das Öl. Jedes Land in Afrika mit einer nennenswerten Erdölproduktion – ebenso wie weltweit fast alle Länder – ist beherrscht von Gewalt, wird schlecht regiert und ist, ausgenommen von einer winzigen, ultrareichen Führungselite, bitterarm. Das ist kein Zufall.

Ein Übermaß an Öl oder anderen wertvollen Mineralien, wie etwa Gold oder Diamanten, ist die Grundzutat für Korruption und Kleptokratie. Es bewirkt, dass das nationale Einkommen in einen einzigen Topf fließt, der von einer kleinen Gruppe kontrolliert wird.

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Angela Merkel for ever. Die Zukunft, die aus der Vergangenheit kommt

von Ulrich Gellermann, Berlin

raute_merkelxit_rautenverbot_angela_merkel_mutti_chancellor_bundeskanzlerin_kanzlerin_bundestagswahl_bundesgebiet_kritisches_netzwerk_verbotsschild_cdu_fluechtlingskrise.pngEs ist eine Frau! Das war das wirklich Neue, damals, als im November 2005 die Kanzlerin Angela Merkel ausgerufen wurde. Ganz sicher ist gegen Ende der dritten Wahlperiode dieser Frau, dass Frauen genauso abgefeimt, machtgeil und brutal sein können wie Männer. Nun steuert die Frau ihre nächste Kanzlerschaft an. Bald kann sie so lange im Amt sein wie ihre Pate, Helmut Kohl. Und ihm wurde sie im Verlauf der Jahre auch immer ähnlicher: Eine brillante Taktikerin hinter der Maske volkstümlicher Einfalt. Ich bin eigentlich wie Ihr, scheinen ihre einfach gehäkelten Sätze dem Volk zuzurufen. Und wie bei Kohl der Pfälzer Saumagen die Tarnung perfekt machte, so ist es bei Merkel die Pommersche Kartoffelsuppe.

Geheimnisse sollen sie umweben, behauptet das Internet und auch der bürgerliche Betrieb munkelt manchmal dies oder jenes vor sich hin. Doch die Merkel hat kein Geheimnis, sie war und ist nur die ideale Fassade für die Geldverdiener hinter der Politik. Sie wollte das Stück Macht, das im Amt zu haben ist. Sie bekam es und sie will es behalten.

Doch wer sich selbst ernsthaft für alternativlos hält, der muss einen Antrieb haben, der aus seltener Selbstüberzeugtheit kommt. Der muss irgendwann der Haut einer ziemlich normalen Mitarbeiterin der „Akademie der Wissenschaften der DDR“ (AdW) entwachsen sein, um zu jener einfältig lächelnden Maschine zu werden, die heute den Völkern der Europäischen Union ein Schrecken ist und der Mehrheit der deutschen Wähler ein schädliches Schlafmittel.

Es gibt nur einen Moment in Merkels Leben, der ihre Wandlung von einer angepassten DDR-Bürgerin zu einer anpassenden Machthaberin erklären kann. Er findet sich in der außerordentlichen Situation der DDR des Jahres 1989. Eine Lage in der die da oben nicht mehr konnten und die da unten nicht mehr wollten.

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Donald Trump – was kommt auf die Welt zu?

von Conrad Schuhler / Vors. des Instituts für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

► Trumps Sieg – welche Zeitenwende?

Der Wahlsieg von Donald Trump hat die Demokraten in den USA und die in Europa erschüttert. Das Mindeste, was angesagt wird, ist, eine Zeitenwende habe stattgefunden. Es handele sich um eine „amerikanische Tragödie“, heißt es im „New Yorker“. Auf diese Weise, kommentiert der Chefredakteur, „könnte der Faschismus beginnen“. Paul Krugman, Nobelpreisträger für Wirtschaft und einer meistgelesenen liberalen Kommentatoren, spricht von dem Amerika, das er so geliebt habe, das Demokratie und Rechtsstaat geschätzt habe. Von dieser romantischen Version Amerikas, sagt Krugman, müsse man sich jetzt verabschieden.

donald_trump_seal_45th_president_usa_presidential_election_republikaner_republican_party_republicans_kritisches_netzwerk_washington_establisment_wall_street_make_america_great.pngIn Deutschland ist die Reaktion von links bis sozialdemokratisch und „linksliberal“ genauso erbittert. Die ZEIT, ein Zentralorgan des Neoliberalismus, stellt fest, mit der Wahl Trumps sei das amerikanische Jahrhundert beendet. Amerika, den guten, großen Bruder, den demokratischen Aufpasser gebe es nun nicht mehr.

Und gleich die neoliberale Quintessenz: Mit der Wahl Trumps, mit dem politischen Ausrasten der größten und mächtigsten Demokratie der Welt, bleibe vorderhand nur noch eine große Macht, die auf dieser Erde Demokratie und Vernunft verkörpern kann. Diese Macht heiße Europa. Vor allem auch militärisch müsse die Lücke, die Trumps Amerika nun reißen würde, von Europa und vor allem von Deutschland gefüllt werden.

Gabor Steingart, der Herausgeber des Handelsblatts, schreibt in seinem Morning Briefing:

Der Gewinner der Wahl in Amerika ist die weltweite Rüstungsindustrie. Alle EU-Staaten, auch Deutschland, wollen ihr Verteidigungsbudget deutlich erhöhen und enger zusammenarbeiten. Sie nennen es „Verantwortung übernehmen“. Wir stürmen ihre Bergdörfer, sie unsere Musikhallen. Wir zünden Raketen, sie ziehen am Gürtel.

Die Aktienmärkte haben ihren Kommentar auf ihre Weise abgegeben. Die Kurse an den Börsen der größten kapitalistischen Länder sind angezogen. Betrachten wir die Formel von der großen Zeitenwende näher. An dem Bild der ZEIT vom guten, großen Bruder Amerika, der bislang über die Demokratie global gewacht habe, stimmt nichts. Die USA und die NATO sind seit langem die treibende Kraft hinter den militärischen, völkerrechtswidrigen Überfällen auf Länder von Kuba bis Syrien. Sollte Trump jetzt noch mehr die Kriegskarte spielen, wäre das nichts Neues.

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Krawattenverbot: Fragen zu seiner Sozialadäquanz u. zur neueren Rechtsprechung

Auszüge aus einem Gutachten des wissenschaftl. Dienstes des Deutschen Bundestages, nur für den Dienstgebrauch

Verstößt nun das Krawattenverbot gegen Grundrechte, etwa das Recht der freien Meinungsäußerung, der Religionsfreiheit oder gar die Menschenwürde?

I.

Art. 4 GG garantiert die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses. Dies scheint zunächst auch die Krawatte unter die Grundrechtegarantie zu stellen, so dass ein Verbot verfassungswidrig wäre, wie es die Rechtsprechung anhand der geltenden Grundrechtsdogmatik auch immer wieder behauptet hat.

"Jemand, der sich an Konventionen hält, würde niemals jemandem auf den Schlips treten: Er bindet einen Four-in-Hand-Knoten oder einen Einfachen Windsor. Eine voluminöse Krawatte mit passendem Doppeltem Windsor verrät dagegen einen Träger mit großer Strahlkraft. Er nimmt sich Zeit für sein Styling und bleibt trotz einer Tendenz zur Egozentrik auf dem Boden." [1] lautet etwa eine beliebte Argumentation, die darstellen will, dass Krawatten sozialverträglich sind.

Aber greift diese Argumentation nicht zu kurz?

Stark verharmlosend erscheint auch eine Aussage wie: "Braune Krawatten vermitteln etwas Bodenständiges und Zurückgewandtes. Meist hat man einen älteren Herrn vor sich, ..." [2]

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Zweifellos handelt es sich beim Tragen von Krawatten um eine Meinungsäußerung. Dies gilt selbst dann, wenn auf explizite Motive verzichtet wird. Die rein schwarze Krawatte wird als Ausdruck von Trauer oder jedenfalls sehr ernster Stimmungen begriffen. Das Tragen einer Che Guevara Krawatte oder einer Krawatte mit Micky Mouse-Motiv stellt auch dann eine Meinungsäußerung dar, wenn dem Träger oder der Trägerin im Einzelfall am Inhalt nichts gelegen ist und nur ästhetische Überlegungen eine Rolle gespielt haben, diese Krawatte zu tragen. Ein unvoreingenommener Betrachter wird sich stets fragen, was der/die Krawattenträger damit mitteilen wollen.

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Die Berufsunfähigkeitsrente der gesetzlichen Rentenversicherung ist weg – das ist Verfassungsbruch !

von Laurenz Nurk, Dortmund

Von den Nichtbetroffenen kaum bemerkt, ist im Rahmen der damaligen rot-grünen sozialen Kahlschlagpolitik schon seit 16 Jahren die Berufsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung verschwunden und das, obwohl jeder Vierte im Laufe seines Arbeitslebens berufsunfähig wird.

Die Berufsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wurde zum 31.12.2000 abgeschafft und durch die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (Erwerbsminderungsrente) ersetzt.

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Laut Verbraucherzentrale NRW konnten im vergangen Jahr 40 Prozent aller Ratsuchenden keine vernünftige Berufsunfähigkeitsversicherung auf dem Versicherungsmarkt finden. Betroffen sind nicht die Menschen in Risikoberufen, sondern es geht hier um die einfache Krankenschwester oder den Mechatroniker.

Versicherungswissenschaftler behaupten, dass die damalige Regierung beim Zerfleddern der gesetzlichen Rente Verfassungsbruch begangen hat, denn das Sozialstaatsprinzip, das in Artikel 20 des Grundgesetzes verankert ist, wurde verletzt. Außerdem hat der Staat als Rechtstaat auch seine – ebenfalls aus Artikel 20 resultierende – Gewährleistungsverantwortung verletzt.

In einem Sozialstaat, sowie er bei uns auch noch benannt wird, gilt der Grundsatz, dass der Staat für eine hinreichende Grundversorgung im Bereich der Kranken-, Renten-, Berufsunfall- und Pflegeversicherung zu sorgen hat. Ein Teil der gesetzlichen Rentenversicherung war, das Risiko berufsunfähig zu werden, abzusichern. Die Berufsunfähigkeit ist genau genommen eine langanhaltende, dauerhafte Erkrankung eines Menschen, durch die er seinen Beruf nicht oder zu einem erheblichen Teil nicht ausüben kann.

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Wählerbetrug in den USA: Donald Trump letzter gewählter Präsident?

