An sauberen Händen besteht kein Mangel: Gesinnungsethiker sind Legion.
Vom Glück, Gesinnungsethiker zu sein
► Eine Polemik von Dr. Leo Ensel | für die Online-Zeitung INFOsperber
Ich wäre auch gerne Gesinnungsethiker. Ich stelle mir das richtig toll vor. Es muss ein gutes Gefühl sein, immer auf der richtigen Seite zu stehen. Mit flammender Leidenschaft das Böse und die Bösen anklagen. Die Lauen aufrütteln und ihnen ins Gewissen reden. Keine Nacht würden sie mehr schlafen. Das gesamte Elend dieses Planeten – ich würde es liebend gerne auf meine schmalen Schultern laden. Und die ganze Welt würde es sehen!
Nie mehr wäre ich allein. Eine ganze Partei, die gerade bei Wahlen von einem Triumph zum nächsten eilt, würde mir Rückhalt geben. Und die nötige Infrastruktur dazu. Ich wäre angesehen. Meine Reputation wäre impeccable. Mit zunehmendem Alter würde man mich mit Ehrungen überhäufen. Und sollte irgendwann doch noch die Katastrophe eintreten, sollte das Böse, sollten die Bösen eines Tages doch obsiegen – mein Gewissen wäre rein. Alles nicht in meinem Namen. Ich jedenfalls hätte rechtzeitig davor gewarnt.
Ja, es wäre schon schön, Gesinnungsethiker zu sein.