Von Ernst Wolff / Autor des Buches „Weltmacht IWF- Chronik eines Raubzugs“

Donald Trump hat sich im US-Wahlkampf als Vorkämpfer für die Interessen des kleinen Mannes ausgegeben. Er hat versprochen, ins Ausland verlegte Arbeitsplätze zurückzuholen, Millionen gut bezahlte neue Arbeitsplätze zu schaffen und den Lebensstandard sowohl der Mittelschicht, als auch der Arbeiterschaft kräftig anzuheben. Er ist sich als "Feind des korrupten Establishments" aufgetreten und hat angekündigt, "den Sumpf in Washington" trockenzulegen.

Schon in der Wahlnacht dürften seine Anhänger sich verwundert die Augen gerieben haben. Nach monatelangen Forderungen, Hillary Clinton ins Gefängnis zu werfen, zollte er ihr in seiner Siegesrede "den höchsten Respekt" und lobte sie in blumigen Worten.

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Es war nicht die erste Überraschung, die Trumps Wähler hinnehmen mussten. Drei Tage zuvor hatte er bereits angedeutet, Steven T. Mnuchin zu seinem Finanzminister machen zu wollen. Steven Mnuchin ist ein ehemaliger Goldman-Sachs-Banker und ein Intimus eines der berüchtigtsten Spekulanten der Welt, des Milliardärs George Soros. Soros war in Trump-Wahlvideos als Beispiel für die unersättliche Raffgier der Ultrareichen gezeigt worden.

Inzwischen ist auch bekannt, wer zu Trumps "Übergangsteam" gehört, das gegenwärtig dabei ist, viertausend hochkarätigen Jobs in Washington zu besetzen: Es sind u.a. Lobbyisten der Großkonzerne Koch Industries, (Charles und David Koch), Walt Disney, Aetna, Verizon Communications und eben Goldman Sachs. Sie haben ihr Hauptquartier in einer der größten Anwalts- und Lobbykanzleien Washingtons aufgeschlagen, mitten im Herzen des angeblich zu bekämpfenden Sumpfs.

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Die Rentengehirnwäsche

Jens Wernicke (NDS) mit dem Versicherungsexperte und Fachautor Holger Balodis

Die gewollte Demontage der gesetzlichen Rentenversicherung und die damit verbundenen Kampagnen sind seit jeher eines der Kernthemen der NachDenkSeiten. In wohl kaum einen anderen Bereich gibt es in der öffentlichen Debatten so viele Lobbyisten, die sich „Rentenexperten“ nennen und am Ende des Tages doch nur die Einflussarbeit für die Finanzwirtschaft erledigen, die an der privaten Altersvorsorge fürstlich verdient. Eine rühmliche Ausnahme stellt da der Versicherungsexperte Holger Balodis[1] dar, mit dem Jens Wernicke für die NachDenkSeiten gesprochen hat.

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Jens Wernicke: Herr Balodis, in Zeiten, in denen eine immer größere Verarmung und Verelendung breiter Bevölkerungsteile zu beobachten sind, betätigen sich viele Medien als Sprachrohr der Oberen und vernebeln den Bürgern den Verstand. So hat etwa die Debatte über Armut immer skurrilere Züge angenommen, seitdem man nicht mehr über sozioökonomische Ausgrenzung spricht, sondern von „gefühlter Armut“ – so, als litten die Armen an einer Art „kollektivem Wahn“, den es nur zu therapieren gelte. Und auch die Debatte zur steigenden Altersarmut verläuft immer fragwürdiger. Etwa, indem man uns beizubringen versucht, Altersarmut sei nur „ein Mythos“ und jeder könne ja ohnehin „länger arbeiten“. Wie bewerten Sie die aktuellen Entwicklungen? In welcher Situation befinden wir uns?

Holger Balodis: Wir stecken in der Renten- und Armutsdebatte mittendrin in einem Kampf um Worte. Altersarmut, die bereits jetzt ein riesiges Problem darstellt und nachweisbar weiterwächst, wird neuerdings schlicht wegdefiniert. Und was es demnach nicht gibt, muss man ja auch nicht bekämpfen. Damit wurde und wird massiv Einfluss genommen auf die Rentenpolitik der Bundesregierung.

Jens Wernicke: Wer genau übt hier welchen Einfluss aus?

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#Volkswagen leugnet Abgasbetrug in Europa. Auch #AUDI lügt und betrügt.

von Dietmar Henning / wsws.org

Der im September letzten Jahres publik gewordene Abgasbetrug und die daraus folgenden Milliardenabschreibungen für Strafen und Entschädigungen haben den Volkswagen-Konzern bereits in seinen Grundfesten erschüttert. Doch die fortdauernde, abgehobene und arrogante Reaktion der Verantwortlichen auf den Skandal treibt den Konzern mit seinen weltweit über 600.000 Beschäftigten immer tiefer in den Abgrund.

Als VW-Konzernchef Matthias Müller Anfang des Jahres in den USA in einem Interview behauptete, man sei sich keiner Schuld bewusst und die kriminelle Abgasmanipulation sei ein kleines „technisches Problem“, galt das als Katastrophe in der „Außen-Kommunikation“. Inzwischen hat VW in den USA zugegeben, nicht nur „geschummelt“, sondern mithilfe der Abschaltautomatik für die Abgasreinigung staatliche Behörden und Kunden betrogen zu haben.

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Vor einem Bezirksgericht in Detroit hat sich ein Volkswagen-Ingenieur vor zwei Monaten schuldig bekannt, aktiv an der Abgasmanipulation beteiligt gewesen zu sein. Der 62-Jährige habe zugegeben, bis Mai 2008 am Konzernsitz in Wolfsburg „Teil einer fast zehn Jahre andauernden Verschwörung gewesen zu sein“, schreibt der NDR.

Die Arbeit an der speziellen Betrugs-Software für den US-Markt begann laut Aussagen des Ingenieurs ungefähr im Jahr 2006 in der Entwicklungsabteilung für Dieselmotoren. Er sei „einer von vielen, die bei Volkswagen“ in den Abgas-Betrug verwickelt seien, sagte der Anwalt des Angeklagten.

In den USA zahlt VW mindestens 15 Milliarden Euro an Strafen und Entschädigungen, bei knapp einer halben Million betroffenen Autos. Weltweit sind nach bisherigem Stand 11 Millionen Autos mit der Betrugs-Software verkauft worden, davon rund 8 Millionen in Europa.

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Waldai 2016: Putins Notruf – und kaum einer hört hin.

Betrachtungen im Schatten des US-Wahlkampfes

Waldai 2016: Unüberhörbar deutlich, und doch im Westen unter dem Getöse des amerikanischen Wahlkampfes nahezu ungehört, schickte der russische Präsident Wladimir Putin als Hauptredner der dreizehnten Waldai-Konferenz vom Ende Oktober, die inzwischen als östliches Gegenstück zur Münchner Sicherheitskonferenz gesehen werden muss, einen Notruf in die Welt: Nichts habe sich seit der letzten Konferenz zum Besseren gewendet, so leitete er seine Rede ein, tatsächlich, wäre es ehrlicher zu sagen, nichts habe sich geändert.

Noch „ehrlicher“ wäre es, in Fortsetzung des Putinschen Komparativs festzustellen, dass genau dieses „nichts“, so paradox es klingen mag, das ist, was die Lage verändert hat – und zwar zum Schlechteren hin.

Ein kurzer Rückblick auf die Reden, die Putin bei den Konferenzen 2014 und 2015 hielt, mag das verdeutlichen und damit den Ton der Rede von 2016 verständlicher werden lassen.

► Vom Angebot zur Mahnung

valdai_international_discussion_club_2016_1_sochi_vladimir_wladimir_putin_kritisches_netzwerk_waldai_club_shaping_the_world_of_tomorrow_kai_ehlers_notruf_kremlin_sotschi.jpgDie Rede vom elften Treffen 2014 stand unter der Frage „Weltordnung: Neue Regeln oder ein Spiel ohne Regeln?“. Die Rede enthielt, bei aller unüberhörbaren Kritik an der Einkreisungspolitik des Westens, die alle Reden Putins seit seinem Auftritt auf der Münchner „Sicherheitskonferenz“ [sic!] transportieren, ein klares Angebot.

Angeboten wurde von Putin die aktive Beteiligung Russlands an der Stabilisierung der internationalen Ordnung durch gezielte gegenseitige Achtung und Stärkung der Souveränität aller Nationen auf Basis des für alle gleichermaßen geltenden Völkerrechtes im Rahmen ihrer Kooperation in der UNO. In dieses Angebot war die Wahrung der eigenen russischen Interessen ausdrücklich mit eingeschlossen:

Russland hat seine Wahl getroffen“, erklärte Putin damals in voller Zuwendung zu Russlands „Partnern“, wie er seine westlichen Gegenüber nannte,

„unsere Prioritäten bestehen in einer weiteren Vervollkommnung der demokratischen Institutionen und einer offenen Wirtschaft, in einer beschleunigten inneren Entwicklung unter Berücksichtigung aller positiven derzeitigen Tendenzen der Welt und der Konsolidierung der Gesellschaft auf Grundlage traditioneller Werte und des Patriotismus.

Auf unserer Tagesordnung steht die Integration, diese Tagesordnung ist positiv und friedlich, wir arbeiten aktiv mit unseren Kollegen in der Eurasischen Wirtschaftsunion, der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, der BRICS und anderen Partnern zusammen. Diese Tagesordnung zielt auf die Entwicklung von Beziehungen der Staaten untereinander und nicht auf Absonderung.

Wir haben nicht vor, irgendwelche Blöcke zusammenzuzimmern oder uns in einen Schlagabtausch ziehen zu lassen. Jeder Grundlage entbehren auch Behauptungen, Russland sei bestrebt, irgendein Imperium wieder zu errichten oder verletze die Souveränität seiner Nachbarstaaten. Russland verlangt nicht nach irgendeinem besonderen, außerordentlichen Platz in der Welt, das möchte ich betonen. Indem wir die Interessen der anderen achten, möchten wir einfach, dass man auch unsere Interessen berücksichtigt und unsere Positionen achtet.“[1

In einer Rede die er am 29. September 2015 vor der UN-Vollversammlungzum, dem 70. Jahrestag der Organisation, hielt, bekräftigte Putin übrigens dieses Angebot noch einmal: „Russland glaubt an das riesige Potential der UNO, das uns helfen sollte, eine globale Konfrontation zu vermeiden und zur Strategie der Kooperation überzugehen. Zusammen mit anderen Staaten werden wir konsequent auf die Stärkung der zentralen und koordinierenden Rolle der UNO hinarbeiten.

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US-Präsident Donald Trump – wir sind Zeugen einer Zeitenwende

von Jens Berger / NDS

Es war eine Wahl zwischen Pest und Cholera und die Pest hat knapp gewonnen. Der Sieg Donald Trumps ist jedoch nicht überraschend und seine Wähler sind nicht nur durchgeknallte Rednecks. Es ging bei dieser Wahl auch nicht um „links“ oder „rechts“. Trump hat es vielmehr geschafft, sich selbst als Kandidaten zu inszenieren, der einen Feldzug gegen das Politik-Establishment führt. In einem Land, in dem die etablierte Politik abgewirtschaftet hat, nur noch 9% der Bevölkerung hinter dem gewählten Kongress stehen und auf Seiten der Demokraten mit Hillary Clinton die Personifizierung des politischen Establishments zur Wahl stand, hatte Trump am Ende die besseren Karten.

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Sicherlich werden wir in den nächsten Tagen unzählige hämische, hochnäsige und moralinsaure Kommentare aus unseren Medien und der deutschen Politik hören. Dabei sollten wir aber lieber innehalten. Nach dem Brexit ist der Sieg Trumps nun bereits der zweite Wendepunkt der jüngeren Geschichte. Und auch Deutschland befindet sich mitten im Transformationsprozess.

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Freie Berufswahl oder marktkonforme Berufsberatung für Jugendliche

von Laurenz Nurk, Dortmund

Wer bis 1997 als junger Mensch einen Termin bei der Berufsberatung hatte, konnte davon ausgehen, dass er dort eine vernünftige, seinen Eigenschaften, Neigungen, Interessen und persönlichen Situation entsprechende Beratung erhielt. Die Belange einzelner Wirtschaftszweige und ihrer Berufe waren zweitrangig. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen haben sich dann aber deutlich verändert. Als 1998 das Sozialgesetzbuch III (SGB III) in Kraft trat, sollte die Berufsberatung die Erteilung von Auskunft und Rat zur Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Berufe umfassen.

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Seit dem Inkrafttreten des Job-AQTIV-Gesetzes [das Kürzel AQTIV steht dabei für das Leitmotiv "Aktivieren, Qualifizieren, Trainieren, Investieren, Vermitteln"] zu Beginn des Jahres 2002 musste mit den jungen Ratsuchenden sogar eine schriftliche Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen werden, in der das Eingliederungsziel und konkrete Eigenbemühungen mit Nachweisen festgehalten werden. Wenn dann eine Einigung über die Ziele nicht möglich ist, sind „erforderliche Eigenbemühungen durch Verwaltungsakt“ festzusetzen. Das ist schockierend für die jungen Menschen, die eigentlich nur etwas Unterstützung bei der Berufswahl erwarten und nicht der Wucht einer Behörde ausgesetzt sein möchten.

Die Berufsberatung für Jugendliche hat sich von einer an den individuellen Bedürfnissen ausgerichteten Vermittlungshilfe zu einem marktorientierten Steuerungsinstrument entwickelt. Der Staat übt über die Berufsberatung einen erheblichen Anpassungsdruck auf die jungen Menschen aus. Dem neuen Konzept liegt ein Menschenbild zugrunde, das Jugendliche maßlos überschätzt. Sie werden als jemand verstanden, der nach rein rationalen Kriterien seinen individuellen Vorteil aus einer Vielzahl diverser Möglichkeiten wählen kann, Entscheidungen treffen muss, die für mehrere Perioden seines Lebens gelten werden und den staatlichen Interessen dienen muss, ob er selbst für sich sorgen oder von staatlichen Transferleistungen abhängig sein wird. Die Wünsche, Hoffnungen, Träume, aber auch Ängste und Zukunftsbangen des 16. bis 21.-jährigen Menschen werden gar nicht mehr berücksichtigt und seine konkrete Lebenssituation wird völlig ausgeblendet.

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#Brexit: Urteil des High Court über den EU-Austritt

Großbritannien stürzt noch tiefer in die Krise

von Julie Hyland / wsws.org

Das Urteil des Londoner High Court vom Mittwoch, 2. Nov., dass nur das Parlament das Recht hat, den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) zu veranlassen, hat eine schwere verfassungsrechtliche und politische Krise ausgelöst.

Das Urteil spricht Premierministerin Theresa May das Recht ab, ohne Abstimmung des Parlaments und nur unter Berufung auf das königliche Vorrecht mit dem Austritt aus der EU zu beginnen. Die Regierung wird gegen das Urteil Berufung einlegen. Das königliche Vorrecht beinhaltet archaische Befugnisse, die früher die britischen Monarchen ausübten und die jetzt der Regierung auf Empfehlung des Premierministers und des Kabinetts vorbehalten sind.

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Im Mittelpunkt der Anhörung vor dem Lord Chief Justice, Lord Thomas of Cwmgiedd (Foto), dem höchsten Richter in England und Wales, stand der Artikel 50 des EU-Vertrags, der besagt, dass ein Mitgliedsstaat die Gemeinschaft „in Übereinstimmung mit seinen eigenen verfassungsrechtlichen Vorschriften“ verlassen kann.

May hatte geplant, im kommenden März mit den Austrittsverhandlungen zu beginnen und eine Abstimmung im Parlament zu umgehen. Damit würden entsprechend den Vorschriften zweijährige Verhandlungen beginnen. Die EU-Minister hatten erklärt, Großbritannien solle als Abschreckung für andere Mitgliedsstaaten für seine Entscheidung bestraft werden. May, die sich für einen Verbleib in der EU ausgesprochen hatte, umwirbt derweil die lautstarke Pro-Brexit-Lobby in ihrer eigenen Partei. Angesichts dieser Lage ist ein großer Teil der Bourgeoisie besorgt, dies alles könne zu einem „harten Brexit“ führen, bei dem Großbritannien den Zugang zum EU-Binnenmarkt verlöre.

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Deutschland das Betrügerland: Kriminelle Machenschaften der Automobilindustrie

von Ulrich Gellermann, Berlin

In den frühen Morgenstunden: Der Generalbundesanwalt, von bewaffneten Polizisten begleitet, lässt die Tür des VW-Vorstandsvorsitzenden stürmen. Zeitgleich sind die Staatsanwaltschaften in vielen Bundesländern unterwegs. Überall dort, wo Autokonzerne im Verdacht der Abgas-Manipulation stehen. Also fast überall. Parallel stürmt die Polizei die Büros der Konzern-Komplizen in den Technischen Überwachungsvereinen. Laut Staatsanwaltschaft werden deren oberste Funktionäre wegen Verdacht auf Verdunkelung und Verschleierung in Untersuchungshaft genommen. Der bisherige Verkehrsminister Alexander Dobrindt versucht mit einem Rücktritt seiner Verhaftung als Mitwisser vorzubeugen. Der Justizminister soll auf der Flucht sein. Gegen beide wird wegen Bruch des Amtseides und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung untersucht. Die Ermittlungen gegen das Kanzleramt laufen noch. Im Terminkalender von Frau Merkel konnte eine Vielzahl von Treffen mit den Spitzen der Automobil-Industrie festgestellt werden. Der Verdacht auf Begünstigung im Amt ist nicht von der Hand zu weisen.

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Natürlich ist dieses Szenario nur ein heiterer Traum. Zwar hat es im Vorbild-Land deutscher Eliten bereits Strafverfahren gegen VW, Porsche und Audi gegeben. Zwar wurden die ersten Milliarden bereits an US-Staaten gezahlt und Rückruf-Aktionen zur Behebung des Betrugs in die Wege geleitet, aber nichts auch nur annähernd Ähnliches ist bisher in Deutschland zu beobachten.

Die Unterschiede im Rechtsverständnis gehen bis zur Regierungsebene: Neben den zivilrechtlichen Auseinandersetzungen laufen selbstverständlich auch strafrechtliche Ermittlungen der US-Bundesjustiz. Das Justizministerium in Washington erklärte öffentlich, es sähe Anhaltspunkte für kriminelle Machenschaften. Zwar ist Leib, Leben und Eigentum von Menschen außerhalb der USA durch diese imperiale Vereinigung ständig bedroht, aber das Eigentum Einzelner erfährt, selbst wenn sie schwarz sind, in den Vereinigten Staaten einen nachdrücklichen Schutz.

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Auftrumpfen gegen Trump: Europas Besorgnis um den Ruf der USA

von Wolfgang Blaschka, München

Donald_Trump_Don_Establisment_Hispanics_Populismus_Presidential_election_2016_Republikaner_Republican_Party_Republicans_Kritisches_Netzwerk_Migration_Migrants_Xenophobie.jpgAlle trampeln nur noch auf Donald Trump herum. Das ist billig und gemein. Der Mann hat schließlich Qualitäten. Auch wenn diese einigermaßen "strange" anmuten. Doch nicht vergessen: Solche Leute haben die USA groß gemacht, ja überhaupt begründet: Hemdsärmlig, robust, gierig und schlicht im Gemüt. Hätten sie sonst den halben Kontinent in Besitz nehmen können? Hätten sie mit guten Manieren die Indianer besiegt und bis auf klägliche und beklagenswerte Reste dezimiert?

Selbstverständlich ist dieser Kerl ein Ekelpaket. Natürlich tickt er nicht wie ein vornehmer Ostküsten-Bourgeouis. Freilich hat er keinerlei Skrupel. Logisch ist er reich, brutal und ungehobelt. Immerhin kommt er sauber gewaschen zu den Fernseh-Duellen, und sogar ohne Cowboy-Hut. Er schießt nur mit derben Worten um sich. Er spuckt auf Etikette und scheißt auf Political Correctness. Wenn er lügt, dann glauben ihm seine Anhänger mehr als wenn Hillary Clinton nicht die ganze Wahrheit sagt. So gibt er sich als US-Erfolgsmensch, wenn schon nicht vom Tellerwäscher, so doch zumindest zum Milliardär empor gekämpft, entsprossen armen Einwanderern aus der verarmten Pfalz.
 
Ganz der Fleisch gewordene American Dream. Ganz der Aufsteiger, ein Durchmarsch der Rücksichtslosigkeit. Was interessieren ihn spätere Immigranten-Generationen?! Ein Vorbild für harte Einzelkämpfer. Kaum einer mag ihn als Mensch. Doch viele bewundern ihn als Cleverle. Das ist das eigentlich Befremdliche, dass er es soweit gebracht hat mit seiner Masche, die wie entlehnt wirkt aus dem Mythos der frühen Siedler. Man kann ihn hassen; es kann ihn nicht kränken. Der Mann geht seinen Weg. Aus der Pfalz ins Weiße Haus. Der Mann tut, was der Mann eben tun muss: Den Frauen zwischen die Beine fassen, Mexikaner hassen, Moslems schassen, kernige Sprüche ablassen. Küsst er ungefragt, scheint es ihm nicht weiter zu schaden. Allein sein Name zählt etwas, seine Gegner fürchten ihn, sein ramponierter Ruf eilt ihm voraus. Gibt es noch knarzigere, authentischere Westernhelden?

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"Neue Gesellschaft für Psychologie" . . . ein Verein wie jeder andere?

von Franz Witsch, Hamburg

Liebe FreundeInnen des politischen Engagements,

vom 9. bis zum 12. März 2017 wird die „Neue Gesellschaft für Psychologie - Gesellschaft für Theorie und Praxis der Sozialwissenschaften" (NGfP, www.ngfp.de) ihren jährlichen Kongress abhalten und zwar unter dem Thema „Gesellschaftliche Spaltungen – Erfahrung von Ungleichheit und Ungerechtigkeit“. Ich werde auf dem Kongress diesmal nicht mit einem Vortrag vertreten sein. Das wird, vermute ich mal, bei einigen Mitgliedern und vielleicht auch im (erweiterten) Vorstand mit Erleichterung aufgenommen. Unruhestifter sind nie gut, und wenn, nur notgedrungen gelitten.

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Ich wurde indes vergleichsweise elegant entsorgt. Zumindest schien es so: Meine Bewerbung wurde mit der Begründung zurückgewiesen, man wolle diesmal auch jüngere ReferentInnen Vorträge halten lassen, um die Massenbasis des Kongresses zu erweitern. Deshalb müssen diesmal Bewerber, die schon zwei oder mehr Vorträge gehalten haben, draußen bleiben.

Aus meiner Sicht ist eine solche Begründung blanker Unsinn, jedenfalls dazu angetan, die inhaltliche Ausrichtung, das Vereins-Profil, zu entschärfen. Politische Parteien arbeiten mit unscharfen Profilen, um ihre Massenbasis zu stärken, auch wenn dies insbesondere den Volksparteien immer weniger gelingt – mit den bekannten Folgen, über die sich nicht nur die NGfP beklagt.

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Flüchtlingsintegration braucht leistungsfähige öffentliche Strukturen

von Laurenz Nurk, Dortmund

Das Flüchtlings- und Migrationsthema wirft ein ganz neues Licht auf den Wert einer leistungsfähigen öffentlichen Daseinsvorsorge.

Ohne das ehrenamtliche Engagement so vieler Personen und Organisationen wäre die Aufnahme der Flüchtlinge in einem organisatorischen und humanitären Desaster geendet. Nun wird nochmals deutlich, dass die Aufgaben im gesamten öffentlichen Dienstleistungsbereich nicht mehr erfüllt werden können. Das Gerede vom angeblich zu großen öffentlichen Sektor ist ein bisschen leiser geworden, weil jeder Mensch spürt, dass nach aktuellen Schätzungen dem Staat fast 180.000 Beschäftigte, besonders in den Kommunalverwaltungen, fehlen.

Das ehrenamtliche Engagement so vieler Personen und Organisationen bei der Aufnahme der Flüchtlinge hat einerseits gezeigt, dass viele Menschen keine Zuschauer mehr sein, Solidarität leben und praktizieren wollen und andererseits, dass es dauerhaft darum geht, diese vielen Hilfen zu professionalisieren und den öffentlichen Dienst in den verschiedenen Aufgabenfeldern leistungsfähig zu machen.

Anfang der 1990er Jahre gab es im öffentlichen Dienst bundesweit 6,7 Millionen Beschäftigte, darunter 2,1 Millionen bei den Kommunen. Der Personalabbau erfolgte schwerpunktmäßig in der Zeit bis 2005, um mehr als zwei Millionen, auf nur noch 4,6 Millionen Beschäftigte wurde das Personal des öffentlichen Dienstes bis dahin reduziert. Die Einsparungen und der Stellenabbau gingen kontinuierlich weiter, so dass im Jahr 2014 Deutschland mit einem Anteil der Personenausgaben von nur noch 7,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) innereuropäisch gemeinsam mit Rumänien das Schlusslicht bildete.

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The New York Times schürt Kriegshysterie um Estland

von Bill Van Auken / wsws.org

the_new_york_times_magazine_nyt_jake_silverstein_scott_anderson_fractured_lands_cia_kritisches_netzwerk_medienhuren_irag_war_crimes_propaganda_imperialismus_imperialism.jpgDie New York Times ist ein verlässliche Propagandaorgan der US-Regierung gegen Russland. Seit dem Putsch in der Ukraine von 2014 macht sie den russischen Präsidenten Wladimir Putin praktisch für alles Schlimme verantwortlich, seien es die Gräuel im Syrienkrieg oder der Aufstieg Donald Trumps.

In ihrer Ausgabe vom 1. November setzte die Times diese anti-russische Kampagne mit einem Nachrichtenfeature fort. Es trägt den Titel: „Furcht vor russischen Ambitionen: Estland wird zur Nation der Aufständischen”. Der Artikel preist die Aktivitäten einer paramilitärischen Einheit in dem winzigen baltischen Land. Die ehemalige Sowjetrepublik ist heute NATO-Mitglied und liegt gerade einmal 140 Kilometer von St. Petersburg entfernt.

Unter der Leitung von James D. Bennet, Chefredakteur seit Anfang des Jahres, verfolgt die Times eine aggressive, anti-russische Linie. Sie spiegelt den Konsens im Pentagon und der CIA wider, wonach Russland heute das größte Hindernis für das Streben der USA nach globaler Hegemonie darstelle. Bennets Vater war früher Chef von USAID, einer Agentur, die immer wieder als CIA-Frontorganisation dient. Sein Bruder ist der dienstältere US-Senator von Colorado. Bennet ist also bestens für die Rolle als Kriegspropagandist gerüstet.

Ergänzt wird die redaktionelle Propaganda gegen Russland von diversen Experten vor Ort, die am laufenden Band so genannte „Nachrichten”-Artikel produzieren, die die schlimmsten Auswüchse der Boulevardpresse beinhalten.

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Saudis kämpfen für Menschenrechte in Jemen

Deutscher Rüstungskonzern liefert die Rechtshilfe

von Ulrich Gellermann, Berlin

joachim_ruecker_spd_sonderbeauftragter_bundesregierung_stabilitaetspartnerschaft_mittlerer_osten_menschenrechtsrat_united_nations_human_rights_council_unhrc_kritisches_netzwerk.jpgHoppla, wird sich der letzte deutsche Präsident des UN-Menschenrechtsrates (UNHRC) Joachim Rücker, unser SPD-Mann aus Schwaben, gedacht haben: Hoppla, da sind sie ja wieder, die Saudis, als die erneut in den UN-Menschenrechtsrat gewählt wurden. Von den Saudis weiß man ja, dass sie als wesentliches Menschenrecht die Scharia auf Vorrat halten, inklusive Enthauptungen, Steinigungen und Folterei aller Art.

Für einen Wimpernschlag könnte Rücker sich gefragt haben, ob das Land denn wirklich ausgerechnet in den Menschenrechtsrat gehöre, aber dann hat er sich wahrscheinlich an die Milliarden und Abermilliarden erinnert, die Deutschland mit den Saudis im Rüstungssektor umsetzt und war überzeugt: Wenn einer sich um Menschenrechte kümmert, dann doch wohl die Saudis. Inzwischen ist Joachim Rücker zum Job des neuen Beauftragten der Bundesregierung für die „Stabilitätspartnerschaft im Mittleren Osten“ gewechselt. Zu dieser Gegend gehören Saudi-Arabien wie auch der Jemen.

Besonders intensiv sorgen sich die saudischen Freunde Deutschlands um die Menschenrechte im Jemen. So gründlich, dass die Opfer ihrer Bomben – gern Frauen, Kinder, Alte, Zivilisten aller Art – gar nicht mehr an Menschenrechte denken müssen. Denn seit dem letzten Jahr führen die Saudis im Jemen etwas durch, das in deutschen Medien vornehm eine „Militärintervention“ genannt wird.

Na klar, wer eine blutige Diktatur ein „Königreich“ nennt, der muss einen völkerrechtswidrigen Überfall auf ein Nachbarland auch eine „Intervention“ nennen. Und wer sich die Partner dieser „Intervention“ ansieht, der weiß, dass die Menschenrechte der Jemeniten in guten Händen sind: Denn neben Saudi-Arabien bomben dort Bahrain, Katar, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Ägypten - eine prima Mischung aus islamischen Diktaturen und einer laizistischen. Unterstützt werden sie von Freiberuflern der al-Qaida im Jemen (AQAP) und eines Ablegers des Islamischen Staates (IS). Alles bekannte Kämpfer für Menschenrechte.

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Equal Pay für Leiharbeit

Diskriminierende Tarifverträge ersatzlos kündigen!

von Laurenz Nurk, Dortmund

Die Zersplitterung des Arbeitsmarktes schreitet immer weiter voran und hat sich mit den Jahren verfestigt und eigene Strukturen entwickelt, aus denen sich teils widersprüchliche Interessen unterschiedlicher Gruppen von Beschäftigten ergeben. So neigen die noch einigermaßen abgesicherten Stammkräfte dazu, Leiharbeiter als flexible Sicherheitspuffer zu sehen und sie damit auch sozial abwerten. Für sie selbst entsteht ein exklusiver Club in den Betrieben, bei einer ausgeprägten Solidarität mit den Angehörigen der eigenen Statusgruppe. Dagegen werfen die Leiharbeiter den Stammkräften häufig vor, sich auf ihren privilegierten Stellen einen ruhigen Job zu machen und sich nur um sich selbst zu kümmern.  

Diese Spaltung wird sich so lange fortsetzen, wie die Gewerkschaften und Betriebsräte keinen solidarischen Gegenkurs steuern.

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Doch genau das Gegenteil wird derzeit vom DGB mit den Tarifverhandlungen für die Beschäftigten in Leiharbeit und von der Bundesregierung mit dem Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) inszeniert.

Der Begriff Leiharbeit ist eigentlich nichtzutreffend, denn die Beschäftigten werden nicht verliehen, sondern vermietet. Das Ausmaß, das diese Arbeitsvermittlung angenommen hat ist erschreckend.

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Wie die westliche Heuchelei die Welt noch gefährlicher macht

von Michael Jabra Carley via NachDenkSeiten

Der Westen ist immer ein großer, geschäftiger Umschlagplatz der Heuchelei gewesen, der sich selbst als liberal, progressiv, zivilisiert und demokratisch hinstellt. Man kennt die entsprechenden Phrasen; die Liste ist sehr lang. Nehmen wir nur die Vereinigten Staaten – sie sind die „leuchtende Stadt auf dem Hügel“: gerecht, uneigennützig, demokratisch, und mit einer „Mission, die demokratischen Freiheiten auf der ganzen Welt zu verbreiten“.

Unsere Sache ist immer die Sache der gesamten Menschheit gewesen“, erklärte Lyndon Johnson während des Präsidentschaftswahlkampfs 1964. Um seinem Argument Rückendeckung zu geben, zitierte Johnson Präsident Woodrow Wilson, der ähnliche Dinge über die Tugendhaftigkeit der USA zu sagen hatte. Seitdem hat sich nichts geändert: Man höre sich nur an, wie Präsident Obama über den Altruismus der Vereinigten Staaten spricht: „Wir sind die Ausnahmenation“, sagt er häufig.

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Diese westlichen, besonders aber US-amerikanischen angeblichen Tugenden werden ins Feld geführt, um politische Strategien, Krieg und verdeckte Aktivitäten zu rechtfertigen, die alles andere als tugendhaft sind. Beginnen wir mit Präsident Wilson. Er ist am besten für die „Vierzehn Punkte“ bekannt, das heißt, nationale Selbstbestimmung, „Demokratie“, öffentliche Abkommen und so weiter. „Tut, was ich euch sage, nicht, was ich selber tue“, hätte Wilson in den Hinterzimmern der Diplomatie hinzufügen können. So sah er zum Beispiel keine „Selbstbestimmung“ für die Philippinen (eine US-Kolonie) oder, in den USA selbst, für die amerikanischen „Neger“ vor.

Dazu muss man wissen, dass Wilson ein Anhänger der Rassentrennung und ein Unterstützer der Rassengesetze und des Ku-Klux-Klan war. Er war der Meinung, „wir“ bräuchten den Ku-Klux-Klan, um die „Farbigen“ in Schach zu halten, besonders die, die aus Frankreich zurückkamen, wo sie in der US-Armee gedient hatten. Sie könnten ja nun denken, sie hätten Anspruch auf dieselben Rechte wie die Weißen. Und so wie die Schwarzen in den USA der Rassendiskriminierung unterworfen wurden, wurden die Bolschewiki in Russland einer Militärintervention der Entente ausgesetzt, um ihre sozialistische Revolution zu zerstören.

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Quellen des Terrorismus: Ergebnis der vom Westen betriebenen Globalisierung

von Conrad Schuhler / Vors. des Instituts für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

Die Länder mit dem höchsten Terror-Index, die zugleich die wesentlichen Exportländer des Terrors sind, sind allesamt „fehlgeschlagene Staaten“, die deshalb „fehlgeschlagen“ sind, weil kriegerische Überfälle des Westens ihre staatlichen Strukturen und Apparate zerschlagen und ihre Ökonomien ruiniert haben.

In Afghanistan hatten die USA seit den 80-er Jahren die Terrororganisation al-Qaida aufgebaut. Mit Hilfe der Terrororganisationen der Taliban wurde die Kabuler Linksregierung und ihre sowjetischen Helfer niedergerungen bzw. aus dem Land getrieben. Als dem Sicherheitsberater des US-Präsidenten Carter, Zbigniew Kazimierz Brzezinski, vorgehalten wurde, es seien die USA gewesen, die die islamistischen Gruppen erst hochgepäppelt haben, sagte er: „Was ist wichtiger in der Weltgeschichte? Die Taliban oder der Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums?“ (Le Nouvel Observateur, 15.01.1998).

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Das Hochrüsten der Terrorgruppen und das anschließende jahrelange Gemetzel in Afghanistan mit dem Entstehen neue, antiwestlicher Terrorkräfte ist eine direkte Folge des militärischen Eingreifens der USA und der NATO. Drei Wochen nach den Anschlägen gegen die Twin Towers in New York starteten die USA ihren Angriff auf Afghanistan als „Bündnisfall“ der NATO. Vorgeblich ging es um die „Selbstverteidigung“ der westlichen Wertegemeinschaft gegen Afghanistan. Damit wurde das Gewaltverbot der UNO ausgetrickst, es genügte, die NATO-Partner zu überzeugen und die „Koalition der Willigen“ war perfekt. Der Angriff war völkerrechtswidrig, war illegal.

Unter dem Banner des „Kriegs gegen den Terror“ wurden und werden nun illegale Kriege überall dort durchgezogen, wo die USA und die NATO sie für ihre Interessen benötigen. Die USA und Großbritannien überfielen 2003 den Irak. Zuvor hatten sie sich vor der UNO mit ihren Lügen und Fälschungen zu den angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak blamiert.

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Amazon kommt nach Dortmund – ist das gut? Ja, aber!

von Laurenz Nurk

An das neue Logistik-Zentrum von Amazon sind in Dortmund große Hoffnungen geknüpft. Alle erwarten, dass ein spürbarer Beitrag geleistet wird, die hohe Arbeitslosigkeit in Dortmund und in der Region zu senken. Bei der geplanten Ansiedlung von Amazon sollen 27 Millionen Euro investiert werden, 2.000 Arbeitsplätze entstehen und Dortmund wird dann nach Werne und Rheinberg der dritte Amazon Standort in NRW.

Die Euphorie bekommt aber einen Dämpfer, wenn man sich einmal das Unternehmen selbst und die Arbeitsbedingungen in den Amazon Betrieben genauer anschaut.

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Während der Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau sagt, „Faire Löhne für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen spielen eine wichtige Rolle“ und Thomas Westphal von der Dortmunder Wirtschaftsförderung meint: „Vor allem bedeutet es, Arbeit für alle‘, denn durch Amazon ergeben sich neue Jobs für hochqualifizierte, aber auch für geringqualifizierte Menschen,“ betont Roy Perticucci, Chef des Europäischen Logistiknetzwerks: „Amazon wird in Dortmund ab 2017 mehr als 1.000 neue feste Arbeitsplätze in der Region schaffen – mit wettbewerbsfähigen Löhnen und umfangreichen Zusatzleistungen ab dem ersten Tag”, und stapelt etwas tiefer. Da sind es nur noch 1.000 Arbeitsplätz und was „wettbewerbsfähige Löhne“ sind, kennt man von Amazon besonders gut.

Schauen wir uns die Logistikbranche im Allgemeinen und Amazon, den Riesen der Branche, im Besonderen, einmal genauer an.

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Wohnungsnot und Mieten: Pfusch am Bau

von Charles Pauli / isw München

Wohnungsmangel und explodierende Mieten sind zentrale politische Themen. Öffentliche Bauförderung und Maßnahmen wie die Mietpreisbremse sollen die Situation verbessern. Funktionieren wird das allerdings nicht, weil die gängige Wohnungspolitik nicht Lösung, sondern Teil des Problems ist.

Bekanntlich ist Wohnungsknappheit eine regionale Erscheinung. Es gibt Ballungsgebiete mit starkem Bevölkerungswachstum, allen voran München, aber auch Stuttgart oder Berlin und weite Regionen mit abnehmender Bevölkerung. Dort stehen Wohnungen und Häuser leer. Angesichts dieser simplen Tatsache könnte man auf die naheliegende Idee kommen, dass die Wohnungsnot mit Regionalentwicklung zu tun hat. Genauer gesagt, mit einer regional divergierenden Wirtschaftsentwicklung und einem zunehmenden regionalen Ungleichgewicht in Deutschland.

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Auf die Idee kommt aber keiner. Stattdessen wird beispielsweise in der Münchner Presse permanent über die Attraktivität dieser Stadt berichtet, die anscheinend so unwiderstehlich ist, dass jeder hierher will, koste es, was es wolle. Ursachen der Wohnungsnot wären demzufolge das Hofbräuhaus, der Englische Garten und der Starnberger See.

► Kapitalzentralisation

Nehmen wir also für einen etwas realistischeren Blick auf das Thema durchaus München als Beispiel her: Schaut man in die örtliche Statistik, fällt sofort auf, dass von 2010 bis 2014 in München 82.000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze aufgebaut wurden. Der Schreiber dieser Zeilen hat als Betriebsratsvorsitzender eines Münchner Großunternehmens jahrelang miterlebt, woher dieser Zuwachs unter anderem kommt: Dort wurden immer wieder Abteilungen aus anderen deutschen Städten nach München verlagert und zentralisiert. Mitarbeiter aus Frankfurt, aus Mannheim und natürlich aus der weiteren Umgebung Münchens mussten ihren Jobs folgen. Freiwillig war das genauso wenig, wie bei den Zehntausenden aus den neuen Bundesländern, die vor einigen Jahren nach München ziehen mussten und als Wochenendpendler noch heute die Autobahnen in Richtung Sachsen füllen. Begründet waren diese Zentralisierungen vor allem in der Strategie, möglichst große Einheiten zu schaffen, die man dann besser durchrationalisieren konnte.

Wir sehen hier also einen marktmäßig ganz normalen Vorgang der Zentralisation von Kapital und Investitionen. Arbeitsplätze wandern in einige Ballungsräume, weil das betriebswirtschaftlich profitabel ist. Die Menschen wandern hinterher, die Mieten steigen, die Infrastrukturen sind überfordert – und die Abwanderungs-Regionen und -Städte bluten aus.

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Pharmakologischer Seelenmord

von Götz Eisenberg via NachDenkSeiten

Immer mehr Eltern gehen dazu über, ihren schlaflosen und schreienden Babys und Kleinkindern Beruhigungsmittel und andere psychoaktive Substanzen zu verabreichen. Sie fügen ihren Kindern damit nicht nur Schaden zu, sondern üben sie obendrein – ohne es zu ahnen – in den Modus der chemisch-pharmakologischen Verhaltenssteuerung und Affektregulierung ein. Normgerechtes Verhalten wird mehr und mehr zu einer Frage der „Einstellung“ – auf das richtige Medikament und die richtige Dosis.

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Der Pharmaindustrie scheint im gesellschaftlichen Modernisierungsprozess die Aufgabe zuzufallen, die Anpassung der Individuen an die Verhaltenszumutungen des „flexiblen Kapitalismus“ (Richard Sennett) chemisch-pharmakologisch zu erleichtern und sie bei der Stange zu halten.

Welches Kind hätte nicht Grund, über seine Eltern zu weinen?“ (Friedrich Nietzsche)

Die tägliche Zeitungslektüre, die laut Hegel einmal das „Morgengebet des Bürgers“ gewesen ist, lehrt einen das Fürchten. Dieser Tage stieß ich in der Sonntagsausgabe der FAZ unter der Überschrift "Schlaf, Kindlein, schlaf" auf einen Artikel, der darüber berichtet, dass immer mehr Eltern ihren Babys und Kleinkindern, wenn diese zu sehr schreien oder nicht durchschlafen, Sedativa, also Beruhigungsmittel, verabreichen. Kinderärzte stellen offenbar auf Bitten der Eltern bereitwillig entsprechende Rezepte aus. „Atosil“ wurde früher Menschen verordnet, die als schizophren galten, heute kommt es als Beruhigungs- und Schlafmittel zum Einsatz.

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Warum schweigen die Lämmer? Strategien der Erzeugung von Duldung und Lethargie.

Zusammengefasst von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

rainer_mausfeld_warum_schweigen_die_laemmer_duldung_lethargie_demokratie_kritisches_netzwerk_kapitalismus_neoliberalismus_propaganda_freiheit_rassismus_manipulation.jpgDie Hauptverantwortung einer Regierung in einer "Demokratie" ist, die Minorität der besitzenden Klasse gegen die Majorität der Nicht-Besitzenden zu schützen. Eine repräsentative Demokratie repräsentiert NICHT den Willen des Volkes. Die bewusste und intelligente Manipulation der Verhaltensweisen und Einstellungen der Massen ist ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften.

Solche Sätze hören wir nicht sehr häufig. Aber dank der Aachener Friedenstage waren sie zu hören. "Warum schweigen die Lämmer? – Demokratie und Neoliberalismus – Strategien der Erzeugung von Duldung und Lethargie" – das ist der Titel eines außergewöhnlichen, eineinhalbstündigen Vortrags von Prof. Rainer Mausfeld, einem Psychologen und Kognitionsforscher an der Universität Kiel, gehalten am 22. April 2016 im Rahmen der 17. Aachener Friedenstage – veranstaltet vom Euregioprojekt Frieden in Kooperation mit dem Bundesverband Arbeiterfotografie. Es ist nach dem Vortrag über "Demokratie, Psychologie und Empörungsmanagement" der zweite Vortrag in der Reihe "Warum schweigen die Lämmer?"

In einem ersten Bericht geben wir die Inhalte der ersten Hälfte des Vortrags wieder, direkt im Anschluß folgt der zweite Teil.

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Der Neoliberalismus und das Ende der Demokratie. (1)

Das Interessante ist, dass solch eine Metapher wie selbstverständlich hingenommen wird. Was bedeutet das? Eigentlich sind wir das Volk. Und jetzt erfahren wir: eigentlich sind wir eine Schafsherde. Was charakterisiert eine Schafsherde? Sie lässt sich einfach leiten. Es gibt keine Individuen, stattdessen Mitläufer. Beabsichtigt ist damit zu sagen: die sind unverantwortlich, die sind triebgesteuert, affektgesteuert. Machen wir's kurz: die sind eigentlich blöd... Wer benutzt die Metapher? Es sind die Eliten, die das Volk als Herde bezeichnen... Die benutzen die Metapher als Unterscheidungsmerkmal zwischen Volk und Eliten. Bei den Eliten finden Sie keinen Herdendrang... Das heißt: die Unverantwortlichkeit ist immer die des Volkes. Und das Unterscheidungsmerkmal wird benötigt, um die Legitimation von Herrschaft zu begründen...

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NEIN zu CETA erwürgt die EU - in letztem Moment wohl doch nicht

von Ulrich Gellermann

wallonie_wallonien_wallonische_region_wallonia_belgien_belgium_ceta_comprehensive_economic_trade_agreement_kritisches_netzwerk_demokratie_eu_handelsabkommen_wallonne.png Schwere dicke Tränen rollten ihr die Wangen runter: Der kanadischen Ministerin für internationalen Handel, Chrystia Freeland. Da hatte es so ein europäisches Idiotenland gewagt – klein, hässlich, unbedeutend – und zunächst NEIN zum CETA-Abkommen gesagt. Wallo-Was, Wallo-Wer, Wallo-Wie? Na warte, da reiste sie ab, oder dann doch nicht, oder wie?

Vor laufenden Kameras erlebten wir alle diese Tragödie. Die Wallonie tat Kanada Gewalt an: „Kanada hofft auf Erwachen aus dem CETA-Alptraum“, referierte die TAGESSCHAU beflissen. Und fuhr fort: „Der Tonfall genervt, die Lippen schmal, die Geduld beinahe aufgebraucht. Kanadas Handelsministerin Chrystia Freeland weigert sich aber weiter tapfer, die letzte Hoffnung auf ein Handelsabkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union aufzugeben.“ Nicht, dass sich die TAGESSCHAU erneut als schlicht korruptes Regierungsorgan entblößte.

Nein! Sie verteidigte nur die Demokratie! Denn immerhin hat Manfred Weber, Vorsitzender der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, als CSU-Mann ein totaler Demokratie-Experte, gesagt: „Entscheidungen zur Handelspolitik durch 38 Parlamente inklusive einigen Regionalparlamenten haben nichts mit mehr Demokratie oder Transparenz zu tun.Ja, wo kommen wir denn da hin, wenn jedes dahergelaufene Parlament in Europa mitreden wollte! Das kann man nur noch Demokratur nennen.

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Desinformation und Propaganda durch Mainstreammedien

Meinungsmanipulation und Volksverdummung seitens des ORF

von LOGOS

Für Feedback bitte unbedingt die Ausführung im Abschnitt "Kommentierung" am Ende des Artikels lesen!

► 1 Vorbemerkungen

Vor kurzem jährten sich die Terroranschläge vom 11. September 2001 zum 15. Mal. In vielen Mainstreammedien war das Anlass genug, etwas darüber zu veröffentlichen. So auch im ORF. Zwar verwahren sich die Mainstreammedien, die sich gern selbst das Label "Qualitätsmedien" anheften möchten, regelmäßig aufs Schärfste gegen den Vorwurf „Lügenpresse“ - dennoch haben gerade ebenjene durch ihre mitunter grob einseitigen Beiträge diesem Vorwurf Vorschub geleistet [1].

Entzündet hat sich dieser Vorwurf an den zum Teil hetzerischen um nicht zu sagen Kriegs-treibenden Beiträgen zum Thema Ukraine - aber auch Freihandelsabkommen oder die Flüchtlingsthematik. Mehr aber noch als jene ist das Thema 9/11 durch eine zutiefst einseitige „Berichterstattung“ gekennzeichnet.

[1] Es sollte sich für jeden halbwegs intelligenten Menschen von selbst verstehen, dass sich der Vorwurf, so er denn ernst genommen werden soll, selbstverständlich nicht pauschal gegen die gesamte Presse und alle Journalisten richtet, sondern Diejenigen, die es infolge o.g. verzerrter Darstellungen de facto trifft. Pauschale und undifferenzierte Vorwürfe sind schon im Ansatz verrissen, weil sehr wohl mitunter auch ARD, ZDF etc. wirklich gute Beiträge und Artikel bringen. In diesem und nur in diesem Sinne sei hier der Vorwurf „Lügenpresse“ aufgegriffen. Von einem generalisierten Vorwurf distanzieren wir uns ausdrücklich.

Dass selbst diese Wertung mitunter noch euphemistisch geschmeichelt ist bewies das ORF mit dem letzten Betrag in der „Dokureihe zum Thema Verschwörungstheorien“ zum Thema 9/11.

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Die Bundeswehr verkommt zum zentralen militärischen Akteur

. . . .  einer transatlantischen Weltpolizei

Jens Wernicke (NDS) mit Florian Kling, IT-Offizier in der Bundeswehr

bundesadler_sturzflug_absturz_bundesregierung_deutscher_bundestag_bundeswappen_wappentier_staatswappen_kritisches_netzwerk_demokratie_entdemokratisierung.png Die Bundeswehr ist eine Verteidigungsarmee. Sie verteidigt unser aller Freiheit am Hindukusch. Kämpft weltweit tapfer gegen Terroristen. Verhindert Kriege. Baut Brunnen. Hilft Hungernden und Leidenden. Und, ja, sorgt sogar dafür, dass wir Bananen im Supermarkt haben. Das wäre ohne sie und also ohne Militär kaum mehr möglich, weswegen sie immer weiter modernisiert und transformiert werden muss. Glauben Sie nicht? Halten Sie für Propaganda? Jens Wernicke auch. Daher sprach er für die NachDenkSeiten mit Florian Kling, dem Sprecher des Arbeitskreises „Darmstädter Signal“, einer Vereinigung kritischer Staatsbürger in Uniform, über aktuelle Entwicklungen bei der Bundeswehr, denen dringend Einhalt geboten gehört.

Jens Wernicke: Herr Kling, Sie sind Sprecher des Arbeitskreises „Darmstädter Signal“, einer Vereinigung aktiver und ehemaliger Soldaten, die sich zum Ziel gesetzt hat, kritisch die politischen Entscheidungen über die deutschen Streitkräfte zu begleiten. Die Gründer wandten sich bereits vor vielen Jahren gegen die „Nach“-Rüstung mit Atomraketen in West- und Ost-Europa und forderten eine kleinere, nicht angriffsfähige Bundeswehr sowie den Abbau aller Massenvernichtungsmittel weltweit. Das „Leitbild vom Staatsbürger in Uniform“ solle endlich verwirklicht werden, hieß es damals und heißt es nach wie vor.

Nun befindet sich die Bundeswehr seit Jahren in einem „Transformationsprozess“: ein „Krieg um die Köpfe“ ist entbrannt und die Bundeswehr wird immer häufiger dazu benutzt, Dinge zu tun, die eher als Kolonialkrieg denn Landesverteidigung zu interpretieren sind. Wie stellen sich diese Entwicklungen für Sie als kritischen Soldaten dar? In welcher Situation befinden wir uns?

Florian Kling: Tatsächlich haben wir heute eine Bundeswehr, die ganz anders ist als zur Zeit der Nachrüstung und der Gründung unseres Arbeitskreises im Jahr 1983. Die Bundeswehr hat von ihren Ausmaßen viel der erkennbaren Bedrohlichkeit verloren und – wie es regelmäßig in die Medien getragen wird – auch ausrüstungstechnisch nicht mehr die Schlagkraft, um etwa einen Krieg im Stile des Ost-West-Konfliktes zu führen, geschweige denn zu beginnen.

Leider geben die letzten Jahrzehnte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs aber keinen Grund zur Entwarnung. Aus einer Bundeswehr, die durch das Grundgesetz auf territoriale Landesverteidigung ausgerichtet war, ist über den Umweg der Bündnisse inzwischen eine weltweit flexibel agierende Einsatzarmee geworden, die fast überall dort anzutreffen ist, wo auf der Welt gerade gekämpft und Krieg geführt wird.

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Die Bundeswehr – der zukünftige Modellarbeitgeber?

von Laurenz Nurk

Die Bundeswehr soll mehr Verantwortung übernehmen. So verklausuliert meint man den immensen Schub bei der Aufrüstung zur Kriegsvorbereitung.

Nachdem es nur noch die Berufsarmee gibt, hat die Bundeswehr jetzt schon einen riesengroßen Personalmangel. Das liegt auch daran, dass die jungen Menschen, nachdem sie auf die bunten Werbebroschüren hereingefallen sind, nach den Alltagserfahrungen im Dienst, schnell wieder ins Zivilleben wechseln.

Um die zukünftigen Aufgaben personell überhaupt annähernd bewältigen zu können, wird nun nicht gekleckert, sondern richtig geklotzt.

Es gilt schon seit einiger Zeit nicht mehr, dass das Grundgesetz Angriffskriege verbietet und Einsätze nur zur Landesverteidigung zulässt. Im Jahr 2012 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geurteilt, dass Einsätze bei „Ereignissen katastrophischen Ausmaßes“ gestattet sind, wenn der Bundeskanzler sich dafür ausspricht.

Dass die Einsätze nicht nur zur Landesverteidigung durchgeführt werden, zeigten die Einsätze gegen Jugoslawien, gegen die Demonstranten gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm 2007 oder die seit langen schon laufenden Vorbereitungen des Einsatzes der Bundeswehr bei Streiks im öffentlichen Dienst. Auch der verfassungsfeindliche Bundeswehreinsatz im Inneren wird demnächst geprobt.

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Die Grenzen der Toleranz. Warum wir die offene Gesellschaft verteidigen müssen.

Vorstellung des neuen Buchs von Michael Schmidt-Salomon

Eigentlich wollte er einen philosophischen Roman schreiben, doch die Islam-, Flüchtlings- und Rechtspopulismus-Debatte veranlasste ihn dazu, ein politisches Sachbuch zu verfassen: In diesen Tagen erscheint im Piper Verlag "Die Grenzen der Toleranz – Warum wir die offene Gesellschaft verteidigen müssen" von Michael Schmidt-Salomon. Der Philosoph und Vorstandssprecher der  Giordano-Bruno-Stiftung wird das hochbrisante Buch nach der Premiere in Essen und einer Lesung zur Buchmesse in Frankfurt (21.10) am 23. Oktober am gbs-Stiftungssitz in Oberwesel vorstellen.

Mit den "Grenzen der Toleranz" hatte sich Schmidt-Salomon bereits 2007 in einem gleichnamigen Vortrag in Hamburg auseinandergesetzt. Die Reaktionen auf die islamistischen Attentate der vergangenen Monate und der Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen nicht nur in Deutschland brachten ihn Anfang 2016 dazu, das Thema noch einmal aufzugreifen. Anlass dafür, dem Problemfeld ein ganzes Buch zu widmen, war eine eher unscheinbare Pressemeldung, die davon berichtete, dass die italienischen Behörden zum Besuch des iranischen Präsidenten Rohani im Februar 2016 die nackten, antiken Statuen auf dem Kapitol verhüllten, um ihren Respekt gegenüber Rohanis religiösen Gefühlen zu dokumentieren.

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Foto: © Gerhardt / VIP BERLIN MAGAZIN – DAS FOTOBLOG. Berlin in Bildern. www.Berlin-Magazin.de

"Dieser Vorfall zeigt im Kleinen, was im Großen schiefläuft", erklärt Schmidt-Salomon. "Eine offene Gesellschaft sollte ihre Werte nicht schamhaft verhüllen, wie es die italienischen Behörden im Falle der antiken Statuen getan haben, sondern sich selbstbewusst zu ihnen bekennen. Denn Rationalität, Freiheit, Gleichheit, Individualität und Säkularität sind keine Prinzipien, für die man sich in irgendeiner Weise schämen müsste! Im Gegenteil: Sie sind die bedeutendsten Früchte und wichtigsten Motoren des zivilisatorischen Fortschritts unserer Spezies!"

Eben dies zeigt Schmidt-Salomon in seinem aktuellen Buch auf. Er analysiert die gefährliche Irrationalität der Islam- und Flüchtlingsdebatte, die zum Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen geführt hat, kritisiert die "rückgratlose Appeasementpolitik" des Westens gegenüber "rücksichtslosen Despoten", erläutert die "Kunst der zivilisierten Verachtung", die "Prinzipien der offenen Gesellschaft", die "Spielregeln des zivilisierten Widerstreits" und die "10 Gebote der Rationalität". Nicht zuletzt gibt er in dem Buch auch politische Handlungsempfehlungen, die dazu beitragen könnten, die offene Gesellschaft gegen ihre Feinde zu verteidigen.

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Skandal: Putin der Schreckliche tötet Berlin-Mitte

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von Roland Bathon

Seine erste Schandtat auf deutschem Boden hat der russische Präsident Putin schon verübt, bevor er ihn überhaupt  betrat: „Putin legt das Regierungsviertel lahm“ titelte heute der Tagesspiegel.

Offenbar waren also nach Informationen deutscher Journalisten all die Sicherheitsmaßnahmen, die zu einer weitgehenden Sperre der Berliner Innenstadt führten, nur durch Russlands Präsident verursacht. Wären Poroschenko und Hollande alleine gekommen, hätten sie wahrscheinlich einen Spaziergang durch eine jubelnde Menge gemacht. Wobei nicht die ganze Menge gejubelt hätte, da heute im Regierungsviertel laut unserer Reporterin Julia Dudnik nicht nur Putin-Hater, sondern auch Putin-Fans anwesend waren - und die mögen Poroschenko wahrscheinlich nicht. Nein, die Sicherheitsmaßnahmen sind schlimmer als jemals zuvor, schreibt der Tagesspiegel. Außer vielleicht, als Obama da war, schreiben wir hinterher. Oder die G7 in Deutschland stattfand. Oder der Staatspräsident von Israel uns besuchte – ja schrieb man da auch die Israelis, die G7-Gipfel-Teilnehmer oder der US-Präsident sind schuld, dass die deutsche Hauptstadt zusammenbricht? Wahrscheinlich nicht.

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► Offene Gullideckel und verpfuschte Geburtstagsfeiern

Dafür ist die Atmosphäre, die der Tagesspiegel blumig ausschmückt, auf jeden Fall so, wie man sich als Unerfahrener Russland vorstellt – ein Hauch von Totalitarismus in Berlin. „In der Wilhelmstraße fahren Panzerwägen auf, Anwohner kommen kaum in ihre Häuser, Sicherheitsbeamte leuchten in jeden Gulli.“ lesen wir da – na Gott sei dank waren es noch nicht russische Panzer, die nach Berlin eingerückt sind. Aber russischen Flair verbreiten Panzermeldungen ja immer. Es kommt noch schlimmer: „Ein Tagesspiegel-Redakteur befürchtet, dass ihn wegen der ganzen Sicherheitsvorkehrungen sein Sohn an seinem heutigen Geburtstag gar nicht besuchen kann.“ Das ist die Höhe! Und Putin ist Schuld!

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„Terror“ – wie die ARD ihre Zuschauer für dumm verkauft

. . . und „nebenbei“ auch noch die Kärrnerarbeit für die Feinde des Rechtsstaats erledigt

von Jens Berger / NDS

„Grandiose Quoten“ hat er eingefahren – der Themenabend „Terror“, den die ARD mit großem Tamtam am Montag zelebrierte. Zum Höhepunkt dieses „Populisten-Pornos“ (Zitat Heribert Prantl) durfte das „Volksgericht“ in Person der Zuschauer dann nach einem absurden und höchst manipulativen Schema abstimmen, ob „das Grundgesetz in globalisierten Zeiten nicht mehr genüge“ (Zitat Thomas Wassmann in der hartaberfair-Sendung zum Themenabend). Im Ergebnis stimmten fast alle Zuschauer im Sinne der Feinde des Rechtsstaats. Experiment geglückt? Offenbar schon; zumindest dann, wenn das Experiment darin bestand, wie einfach das Volk manipuliert werden kann.

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Mit „Terror“ hatte das auf ein gleichnamiges Theaterstück des Krimiautoren Ferdinand von Schirach basierende Fernsehspiel nur am Rande zu tun. Im Hintergrundplot entführten Terroristen einen nach München fliegenden Linienjet, den ein Bundeswehrpilot dann entgegen der Befehlslage abschoss, bevor er in ein vollbesetztes Fußballstadion gesteuert werden konnte. Im eigentlichen Fernsehfilm inszenierten die Macher das Gerichtsverfahren zu diesem Hintergrund. Fiktion trifft Realität.

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Berlin: Rot-Rot-Grün bereitet Fortsetzung des Sparkurses vor

von Verena Nees / wsws.org

Seit dem 6. Oktober führen SPD, Linke und Grüne in Berlin Koalitionsverhandlungen über die Bildung des nächsten Senats. Die drei Parteien wollen nicht, dass die Bevölkerung zuviel darüber erfährt. Sie haben Stillschweigen über den Inhalt der Gespräche vereinbart.

berlin_baer_bundeshauptstadt_bundestag_bundeskanzleramt_regierender_buergermeister_michael_mueller_berliner_senat_schloss_bellevue_ber_brandenburger_tor_kritisches_netzwerk.pngAm Verhandlungstisch sitzen Politiker, die von den Wählern bei der Abgeordnetenhauswahl vom 18. September für ihre rechte, unsoziale Politik massiv abgestraft worden sind. Die mit der CDU regierende SPD erhielt eines ihrer schlechtesten Wahlergebnisse. Ebenso gehörten die Grünen zu den Wahlverlierern, und die Linke konnte nur dank Stimmengewinnen in einigen Westbezirken ihr schlechtes Wahlergebnis von 2011 leicht verbessern. In ihren Hochburgen im Osten verzeichnete sie dagegen ebenfalls Verluste und erreichte kaum mehr Sitze als die rechtextreme AfD.

Bei den Koalitionsgesprächen lassen sich drei Parteien erstaunlich viel Zeit. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) ist seit vergangenem Freitag erst einmal auf Dienstreise in Südamerika, um Vorträge bei der UN-Siedlungskonferenz zu halten.

Erst am 24. Oktober, nach einer 14-tägigen Pause während der Berliner Herbstferien, sollen die Koalitionsgespräche fortgesetzt werden und inhaltliche Fragen wie Soziales, Wirtschaft und Sicherheit ins Zentrum rücken. Nach dem bisherigen Fahrplan ist für Mitte November der Abschluss der Verhandlungen geplant, und Anfang Dezember sollen Parteitage der drei Parteien die Ergebnisse diskutieren.

Die Linke hat jedoch nach der letzten Koalitionsrunde den Beginn ihres Landesparteitags um eine Woche auf den 10./11. Dezember verschoben; ursprünglich sollte bereits am 8. Dezember die Zusammensetzung der Regierungskoalition bekannt gegeben werden.

Auch wenn es nur dürftige Informationen über die ersten drei Verhandlungstreffen gibt, ist eines bereits deutlich geworden: Ein rot-rot-grünes Bündnis würde den bisherigen Kurs der Haushaltskonsolidierung und damit der Sparprogramme auf dem Rücken der Bevölkerung fortsetzen.

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Entschließung „Betriebsräte-Mobbing und kein Ende?

Jetzt konsequent Widerstand leisten!”

von Laurenz Nurk

Zunehmend ist zu beobachten, wie in den Betrieben Versuche gestartet werden, die Arbeit der Betriebsräte systematisch zu behindern, bis hin, sie ganz zu unterbinden. Verstöße gegen die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) durch den Arbeitgeber und die Geschäftsführung gehören leider in vielen Betrieben mittlerweile zum Alltag. Immer wieder werden die Rechte der Betriebsräte und der anderen betriebsverfassungsrechtlichen Organe nicht beachtet und deren Arbeit behindert. Es häufen sich Wahlbehinderungen und Beeinflussungen von Wahlen.

Die Betriebe versuchen ganz systematisch, die Etablierung und Arbeit gewerkschaftlicher Betriebsräte in ihren Betrieben zu unterbinden. Zur Unterstützung kaufen sie sich Anwälte ein, deren Kanzleien die richtigen Tipps und Methoden in ihrem antigewerkschaftlichen Angebot haben. Das Ziel dieses Vorgehens ist, einzelne Betriebe oder gar ganze Konzerne zu betriebsratsfreien Zonen zu machen oder den betriebsratsfreien Status quo dort zu wahren.

Die bisher bekannt gewordenen Fälle von Betriebsräte-Mobbing (BR-Mobbing) sind nur die sichtbare Spitze des Eisberges. Hunderte von aktiven Betriebsratsmitgliedern sind mittlerweile eingeschüchtert und gekündigt worden. Zehntausende der von ihnen vertretenen Beschäftigten in den Betrieben haben bis heute die Demontage ihrer demokratisch gewählten Interessenvertretungen durch Unternehmensleitungen und deren Helfern aus den Rechtsanwaltkanzleien und Beratungsfirmen erleben müssen.

Den Kampf gegen Mobbing der Betriebsräte ist mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu organisieren, er ist eine elementare Aufgabe der Gewerkschaften.

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Neue Kriegsschiffe gen Osten: Kurs auf Kaliningrad

Ulrich Gellermann, Berlin

Wenn das der Kaiser wüsste! Wilhelm II., der Flottenkaiser, der dem Deutschen Reich mit dem Aufbau seiner Flotte Weltgeltung verschaffen wollte, hätte fünf Gründe zur Freude: Denn genau fünf neue Korvetten stellt die Bundeswehr in den nächsten Jahren in Dienst. Und damit kein Irrtum entstehen kann, haben zwei Koalitionspolitiker, Eckhardt Rehberg (CDU) und Johannes Kahrs (SPD), der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, dem Zentralorgan für NATO-Botschaften, diesen Beschaffungsakt persönlich begründet: „Um den neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen im Ostseeraum, im Mittelmeer und in globaler Hinsicht nachzukommen“. Das relativ Neue ist die Verschärfung der Vorkriegslage im Ostseeraum: Erst im Juni dieses Jahres fanden in der Ostsee die größten NATO-Manöver seit dem Zweiten Weltkrieg statt: 50 Kriegsschiffe, 60 Flugzeuge und Hubschrauber und mehr als 6.000 Marinesoldaten aus zwölf Ländern spielten Krieg mit Russland.

Die fünf neuen Kriegsschiffe werden, wie ihre Vorgänger, wieder bei den traditionellen Kriegsschiffswerften Blohm + Voss und der Bremer Fr. Lürssen Werft auf Kiel gelegt werden. Die früheren Konkurrenten werden gerade in diesen Tagen im Rahmen einer freundlichen Übernahme zusammenlegt. Lürssen hatte für den Kaiser und dessen Ersten Weltkrieg ferngelenkte Boote (FL-Boote) geliefert. Die Boote waren eine Art Torpedo-Ersatz und sollten mit Sprengstoff beladen zum Rammen gegnerischer Schiffe verwendet werden. Auch für die Schwarze Reichswehr, den illegalen Probelauf der Nazi-Wehrmacht, lieferte Lürssen im Geheimen Schiffe für den künftigen Einsatz als Torpedoschnellboote.

Die Partner-Werft Blohm + Voss, schon im Ersten Weltkrieg führend im U-Bootsbau, begrüßte die Machtergreifung der Nazis öffentlich und nachdrücklich, auch weil in Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges öffentliche Mittel in den Schiffbau flossen und im Zuge der Aufrüstung die Zahl der Aufträge wieder zunahm.

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Neuvorstellung: ARMUT von Prof. Dr. Christoph Butterwegge

Basiswissen Politik, Geschichte, Ökonomie

Verlag: PapyRossa Verlag - ISBN 978-3-89438-625-2 - Pocketformat, 131 Seiten - 9,90 €

► Produktbeschreibung:

»Basiswissen« bringt in handlicher Form leicht verständliche kritische Einführungen in Grundbegriffe aus Politik, Geschichte, Gesellschaft und Ökonomie.

»Armut« ist ein brisanter, weil politisch-normativer, emotional besetzter und moralisch aufgeladener Begriff. Christoph Butterwegge diskutiert den Armutsbegriff, wirft einen Blick auf die Geschichte der Armut und vermittelt die theoretischen Grundlagen. Er stellt die Hauptrichtungen der Armutsforschung vor, erläutert die gängigen Methoden der Armutsmessung und hinterfragt die statistische Datenlage, wie sie die Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung dokumentieren.

christoph_butterwegge_armut_armutsbekaempfung_gerechtigkeit_buergerversicherung_reichtumsfoerderung_kritisches_netzwerk_soziale_grundsicherung_integration_hartz_iv_kinderarmut.jpgNeben den unterschiedlichen Erscheinungsformen und den Folgen der Armut für die Betroffenen wie die Gesellschaft beschäftigen ihn die Entstehungsursachen und die wenig überzeugenden Erklärungsansätze der (­Medien-)Öffentlichkeit. Abschließend geht es um den Kampf gegen die Armut sowie die Frage, welche Maßnahmen hierbei Erfolg versprechen und ob das bedingungslose Grundeinkommen ein Patentrezept darstellt.

Einleitung . . . . . . . . 6

1. »Armut« – ein heftig umkämpfter, aber kein Kampfbegriff  . . . . . . . . 8

2. Die bisherige Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung: Daten statt Taten?  . . . . . . . . 33

3. Reichtumsförderung statt Armutsbekämpfung: Warum die Regierenden eine unsoziale Politik machen  . . . . . . . . 59

4. Der fragwürdige Umgang mit Armut und Armen  . . . . . . . . 78

5. Scheinbare und wirkliche Alternativen zur Armut  . . . . . . . . 104

Literaturauswahl  . . . . . . . . 129

► Einleitung:

Was ist Armut? Gibt es dafür eine allgemein verbindliche Definition, auf die sich Fachwissenschaftler/innen, Journalist(inn)en und verantwortliche Politiker/innen einigen können?  Existiert Armut etwa auch im wohlhabenden, wenn nicht reichen Deutschland? Falls ja, wie entsteht sie und wer ist davon betroffen oder bedroht? Auf diese und ähnliche Fragen gibt es unterschiedliche, manchmal auch gegensätzliche Antworten, was ebenso der Erklärung bedarf wie das Phänomen selbst. Kann man ihm wirksam begegnen, und wenn ja, welche Gegenmaßnahmen versprechen nachhaltigen Erfolg?

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Der gläserne Beschäftigte

Betriebliche Interessenvertretung kann und muss viel tun

von Laurenz Nurk

Nun ist es so weit. Es gibt den vollkommen durchsichtigen Beschäftigten. Jetzt kann man in die Belegschaft hineinhorchen, Schlüsselstellungen aufzeigen, Meinungsführer und Cliquen herausfiltern, die Arbeitsweise des Einzelnen und die Beziehungen untereinander offenlegen. Das ist Realität im Betrieb geworden, weil nun eine vielfältige Software dazu serienreif geworden ist und schon angeboten wird.

Mit der neuesten Analysesoftware können Arbeitgeber die kompletten innerbetrieblichen Kommunikationsbeziehungen auswerten, die gläserne Belegschaft ist Realität geworden. Nach mehreren Datenschutzskandalen in jüngerer Vergangenheit ist der Arbeitnehmerdatenschutz wieder in den Fokus gerückt.

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Doch die betriebliche Interessenvertretung kann und muss der Auswertung der riesigen Datenberge in den Unternehmen auch in Zeiten von Social Media und Big Data einen Riegel vorschieben. Für die praktische Betriebs- oder Personalratsarbeit kann die folgende Checkliste eine große Hilfe sein und auch eine Möglichkeit bieten, sich in das komplizierte Thema einzuarbeiten.

Es handelt sich bei den neuen Überwachungsmöglichkeiten nicht – wie Arbeitgeber oft beschwichtigend meinen -, um harmlose Suchtools, die lediglich das Auffinden von Dateien und Dokumenten erleichtern. Es sind hoch leistungsfähige Programme entstanden, die genaueste Auswertungen ermöglichen.

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